Alfred Bekker Grusel-Krimi #11: Dämonenrache

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2018.

Inhaltsverzeichnis

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Alfred Bekker Grusel-Krimi #11

Dämonenrache

Copyright

Prolog

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Alfred Bekker Grusel-Krimi #11

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Übernatürliche Wesen bedrohen die Welt. Dämonen suchen die Menschen heim – und mutige Dämonenjäger begegnen dem Grauen...

––––––––

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ALFRED BEKKER IST EIN bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Titebild: Klaus Dill

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Dämonenrache

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von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht  Taschenbuchseiten.

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Prolog

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Es gibt so viele Welten im Polyversum... Und manchmal ist der metamagische Übergang kaum zu spüren. Die Dämonen der Dämmerung – oder welchen Namen wir dem Bösen auch immer geben mögen, existieren überall. Und bisweilen stand ich auf der Seite der Dunkelheit – oder zumindest nicht immer eindeutig dort, wo der Schein des heiligen Lichtes hinreicht... Manchmal ist die Magie eine mächtige Waffe des Guten, mitunter aber wirkt nur die Dunkle Kraft der Finsternis und ich bin gezwungen, sie einzusetzen...“

Aus den Kristalljournalen des David Murphy, aufgefunden in der Schädelhöhle von Maskatan, irgendwo im Limbus zwischen den Dimensionen und jenseits von Raum und Zeit

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1

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Nacht.

Nebel hing über der San Francisco Bay und kroch vom Hafen her in die Stadt herein, quoll durch die engen Straßenschluchten wie die Tentakel eines vielarmigen Monstrums, dass es sich zum Ziel gemacht hatte, die Stadt auf seine Weise zu erobern.

Murphy hatte sich vom Taxi in der Pell Road absetzen lassen.

Dort gab es eine Latino-Bar mit dem nicht gerade fantasievollen Namen BUENA SUERTE.

Murphy sah die Neonreklame des Ladens bereits blinken.

Eine kleine Bar, in der ab und zu ein paar Schöne der Nacht nackte Tatsachen präsentierten.

Murphy erreichte das Lokal, zog sich die Jacke zu, weil es jetzt empfindlich kühl wurde. In der Seitentasche ruhte seine Hand. Normalerweise hatte er dort eine SIG Sauer P226 stecken, die sich inzwischen als Standardmodell bei den meisten amerikanischen Polizeibehörden durchgesetzt hatte. Dann war man wenigstens mit seinen potentiellen Gegnern auf gleicher Ebene, was die Feuerkraft anging!, hatte Murphy immer gedacht.

Aber jetzt hatte er die Waffe nicht bei sich.

War zu riskant, bei dem, was er vorhatte. Und außerdem brauchte er sie jetzt eigentlich auch nicht mehr. Nicht, seitdem er jenes geheimnisvolle Amulett der Dunkeldämonen besaß, dass ihm unheimliche Kräfte verlieh... Jenes Amulett mit der Seele eines Mörders. Es passt zu dir!, dachte Murphy. Du bist ja auch ein Mörder. Ein Killer, der für Lohn jeden ausknipst, von dem irgendein großer Hai glaubt, dass er es verdient hat. Hitman, so war die gängige Bezeichnung für einen wie ihn.

Nein, erinnerte sich Murphy. Das war in einem früheren Leben. Und das buchstäblich.

Aber das war ein Thema, über das er im Moment nicht näher nachdenken wollte.

Murphy betrat das BUENA SURTE, ließ sich dabei vom Türsteher geduldig filzen. Schon deswegen war es besser gewesen, keine Waffe dabei zu haben. Jaime Fernandez, der Besitzer, war in diesen Dingen nämlich ziemlich empfindlich, seit ihm vor drei Jahren der Laden von Unbekannten angezündet worden war.

Murphy betrat einen Raum im Dämmerlicht. Auf der Bühne tanzte eine barbusige Schönheit, schaukelte ihre Brüste hin und her und ließ sich von den Gästen Scheine hinter die Bänder ihres String-Tangas stecken. Die Musik war gedämpft und kam von einem ausgeleierten Band. Latino-Pop natürlich. Jaime Fernandez wusste, was er seiner Kundschaft schuldig war.

