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Heinz Fischer
Christoph Leitl

Österreich für Optimisten

Mit einem Interview von
Herbert Lackner

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1. Auflage

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Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT

ISBN 978-3-7110-0158-0
eISBN 978-3-7110-5223-0

Inhalt

Vorwort

Warum wir Optimisten sind

»Über den Zaun hinweg«

Heinz Fischer und Christoph Leitl im Gespräch mit Herbert Lackner

Heinz Fischer

Österreich schafft das

Christoph Leitl

Aufgeigen statt absandeln!

Mit Mut und Kompetenz zurück an die Spitze

Vorwort

Warum wir Optimisten sind

Vor zehn Jahren, im Juni 2007, hat der österreichische Nationalrat beschlossen, die Gesetzgebungsperiode von vier auf fünf Jahre zu verlängern. Als Begründung wurde angeführt, dass eine vierjährige Gesetzgebungsperiode zu kurz für große Reformvorhaben sei und eine längere Gesetzgebungsperiode eine ergiebigere Arbeitsperiode zwischen den Wahlterminen ermöglichen würde.

Da die letzte Nationalratswahl am 29. September 2013 stattfand, konnte man – nach den Intentionen des Gesetzgebers – damit rechnen, dass die nächste Nationalratswahl im Herbst 2018 stattfinden wird. Dem ist aber nicht so.

Die beiden Regierungsparteien haben in besorgniserregender Weise Vertrauen zueinander verloren, und nach dem Rücktritt von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner war die Koalition beendet und die Wahl genau um jenes Jahr vorgezogen, um das die Gesetzgebungsperiode vorher verlängert worden war.

Zu befürchten ist, dass in dieser Phase die politische Auseinandersetzung härter, die politische Kultur schlechter und die Dialogfähigkeit geringer wird. Dass das nicht so sein muss, soll in dieser Publikation demonstriert werden.

Wir – die Autoren dieses Buches – kommen aus unterschiedlichen politischen Richtungen und haben in vielen Fragen unterschiedliche, in anderen Fragen aber auch gleiche oder ähnliche Meinungen.

Nach einem langen Gespräch über die gegenwärtige politische Situation in unserem Land, über ungelöste Probleme oder über Aufgaben für die Zukunft, haben wir uns entschlossen, Meinung und Gegenmeinung, These und Antithese, aber eben auch Synthesen und gemeinsame Auffassungen zu verschiedenen Fragen niederzuschreiben.

Herbert Lackner, der langjährige Chefredakteur des profil, mit dem wir beide auch privat befreundet sind, hat ein Gespräch moderiert, das den Beginn dieses Buches bildet. Nach dem Ende des Gespräches hat er uns die Frage gestellt: »Was hat euch eigentlich zusammengebracht?«

Diese Frage löste ein kurzes Nachdenken aus. Es waren etwa die gemeinsamen Reisen des Bundespräsidenten samt Wirtschaftsdelegation unter Leitung des Wirtschaftskammer-Präsidenten. Diese wurden gemeinsam geplant, vorbereitet und dann ausgewertet. Kontakte wurden angebahnt, Informationen eingeholt, politische Gespräche geführt, Wirtschaftsforen abgehalten, und letztlich wurde am Ende eines langen Tages auch in einer gemütlichen Ecke ein Glas Wein getrunken und weiterdiskutiert.

Das bringt einander näher. Gemeinsame Arbeit, aber auch vielfältiger Gedankenaustausch bringen Möglichkeiten zum wechselseitigen Verständnis und zur Bildung einer Vertrauensbasis, die schlussendlich in persönliche Freundschaft mündet. Es kommt aber noch etwas anderes dazu. Nämlich die Erkenntnis, dass Österreich und Europa übergeordnete Ziele sind.

Über vieles in Österreich kann und soll man diskutieren und unterschiedliche Meinungen haben; und auch die Politik auf europäischer Ebene ist nicht sakrosankt, sondern soll kritisch hinterfragt und erörtert werden. Aber über allen Differenzen und Meinungsverschiedenheiten sollte es ein Gerüst aus gemeinsamen Werten und Grundsätzen geben, die den Kitt, das Verbindende in einer Gesellschaft ausmachen und gleichzeitig auch Menschen verbinden.

Bei einer gemeinsamen Wanderung auf die Grebenzen hat Heinz Fischer Christoph Leitl gefragt: »Warum bist du eigentlich gegen eine Erbschafts- und Vermögenssteuer?« Die Antwort von Leitl: »Wenn der Staat alle seine Effizienz-Potenziale genutzt und notwendige Reformen durchgeführt hat und dann noch immer etwas fehlt, etwa um mehr in Bildung oder Forschung zu investieren, dann – aber nur dann – kann ich mir vorstellen, auch darüber zu reden.«

Heinz Fischer hat in dieser Antwort einen wohltuenden Unterschied zu anderen Formulierungen zu diesem Thema gesehen, und in weiterer Folge wurde zwischen uns beiden viel über Verbesserungspotenziale diskutiert. Nicht überall hat es Konsens gegeben, aber das war auch gar nicht beabsichtigt. Beabsichtigt war ein guter und offener Gedankenaustausch, wie er in der Politik unverzichtbar ist.

