Paprotta, Astrid Die Höhle der Löwin

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ISBN 978-3-492-98322-8

© Piper Verlag GmbH, München 2005

© dieser Ausgabe: Piper Fahrenheit, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2017

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1

Es ist bereits nach Mitternacht, als die beiden Streifenwagen in den Hof des Polizeipräsidiums fahren. Die Beleuchtung wird ausgeschaltet, nur am Eingang brennt ein trübes Licht. Die Polizistin und die Festgenommene steigen aus dem zweiten Wagen und gehen zur Tür, ohne Handschellen und ohne einander zu berühren. Sie sehen wie Kinder aus, die sich verlaufen haben, Kinder im Dunkeln ohne Schutz.

Sie gehen einen langen, kahlen Flur entlang, und ihre Schritte sind das einzige Geräusch. Über diesen Boden stolpert das Verbrecherpack, wenn es sich erwischen läßt, Diebe, Schläger, Mörder, jene, die sich fangen lassen, längst nicht alle, und längst nicht allen schaut man dabei zu. Doch jetzt stehen die Kollegen herum, Polizisten halten Kaffeebecher in den Händen und starren ihnen entgegen wie Gaffer auf der Autobahn. Die Festgenommene beachtet sie nicht. Sie hat den Blick gesenkt, und auch die Polizistin fixiert einen Punkt, den nur sie alleine sieht.

Als sie aus dem Streifenwagen stiegen, schwebte über der Skyline der Stadt ein leuchtender Mond. Die Frauen hatten die Augen geschlossen, als kämen sie aus dem Dunkel in viel zu grelles Licht.

Das tanzende Licht in den Augen der Gesetzlosen, der dicke Anwalt in dem Film mit Marlene Dietrich, der sich so hinsetzt, daß der Lichtstrahl seines Monokels Verdächtige quält – wenn sie das aushalten, scheint alles gut zu sein.

Im Vernehmungszimmer lehnt die Polizistin sich gegen die Wand, kommt mit ihrer Schulter an den Lichtschalter. Es ist ein hektisch aufflackerndes Licht, weißer und heller als die Tischlampen, und die Festgenommene senkt den Kopf, bis es richtig brennt.

Großes Personal in dem kleinen Raum, Staatsanwalt und Kriminaldirektoren, die ebenfalls wie Gaffer wirken und sich jetzt vermutlich daran erinnern, daß sie die Festgenommene einmal zur Ehrenkommissarin ernannt haben. Der Chef der Mordkommission, der gewöhnlich so nah an die Leute herangeht, daß er sie fast berührt, hält einen Meter Abstand. Er muß sie nicht schonen; »die männliche Leiche«, sagt er, »die in einem Gebüsch im Park gefunden wurde, ist als Ihr Lebensgefährte identifiziert worden.«

»Ja«, sagt sie.

»Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«

»Als ich ihn getötet habe.«

»Das ist Ihre Aussage?«

»Ja«, sagt sie wieder. Sie streicht sich die langen blonden Locken zurück, ihre Augen sind gerötet, aber nicht von Tränen. »Weil er schuldig war.«

»Das entscheiden Sie?«

Die Festgenommene holt einmal tief Luft wie Leute, denen eine Situation auf die Nerven geht, bevor sie sagt: »Wir brauchen jetzt keine Grundsatzdiskussion.«

»Über was?«

»Über Selbstjustiz.« Als sie ihn kaum merklich anlächelt, weicht er noch weiter zurück.

»Können Sie sich an den Tathergang erinnern?« fragt er schließlich.

»Wir waren im Park«, sagt sie langsam. »Er sollte mir sagen, warum er das getan hat. Warum er die Versuche mit den armen Leuten gemacht hat. Ich habe zehn Jahre mit ihm gelebt, er sollte mir sagen, wer er ist.«

»Und dann?«

»War er tot«, murmelt sie. »Er lag da, es war wie ein Blackout.« Ihre Stimme wird lauter. »Ich sage das nicht, um mich zu verteidigen.«

»So«, sagt der Chef der Mordkommission. »Aha.«

»Ich bin geblieben«, sagt die Festgenommene, »die ganze Nacht bis zum Morgen, da waren Sterne, nur ein paar.« Sie senkt den Kopf, betrachtet ihre Fingernägel. »Morgens war das Blut trokken. An ihm, an mir.«

»So«, sagt er erneut, dann schweigt er eine Weile, während sie die Hände in den Schoß legt und ihn so ruhig ansieht, als wäre alles gar nicht wahr. Schließlich fragt er nach der Tatwaffe, die sie bereits gefunden haben, finden mußten, weil sie quer über dem Hals des Toten lag, und sie sagt: »Ein Messer.« Sie schließt die Augen. »Ein großes, scharfes, bestialisches Messer.«

Die stummen Kriminaldirektoren sehen immer noch so aus, als zeige man ihnen zum ersten Mal den Zoo, das Haus für nachtaktive Tiere mitsamt seinen Kuriositäten, und der Chef der Mordkommission spreizt zwei Finger in Richtung seiner Kommissarin, machen Sie weiter, doch Ina Henkel schüttelt den Kopf. Die Geschichte ist zu Ende, das hat man ihr deutlich gesagt. Sie haben eine Serie von Auftragsmorden geklärt und ein weiteres Tötungsdelikt gleich mit. Sie haben einen lebenden Auftragskiller und einen toten Drahtzieher, getötet von dieser Verrückten hier, diesem Engel mit seiner eigenen Gerechtigkeit. Alle Polizisten haben Denise Berninger den blonden Racheengel genannt, wenn sie im Fernsehen ihr Kriminalmagazin moderierte, Fadenkreuz, und den Zuschauern ungeklärte Verbrechen präsentierte. Jetzt hat man sie selbst festgenommen.

Die Kriminaldirektoren finden es pikant, daß sie in ihrer Sendung den Killer suchte, ohne zu wissen, wer der Auftraggeber war, und sie finden es delikat, daß die Frau, die so oft vom Abgrund des Bösen sprach, es nicht ertragen konnte, das Böse plötzlich vor der Haustür zu haben, im eigenen Bett.

Keine Fragen. Abgeschlossene Ermittlung. In der Morgendämmerung, man kann ihre Schatten sehen, haben die ersten Reporter sich schon versammelt.

Minuten später gehen sie erneut den langen, kahlen Flur entlang, zu einem Seitenausgang, den die Reporter nicht sehen können. Denise bleibt stehen, als sie den wartenden Wagen sieht und die Uniformierten davor, die Hände der Polizisten an der Hüfte, an der Waffe. »Gut«, sagt sie, »das war es dann wohl.«

Ina sieht an ihr vorbei. »Ich weiß nicht«, sagt sie.

Dann kommen die Träume, Fieberträume, Ina fällt aus großer Höhe und landet im Dreck. Ganz nah liegen die Bündel in den Gebüschen, erschossene Obdachlose mit vergifteten Körpern, und sie kann sie berühren, Menschenbündel, alle kaputt und entsorgt. Ein Killer, ein Auftraggeber, doch sie weiß, daß sie nicht alles getan hat; es ist zu Ende, hat man gesagt. Erst die Träume, dann der Haß und dann eine lähmende Gleichgültigkeit, es ist egal. Fieberträume, dann nichts mehr, noch dreißig Jahre bis zur Pension.