Murphy ging zur Bar.

Der Keeper war groß, bullig und wog mindestens zweihundert Kilo. Der Schnauzbart verdeckte den Mund. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Seehund.

"Einen Tequila", sagte Murphy.

"Muy bien. Wenn's weiter nichts ist!"

"Ist der Boss noch im Laden?"

"Que quieres? Was willst du von ihm?"

"Ihm ein Geschäft vorschlagen."

Der Seehund blickte zur Seite. An einem Nebenausgang stand ein schmächtiger Kerl im grauen Anzug, dessen Haar mit Pomade an den Kopf geklebt war. "Dónde está el jefe?", fragte der Seehund.

"El jefe no está allí!"

Murphys Blick wurde schmal.

Er langte über die Theke, griff nach dem Hemdkragen des Seehunds und zog ihn zu sich heran.

"Hör zu, es ist mir egal, wo Fernandez jetzt steckt, ich will, das er hier aufkreuzt und sich anhört, was ich ihm zu sagen habe! Er ist mir nämlich einen Gefallen schuldig!"

"Eres tonto!"

"Du bist tonto, wenn du nicht machst, was ich sage! Dann wird nämlich dein eigener Boss dir die Fresse so polieren, dass du nie wieder einen Zahnarzt brauchst!"

Murphy ließ ihn los.

Der Seehund rieb sich den Hals.

Der Schmächtige kam herbei.

"Hay problemas?"

"De nada!", murmelte der Seehund.

Murphy wandte sich an den Schmächtigen. "Sag Mr. Fernandez, dass Murphy hier ist. Dann wird er seinen Arsch schon hochkriegen. Comprendido?"

Der Seehund nickte dem Schmächtigen zu, unter dessen Jackett sich deutlich eine Waffe unter der Achsel abzeichnete. Wenn man wollte, dass so ein Schießeisen nicht auffiel, musste man eine Nummer größer tragen. Murphy wusste das aus seiner langjährigen Hitman-Erfahrung. Dieser Mini- Rambo offenbar nicht.

"Warten Sie hier!", sagte der Schmächtige und verschwand durch einen Nebeneingang.

Wenig später kehrte er zurück.

"Venga!"

"Wenn das heißen soll, dass Sie mich zu Fernandez führen..."

Der Schmächtige brachte Murphy in einen schmalen Korridor. Murphy kannte sich aus. Er war schon des Öfteren hier gewesen, wenn er neue Papiere brauchte. Das BUENA SUERTE diente nur der Tarnung und der Geldwäsche für Einnahmen aus dem illegalen Sektor. Fernandez' eigentliches Geschäft war nämlich das Fälschen von Dokumenten aller Art. In erster Linie natürlich Pässe, Führerscheine und Sozialversicherungskarten. Fernandez war perfekt darin, einer der Besten. Er konnte einem eine regelrechte Identität besorgen, mit der man unbehelligt existieren konnte. Immer wieder hatte Murphy in seiner Eigenschaft als Lohnkiller die Dienste dieses Mannes in Anspruch nehmen müssen.

Und jetzt brauchte er sie dringender denn je.

Schließlich war Murphy offiziell tot.

Hingerichtet mit der Giftspritze. Es gab einen Totenschein und Dutzende von Medienberichten, in denen über die Hinrichtung informiert worden war. Eine Mafia-Bestie vor dem großen Richter im Himmel... Da ließ sich eine Story draus machen.

Und wenn so jemand wieder auftauchte, machte das Aufsehen.

Es war unter diesen Umständen nicht daran zu denken, eine Wohnung zu mieten, ein Hotelzimmer zu beziehen, einen Wagen zu leihen, sich eine Waffe zu besorgen... Jedenfalls nicht ohne dass jemand Fragen stellte und versuchte, der Sache auf den Grund zu gehen.

Murphy brauchte eine Tarnung.

Und Fernandez sollte sie ihm geben.