Diskussionen über Demokratie und Demokratisierung, über Populismus, Nationalismus, über Entlastung der Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit, über Umwelt- und Klimafragen, über Flüchtlinge und Menschenrechte, über Terror und Sicherheit und viele, viele andere Fragen stehen auf der Tagesordnung. Wir wollen mit diesem Buch einen Beitrag zu dieser Diskussion leisten.

Christoph Leitl

Heinz Fischer

Herbert Lackner

Wien, im Juli 2017

»Über den Zaun hinweg«

Heinz Fischer und Christoph Leitl im Gespräch mit Herbert Lackner über die Zukunft von Parteien und Sozialpartnerschaft, Rechtspopulismus und Donald Trump, Medienkritik und Hasspostings.

Herbert Lackner: Sie kommen aus sehr unterschiedlichen Ecken der österreichischen Gesellschaft – Heinz Fischer, aus einer roten Beamtenfamilie, Christoph Leitl aus einer schwarzen Unternehmerfamilie. Wie haben Sie zusammengefunden?

Heinz Fischer: Also erstens sind wir beide keine streitsüchtigen Menschen, und ich habe etwa zum Präsidenten der Bundeswirtschaftskammer Rudolf Sallinger schon vor 40 Jahren ein sehr gutes Verhältnis gehabt. Meine Frau und ich waren von ihm und seiner Frau öfters in seiner Wohnung eingeladen. Er hat mir seine Lebensphilosophie erklärt, hat aber auch meine Auffassungen und meine Standpunkte respektiert, das waren sehr gute und nützliche Gespräche. Ich habe auch Robert Graf sehr geschätzt, als Wirtschaftsminister und als Parlamentarier. Ein kluger Burgenländer, der in der Emigration in New York geboren ist, weil viele Burgenländer in den 1920er-Jahren aus wirtschaftlicher Not auswandern mussten. Er hat dann in seine Heimat zurückgefunden. Und mit Christoph Leitl hat sich diese bewährte Tradition fortgesetzt.

Wie haben Sie sich angenähert?

Heinz Fischer: Ganz unprätentiös. Ich glaube, dass es sowohl für ihn als auch für mich wertvoll ist, wenn man nicht nur in der eigenen politischen Umgebung Gesprächskontakte hat, sondern, gewissermaßen über den Zaun hinweg, auch andere Meinungen und Standpunkte kennenlernt. Und Christoph Leitl ist ja ein sehr diskussionsfreudiger Mensch. So sind viele interessante Gespräche zustande gekommen, die zunehmend auch mit persönlicher Freundschaft verbunden waren. Und wir haben auch viele Auslandsreisen gemeinsam gemacht.

Christoph Leitl: Eine Freundschaft, die dann am Berg besiegelt worden ist. Heinz Fischer ist ja einer, der gerne Bergeshöhen erklimmt, und da haben wir eine Bergwanderung miteinander gemacht. Das war das menschliche Aha-Erlebnis zwischen uns zwei.

Auf welchen Berg sind Sie gegangen?

Christoph Leitl: Auf die Grebenzen. Wir kommen vielleicht gar nicht aus so unterschiedlichen Richtungen. Wir sind ja durch eine gemeinsame Lebensidee verbunden, und die heißt Europa. Ich bin in der Europäischen Jugend politisch sozialisiert worden …

Das war eine Jugendorganisation in den 60er-Jahren.

Christoph Leitl: … das war eine Jugendorganisation, gegründet bereits in den 1950er-Jahren. Dort war es selbstverständlich, dass man überparteilich war, in der Europäischen Jugend waren ja auch viele verschiedene politische Richtungen vertreten. Ich bin politisch also in einem gesunden Mischwald aufgewachsen, mit vielen Diskussionen. Dazu kam, dass ich als Teil der 68er-Studentengeneration mit großer Lust und Freude diskutiert habe.

In welcher Organisation waren Sie 1968?

Christoph Leitl: Da war ich in der Studentengruppe Aktion. Das war ein Spektrum von eher links angesiedelten Katholiken bis zu eher rechts angesiedelten Sozialdemokraten, dazwischen liberal denkende Menschen. Wir sind in Linz auf Anhieb zweitstärkste Fraktion geworden. Ich war also gewohnt, eine gewisse Breite zu haben und meine eigene Meinung sagen zu können. Das hat dann hat ja auch in meinem unternehmerischen Leben Vorteile gebracht.

1968 hatte aber auch eine stark antikapitalistische Komponente. Hat Sie das als Jungunternehmer nicht gestört?

Christoph Leitl: Das war kein Problem für mich, ich war immer für Mitarbeiterbeteiligung. So wie wir das ja auch in unserem eigenen Betrieb verwirklicht haben. Viele Gespräche mit Heinz Fischer haben auch hier eine weitgehende Übereinstimmung gezeigt: dass wir die internationalen Finanzspekulationen als eine der größten Bedrohungen der Weltstabilität sehen. Dieses internationale Gefüge macht Heinz Fischer und mir gleichermaßen Sorge und hat uns auch in vielen Gesprächen zusammengebracht. Schon aus diesen ersten Stellungnahmen hört man heraus, dass Sie beide das großkoalitionäre Österreich repräsentieren. Würden Sie das bestreiten?

