Cover

Über dieses Buch:

Aufregung in Schloss Neuenberg: Die temperamentvolle Baroness Julia ist nach dem Abitur aus dem französischen Internat nach Hause zurückgekehrt – und bringt neue und unerhörte Ansichten mit. Sie ist nicht bereit, die wohlerzogene Tochter zu spielen, die für jeden vermögenden Fürsten eine perfekte Ehefrau sein kann. Statt freundlich mit dem Mann zu plaudern, den ihr Vater für sie ausgesucht hat, liefert sie sich lieber hitzige Wortduelle mit dem attraktiven Carsten von Medelheim – doch der hat den zweifelhaften Ruf, ein Playboy zu sein. Kann das gutgehen?

Über die Autorin:

Claudia von Auersberg, geboren 1957, schreibt seit 20 Jahren Romane in den unterschiedlichsten Genres und unter den unterschiedlichsten Pseudonymen. Bei dotbooks erscheint auch ihr FÜRSTENHERZ-Roman Clarissas Weg ins Glück.

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Überarbeitete Neuausgabe Juni 2014

Dieses Buch erschien bereits 1986 unter dem Autorenpseudonym Claudia von Sternberg.

Copyright © der Originalausgabe 1986 Martin Kelter Verlag GmbH & Co.

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: init | Kommunikationsdesign, Bad Oeynhausen, unter Verwendung eines Motivs von thinkstockphotos, München

ISBN 978-3-95520-613-0

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Claudia von Auersberg

Der Playboygraf

Ein Fürstenherz-Roman

dotbooks.

Kapitel 1

»Du solltest jetzt besser nicht hineingehen, Bodo.«

Die Stimme Katharina Sailers ließ Bodo Maurer unwillkürlich innehalten. Mit dem silbernen Tablett, auf dem eine feingeschliffene Karaffe Portwein eines erlesenen Jahrganges stand, drehte er sich um und schaute die würdig wirkende Frau an. Katharina Sailer war schon seit Jahren die Chefin über das gesamte Personal im Wohntrakt des prächtigen Schlosses der Familie Neuenberg. Wenn sie etwas sagte, dann hatte das meistens Hand und Fuß.

»Baron Stefan hat diesen Portwein doch bestellt«, versuchte es der livrierte Diener erneut. »Er wird schon darauf warten …«

»Dann geh in Gottes Namen«, fügte Frau Sailer hinzu. »Im Moment geht es da drinnen aber ziemlich hitzig her. Deshalb stell den Wein in der Nähe des Kamins ab und komm so schnell wie möglich wieder heraus. Familienangelegenheiten hat Baron Stefan immer zügig geklärt.«

Bodo nickte. Er hatte schon eine Vorahnung von dem, was im Blauen Salon, dem Ratszimmer der Familie Neuenberg, gerade stattfand. Mit großer Sicherheit ging es dabei um die am nächsten Morgen stattfindende Fuchsjagd. Zahlreiche Honoratioren und Gäste wurden zu diesem wichtigen Anlass erwartet, und da hieß es natürlich eine Menge Vorbereitungen treffen. Wie er selbst mitbekommen hatte, waren der Baron und seine Gattin Elvira schon seit Tagen mit nichts anderem beschäftigt, als Einladungen zu verschicken und die Gästeliste der Zusagenden anschließend zu überprüfen. Die alljährlich stattfindende Fuchsjagd war schon zu einer Zeremonie auf Schloss Neuenberg geworden. Etwas, was zu den gesellschaftlichen Anlässen gehörte wie beispielsweise das Tennisturnier in Filderstadt, wo auch die Neuenbergs eine Dauerkarte hatten.

Noch bevor sich Bodo der kunstvoll geschnitzten Eichentür zum Blauen Salon näherte, hörte er die hitzig klingende Stimme des Barons. Wenn Stefan von Neuenberg so aufgeregt klang, dann war meistens seine zwanzigjährige Tochter Julia schuld daran. Die junge Baroness, die gerade ihr Abitur hinter sich hatte und sich fest in den Kopf gesetzt hatte, Sport zu studieren, besaß einen ziemlichen Dickkopf. Seit sie aus dem französischen Internat zurückgekehrt war, hatte sie schon des Öfteren für turbulente Abwechslung auf Schloss Neuenberg gesorgt – sehr zum Ärger ihres Vaters natürlich, der es gerne gesehen hätte, wenn sich Julia auch ein wenig für die gesellschaftlichen Verpflichtungen der Familie interessiert hätte.