Der Besitzer des BUENA SUERTE war auch noch aus einem anderen Grund wie prädestiniert für dieses Geschäft. Er war nämlich von der Mafia-Größe Rico Altobelli vor Jahren übel maltraitiert worden. Der Brand im BUENA SUERTE war wahrscheinlich von Altobellis Leuten gelegt worden. Das hatte erst aufgehört, als Fernandez sich vom Syndikat der Puertoricaner hatte schützen lassen.

Murphy betrat das Büro.

Es sah chaotisch dort aus. Bierdosen standen überall herum. Es roch nach Pizza. Ein halbes Dutzend Schachteln türmte sich auf dem Schreibtisch. Ein Fernseher lief.

Fernandez saß dahinter, die Füße auf dem Tisch.

Er blätterte einen Ordner mit Kontoauszügen durch, zuckte dann zusammen als er Murphy sah.

Murphy grinste.

"Du hast wohl nicht damit gerechnet, mich nochmal zu sehen, was?"

"Madre de Dios!", stieß Fernandez hervor.

"Ich wusste gar nicht, dass du religiös bist!"

"Wenn man dich so sieht, Murphy, dann wird man's wieder!!" Er blickte kurz zum Fernseher, starrte dann wieder Murphy an. "Schließlich hieß es doch ziemlich laut und vernehmlich, dass man dich für deine Schandtaten über den Jordan geschickt hat!"

"Totgesagte leben länger!"

"Hey, Hombre! Das musst du mir erklären! No puedo creerlo!"

"Ich muss gar nichts!"

"Ich kann das nicht glauben, Murphy! Du bist mit Gift vollgepumpt und von mehreren Ärzten für tot erklärt worden und stehst jetzt vor mir! Jesús! No es possible!"

Murphy dachte nicht im Traum daran, auch nur eine Silbe über das zu verlieren, was geschehen war. Kein Wort über das Eingreifen der Dunkeldämonen, die ihn auf ihre dem Untergang geeweihte Welt Lykoor geholt hatten. Kein Wort darüber, dass der Killer Murphy jetzt im Auftrag dieser fremden Wesenheiten agierte, die die Erde als ihren neue Heimat zu erobern trachteten. Diese Geschichte war so fantastisch, dass Murphy manchmal selbst Zweifel daran hatte, ob es sich um die Wirklichkeit handelte, was er erlebt hatte. Oder nur um einen eigenartigen Traum.

"Ich brauche Papiere", sagte Murphy sachlich. Seine Stimme klirrte wie Eis.

Fernandez wandte einen Blick zu dem Schmächtigen, der sich neben der Tür postiert hatte.

"Vaya!"

"Sí, Señor Fernandez!"

Der Schmächtige verließ den Raum, bedachte Murphy zuvor noch mit einem halb ungläubigen, halb misstrauischen Blick.

Fernandez lehnte sich zurück.

Murphy deutete auf die Pizza-Packungen.

"Wissen die Puertoricaner eigentlich, dass du den Fraß der Konkurrenz zu dir nimmst!"

"Mierde! Lass uns Klartext reden, Murphy!"

"Da bin ich auch immer für!"

"Also, was willst du? Que quisiera?"

"Papiere."

"Das sagtest du bereits."

"Mehrere Sätze natürlich."

"Du willst endgültig abtauchen!"

"Nein, ich habe einen Job."

Murphy genoss das Erstaunen in Fernandez' Gesicht.

"Wer dich unter diesen Umständen anheuert, muss verrückt sein!"

"Ich werde Altobelli töten. Und wenn du das herumerzählst, habe ich nichts dagegen. Er soll ruhig etwas ins Grübeln kommen..."

"Cooles Amulett hast du da am Hals..."

"Weich mir nicht aus, Fernandez!"

"Tu ich das?"

"Sag mir lieber, wann ich die Papiere bekomme!"

Fernandez schwieg.

Er starrte zum TV. Seine Augen wurden schmal. Er drehte lauter. Eine brünette Reporterin stand vor dem Bildschirm.