»Das Wort Vollzugsanstalt ist schon korrekt«, schreibt die Gefangene ihr aus der Haft, »sie vollziehen ihre Regeln, oben und unten, Wärter und Gefangene, aber ich werde sie wohl nicht lernen, man wird so müde, wenn man nichts tut.« Zeilen, denen man die Unruhe ansieht, ein hingeschmiertes Chaos. »Was ich Dir noch sagen will: Es gibt hier Gefangene, die tatsächlich alle sogenannten Bullen auf der anderen Seite sehen, auch das ist so eine Regel, doch bei uns ist es dieselbe Seite gewesen, oder? Du wolltest andere festnehmen und hattest nur mich, der übliche Fall letztlich, eine durchgeknallte Frau. Wir standen auf einer Seite, und wir haben beide verloren.«

Und die Polizistin schreibt ihr zurück, aber nur in Gedanken; warum hast du dich festnehmen lassen? Hast wie ein Lämmchen gewartet, das man zur Schlachtbank führt, du dämliche Kuh.

Ein Jahr lang schreibt sie der Gefangenen Briefe, die sie alle wieder zerreißt. Die Schlußszene in dem Film mit Marlene Dietrich, kannst du dich erinnern, die Szene nach dem Prozeß. Als Zeugin der Anklage hat sie gegen ihren Mann ausgesagt, eine schlaue Finte, um ihn zu retten, doch als sie begreift, daß er sie nur benutzt und hintergangen hat, nimmt sie ein Messer oder irgend etwas, das herumliegt, einen Brieföffner wohl, und tötet ihn. Sie hat ihn ermordet, schreit jemand; nein, sagt der dicke Anwalt, sie hat ihn gerichtet.

Ein Jahr lang Leere, bis die höheren Beamten kommen und die Polizistin glaubt, man versetze sie jetzt aufs Land, weil sie schlecht gearbeitet hat. Sie hat nicht mehr viel getan, Dienst nach Vorschrift. Doch sie sagen: Rumänien. Bukarest, sagen sie, die Höhle der Löwin, da gehen Sie jetzt rein, Ina Henkel.

2

Denise Berninger kann dich töten, hatte der Kollege zur Begrüßung gesagt. Er fragte nicht, wie der Flug gewesen war, sondern erwähnte lieber gleich, was mißlingen könnte: alles.

Die Frage nach dem Flug beantwortete sie sich selbst, als sie ins Freie traten: ruhig, ein Atemholen fast ohne Erinnerung. Sie hatte so lange vor sich hingestarrt, bis die Frau neben ihr wissen wollte, ob es ihr nicht gut ginge – etwa Flugangst? Doch, klar, hatte sie gesagt, das heißt nein, keine Flugangst, und sich in ihr Wörterbuch vertieft, weil sie keine Lust auf eine Unterhaltung hatte. Es schien ihr aber bald hoffnungslos, sich mit der rumänischen Sprache zu beschäftigen, weil sie über jedem zweiten Wort ein Häkchen sah, das wohl Auswirkungen auf die Aussprache hatte. Bei der Landung hatte die freundliche Mitreisende ihr noch viel Vergnügen gewünscht und hinzugefügt, Bukarest müsse man mögen, dann gefiele es einem auch.

Bukarest spielte auf, mit schrillem Hupen und hellen Rufen. Vor dem Flughafengebäude riefen die Taxifahrer ihre Preise durcheinander, untermalt vom Händeklatschen, mit dem Busfahrer ihre Passagiere zur Eile antrieben. Über allem lag das hohe Sirren, mit dem ein heftiger Wind über den Platz fegte. Ina sah zu, wie der Kollege ihren Koffer zwischen die Füße klemmte und fuchtelnd mit einem Taxifahrer verhandelte. Sie kannte ihn kaum, Hauptkommissar Robert Reich von der Fahndung, den sie einmal beim Schießtraining getroffen hatte, und der Mühe zu haben schien, sich an diese Begegnung zu erinnern. Die Kollegin von der Mordkommission, die bei jeder Übung schneller war als du, was du nicht so recht ertragen konntest, kannst du dich erinnern? Oberkommissarin Ina Henkel, für die Fahndung nur ausgeliehen, noch nie bei der Fahndung gewesen und schon gar nicht in Rumänien, weder weltmännisch noch polyglott, jetzt aber nach Bukarest entsandt, wobei die Abschiedsworte ihrer Vorgesetzten ähnlich aufbauend gewesen waren wie die Begrüßung des Kollegen Reich: »Das kann auch fehlschlagen, bedenken Sie das.« Aber ein Scheitern würde sie ja nicht mehr mitbekommen, da gab es also auch nichts zu bedenken – »Denise Berninger kann dich töten«, hatte Robert Reich gesagt, da hatte sie ihm noch nicht einmal die Hand gegeben, »das macht sie mit links.«

Als er sie heranwinkte, weil er sich mit dem Taxifahrer geeinigt hatte, hüllte der plötzlich auffrischende Wind ihn in eine Wolke aus Staub, und sekundenlang nahm sie seine Handbewegung wie das hämische Fingerausstrecken eines Fabelwesens wahr, das ihr befahl, wieder zu gehen. Ina setzte sich neben ihn auf die Rückbank und sagte: »Sie ist Rechtshänderin. Wenn, dann macht sie es mit rechts.«

Daß sie es nicht zu leicht nehmen sollte, sagte Robert Reich im Hotel, hier in einer fremden Stadt, ohne Befugnisse und weitgehend ohne Sicherung, daß es eng werden könnte und sie dann sehen müßte, wo sie bliebe.

Eng war es schon, das Zimmer war klein, das Hotel war klein, doch unten auf der Straße stand ein bemalter Jaguar. Im Taxi hatte Robert den Reiseführer gespielt, der alles tat, der Reisenden die Stadt zu verleiden; »alles dem Volk abgepreßt«, sagte er, als sie durch die breitesten Boulevards, die sie je gesehen hatte, an den Monumentalbauten Ceausescus vorbeifuhren, »dieser ganze Krempel.« Doch dann rasten sie durch Hochhaussiedlungen und triste Straßen, in denen die grauen Häuser aussahen, als hätte man schon einmal damit begonnen, sie abzureißen, es sich dann aber wieder anders überlegt, weil man für die Menschen darin woanders keinen Platz gefunden hatte. Verkehrsschilder schienen keine Bedeutung zu haben, und aus jedem Wagen drang eine andere laute Musik. Bukarest sei ein versmogtes Chaos, hatte Robert gesagt, worauf Ina erwiderte, es sei doch sehr schön, weil sie das Gefühl hatte, daß der Taxifahrer jedes Wort verstand.

»Nein«, sagte Ina und lehnte sich gegen die Fensterbank.