Aber das war leider nicht der Fall. Das französische Internat hatte wohl mit dazu beigetragen, dass die junge Baroness ein wenig freizügiger lebte, als es in ihrem Adelsstand angebracht war. Kein Wunder, dass Baron Stefan manchmal der Kragen platzte.

Bringen wir es hinter uns, sagte sich Bodo, während er dezent anklopfte, in der Hoffnung, diesen Salon so rasch wie möglich wieder verlassen zu können.

Kapitel 2

»Meine liebe Julia«, sagte Baron Stefan von Neuenberg, »so, wie du dir das vorstellst, geht das nun wirklich nicht. Was glaubst du, wie sehr du mich damit kompromittierst? Was soll ich meinen Gästen sagen, wenn sie sich beim anschließenden Sektempfang auf der Schlossterrasse nach dir erkundigen? Soll ich ihnen vielleicht antworten, dass du zum Tennisspielen gegangen bist?«

Seine Stirn zog sich in Falten, als er sich aus dem schweren Ledersessel erhob und vor dem Kamin auf und ab ging. Seiner Miene war deutlich anzusehen, wie sehr er das Verhalten seiner Tochter missbilligte. Er warf seiner Gattin Elvira einen kurzen Blick zu, doch die zuckte nur mit den Achseln.

»Robert, würdest du bitte deiner Schwester klarmachen, wie sehr sie ihre Eltern bloßstellt, wenn sie sich so verhält?«, richtete er dann das Wort an seinen Sohn, der unweit vom Kamin stand. »Ich sehe einfach keine Möglichkeit mehr. Gütiger Gott, weshalb ist es nur so weit gekommen?«

»Vater, ich habe dir bereits meinen Standpunkt klarzumachen versucht«, meldete sich Baroness Julia zu Wort und griff damit ihrem Bruder Robert vor, der bereits zum Sprechen angesetzt hatte. »Was soll ich auf diesem Empfang? Du weißt doch, wie sehr ich es hasse, mit diesen älteren Herrschaften Konversation über nichtssagende Dinge zu führen. Da gehe ich doch wirklich lieber Tennis spielen. So kann ich wenigstens sicher sein, dass du nicht auf die Idee kommst, mich mit einem von diesen scheintoten älteren Herrschaften verheiraten zu wollen.«

Baron Stefan von Neuenberg wurde bleich. Während sein Sohn Robert Mühe hatte, ein Grinsen zu unterdrücken, wurde er umso aufgeregter. Fassungslos schüttelte er den Kopf, als er Julia so reden hörte. Solche Worte schickten sich nicht für eine junge Baroness, die in einem guten französischen Internat zur Schule gegangen war.

Gerade wollte er etwas sagen, als er das Klopfen an der Tür vernahm.

»Was ist denn?«, rief er unwillig. »Herein!«

Seine Stimme klang aggressiver, als er es ursprünglich beabsichtigt hatte. Bodo war es, der den bestellten Portwein brachte. Das hatte er in dem ganzen Wirbel der Auseinandersetzung vollkommen vergessen.

»Der Portwein, Baron«, sagte Bodo und trat ein.

»Stellen Sie ihn drüben beim Kamin ab, und lassen Sie uns allein, Bodo«, sagte der Baron mit einem kurzen Nicken und wartete ab, bis der Diener den Blauen Salon wieder verlassen hatte. Dann blickte er zu seiner Tochter.