"...die Polizei steht vor einem Rätsel. Ich stehe hier in der Ecke Delaware/Dolores Street. Der ganze District ist abgesperrt, man kommt nicht durch, aber so viel ich erfahren konnte, verdichten sich Gerüchte, dass tatsächlich mehrere Straßenzüge in dieser Gegend komplett entvölkert sind..."

Unter der linken Brust erschien eine Einblendung.

'Sarah McCall für Frisco TV.'

Ein kleines Fenster war in der Ecke rechts oben zu sehen. Es zeigte den Moderator. Die Unterzeile lautete: 'Tom Dressel im Studio.'

"Stimmt es, dass es bislang keinerlei offizielle Verlautbarungen des San Francisco Police Department dazu gibt?", fragte Tom Dressel.

"Das ist richtig, Tom Dressel. Man scheint hier irgend etwas unter der Decke halten zu wollen. Ich habe mit Leuten gesprochen, die Angehörige in den betroffenen Straßenzügen haben und sich nicht erklären können, wo die Verschwundenen abgeblieben sind. Ein Mann sagte mir völlig aufgelöst, er sei nur kurz ein paar Blocks weiter gefahren, um sich eine Schachtel Zigaretten in einem 24 hours Supermarket zu kaufen und als er zurückkehrte, waren die Straßen wie ausgestorben. Er alarmierte dann die Polizei, die allerdings wohl erst mit erheblicher Verzögerung reagierte."

Fernandez drehte den Ton leiser.

"Kaum zu glauben", meinte er. "Da kann man glatt auf die Idee kommen, dass die sich das nur ausdenken. So wie die Story letzte Woche von dem Krokodil in der Kanalisation des Russian District..."

"Du bist 'ne feige Ratte, Fernandez!", sagte Murphy. "Du drückst dich um eine Antwort auf meine Frage herum."

"Du kennst sie doch längst, Murphy. Es gibt keine Papiere. Und wenn du versuchst, mir die Knochen zu brechen, rufe ich meine Leute."

Murphy verzog das Gesicht.

"Ich bekomme richtig Angst!"

Fernandez beugte sich vor, sprach jetzt in gedämpftem Tonfall, während Tom Dressel im TV ein paar umständliche Fragen formulierte, um damit etwas Zeit bis zur Werbung zu schinden.

"Hör mir zu, Murphy! Ich bin aus dem Geschäft! Die Bullen haben mich in der Hand."

"Du arbeitest als Spitzel für die?"

"Blieb mir nichts anderes übrig!"

"Das darf nicht wahr sein!"

"Und selbst, wenn ich noch im Business wäre, könnte ich dir nicht helfen. Aber ich geb' dir'nen heißen Tip."

"Na, großartig!"

"Geh zu einem Chinesen Namens Mr. Tang. Dessen Pässe sind auch nicht schlechter als die meinen früher waren. Aber Mister Tang kann Altobelli die Stirn bieten und wird dich nicht gleich an ihn verkaufen!"

Murphy nickte langsam. Wut kochte in ihm auf. Aber Fernandez' Argumentation leuchtete ihm ein. "Offenbar habe ich dich unterschätzt, Fernandez."

"Offensichtlich."

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2

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FERNANDEZ WÄRE DAS PERFEKTE OPFER GEWESEN, meldete sich eine Gedankenstimme in Murphys Bewusstsein, während er durch die nebligen Straßen des nächtlichen Frisco ging.

Murphy kannte sie nur zu gut.

Es war die Stimme YYNDRONS, dessen Seele in dem Amulett gefangen war, mit dem die Dunkeldämonen Murphy ausgestattet hatten.

Dem Abrash'dala...

In seiner Welt, der Welt der Dunkeldämonen, war Yyndron ein Mörder gewesen. Eine Gemeinsamkeit zwischen uns, dachte Murphy. Aber ansonsten empfand er dieses fremde Bewusstsein, dass sich hin und wieder erdreistete, dem Hitman Ratschläge zu geben, als einen Eindringling. Es gefiel ihm nicht, dass da jemand war, der zu seinem Innersten Zugang hatte.

Du spinnst!, antwortete Murphy in den Gedanken.