»Manchmal funktioniert das warme Wasser nicht.« Robert pustete Staub von der Scheibe. »Sie verstehen Englisch, sie sprechen es nur nicht besonders gern. Was meinst du mit nein?«

»Ich nehme es nicht zu leicht.«

»Das sagt sich so.« Er prüfte seine gepflegten Fingernägel. Alles an ihm war gepflegt. Mit seinem weißen Hemd und der rotweißen Krawatte, mit schwarzer Hose und blankgeputzten, weichen Lederschuhen sah er nicht so aus, wie Inas Freundinnen sich einen Zielfahnder vorstellten, den stellten sie sich zumindest mit Jeansjacke, Ohrring und Dreitagebart vor. Robert Reich hätte ein emsiger Student sein können, sechstes Semester Betriebswirtschaft ohne Bafög, weil Papi gut verdient.

»Warm heißt auf rumänisch übrigens kald«, sagte er. »Aber, wie gesagt, sie verstehen Englisch. Kaffee?«

Ina schüttelte den Kopf. »Wann hast du die Berninger zuletzt gesehen?«

»Gestern. Ganz in der Nähe, am Gara de Nord, das ist der Hauptbahnhof.« Er zupfte an seinem Hemdkragen herum. Es war warm, und er hätte die Krawatte abnehmen können, doch so etwas tat er wohl nicht. »Sie hat noch nichts flüssig, das ist sicher, verschwindet in einer ziemlich miesen Straße.«

»Wie sieht sie aus?« Ina sah zu, wie Robert sich ausdauernd die Nasenflügel rieb. Sie hatte plötzlich das Gefühl, er könnte es sich mit ihr verscherzen, wenn er jetzt fragen würde: Wie soll sie schon aussehen?

»Gut«, sagte er nach einer Weile. »Und schlecht.«

»Aha.«

»Bescheiden gekleidet«, sagte er, »wenn man bedenkt, was sie einmal gewesen ist. Haare immer noch schulterlang, nicht mehr so blond, etwas dunkler. Violetta.«

»Wer?«

»La Traviata.« Er sah nicht aus, als wollte er witzig sein. »Die Oper, auch bekannt als Film mit Greta Garbo, Die Kameliendame. Wie lungenleidende Frauen halt aussehen, sie üben einen gewissen Reiz aus.« Er zog ein Foto aus seiner Brusttasche und reichte es ihr.

»Die Garbo mag ich nicht«, murmelte Ina. »Ich fand Marlene immer besser.« Sie hielt das Foto nach unten. La Traviata hatte sie sogar gesehen, weil sie einen Mann geliebt hatte, der sie in jede Oper geschleppt und nach drei Jahren für hoffnungslos proletenhaft erklärte hatte, weil ihr keine gefiel. Traviata, was für ein feierlicher Akt fürs Abkratzen, nicht? Sie fand das komisch, er nicht. Sie liebte Rockmusik, Kino und Mode, das sei ihm zu doof, hatte er gesagt.

Aber sie wußte nicht immer, was sie wollte; ein anderes Leben, das schon. Sie wollte weg von der Mordkommission, zur Fahndung, jetzt war sie hier und wollte nicht bleiben.

Schließlich sah sie hin. Ein beliebiges Foto, aus größerer Entfernung aufgenommen. Die Zielperson stand an einer Bushaltestelle und blickte in den Himmel, als prüfe sie, ob es anfing zu regnen.

Hallo, Denise. Ina ließ das Bild wieder sinken. Du Miststück. Du Engel.

»Ja«, sagte sie nur.

Robert sagte ruhig: »Ich habe ein mieses Gefühl.«

Daß es eine ungute Geschichte sei, sagte er beim Abendessen, als sehe man von einem Gebäude nur die Hälfte und wußte nicht, ob die andere schon eingestürzt war. Sie sah ihn lange an bei diesen Worten und grübelte ihrem Sinn hinterher, doch fragte sie ihn nicht, sie redete überhaupt nicht sehr viel. In dem kleinen Restaurant am Ende der Straße hingen zwei Poster von Brad Pitt; vielleicht war er hier Gast gewesen, oder die alte Wirtin, die mit einer Hand servierte, weil sie die andere für einen Stock brauchte, liebte ihn einfach. Ina hatte Moussaka bestellt, außer Pasta das einzige Gericht auf der Karte, das sie entziffern konnte. Zwar hatte Robert vage erklärt, was Pilaf de berbecc sei, etwas mit Hammelfleisch, doch klang das, als müsse man hinterher ein paar Schnäpse trinken.

Ungut. Die ehemalige TV-Moderatorin Denise Berninger, die ihren Lebensgefährten mit elf Messerstichen getötet hatte, war wegen Totschlags zu sieben Jahren verurteilt worden, erkrankte nach einem Jahr Haft an Lungentuberkulose und konnte mit Hilfe eines Pflegers aus der Klinik fliehen. Das war nur ein Teil der Geschichte, die Robert Reich eine ungute nannte, doch die Boulevardblätter hatten den Schnelldurchlauf geschafft: Racheengel, Todesengel, gefallener Engel, Deutschlands meistgesuchte Frau – zumindest das war geschenkt, denn so viele Frauen suchte man gerade nicht.

Zur Geschichte gehörte aber auch, daß es für Ina Henkel keinen Zeitraffer mehr gab, alles lief in Zeitlupe, und sie sah sich einzelne Szenen wie eine Schauspielerin an, die bei der Premiere merkt, daß das Drehbuch nichts taugt. Der Morgen nach der Festnahme, tratschende Polizisten im ganzen Haus, die einander die Anzahl der Messerstiche zurufen, als wären es schwer begreifliche Lottozahlen, neun, zehn, elf! Die Berninger war doch ihre große, ferne Liebe gewesen, ihre Eisfrau, die bei der Präsentation ungelöster Kriminalfälle so durchdringend in die Kamera zu starren pflegte, daß die Presse sie zur Crime-Königin ernannt hatte – zur schönen Crime-Königin – und manche Zuschauer glaubten, sie sei tatsächlich eine strafende Instanz; bitte kümmern Sie sich mal um meinen Nachbarn, schrieben sie ihr, mit dem stimmt etwas nicht. Doch sie kümmerte sich um ihren Mann.

Der erste Prozeßtag, es brennt, als die Angeklagte in den Gerichtssaal geführt wird, die Luft brennt von den Blitzen der Fotografen und den Blicken der Zuschauer. Sie hat zwei Anwälte, renommierte Anwälte natürlich, einen älteren, der Manager, Anarchisten und Politiker verteidigte und vor Gericht das große Wort führt, und einen jüngeren, der ständig mit ihr tuschelt, ohne daß sie zurücktuschelt, und es scheint so, als höre sie ihm gar nicht zu. Als der Wortführer sagt, sie habe den Boden verloren, weil der Mann, mit dem sie lange lebte, die Liebe ihres Lebens, Drahtzieher eines abscheulichen Verbrechens war, starrt sie die Decke an und dann ihre Hände. Die Zuschauer haben Operngläser gezogen und sich bald um die Plätze geprügelt, doch die Angeklagte bleibt stumm, tränenlos stumm.