»Kind, jetzt werde aber langsam vernünftig«, schnaubte er mit zunehmendem Groll. »Wundert es dich, wenn deine Mutter und ich uns mit Recht Sorgen über dich machen? Seit du wieder zurück bist, hast du dir einen Lebenswandel zugelegt, der – unter uns gesagt – deiner Würde und deinem Adelsstand nicht entspricht. Du solltest dich besinnen, dass du eine Neuenberg bist, und dieser Name verpflichtet zu etwas.«

»Vater hat recht, Julia«, meldete sich Elvira von Neuenberg zu Wort. »Ich habe zwar nichts dagegen, wenn du dich mit Freunden triffst, aber du darfst unsere Gesellschaft hier nicht total verleugnen. Du bist nun in einem Alter, wo wir uns darüber Gedanken machen müssen, wie dein weiterer Lebensweg aussieht. Nur deswegen macht sich dein Vater Sorgen, glaube mir. Und deswegen würden wir es gerne sehen, wenn du beim anschließenden Empfang nach der Fuchsjagd anwesend bist.«

»Fürst Richard von Hohenlohe wird sich ebenfalls freuen«, fuhr Baron Stefan fort. »Seit seinem letzten Besuch hat er nur noch von dir gesprochen. Er möchte sich gerne mit dir unterhalten, wenn du ihm Gelegenheit dazu gibst. Fürst Richard ist einer der angesehensten Würdenträger im ganzen Land, mein Kind.«

»Dieser Greis!«, rief Julia entsetzt und sprang auf. Ihre Blicke schweiften zwischen Vater und Mutter hin und her. »Ihr erwartet doch nicht etwa, dass ich mich mit so einem langweiligen Menschen abgebe? Und wenn ihr glaubt, dass dieser sogenannte Fürst mein Traummann ist, dann habt ihr euch gewaltig getäuscht.« Julia geriet ebenfalls in Rage. Ihr hübsches Gesicht mit den zwei unergründlichen tiefen blauen Augen begann, Funken zu versprühen. »Vielleicht war es früher Sitte, die Töchter mit ausgesuchten Männern zu verheiraten, aber das ist heute nicht mehr der Fall. Vater, Mutter, wir leben heute in einer anderen Zeit, nehmt das bitte zur Kenntnis. Ich glaube, es ist besser, wenn ich mich jetzt zurückziehe – wie man so schön sagt –, denn ich möchte nicht, dass der Streit noch heftiger wird. Gute Nacht.«

Sie wandte sich abrupt ab und machte Anstalten, den Blauen Salon zu verlassen.

»Julia!« Baron Stefans Stimme klang streng, als er sie aufzuhalten versuchte, doch das war vergebliche Liebesmüh. Julia schlug die Tür hinter sich zu und verschwand.

»Mein Gott!«, stöhnte der Baron und blickte hilfesuchend seine Gattin an. »Elvira, was soll ich nur machen? Julia verhält sich so ganz anders, als ich es erwartet hatte. Haben wir etwas falsch gemacht, als wir sie aus dem Haus gehen ließen und ins Internat schickten? Ich weiß es nicht.«

»Sie wird sich schon mit der Zeit fangen«, versuchte Elvira, ihren Gatten zu trösten. »Robert wird noch einmal mit ihr sprechen. Nicht wahr, Robert?«

Der älteste Sohn nickte. Im Grunde genommen stand er auf der Seite seiner Schwester und konnte sie voll und ganz verstehen. Allerdings durften die Familientraditionen nicht vernachlässigt werden, und die verteidigte er mit seinen achtundzwanzig Jahren mit glühendem Eifer.

»Macht euch keine unnötigen Sorgen«, tröstete er die Eltern. »Gleich morgen früh werde ich mit Julia reden. Jetzt hat es ohnehin keinen Sinn. Sie ist viel zu erregt, um eine vernünftige Unterhaltung führen zu können.«

Kapitel 3

Julia von Neuenberg rannte wütend an Katharina Sailer vorbei, die breite geschwungene Treppe hinauf zu den oberen Räumen des Schlosses, wo sich ihr Zimmer befand. Die grauhaarige Frau blickte der jungen Baroness missbilligend hinterher, aber darum kümmerte sich Julia nicht. Ihr war egal, was die Frau von ihr dachte. Sie war nur wütend, dass ihre Eltern nicht begreifen wollten, welche Vorstellungen vom Leben sie hatte.

Als sie die Tür ihres Zimmers hinter sich zuschlug und verschloss, flaute ihre anfängliche Wut ab, und sie konzentrierte sich ganz auf den nächsten Tag. Gegen sieben Uhr morgens sollten bereits die ersten Gäste eintreffen. Bis neun etwa waren alle versammelt. Ihr Vater wollte dann eine kurze Begrüßungsrede halten, und anschließend ging es los mit der Fuchsjagd.