WANN WILLST DU DENN IN DER BEHERRSCHUNG DER ABRASH'DALA-KRÄFTE FORTSCHRITTE MACHEN? DU KANNST NICHT EWIG DAMIT WARTEN,MURPHY. AUCH WENN DU DAVOR ZURÜCKSCHRECKST, WEIL DU NICHT WEISST, WAS IN DIESEM AMULETT UM DEINEN HALS ALLES SCHLUMMERT.

Niemand braucht mir zu sagen, wie das Töten funktioniert!, erwiderte Murphy.

SO? WIRKLICH? GEGEN ALTOBELLI BIST DU NICHT GEWAPPNET. UND AN FERNANDEZ UND SEINEN LEUTEN HÄTTEST DU HERVORRAGEND TRAINIEREN KÖNNEN.

Ich töte nicht sinnlos.

DAS HAST DU BEREITS.

Du meinst die Dunkeldämonen, die man mir gewissermaßen als Sparring-Partner vor die Nase setzte...

JA!

Ich denke nicht gern daran.

EIN MÖRDER MIT SKRUPELN?

Ein Aspekt, der uns zu unterscheiden scheint.

WER SAGT DENN, DASS ES SINNLOS GEWESEN WÄRE, DIE ABRASH'DALA-KRÄFTE AN FERNANDEZ UND SEINEN LEUTEN ZU TESTEN?

Schweig!

Einmal hatte Murphy zuvor die Wirkung des Abrash'dala gespürt und in der Praxis ausprobiert. Die Dunkeldämonen hatten ihn dazu gezwungen, ihm einige der ihren als Gegner gegenübergestellt.

Und Murphy hatte sie besiegt.

Nahezu unglaubliche Reflexe, Schnelligkeit und Kraft hatten ihn erfüllt. Er erinnerte sich an diesen im wahrsten Sinn des Wortes mörderischen Rausch nur ungern. Wie eine vernebelte Erinnerung an ein Drogenerlebnis erschien ihm das. Vor einigen Jahren hatte ihm mal jemand, der es nicht so gut mit ihm meinte, einen Wirkstoff eingeflößt, der auch in vielen Designerdrogen vorkam und ihn dann stundenlang ziellos durch die Stadt hatte irren lassen. Ein Horrortrip, der ihm noch heute das kalte Grausen bereitete, wenn er nur daran dachte.

Er hatte damals ein verdammt großes Glück gehabt, dass er nicht umgekommen war.

Diese Stadt ist ein Dschungel, dachte Murphy. Ein Dschungel voller wilder Tiere. Und zu einem der wildesten wirst du jetzt gehen müssen, um es um einen Gefallen zu bitten...

SO DENKST DU ÜBER MISTER TANG?, kommentierte Yyndron, der Mörder einer anderen Welt mit mehr als nur einem Schuss Sarkasmus. Murphy glaubte in seinem Hinterkopf eine Art zynisches Lachen zu hören.

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Ein paar Tage später...

Fünf Uhr morgens.

Die letzten Gäste hatten das BUENA SUERTE verlassen. Der Barkeeper saß zusammen mit dem schmächtigen Leibwächter an einem der Tische und zählte die Einnahmen.

Mona, das Strip-Girl, das zuletzt aufgetreten war, kam aus der Garderobe. Die perfekte Figur zeichnete sich deutlich unter dem engen Rolli und der Jeans ab. Fernandez stand etwas abseits, sah seinen Leuten beim Geldzählen zu. Er wirkte müde und nachdenklich.

"Was ist los, Mr. Fernandez?", fragte Mona, als sie bei ihm stehen blieb.

Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

"Lass dir dein Geld auszahlen und verschwinde!"

"War ja nur 'ne Frage!"

"Caramba! No preguntame! Geh mir mit deinen Fragen nicht auf die Eier, Muchacha!"

Mona sah ihn etwas befremdet an. Sie strich sich das schwarzblaue Haar nach hinten. Einen Augenblick lang starrte Fernandez auf ihre wohlgerundeten, üppigen Brüste, die sich unter dem Rolli hervorzeichneten. Aber im Moment hatte er nicht einmal daran Freude.