Der Anwalt erzählt, wie sie und ihr Mann beide Karriere machten, sie stieg von der gelernten Maskenbildnerin zur Fernsehmoderatorin auf, der Mann zum leitenden Angestellten eines Pharmaunternehmens. Zehn friedliche Jahre, bis etwas schiefging in seiner Firma und er einem Killer befahl, sechs Obdachlose zu töten, die durch einen illegalen Medikamententest schwer geschädigt worden waren, Zeugen mit zerstörten Körpern. »Wir haben über dieses Verbrechen in den Zeitungen gelesen«, sagt der Anwalt, dann nimmt er seine Brille ab. »Kurz darauf haben wir gelesen, daß die Angeklagte ihren Mann getötet hat, und die Schlagzeilen wurden noch größer, falls das möglich ist.«

Ein Seufzen im Saal, das nach Zustimmung klingt, sie hat ihn gerichtet. Viele Seufzer, weil die Angeklagte nichts sagt. Stille, als das Urteil verkündet wird, nur die gleichmütige Stimme des Richters, und Ina sieht zu, wie Denise sich nachdenklich die Nasenspitze reibt, als rechne sie aus, wie viele Tage in sieben Jahren stecken und wie viele Nächte, wieviel stillgelegtes Leben überhaupt.

Doch nach einem Jahr Haft war sie weg, entlaufen, entsprungen, abgängig, und das Geschrei ging von vorne los. Die zuständigen Behörden wirbelten, und man fahndete eine Weile ohne Erfolg, bis ein Frankfurter Geschäftsmann im Polizeipräsidium vorsprach und angab, die Berninger in Bukarest gesehen zu haben. Am Tag seiner Abreise habe sie in einer Espressobar neben ihm gestanden und, nun ja, Espresso bestellt. Selbst ihre Stimme habe er erkannt, erzählte er begeistert, diese etwas heisere Stimme, die im Fernsehen viel gefährlicher klang. Sie war auch nicht besonders groß gewesen, obwohl sie im Fernsehen immer so gewirkt hatte, und sie hatte eine Zigarette in der Hand gehalten, in der linken, falls das wichtig war.

Ja, das stimmte. Die Zigarette in der Linken, obwohl sie Rechtshänderin war, da hatte er genau hingesehen. In welcher Sprache, wurde der Mann gefragt, hat sie den Espresso denn bestellt? Darauf hatte er sich umständlich geräuspert und gemurmelt, sie hätte Espresso gesagt, das sage man in Rumänien nicht anders als in Deutschland oder in Italien. Auf dem ganzen Balkan sage man das so, selbst in Frankreich, obwohl diese Franzosen doch immer ihr eigenes Süppchen kochten, sprachlich gesehen. Sehr schön sah sie aus, hatte er rasch hinzugefügt, als er das eisige Schweigen bemerkte, das seiner Lektion folgte, aber etwas kränklich, so als sei sie nicht die stärkste und kippe einmal täglich um. Ja, sie war allein, zumindest hatte sie mit niemandem gesprochen. Oh nein, auch nicht mit ihm, denn sie anzusprechen, hatte er nun wirklich nicht gewagt, er las doch Zeitungen, nicht wahr, und guckte fern. Ging sie nicht etwas leichtfertig mit Stichwaffen um?

Wenn man es wüßte. Zustechen ging schnell, einmal, zweimal, sicher, konnte passieren. Elfmal war ein bißchen viel, übertötet hieß das unter Polizisten, Haß, rasende Wut sagten die normalen Leute.

»Ist was?« Der Kollege hier aß Spaghetti, noch so etwas, mit dem man im Ausland nichts falsch machen konnte. »Schmeckt es nicht?«

»Doch«, murmelte Ina. Es kam ihr so vor, als säße Robert Reich in einem anderen Land und sie wären nur durch eine Art Konferenzschaltung miteinander verbunden. »Nur ziemlich heiß.«

Er nickte ernst und sagte, es käme aus dem Ofen.

Für die Boulevardblätter war es die heißeste Geschichte, daß die Berninger als kranke Gefangene nicht nur aus der Klinik geflohen war, sondern dabei einen männlichen Helfer hatte, der mit ihr verschwunden war, einen jungen, ihr heillos verfallenen Krankenpfleger, der immer so nett zu ihr gewesen war, wie alle Patienten zu berichten wußten, immer höflich und sanft. Das Problem war nicht, daß der junge Pfleger mit vierunddreißig Jahren ein Jahr älter als die Berninger war, das Problem war auch nicht, daß viele der Patienten ihn nicht mochten, weil er sich ihnen gegenüber weder höflich noch sanft, sondern eher ruppig benahm, das Problem bestand darin, daß Paul Schiller ein mutmaßlicher Krimineller war. Daß gegen ihn bereits wegen schwerer Körperverletzung und räuberischer Erpressung ermittelt wurde, ohne daß es zu einer lückenlosen Überwachung gekommen war, machte die Panne komplett. Die Fernseh-Berninger hätte daraus einen großen Auftritt gezimmert und mit kaltem Pathos von dem Gewaltverbrecher berichtet, der seine harmlose Krankenpfleger-Existenz noch eine Weile aufrechterhält, bis er eine gefährliche Gefangene nachts durch die halbe Klinik schleust, den einzigen, der etwas merkt, den armen Pförtner nämlich, bewußtlos schlägt und mit der gefährlichen Gefangenen, die jetzt auch noch eine Komplizin geworden ist, in einem gestohlenen Wagen verschwindet.

»Was sagen Sie dazu?« hätte sie den Polizeibeamten im Studio gefragt, auf ihrem Stuhl postiert, einen Stift zwischen zwei Fingern, als müsse sie sich an etwas festhalten, worauf der Polizeibeamte versichert hätte: »Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren.«

»Ich konnte sie nicht ausstehen im Fernsehen«, sagte Ina, nur um überhaupt etwas zu sagen, weil der verdeckte Fahnder sie mit schlecht verhohlenen Blicken beobachtete, als traue er ihr nicht. »Dieses hoheitsvolle Getue, als wär sie die Größte. Da hab ich sie noch nicht gekannt.«

»Kennst du sie jetzt?« fragte er streng.

»Mal sehen.« Sie sah zu, wie ihm eine Ladung Spaghetti von der Gabel rutschte. »Außerdem kam sie mir wie ’ne Bildungsbürgertussi vor, nur Opern, Klassik gehört, Gedichte gelesen, todschicke Wohnung natürlich, alles besser gewußt, dabei kommt sie aus ziemlich kleinen Verhältnissen.«

»Na und?« fragte er.

Sie nickte. »Wie ich auch. Bloß bin ich dabei geblieben. Bei den kleinen Verhältnissen, meine ich.«

Sie schob ihren Teller zurück, eine Geste, die der Etikette widersprach, wie sie kürzlich gelesen hatte, man schob seinen Teller nicht zurück, sondern wartete, bis er abgeräumt wurde. Denise hätte das sicher noch im Schlaf perfekt gemacht, Serviette falten, keinesfalls zerknüllt auf den Teller werfen, Besteck zusammenlegen, warten. Das Personal mußte natürlich mitspielen. Sie zog den Teller wieder heran. Nur nicht schwatzhaft werden, ihre Verhältnisse, welche auch immer, gingen den Kollegen Reich nichts an.

