Die Publikation dieses Buches anlässlich
30 Jahre Wieser Verlag
wurde gefördert (Stand 30.3.2017) von:
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Sultan Murad steht vor dem gebundenen Sklaven.
Vom Pferd herab mustert er ihn mit den Augen:
gealtert, Wunden, Ketten …
»Skipetar«, fragt er ihn, »warum kämpfst du,
wenn du auch anders leben könntest?«
»Weil, Großmächtiger Sultan«, erwidert der Sklave,
»jeder Mensch in der Brust ein Stück Himmel hat
und darin fliegt eine Schwalbe.«
Aus dem Albanischen von Hans-Joachim Lanksch
letzte schwalbe
dunkle kleine
herzentsprungene
bring du meine grüße hinab
in das gilbe bergland
bring sie kärnten
wo noch die rote beere
im späten herbstlicht steht
wolken
wie schwarze bündel geschnürt
sind es
die mit dem schnee verbündet
kalte wunder an mir und den bäumen tun
mein sinnen wäre dem deinen gleich
trüge auch ich flügel
statt meine schuhe
ja
und die schnelle deiner augen
ein gefieder
dein korngroßes mutiges herz
und die freundschaft des windes
oder leichte des löwenzahns
in der du dich forthebst
letzte schwalbe
nachzüglerin
liebste aller spätbotinnen
ich bitte dich
nimm du meine traurigen grüße
in die wärme deines schnabels
bring sie durch regen und nebel
und tau durch den beißenden neumond
bis hin an den strauch
mit den roten beeren
Schwarze Flügel
inmitten von Schneeflocken
in den Alpen
die Schwalbe
auf verspätetem Zug
gen Süden.
Mit Flügeln wie Laub
des Spätherbstes kämpft sie
gegen wirbelnde Winde an
dem höchsten Paß entgegen.
Jeder hat zwei Wege vor sich
und einen nur die Schwalbe:
weiß werden.
Aus dem Albanischen von Hans-Joachim Lanksch
Wulke módre worjoły słonca přzemja w runinje,
so poklaknu wjerški štomow, zešwikane z wětrom křidłow,
mjeztym korjenje delka, so třasuce hišće
pod železnym přimkom pazorow horka w hałzach,
hłubšo so rozlehnu do pódy, kotrejž swój třepot
posrědkuja, ha
so z črjódami krioty,
nastróžane, kaž kołwrótne hrjebaja horje,
dyrkotace
opłe somo
ane kožuchi, a nasypaja
swoje hruzli
kate hrodźišća na bitwišću
łukow a polow, z chwatkom pódla
ma
atej zelenje placnu swoje tu
ne
omo.
Zatrubja błyskate fanfary njebja,
zaprasknu zelenoćorne standarty zemje.
A njesłyšna, njesłyšana bitwa zo zahaji.
Die großen blauen Sonnenadler bäumen auf in der Ebene,
hinknien die Wipfel, gepeitscht im Flügelwind,
während die Wurzeln unten, erschauernd noch
unterm stählernen Zugriff der Klauen oben im Geäst,
sich tiefer verkrallen ins Erdreich, dem sie ihr
Zittern mitteilen, davon die Heerhaufen der Maulwürfe
aufgeschreckt, wie irrsinnig losbuddeln hochwärts,
zuckende warme samtweiche Pelze, und aufwerfen
ihre Schützenstellungen im Schlachtgelände
der Felder und Wiesen, hastig neben
dem saftigen Grün aufpflanzen ihr fettiges Schwarz.
Losschmettem die blitzenden Himmelsfanfaren,
losknattem tapfer die grün und schwarzen Standarten der Erde.
Und der unerhörte, unhörbare Kampf beginnt.
… Kad bezdelīgas ir nobriedušas,
Kad zvaigznes ir nogatavojušās –
Un tas ir augustā –
Un cilvēkam palēnām
Deniṇni izkalst balti,
Papīra lapa sāk dzestri blāzmot,
Un katram vārdam ir zemes garša.
Tā top augusts.
… Wenn die Schwalben und Sterne
Reif sind –
Und das ist im August –
Und die Schläfen allmählich
Bleichen und dorren,
Beginnt das Papierblatt sich abendkühl zu färben,
Und jedes Wort schmeckt nach Erde.
So kommt der August zustande.
Aus dem Lettischen von Valdis Bisenieks.
Ked’ jediným výsledkom
je prejdená cesta,
únava v nohách,
vietor, ten nepokoj krajiny,
obloha nad tým: ešte jeden svet.
Život je možný.
Wenn alles, was herauskommt,
der durchschrittene Weg ist,
die Müdigkeit in den Beinen,
der Wind, diese Unruh der Landschaft,
der Himmel darüber: noch eine Welt.
Das Leben ist möglich.
Aus dem Slowakischen von Christa Rothmeier
Ich möchte mit der Abendröte gehn,
tief mit dem Rot nach ferne.