Christoph Leitl: Das würde ich bestreiten – entschuldige Heinz …

Ich meine gar nicht die Große Koalition, sondern die Zusammenarbeit der beiden großen politischen Lager.

Christoph Leitl: Die Zusammenarbeit aller vernünftigen, konstruktiven und wohlmeinenden Menschen in Österreich. Wenn Sie das so formulieren, dann stehe ich zur Verfügung.

Heinz Fischer: Ich glaube, dass Sie mit dieser Frage ein für Österreich sehr interessantes Thema angeschnitten haben. Mich haben die Entwicklung der Ersten Republik und auch das Scheitern dieser Republik sehr fasziniert. Ich habe noch viele Menschen kennengelernt, die schon damals aktive Rollen gespielt haben: Karl Waldbrunner, Karl Maisel, Bruno Kreisky, Oscar Pollak, Karl Hans Sailer, Karl Ausch, Stephan Wirlander, Rosa Jochmann etc. Die Jahre nach 1945 sind für mich deutliche Beispiele dafür, dass man aus der Geschichte etwas lernen kann, und das halte ich für sehr wichtig. Die Lehren waren, dass Probleme entstehen können, die nicht mehr bewältigt werden können, wenn die Feindschaft in der Politik zu groß wird, wenn die politischen Gegensätze zu groß werden. Und daher halte ich es für vernünftig, dass bei allem Wettstreit der Meinungen, die notwendigerweise aufeinanderprallen, man immer auch einen Blick für das gemeinsame Ganze haben muss. Das muss gar nicht unbedingt eine Große Koalition sein. Aber es muss die Bereitschaft da sein, Pluralismus und Meinungsvielfalt zu akzeptieren. Eine theoretische Untermauerung liefert Karl Popper mit seinem Bekenntnis zum Pluralismus und seiner Weisheit darüber, dass man aus unterschiedlichen Standpunkten Gemeinsames herausfiltern kann und soll. Das ist ein Gedanke, der uns in den letzten 70 Jahren stark geholfen hat.

Das funktioniert derzeit allerdings nicht wirklich. Eine Große Koalition sieht kaum noch jemand als Zukunftsmodell.

Heinz Fischer: Für mich war interessant zu beobachten, wie Bruno Kreisky 1966 das Ende der Koalition zwischen ÖVP und SPÖ gesehen hat. Er hat gefürchtet, dass mit dem Ende dieser Koalition »Verhältnisse wie in der Ersten Republik« wiederentstehen könnten. Er wollte vermeiden, dass die SPÖ in Opposition geht, er wollte irgendeine politische Klammer in Form einer Koalition aufrechterhalten. Es hat damals ja eine Kampfabstimmung im Parteivorstand der SPÖ zu der Frage gegeben, ob die SPÖ in Opposition gehen soll. Kreisky war dafür, die Koalitionsbedingungen der ÖVP zu akzeptieren, und hat nur ein Drittel der Stimmen auf seiner Seite gehabt. Er hat diese Abstimmung verloren – es ist die erste Alleinregierung nach 1945 gebildet worden, und Bruno Kreisky ist ein Jahr später Parteivorsitzender geworden. Es hat sich bald herausgestellt, dass auch in einer solchen Konstellation in wichtigen Grundfragen Übereinstimmung erzielt werden kann, wenn vernünftige Leute an der Arbeit sind. Klaus, Withalm und Sallinger bzw. Kreisky und Benya haben damals eine Bewährungsprobe bestanden.

Ist es für eine Institution wie die Wirtschaftskammer nicht günstiger, wenn es keine Große Koalition gibt? Die Kammer und die Gewerkschaft können dann als Sozialpartner immer noch ein tragfähiges Dach bilden und gewinnen wieder an Bedeutung.

Christoph Leitl: Michael Häupl oder Erwin Pröll wird das Zitat unterstellt: »Es ist mir egal, wer unter uns Regierung ist.« Wahrscheinlich ist das erfunden. Für mich gilt es jedenfalls nicht. Man war in der Sozialpartnerschaft immer langfristig orientiert. Und es gab und gibt persönliches Grundvertrauen und Gesprächskultur, die es in dieser Form in der Politik nicht immer gibt.

Dennoch gelten Sozialpartnerschaft und Föderalismus als die größten Reform-Bremsen.

Christoph Leitl: Wo wird gebremst? Ich habe den Eindruck, das ist eine kleine Retourkutsche, weil in der Regierung zu wenig weiter-gegangen ist, weil wir im internationalen Vergleich leider Plätze verloren haben. Und dort, wo die Regierung nicht zusammenkommt, schiebt sie die Schuld den Sozialpartnern zu. Wir werden das in Ruhe ertragen und dort, wo wir zu Lösungen aufgefordert sind, auch Lösungen bewerkstelligen.

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