»Sie hat was Psychopathisches«, sagte er viel zu laut. »Das steht ja auch im Gutachten.«

»Nein«, sagte Ina, »das steht da nicht.« Sie nahm ihr Weinglas und ließ die rote Flüssigkeit kreisen. »Da steht Borderline, wie sie es halt schreiben, wenn sie es nicht so genau wissen.« Sie stellte das Glas zurück, ohne getrunken zu haben. »Es besteht eine Neigung zu emotionalen Ausbrüchen und eine Unfähigkeit, impulshaftes Verhalten zu kontrollieren.« Das psychologische Gutachten, das Denise auf ein paar Sätze reduzierte, hätte sie auswendig aufsagen können; »diese Ausbrüche können zu explosivem, manchmal gewalttätigem Verhalten führen«, tatsächlich, das hatten sie gemerkt.

»Schwarz-weiß, so müssen Sie sich das vorstellen«, referiert der Gutachter vor Gericht, während Denise verächtlich die Lippen verzieht, »in der Seele des Borderliners herrscht eine strikte Gut-Böse-Trennung, alles andere ist ein Vakuum, ein angsterzeugendes Nichts.«

Robert steckte sich einen Zahnstocher zwischen die Zähne und nuschelte, das sei der schäbige Ersatz für eine Zigarette. Sein Gesicht bekam einen leidenden Ausdruck, als er fragte: »Hast du je geraucht?«

Ina schüttelte den Kopf und hörte ihn jammern, wie qualvoll der Weg zum Nichtraucher war, aber das hatten ihr zwei Verflossene auch schon erzählt, denen sie in ihrer Wohnung das Rauchen verbieten wollte, und seine Stimme wurde zur dumpfen Begleitmusik ihrer flirrenden Gedanken. Nein, sie hatte nie geraucht, weil sie den Gestank nicht mochte und die vergilbten Wände in den Wohnungen der Raucher – zählten Joints?

»Das Gutachten hat wohl das Urteil beeinflußt.« Er winkte der Wirtin, die sich sofort in Bewegung setzte. »Totschlag, nicht Mord«, sagte er tadelnd, als die alte Frau mit großem Geschick ihre Teller in einer Hand balancierte und es auch noch fertigbrachte, ihm ein begeistertes Lächeln zu schenken. »Wenn du mich fragst –«

»Ich frag dich aber nicht.«

»Affektstau natürlich.« Mit seinem Zahnstocher piekste er sich in die Oberlippe. »Sie hat wohl eine Menge Affekte.«

»Ich weiß nicht. Kann sein.«

»Die lassen dich auflaufen.« Er stützte sich auf die Ellbogen und rutschte heran. »Die verheizen dich hier, und wenn du verbrennst, dann haben sie es halt versucht.«

»Kann sein«, sagte sie wieder. Vermutlich hatte er recht. Es war ihnen egal.

»Tu nicht so cool.«

»Tu ich nicht, bin ich nicht.« Sie lehnte sich zurück; so ein Bübchen, ein Glas Wein hatte seine Wangen gerötet.

Nie gewesen, wollte sie hinzufügen, das war ja der Mist.

Sie war Kriminaloberkommissarin bei der Mordkommission und mußte sich noch immer überwinden hinzusehen, weil der Anblick der Toten sie erschreckte. Ihre Kollegen nannten das den inneren Schweinehund, den es zu bezwingen galt, doch falls der tatsächlich in ihrem Innern hockte, war er ein flegelhaftes Vieh. Sie hatte ihn gejagt und täglich auf ihn eingeprügelt, ihre Überstunden-Liste war länger gewesen als die der Kollegen. Das hatte sie zwei Beziehungen gekostet, ihre erste große Liebe und die zweite, weil es manchmal unmöglich war, am Abend den Tag wegzupacken; du pennst mit deinen Leichen, hatte ihr Exfreund gesagt, weißt du das überhaupt? Natürlich wußte sie das, weil die Leichen sie hin und wieder weckten, dann zerrten sie an der Decke und glotzten sie an. Ihr derzeitiger Freund Ben hatte keinen Grund, sich zu beschweren, weil sie nur noch Überstunden machte, wenn sie angeordnet wurden. Sie lebten nicht zusammen und schworen einander nichts, also gab es keine Tränen.

Früher hatte sie sich für eine schlechte Polizistin gehalten, wegen der Leichen, weil sie so zimperlich war. Dann hatte sie gemerkt, daß sie eine gute Ermittlerin war, weil sie Kombinationen fand, dranblieb und sich verbiß. Sie hatte gedacht, es könnte tatsächlich etwas werden, bis diese Geschichte passiert war, die toten Obdachlosen, der tote Mann der Berninger und seine glatten, verschlagenen Pharmakollegen. Sie hatte nicht ermitteln können, ob er die Menschen im Auftrag seines Unternehmens hatte töten lassen, weil es über den illegalen Medikamententest keine Unterlagen gab und keinen Beweis; seien Sie nicht blöd, hatte man ihr gesagt, als kleine Beamtin können Sie kein ganzes Unternehmen vernichten. Sie hatte sie aber vernichten wollen, alle miteinander, und als die Akten schließlich geschlossen wurden, tat sie überhaupt nicht mehr viel. Daß sie sich nicht mehr verrückt mache, pflegte sie jetzt zu sagen, sie war doch nicht blöd. Es nutzte ja ohnehin nichts; für Politik hatte sie sich nie besonders interessiert, jetzt sah sie es so: Man suhlte sich im selben Dreck ringsum, und manchmal machten die einen hinter den anderen sauber. Jedem armen Schwein, das sie festnahm, wollte sie sagen, hau doch ab, mach’s wie die anderen, die lassen sich gar nicht erst festnehmen, die sind zu clever.

Aber Denise hatte den Scheißkerl erstochen. Wenigstens einen. Übertötet, ja sicher, aufgrund welcher inneren Störung auch immer, falls sie überhaupt eine hatte. Ina kam nie los von dem Gedanken, Denise hat alles verloren, sie hat es getan. Als Kind hatte sie sich immer eine große Schwester gewünscht, keinen Bruder, weil sie Jungs damals nicht ausstehen konnte, doch hin und wieder passierte es ja, daß man die große Schwester, auch wenn sie nur ein oder zwei Jahre älter war, hinterrücks überfiel.

Die flüchtige Zielperson war einzukreisen, auszuforschen und dann festzunehmen.

Bukarest roch nach Blumen in der Nacht, nach Abgasen, gebratenem Fleisch und frisch gemähtem Gras. Keiner schlief. Aus den Häusern drang ein Summen, und wenn man genauer hinhörte, wurde ein vielstimmiger Chor daraus, Rufe und Gelächter, untermalt von Musik. Aber du schläfst, Denise, oder? Denkst du womöglich, die haben mich einmal gekriegt, weil ich es zugelassen habe, jetzt kriegen die mich nie wieder? Das stellst du dir so vor, ich weiß.