Julia von Neuenberg war eine leidenschaftliche Reiterin. Schon früh in ihrer Kindheit war sie mit Pferden zusammen gewesen und hatte Reiten gelernt. Auch in dem französischen Internat hatte sie in ihrer Freizeit keine Gelegenheit ausgelassen, um reiten zu können. Zum Glück hatte sich auch dort eine Gelegenheit geboten, denn in unmittelbarer Nähe des Internates befand sich ein altes Rittergut, das sich auf Pferdezucht spezialisiert hatte. Julia war an den Wochenenden dort ein gerngesehener Gast, und als sie wieder zurück nach Deutschland gekommen war, war es ihr sehr schwergefallen, sich von der vertrauten Umgebung zu lösen. Natürlich hatte sie die Chance genutzt und sich gleich im Gestüt auf Schloss Neuenberg umgesehen. Hans Trautmann, der Stallmeister, hatte ihr dabei jede nur erdenkliche Unterstützung zugesagt.

Bevor sie zu Bett ging, trat sie noch einmal ans Fenster und blickte auf den nächtlichen Park mit seinen Bäumen, die das herrschaftliche Schloss umgaben. Eigentlich hatte sie keinen Grund zur Traurigkeit, sondern konnte vielmehr ein Leben führen, um das sie so manches Mädchen in ihrem Alter beneidet hätte. Wer bekam schon Gelegenheit, in einem Schloss zu leben und sich um nichts sorgen zu müssen?

Trotzdem gab es etwas, was Julia Sorgen machte, nämlich die Tatsache, dass ihr Vater einfach nicht lockerließ, sich Gedanken um einen zukünftigen Ehemann zu machen. Wie sie von ihrem Bruder Robert erfahren hatte, befand sich ihr Vater in einigen Schwierigkeiten. Finanzielle Dinge, von denen Julia nicht allzu viel verstand. Aber es mussten gravierende Probleme sein, die irgendwie mit dem Weingut der Neuenbergs zusammenhingen. Mehr als einmal hatte sie mitbekommen, dass ihr Vater des Öfteren äußerst erregt aus der Kelterei zurückgekommen war und sich dabei wütend aufgeführt hatte. Und nun kam der Dickkopf seiner Tochter hinzu. Alles Dinge, die einem Mann wie Stefan von Neuenberg das Leben schwermachten.

Trotzdem werde ich mit diesem arroganten Richard von Hohenlohe kein Wort wechseln, dachte Julia, als sie sich vom Fenster abwandte und zu Bett ging. Der Mann ist doch viel zu alt und weltfremd. Soll er meinetwegen von mir denken, was er will. Mir ist das egal.

Mit diesen Gedanken versuchte Julia einzuschlafen. Trotzdem vergingen einige Minuten, bis die Augen der jungen Baroness endlich zufielen.

Kapitel 4

Stefan von Neuenbergs Blicke huschten hin und her. Ihm entging nicht das Geringste. An diesem Morgen war er schon früh aufgestanden, um sich noch einmal davon zu überzeugen, dass auch alles gut durchgeführt wurde, was er angeordnet hatte. Die Dienerschaft und das gesamte Küchenpersonal des Schlosses hatten somit alle Hände voll zu tun, um den Baron zufriedenzustellen.

In seinem konventionellen Reiterdress – roter Blazer und weiße Hose mit weit ausgestellten Beinen – beobachtete er das geschäftige Treiben seiner Angestellten, die draußen vor der Terrasse ein kaltes Büfett aufgebaut hatten, um die ankommenden Gaste zünftig willkommen zu heißen. Es sollte ihnen an nichts fehlen, deshalb hatte er alles auffahren lassen, was Schloss Neuenberg an kulinarischen Köstlichkeiten zu bieten hatte.

»Wo bleibt Julia denn nur?«, fragte er seine Gattin, die in einem bezaubernden Kleid in einem sanften Pastellton neben ihm stand. »Gleich kommt der Regierungspräsident. Da möchte ich, dass die Familie vollständig ist.«

»Ich werde noch einmal nach ihr sehen«, erwiderte Elvira hastig und wandte sich ab.

Während sie hinter sich die Stimme ihres Mannes vernahm, der Robert zurief, sich um die Getränke und das ganze Zeremoniell am kalten Büfett zu kümmern, hastete die Baronin die Stufen zum Eingang des Schlosses hinauf. Im Foyer traf sie auf Katharina Sailer.