Ich möchte in dem Abendrot vergehn,
und möchte in den Winden wehn,
die ohne Ziele rauschend gehn
und steigen in die kühlen Sterne.
Es bleibt dir, wohin du auch gehst: Nimm das Schiff.
Nimm das frühe Schiff. Wenn du das getan hast, fall
nicht zurück. Hau ab und denk selber nach. Träum
dich frei von Nachtfährnissen. Sieh alles selber. Nichts
ist genauso wie ein anderes Nichts. Dann anderes Land
in Sicht. Immer anders. Dort neue Klänge. Zu sagen
dies. Lebensvoll. Auf die eine oder andere Weise. Los.
Weg. Weg von der Ästhetik der Angst. Los, geh schon.
Du brauchst nichts, um ein Gedicht zu machen. Am
wenigsten die Angst. Das frühe Schiff. Nimm es.
In tu in tam. Le bežno potovanje.
Drevo in stolp. In hiša. Gora. Hrib.
Kot žalost mrzla. Kakor tihe sanje.
Odhajaš. Truden in težak utrip.
Postaja. Restavracija. In listje
se siplje raz kostanje preko miz.
In tista dama. Tiha je in sama.
Pogled. Rjavo listje. Bežen vtis.
Tujina: kot jesen in kot neznanka
vsa bežna mrzla. Tu pri nas topló.
Leteče listje. Proti Karavankam.
Tunel: v poltemi sije nje oko.
Und hier und dort. Nur eine flüchtige Reise.
Baum und Turm. Und Haus. Berg. Hügel.
Wie kalte Schwermut. Wie stille Träume.
Du fährst fort. Müder und schwerer Puls.
Bahnstation. Restaurant. Und das Laub
rieselt durch Kastanienäste über Tische.
Und diese Dame. Sie ist still und allein.
Blick. Braunes Laub. Flüchtiger Eindruck.
Fremde: wie der Herbst und wie die Unbekannte
ganz flüchtig, kalt. Hier bei uns Wärme.
Fliegendes Laub. Gegen die Karawanken.
Tunnel: im Halbdunkel leuchtet ihr Auge.
Aus dem Slowenischen von Ludwig Hartinger
Das Journal berichtet:
Die Lipizzaner
haben bei einem historischen Film mitgewirkt.
Das Radio erklärt:
Ein Millionär hat Lipizzaner gekauft,
die edlen Tiere waren
während des ganzen Fluges über den Atlantik ruhig.
Und das Lehrbuch lehrt:
die Lipizzaner sind dankbare Reitpferde,
sie stammen vom Karst, sind von geschmeidigem Huf,
schmuckem Trab, feurigem Naturell
und hartnäckiger Treue.
Und doch füge ich für dich hinzu, mein Sohn,
daß es unmöglich ist, diese unruhigen Tiere
in eindeutige Schablonen zu stecken:
gut ist es, wenn der Tag leuchtet,
die Lipizzaner sind schwarze Fohlen,
und gut ist es, wenn die Nacht herrscht,
die Lipizzaner sind weiße Stuten,
am besten aber ist es,
wenn der Tag aus der Nacht kommt,
denn die Lipizzaner sind weißschwarze Possenreißer,
Hofnarren Ihrer Hoheit,
der slowenischen Geschichte.
Andere haben heilige Kühe und Drachen verehrt,
tausendjährige Schildkröten und geflügelte Löwen,
Einhörner, doppelköpfige Adler und Phönixe,
wir aber haben uns das schönste Tier erwählt,
es hat sich ausgezeichnet auf Schlachtfeldern und in Zirkuszelten,
es hat Königstöchter gefahren und die goldene Monstranz,
deshalb sprachen die Kaiser in Wien
französisch mit den gewandten Diplomaten,
italienisch mit den hübschen Schauspielerinnen,
spanisch mit dem unendlichen Gott
und deutsch mit den ungebildeten Knechten,
mit den Pferden aber unterhielten sie sich slowenisch.
Erinnere dich, mein Kind, wie geheimnisvoll
Natur und Weltgeschichte miteinander verbunden sind
und wie unterschiedlich die Triebfeder des Geistes ist
bei jedem Volk auf der Erde.
Du weißt gut, daß wir das Land der Wettkämpfe und der Wettläufer sind.
Deshalb versteht du auch, weshalb die weißen Pferde
aus Nohas Arche auf unseren reinen Boden geflüchtet sind,
weshalb sie unser heiligstes Tier geworden sind,
weshalb sie in die Legende der Geschichte eingetreten sind
und weshalb sie unsere Zukunft in Unruhe stürzen,
unaufhörlich suchen sie für uns das gelobte Land,
und werden zum schwungvollen Sattel unseres Geistes.