Ina blieb am Fenster stehen und guckte den Menschen zu, die unten auf der Straße schwatzten. Leichter Regen, den sie vor der Straßenlampe schräg fallen sah, als tanze er eine abschüssige Fläche entlang. Ein kleiner Junge sah zu ihr hoch und winkte, dann rief er etwas, bevor eine Frau ihn mit sich zog. Es hatte wie »Maifasch« geklungen und bedeutete vielleicht: Paß auf. Hau ab, fahr nach Hause, es ist besser so.

Sie telefonierte mit Benny und beruhigte ihn, alles gut, hier klaut mich keiner, nein, auch kein Zigeuner, ich hab ja noch gar keinen Zigeuner gesehen. Dann drehte sie die Dusche auf, aus der entgegen den Befürchtungen des Kollegen Reich wunderbar warmes Wasser kam, kald auf rumänisch, was man sich merken sollte. Im Flieger, als sie im Wörterbuch blätterte, hatte sie lange auf das Wort Verzeihung gestarrt, skuzati oder einfach nur pardon.

Sie wachte immer wieder auf, weil es so laut war, draußen auf der Straße und drinnen im Kopf. Am zweiten Prozeßtag, als sie aussagen muß, geht sie an der Anklagebank vorüber, ohne hinzusehen, und sie sagt: »Nein, überhaupt nicht«, als sie gefragt wird, ob die Angeklagte sich gegen ihre Festnahme gewehrt habe. Sie wiederholt es gleich noch einmal, sagt: »Absolut nicht«, und sucht nach Worten, um es noch deutlicher zu machen – sie hat auch nicht fliehen wollen, hätte sie hinzufügen können, ich hab’s ihr nämlich indirekt angeboten, wissen Sie? Das müssen Sie verstehen, da muß ich wichtige Leute laufen lassen, Firmenbosse, denen man angeblich nichts beweisen kann, und sie hab ich festnehmen müssen.

Als der Richter sie entläßt, sieht sie hin; Denise lächelt ihr kaum merklich zu, mit einem Blick, als bewundere sie ihre Klamotten. Das war das vorletzte Mal, daß sie sie gesehen hatte. Das letzte Mal war am Tag des Urteils gewesen, als zwei Beamte die Gefangene zu dem Wagen mit den vergitterten Fenstern führten. Ina fragt, wie es ihr geht, weil sie nicht weiß, was sie sonst sagen soll.

Soviel Unausgesprochenes, soviel Mist, Denise fragt, kennst du diesen Knast, und Ina murmelt, ja, so leidlich.

»Das Besucherzimmer, kriegst du da Beklemmungen? Das ist ziemlich klein, und die schließen ja nun alles ab.«

Das war wohl ihre Art, zu sagen: Bitte besuch mich mal, doch Ina hatte es nicht getan, obwohl sie es sich ständig vornahm, jede Woche und manchmal jeden Tag. Dafür verfolgte sie, was mit der Gefangenen passierte in der Haft. Sie benahm sich höflich, wenn sie einmal etwas sagte, denn meistens redete sie nicht. Sie rastete auch wieder aus, aber nur gegen sich selbst, verbrannte sich mit glühenden Zigaretten, und Ina wollte sie fragen, warum sie das tat, doch sie ging ja nicht hin. Die Gefangene arbeitete nicht, weil sie zu unkonzentriert oder plötzlich zu blöde war, auch nur die simpelsten Handgriffe zu verrichten, sie träumte auch am Tag vor sich hin. Sie aß immer weniger, dann stellte sie den Hofgang ein, und die anderen Frauen lachten sie aus, nannten sie Majestät und forderten im Chor eine Sänfte. Sie bekam Hustenanfälle, und man gab ihr Erkältungsmittel. In einer Nacht spuckte sie Blut und fiel von der Pritsche. Man brachte sie in die Klinik, und da lag sie zwei Wochen, bevor sie verschwand.

Böhm, der Leiter der Fahndung, hatte eine zarte Stimme, die aus seinem riesigen Körper flog wie ein Vögelchen aus einem Löwenmaul. Das paßte nicht zusammen, nichts paßte bei ihm. Sie können das, hatte er gesagt, und Ina hatte den Kopf geschüttelt, aber so, daß er es nicht merkte.

»Ihr Mädels seid doch im gleichen Alter.« Ina hatte seine Stimme im Kopf, dieses Stimmchen des Zweimeter-Mannes, als sie am nächsten Morgen an einer Straßenecke stehenblieb, um ihr Kleingeld zu zählen, Kleingeld mit hohen Zahlen, es paßte einfach nichts. Vor einer Kirche standen alte Männer mit Blecheimern zu ihren Füßen, fünf alte Männer und dreißig Eimer voller Rosen. Einer hatte noch eine Kiste mit Äpfeln im Angebot, und weil er zu ihr herübersah, deutete sie darauf und hob einen Daumen. Er lachte sie an, nahm ein paar Äpfel heraus und jonglierte damit, bevor er sie in eine Tüte warf.

»No«, sagte sie, »one.«

»Ha, unu.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung, drückte ihr die Tüte in die Hand und nannte feierlich den Preis, den sie nicht verstand.

»Ja«, sagte sie nur und wußte nicht, was sie ihm jetzt geben sollte. Vor allem brauchte sie keine sechs Äpfel.

»Euros?« fragte er.

Sie nickte.

»Cinc.« Feierlich streckte sich ihr eine Handfläche entgegen.

Fünf Euro? Im Leben nicht. Sie schüttelte den Kopf, doch er trug keine Schuhe. Die Eimer mit den Blumen waren auch noch voll, die Leute gingen vorbei. Sie wollte keine sechs Äpfel, sie wollte überhaupt keinen Apfel, sie zog den Fünf-Euro-Schein heraus und nahm die Tüte.

»Salut!« schrie er ihr hinterher, und sein fröhliches Lachen würde sie durch den Tag begleiten. So war es immer, manche Dinge schaffte sie nicht, sich durchzusetzen etwa, einfach nein zu sagen, ohne noch ewig zu grübeln. So hätte sie Böhm begegnen sollen, dem Bullen, der wie ein Bulle aussah und die Stimme einer kranken Katze besaß, sie hätte sagen sollen, ihr könnt mich mal, hätte zumindest nein sagen sollen, klar und deutlich: nein. Ja, sie hatte Angst vor Denise, doch nicht vor ihrer hochkochenden Gewalttätigkeit und nicht vor dieser Wut. Es war etwas anderes. Daß sie ihr zuviel durchgehen ließ. Daß sie sie einfach wieder laufenließ.

Ina blieb stehen, um noch einmal diese Münzen zu zählen, fünfzig, hundert, fünfhundert Lei. Man gab schnell mal fünfhunderttausend aus und zog nur einen Schein. Da stand sie mit den wurmstichigen Äpfeln, zählte Kleingeld mit hohen Zahlen zusammen und hörte die Stimme Böhms: »Schmuck im Wert von fast einer Million hat der Schiller jetzt. Das muß man sich mal vorstellen.«

Sie waren abends in ihr Zimmer im Präsidium gekommen, Oberfahnder Böhm, Stocker, ihr Chef bei der Mordkommission, und der stellvertretende Polizeipräsident. Der stellvertretende Polizeipräsident war noch nie in ihrem Zimmer gewesen, woraus sich aber weder schließen ließ, daß man sie zur Hauptkommissarin befördern würde, noch, daß man sie wegen nachlässiger Arbeit aufs Land zu versetzen gedachte, denn zu solchen Gelegenheiten erschien er auch nicht. Zu schließen war nur, daß sie etwas wollten, das wohl unangenehm war.