Er ahnte nämlich, dass sich ein Gewitter über ihm zusammenzog.

Alles hatte damit angefangen, dass ein gewisser Murphy quasi aus dem Jenseits zurückgekehrt war. Murphy, der hingerichtete Hitman, dessen Seele in die Hölle gehörte. Killer Murphy, gekillt von einem noch größeren Killer, der statt einer SIG Sauer P226 oder der guten alten Beretta die Justiz als Waffe benutzt hatte.

Mona ging zu dem Schmächtigen an den Tisch, ließ sich ihre Gage auszahlen, wollte dann in Richtung des Ausgangs gehen, in dessen Nähe ein riesenhafter Kahlkopf, der für Fernandez als Rausschmeißer arbeitete, an der Alarmanlage herumprogrammierte.

Was dann geschah ging sehr schnell.

Der Kahlkopf wirbelte herum.

Er zuckte wie eine Puppe.

Mehrfach.

Eine Sekunde später lag er ausgestreckt auf dem Boden, hatte ein rundes, rotes Loch zwischen den Augen, eins in der Brust. Zwei Schusswunden, aus denen Blut hervorsickerte und sich in einer immer größer werdenden Lache auf den Boden ergoss. Die Parkettlackierung verhinderte, dass es aufgesogen wurde oder versickern konnte.

Die Hand des Kahlkopf steckte unter der Jacke, hatte sich um den Griff eines 4.57er Magnum-Revolvers gekrallt, es aber nicht mehr geschafft, die Waffe herauszureißen.

Der Angriff war einfach zu schnell erfolgt.

Ein Mann mit einer Schalldämpferpistole stand in der Tür. Er trug einen dunklen Anzug, die Jacke mit fünf Knöpfen, so dass sie fast bis oben hin geschlossen war. Darunter einen ebenfalls dunklen Rolli. Er sah aus wie ein Existenzialist. Oder ein Reverend.

Der schmächtige Leibwächter sprang auf.

Der Barkeeper ebenfalls.

Der Tisch wurde angestoßen. Die Tageseinnahmen des BUENA SUERTE fielen zu Boden.

Beide Männer griffen zu den Waffen, die sie am Gürtel trugen.

Der Barkeeper hatte einen kurzläufigen Smith & Wesson-Revolver vom Kaliber 38 in der Faust. Normalerweise trug er ihn so unter seiner Weste, dass er den Gästen gleich auffiel, dennoch aber schnell zu ziehen war.

Ein Schuss löste sich aus seiner Waffe, krachte eine Handbreit über den 'Reverend' in den Türsturz hinein. Holz splitterte.

Der 'Reverend' schwenkte seine Waffe herum.

Ein Geräusch wie ein kurzes Niesen oder Schlag mit einer Zeitung, mehr nicht. Das Mündungsfeuer leckte wie die Feuerzunge eines Drachen aus dem Schalldämpfer heraus.

Der Barkeeper bekam einen Treffer ins linke Auge.

Er wurde nach hinten gerissen, taumelte und fiel dann der der Länge nach zu Boden.

Der Schmächtige bekam gar nicht erst die Gelegenheit, zu feuern.

Er hatte seine Waffe gerade in den beidhändigen Combat-Anschlag genommen, da ging ein Ruck durch seinen Körper.

Er fiel vornüber, klappte zusammen wie ein Taschenmesser.

Der Schmächtige war von hinten erschossen worden.

Auf der Bühne, auf der sonst ein paar knackige Girls ihre Reize zur Schau stellten, stand jetzt ein weiterer Mann, der wie ein Zwilling des 'Reverends' aussah. Zumindest von der Kleidung her gesehen.

Auch er hatte eine Schalldämpferwaffe in den Fingern.

Fernandez stand wie erstarrt da.

Er hatte kein Schießeisen bei sich, konnte auch nicht gut genug damit umgehen. Um sich zu schützen, hatte er schließlich Leute, die dafür bezahlt wurden.

Der zweite Mann musste durch einen der Hintereingänge hereingekommen sein.