Andauernd sitze ich auf dem weißschwarzen Pferd,
mein lieber Sohn,
wie ein Beduinenhäuptling
bin ich mit meinem Tier verwachsen,
das ganze Leben reise ich auf ihm,
ich kämpfe auf dem Pferd, und ich bete auf dem Pferd,
und ich werde auf dem Pferd sterben,
alle unsere Prophezeihungen habe ich
auf dem geheimnisvollen Tier kennengelernt, und auch dieses Gedicht habe ich
auf seinem bebenden Rücken erlebt.
Nichts Dunkleres gibt es
als die klare Rede
und nichts Wirklicheres als ein Gedicht,
das der Verstand nicht fassen kann,
die Helden hinken in der hellen Sonne,
und die Weisen stammeln in der Dunkelheit,
die Possenreißer verwandeln sich in Dichter,
die geflügelten Dichterrösser rennen immer schneller
über die Höhlungen unserer alten Erde
und springen und stampfen,
die ungeduldigen slowenischen Tiere
wecken immer noch König Matjaž.
Wer noch kein Pferd zu besteigen weiß,
der soll baldigst lernen,
das feurige Tier zu zähmen,
sich im leichten Sattel frei zu halten
und das harmonische Maß des Trabes treffen,
vor allem aber auszuharren in der Ahnung:
denn unsere Pferde kommen von weit
und wollen noch weit,
Motoren versagen gerne,
Elefanten fressen zu viel,
unser Weg ist aber lang,
und zu Fuß ist es zu weit.
Aus dem Slowenischen von Klaus Detlef Olof
»Kinder, im Zug Triest–Wien schlaft ein.
Dazwischen ist nichts.«
(Meine nonica Mila Gulic, 1891–1978)
Nick nicht ein im
Zug Venedig–
Wien, lieber
Leser.
Slowenien ist so
unscheinbar, du könntest es
verfehlen! Es ist kleiner als meine
Ranch östlich der
Sierra!
Steh lieber auf,
steck deinen Kopf durch das Fenster,
obwohl da geschrieben steht:
VERBOTEN!
Lausche meiner
goldenen Stimme!
Aus dem Slowenischen von Fabjan Hafner
duat is a lond
in dosd nit zurckkonnst
geahnd bauan
ibas föld
und ockand
Senare unfruchtboan weiba
unta de eadn
duat in dem lond
deafst du nit bleibn
mit jedem gedicht werde ich weniger
ich zerkratze mich zu einem gedicht. langsam. stück für stück.
der schmerz ist brennend, aber süß.
schwarzes blut spritzt aus den versen.
unter den nägeln leuchtet mein fleisch.
mit jedem gedicht werde ich weniger.
die zeit wird kommen, in der ich mich völlig zerkratze.
ohne haut werde ich sein, ohne augen,
ohne blut und adern,
ohne fleisch, ohne knochen,
ohne herz.
dann bin ich am vollkommensten.
Aus den Slowenischen von Michael Vrbinc
Einsam tret ich auf den Weg, den leeren,
Der durch Nebel leise schimmernd bricht;
Seh die Leere still mit Gott verkehren
Und wie jeder Stern mit Sternen spricht.
Feierliches Wunder: hingeruhte
Erde in der Himmel Herrlichkeit ...
Ach, warum ist mir so schwer zumute?
Was erwart ich denn? Was tut mir leid?
Nichts hab ich vom Leben zu verlangen,
Und Vergangenes bereu ich nicht;
Freiheit soll und Friede mich umfangen
Im Vergessen, das der Schlaf verspricht.
Aber nicht der kalte Schlaf im Grabe,
Schlafen möcht ich so jahrhundertlang
Daß ich alle Kräfte in mir habe
Und in ruhiger Brust des Atems Gang.
Daß mir Tag und Nacht die süße, kühne
Stimme sänge, die aus Liebe steigt,
Und ich wüßte, wie die immergrüne
Eiche flüstert, düster hergeneigt.
Nachdichtung von Rainer Maria Rilke
Was sehen wir?
Eine Buche
Und das Weh der Welt.
Was singt der Vogel?
Eine Buche
Und das Weh der Welt.
Was sehen wir?
Wir gehen weiter.
…
Manchmal iaht er
Badet im Staub
Manchmal
Dann bemerkt man ihn
Sonst
Sieht man nur seine Ohren
Auf dem Kopf des Planeten
Aber ihn gibt es nicht
Aus dem Serbischen von Milo Dor
Wo Mannesmut
und Frauentreu
und Frauenhut und
klanes Boot
und Pferdekot und
Katzenstreu
und Hannes
Hut im Grauen
Greuel anes
Hintern rund und
dummer Hund
vertrauen tut
und Herren geil
auf Damenfood
und Lebertran an
Mayoran und
Leumundsbeugnis
falš gezeugt
wund Heimat
Land am Sand
and
Hand am Strome
Gurker Dome
Metnitzbach ach