»Schiller ist gar nicht unsere Sache«, sagte sie, weil sie instinktiv alles abwehrte. Seit den Obdachlosenmorden hatte sie kein besonderes Interesse mehr an ihrer Arbeit, sie wurde faul und immer träger, und alles war egal. Nachts zog sie mit Benny durch Clubs und Kneipen, und bis sie dann morgens endlich aus dem Bett kam, war bald Abend und sie konnte wieder Schluß machen. Sie hörte den Namen Schiller und sagte: »Bin ich nicht zuständig.«

Böhm ignorierte das. »Haben Sie Lambert schon mal die Hand geschüttelt?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, begann er noch einmal den Sachverhalt zu schildern, den Überfall auf den Stadtkämmerer Henning Lambert, der als lustiger Partygänger bekannt war und sich zwischen allem fotografieren ließ, das auch nur halbwegs prominent war. Natürlich hatte sie ihm noch nie die Hand geschüttelt.

»Unser Pfleger Schiller«, sagte Böhm, »hat eine Weile die Gattin des Lambert beglückt. Die war nun so dämlich, ihm zu stecken, daß der Lambert einen Hau hat, daß der nämlich fest an den großen Börsencrash glaubt und sozusagen in Schmuck investiert, auch mit ihrem Geld übrigens, sie kommt aus bestem Hause. Auserlesene Juwelen, will ich mal sagen, lagen da herum. Sie müssen sich das vorstellen, der Stadtkämmerer vertraut dem Gelde nicht.« Er schnippte mit den Fingern. »Freitags wiederum treibt die Holde Jazzgymnastik, und wie wir alle wissen, drang ein Maskierter an einem Freitagabend in die Villa des Lambert ein und zwang ihn, den Safe zu öffnen. Schmuck im Wert von fast einer Million hat er mitgenommen, der lag ja da herum.«

»Hatte der keinen Personenschutz?« Ina erinnerte sich, daß in der Presse nur von dem Überfall zu lesen war, nicht von der Beute, dabei wäre es doch eine hübsche Schlagzeile gewesen: Kämmerer ausgeraubt.

»Nicht vor der häuslichen Villa.« Böhm lächelte etwas angestrengt. »Der legt großen Wert auf sein Privatleben, Sie wissen ja, wie der immer und überall herumhüpft, weshalb wohl auch die Gattin häufig außer Haus ist. Sie haben ihn sogar steuerlich überprüft, soweit kann man ihm nichts. Tatsache ist, daß seine Altersvorsorge nun auf Reisen ist und er vom Täter mit einer Baseballkeule fast zum Krüppel geschlagen wurde. Tatsache ist, daß der Täter mit äußerster Brutalität vorgegangen ist, da werden Schäden bleiben. Daß es Schiller war, wurde schon eine Weile vermutet, aber es gab noch keine Beweise, bis die Gattin einen dezenten Hinweis gab. Die ist einfach nur doof, die haben sie bis zum Gehtnichtmehr vernommen, die steckt nicht mit drin. Jetzt ist Schiller weg, und der Schmuck ist natürlich immer noch nicht aufgetaucht.«

»Pech.« Ina verschränkte die Arme und sah an ihm vorbei.

»Da haben Sie recht.« Böhm setzte sich neben sie und rückte gleich noch mit seinem Stuhl näher an sie heran, als wolle er bekräftigen, daß es ernst wurde. »Schiller hat sein normales Leben zunächst weitergeführt, ganz umsichtig, wie ich finde. Dann kriegt er die Frau Berninger als Patientin oder wie das heißt – heißt das Patienten bei Pflegern? Pflegefall wäre ja falsch, rein vom Sinn her. Na egal, kriegt er sie vom Knast rüber mit ihrer TBC, und er hat sich aufopfernd um sie gekümmert, das ist wohl aufgefallen, weil Paulchen Schiller sich in der Regel nicht so große Mühe gab. Weiß der Teufel, da leidet sie unter TBC, hat aber noch soviel Elan, ihn kirre zu machen, oder wie soll ich mir das vorstellen?« Böhm sah sie ausdruckslos an. »Nun gut, sie war seit einem Jahr in Haft, nicht? Untersuchungshaft angerechnet, noch länger. Spielt dann auch die TBC keine Rolle, warum, zum Teufel, hatten die da keine Schwestern? Unsensibles Vorgehen, die steckt im Bau, und man teilt ihr auf der Isolierstation einen knackigen Pfleger zu.«

Ina fand das Gespräch unangenehm, und sie wußte noch immer nicht, warum er ihr das alles erzählte. Es war bekannt.

»Ansteckend ist sie gar nicht mehr gewesen«, trug der stellvertretende Polizeipräsident zur Unterhaltung bei. »Da frage ich mich, warum sie immer noch auf der Isolierstation lag.«

»Wohl weil’s kein Schnupfen ist«, sagte sie. »An Lungen-TB sind sie früher haufenweise gestorben.« Lauter makellose Frauen, nicht wahr, die dann als Operndiven wieder auferstanden.

»Nachgerade krepiert«, sagte Böhm, »da haben Sie recht. Sie hier hat es allerdings geschafft, aus der Schwindsucht eine Verschwindsucht zu machen, nicht wahr? Der Doktor jammerte auch gleich herum, sie sei noch sehr krank gewesen und hätte ja nun gar keine Medikamente mit, aber offenbar war sie gesund genug, den Schiller kirre zu machen, nicht?«

»Keine Ahnung«, sagte Ina. »Ich war nicht dabei.«

»Keiner war dabei, das ist der Jammer.« Böhm rückte noch etwas näher an sie heran. Ina sah ihren stummen Chef an, doch Stocker schüttelte nur bedauernd den Kopf. Ich konnte nichts machen, sollte das wohl bedeuten, aber ich bin dagegen.

»Sie sind also weg«, sagte Böhm. »Sie hat man jetzt in Bukarest gesehen.«

»Ich weiß«, sagte sie.

»Ihn nicht.« Böhm sah sie an, als hätte er eine Pointe gesetzt. Dann sprang er wieder auf. »Nirgends hat man ihn gesehen, die Beschattung läuft schon eine Weile. Den rumänischen Behörden ist auch nichts bekannt, aber sie sind sehr großmütig, solange Deutsche sich um Deutsche kümmern, niemand eigenmächtig eingreift und niemand herumballert, solange das also diskret geschieht. Eine Flucht nach Rumänien muß beiden gepaßt haben, kein EU-Land, Balkan, alles ein bißchen kreuz und quer da unten, so werden die sich das gedacht haben.«

»Kann sein«, sagte Ina. Paul Schiller hatte ihr einen Gefallen getan. Prominenten-Bonus vielleicht.