»Haben Sie meine Tochter gesehen, Katharina?«, erkundigte sie sich bei der Haushälterin.

»Sie ist noch oben in ihrem Zimmer, Frau Baronin«, antwortete Katharina Sailer. »Ich war schon vor einer halben Stunde bei ihr und habe sie darauf hingewiesen, dass es an der Zeit ist, nach unten zu kommen.«

Elvira von Neuenberg nickte und eilte dann die Treppe nach oben. Sekunden später stand sie vor Julias Zimmertür. Ohne anzuklopfen, trat sie ein. Erleichtert atmete sie auf, als sie Julia im Reiterkostüm entdeckte. Sie stand gerade vor dem Spiegel und betrachtete sich mit prüfendem Blick.

»Julia, wo bleibst du denn?«, rief ihr die Baronin zu. »Dein Vater ist schon ganz aufgeregt. Die Vertreter der Politik werden jede Minute erwartet, und du bist noch nicht unten. Beeil dich doch bitte. Oder willst du, dass Vater wütend auf dich wird?«

»Das ist er doch ohnehin schon«, erwiderte die junge Baroness schnippisch und griff nach der Kopfbedeckung. Allen Vorschriften zum Trotz trug sie diesmal ihr langes blondes Haar offen. Im Reiterdress machte sie somit einen recht verwegenen und keinesfalls förmlichen Eindruck.

Elvira von Neuenberg, deren Frisur kunstvoll aufgetürmt war, registrierte dies missbilligend, sagte aber nichts dazu, weil sie ihre Tochter nicht verärgern wollte. Hauptsache, sie kam mit nach unten, und das so schnell wie möglich.

»Ich werde heute Tanja reiten«, sagte Julia, als sie mit ihrer Mutter nach unten ging. »Sie ist eine gute Stute. Wer weiß, vielleicht bin ich ja der heutige Sieger.«

»Das würde dir ähnlich sehen«, entgegnete ihre Mutter. »Du willst es bestimmt wieder den alten Adligen – wie du sie nun mal nennst – zeigen. Habe ich recht?«

Julia lächelte und nickte.

»Wir werden sehen, Mutter. Oh, da kommen ja schon die ersten Gäste.«

Während Mutter und Tochter auf die Terrasse gingen, fuhren die ersten Luxuskarossen vor. Diener in weißer Livree, die der Baron eigens dafür angestellt hatte, öffneten den ankommenden Gästen die Türen, ließen sie aussteigen und fuhren ihre Wagen anschließend auf den Parkplatz hinter dem Schloss. Julia bemerkte, dass die angespannten Gesichtszüge ihres Vater sich zu glätten begannen, als er sie erblickte. Genügend Zeit, um mit ihr zu reden, hatte er jedoch nicht mehr, denn schon ging er auf den Regierungspräsidenten zu, um ihn willkommen zu heißen.

»Was für eine Freude, Sie wieder auf Schloss Neuenberg zu sehen, Baroness«, begrüßte sie der ranghohe Politiker mit einem Lächeln, als er schließlich auch Julia erblickte und auf sie zuging. »Es ist ja schon Jahre her, seit ich Sie das letzte Mal gesehen habe. Sie sind ja eine Schönheit geworden.«

Julia machte einen höflichen Knicks, sagte aber nichts, weil der Politiker sich schon wieder abgewandt hatte. Die üblichen Höflichkeitsfloskeln eben, sonst nichts.

»Ah, da kommt ja Fürst Richard!«, rief Julias Mutter und zeigte auf einen schwarzen Mercedes, der gerade die Einfahrt passierte und vor der Terrasse anhielt. Minuten später stieg Fürst Richard von Hohenlohe aus, nachdem sein Chauffeur ihm die Tür geöffnet hatte. Sofort hatte er die Baronin und ihre Tochter entdeckt und eilte auf sie zu.

»Entschuldige mich bitte, Mutter«, sagte Julia und drehte sich um. »Ich gehe noch einmal in die Stallungen und sehe nach Tanja.«

»Kind, warte doch!«, rief ihr die Baronin nach. »Fürst Richard möchte dich doch begrüßen.«