Fernandez fragte sich, was mit seinen anderen Angestellten war, die sich zu diesem Zeitpunkt noch im Gebäude befunden hatten.

Wenn man von der kompromisslosen Art des Vorgehens ausging, die die beiden Männer in Schwarz an den Tag gelegt hatten, dann gab es nur einen logischen Schluss. Fischfutter!, dachte Fernandez. Diese Schweine haben jeden umgebracht, der sich ihnen in den Weg stellte! Er zitterte. Er ahnte, dass er der Nächste sein würde.

Mona stieß einen spitzen Schrei aus.

Ein Fehler.

Der Killer auf der Bühne brachte sie mit einem Schuss zum Schweigen.

Sie krachte auf einen der Tische, krallte sich noch an der Kante fest und riss ihn mit um.

"Unser Boss kann Krach nicht leiden!", sagte der Killer auf der Bühne.

Der 'Reverend' an der Tür trat auf Fernandez zu, postierte sich etwas seitwärts.

Er wandte sich kurz zur Tür. "Sie können hereinkommen, Mr. Altobelli!"

Der Mann, der jetzt in Begleitung von drei Leibwächtern eintrat trug ein edles Kaschmir-Jackett. Er ließ den Blick schweifen, verzog das Gesicht, als er die Leichen sah.

Dann ging Altobelli auf Fernandez zu, stellte sich neben ihn an die Bar.  "War 'ne Scheiß-Idee von dir, deinen Schutz den Puertoricanern anzuvertrauen, Fernandez. Du siehst ja, dass die Brüder nicht auf Zack sind. Aber den Eindruck habe ich schon lange, das wundert mich nicht weiter."

Fernandez schluckte.

Sein Gesicht war aschfahl.

Altobelli langte blitzschnell nach vorn, erwischte Fernandez' Nase, drehte sie herum und zog den Besitzer des BUENA SUERTE zu sich heran. Fernandez knallte mit dem Kopf auf den Schanktisch, schrie auf, als es in seiner Nase knackte. Das Blut schoss nur so heraus.

Altobelli sah sich seine besudelte Hand an und wischte sie an Fernandez' Jacke ab.

"Du bist 'nen Ferkel, Fernandez!"

"Was soll das, Mann! Ich habe dir nichts getan! Was willst du überhaupt?"

"Es geht um jemanden, der eigentlich tot sein sollte!"

Fernandez hielt sich die Nase. Das Blut rann ihm am Handgelenk herunter.

"Ich glaube nicht an Zombis, Hombre!"

"Ich auch nicht. Aber dieser war hier. Er heißt Murphy und du weißt von wem ich rede!"

"Mr. Altobelli... Meine Nase! El sangre.. mierde!"

"Kümmer dich nicht um deinen verdammten Zinken. Wenn du unter der Erde liegst, brauchst du kein Riechorgan mehr! Aber je nachdem, wie auskunftsfreudig du bist, kann es sehr lange dauern, bis du im Jenseits ankommst, Fernandez!"

Der 'Reverend' steckte seine Schalldämpferpistole weg, knöpfte dafür seine Jacke auf und holte einen handelsüblichen Elektroschocker hervor.

"Soll ich anfangen, Boss?"

"Fang an!"

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4

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Die mit chinesischen Schriftzeichen bemalten Lampions spendeten etwas Licht. Es herrschte Halbdunkel. Der dicke Mann sah aus wie ein großer Buddha. Murphy schätzte sein Gewicht auf zweihundert Kilo. Rechts und links hinter ihm hatten sich zwei Leibwächter postiert, ausgerüstet mit Uzi-Maschinenpistolen. Ihre Gesichter wirkten ausdruckslos.

Der legendäre Mister Tang!, ging es Murphy durch den Kopf. Er hatte schon viel von ihm gehört. Und er wusste, dass Tangs Leute die Todfeinde von Rico Altobelli und seinem Clan waren. Verbissen kämpften sie um Marktanteile in den verschiedenen illegalen Geschäftszweigen: Drogen, Glückspiel, Schutzgeld, Müll...

Mister Tang legte einen braunen Umschlag auf den Tisch.