»Außerdem ist dem Schiller womöglich klar gewesen, daß wir schon an ihm dran waren«, sagte Böhm. »Nur: Wo ist er? Da tut sich nichts, sie ist da unten offenbar nicht mit ihm zusammen. Aber von was lebt die da, hm? Haben Sie sich das mal überlegt?«

»Nein«, sagte sie.

Böhm atmete tief durch. »Möglichkeit eins: Sie hat ihn getötet. Dann hat sie den Schmuck.« Langsam kam er näher und setzte sich wieder neben sie. »Möglichkeit zwei: Er hat noch andere Geschäfte zu erledigen, wo auch immer, was auch immer, den Schmuck versilbern etwa, und sie wartet auf ihn. Die hecken da was aus, und ich muß wissen, was das ist. Ich möchte überhaupt wissen, was da los ist, so oder so.«

»Möglichkeit drei«, sagte sie, »die haben überhaupt nichts miteinander zu tun. Er hat sie da rausgeholt, okay, dann haben sich ihre Wege wieder getrennt.«

»Ina«, sagte Böhm langsam, »das ist Quatsch. Die Frau Berninger ist eine attraktive Frau, da hilft nun alles nichts, und Schiller hat eine Menge riskiert, sie da herauszuholen, wie Sie das nennen. Da soll er sie einfach wieder ziehen lassen? Erzählen Sie mir nichts.«

Ina schüttelte nur den Kopf, das Schicksal des Paul Schiller interessierte sie nicht. Sie erinnerte sich an das Foto, das sie von ihm gesehen hatte, ein kurzhaariger Schönling, der ein wenig dem jungen Alain Delon glich, den ihre Mutter zum glanzvollsten Mann aller Zeiten erkoren hatte, wobei sie jedesmal hinzufügte: Also, der junge Delon, der junge. Nicht ihre Kragenweite, alle beide. Zu kurzhaarig, zu schön.

»Ich weiß es nicht«, murmelte sie.

Freundlich sagte Böhm: »Wir denken nun aber, daß Sie es herausfinden können.«

Die Höhle der Löwin, hatte er gesagt, da gehen Sie rein. Zwei Fliegen mit einer Klappe, hätte er auch noch sagen können, drei Fliegen, denn sie wollten Denise, sie wollten Schiller, und die Beute wollten sie natürlich auch, lieber Herr Kämmerer, da haben Sie Ihren schönen Schmuck wieder. Würden sie Denise jetzt festnehmen, kämen sie an Schiller nicht heran.

»Sie besuchen sie, Ina.« Böhm faltete die Pranken. »Wir haben ein schönes Profil erstellen lassen, daraus ergibt sich, daß es auf diese Weise besser funktioniert, als käme da eine Fremde an, die sich nun plötzlich an sie heranmacht. Bedenken Sie, was die Psychologen sagen, wie sie tickt, dieses Extremdenken, gut oder böse. Gegen Polizisten hat sie ohnehin nichts, so gut wie sie immer mit uns zusammengearbeitet hat, nicht? Gegen Sie hat sie am wenigsten, denn Sie sind auf ihrer Seite, so denkt sie, und Sie müssen das nur noch ein wenig forcieren. Sie haben doch eine gewisse Beziehung zu ihr aufbauen können, hatten länger mit ihr zu tun in dieser unseligen Obdachlosengeschichte.«

»Ein paar Vernehmungen und die Festnahme«, murmelte sie. Böhm hatte so dicke Finger, daß er den Ehering ohne Schmierseife wohl nicht herunterbekam. »Wenn Sie das eine gewisse Beziehung nennen, bitte.«

Die Höhle der Löwin. Sehr komisch. »Hören Sie mal«, sagte sie und hatte das Gefühl, jetzt etwas ganz Wichtiges sagen zu müssen, etwas Grundsätzliches, etwas, das ein für alle Mal klarstellte, daß es nicht funktionieren konnte.

»Ja?« Böhm sah sie erwartungsvoll an.

»Die ist doch nicht blöd«, sagte sie.

»Oh nein.«

»Na also.« Sie lehnte sich zurück.

»Sie kriegen nur eine kleine Legende«, sagte er, »sonst würde es in der Tat nicht funktionieren. Beachten Sie, was ich gesagt habe: Sie besuchen sie. Das ist alles. Was ist aus ihr geworden, das interessiert Sie doch, und weil Sie ja ohnehin denken, daß außer der Frau Berninger noch ganz andere für viel schlimmere Dinge zu brummen hätten, die man aber geschont hat, weil es einflußreiche Firmenvertreter sind, weil alles, was Sie tun und vor allem, was Sie lassen müssen, Sie so mächtig anwidert, machen Sie ihr klar, daß von Ihnen überhaupt keine Gefahr droht. Offiziell ist die Bukarester Spur zu den Akten gelegt. Verstehen Sie?«

Sie antwortete nicht.

»Sie sind nur hellhörig geworden, als dieser Mensch, der sie gesehen hat, irgendeine Kleinigkeit gefaselt hat, etwas, das niemand beachtet hat.« Böhm beugte sich vor. »Da gibt es doch was?«

»Das mit der Zigarette«, murmelte sie. »Die ist Rechtshänderin. Nur die Zigaretten hat sie immer links gehalten, ich meine, andere Raucher, die ich kenne, machen das nicht.« Sie seufzte. »Das hat er gesagt, ja, Zigarette links.«

»Sehen Sie?« Jetzt sah er aus, als würde er ihr gleich den Kopf tätscheln. »Also ab in die Walachei, Frau Henkel. Wußten Sie, daß Bukarest mitten in der Walachei liegt? Mir war das nicht geläufig.«

»Das weiß doch jedes Kind«, sagte sie, obwohl ihr das auch nicht geläufig war.

Seine Stimme wurde etwas kälter. »Betrachten Sie sich als Vorhut, mit dem endgültigen Zugriff haben Sie nichts zu tun, es sind Kollegen vor Ort, die das mit den Rumänen absprechen. Sie haben uns nur die Informationen zu liefern, so gut das geht, über den Verbleib der Beute und über Schiller, den lebenden oder den toten.« Er lächelte. »Sie sind eine berufsmüde, fast ausgebrannte Polizistin, die in letzter Zeit etwas geschlampt hat in ihren Ermittlungen, Sie haben gar nicht die Absicht, der Frau übel zu wollen. Das ist so Ihre Art, auszudrücken, wie angewidert Sie von Ihrem Job sind und von den Gesetzmäßigkeiten, denen Sie gehorchen müssen, und genau das wird die Frau Berninger zu schätzen wissen. Sie haben das Gefühl, sie müßten etwas an ihr gutmachen.«

Ina schüttelte den Kopf. Das war keine Legende, auch keine kleine, auch keine schlechte. Es war die Wahrheit, und sie wußte, daß Böhm das wußte. Dieser Job ist Ihre einzige Möglichkeit, sich zu rehabilitieren, hätte er noch hinzufügen können, was Sie in letzter Zeit geliefert haben, ist ja nun armselig, und wenn Sie das jetzt nicht hinkriegen, wird nichts mehr aus Ihnen werden.

Sie schnappte nach Luft und sah in seine ausdruckslosen Augen.

»Paßt Ihnen der Schuh?« fragte er.

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