Über Eric Ambler

Eric Ambler, geboren 1909 als Sohn eines Schauspieler- und Entertainerpaars in London, studierte Maschinenbau und arbeitete zunächst als Werbetexter. In den dreißiger Jahren schrieb er seine ersten Agentenromane. Im Zweiten Weltkrieg war er Artillerist, dann Produktionsleiter von Lehrfilmen in der britischen Armee, nach 1946 arbeitete er u.a. als Drehbuchautor und Produzent und gewann für drei seiner Bücher den Edgar-Allan-Poe-Preis. Er starb 1998 in London.

Die wöchentliche Dakota aus Selampang war meines Wissens noch nie vor Mittag auf der Rollbahn im Tal gelandet oder vor eins zum Rückflug gestartet. Nach der Abschiedsparty, die man mir am Abend zuvor gegeben hatte, hätte ich mindestens bis elf schlafen müssen. Aber nein; bei Morgengrauen war ich hellwach, hatte gepackt und mich reisefertig gemacht.

Nicht dass ich viel zu packen gehabt hätte. Die meisten von meinen Sachen – die weiten, dhobi-zerschlissenen Hosen und Buschhemden, die Moskitostiefel und die schweißverschmutzten Hüte – hatte ich samt meinem Feldbett Kusumo gegeben, der während der letzten drei Jahre mein Diener gewesen war. Die wenigen Dinge, die noch übrig blieben – Schuhe, ein paar weiße Hemden, Unterwäsche und andere persönliche Kleinigkeiten –, waren leicht in einen kleinen Metallkoffer gegangen. Den einzigen Anzug, den ich besaß, hatte ich an. Ich war so einfältig gewesen, ihn bei einem Versandhaus in Singapur zu bestellen, und er hing an mir wie ein Duschvorhang. Aber an diesem Morgen war mir egal, wie ich aussah; und wie lange ich auf die Maschine zu warten hatte, war mir ebenfalls egal. Hauptsache war damals für mich, dass meine Abreise feststand und dass ich in meiner Brusttasche außer meinem Pass und

Kurz nach elf lieh ich mir einen von den Jeeps der Wartungsstelle und fuhr hinüber zum Büro des leitenden Ingenieurs, um good-bye zu sagen.

Jetzt, da ich wegfuhr, konnte ich die Gegend mit freundlicheren Augen sehen. Als der Jeep über den Knüppelweg an den neuen attap-Häusern und der Reihe von Nissenhütten, wo die europäischen Arbeitskräfte wohnten, vorbeiratterte, empfand ich sogar etwas Stolz auf das Geleistete.

Es war ein Colombo-Plan-Projekt, und an Finanzierungskapital vonseiten der Amerikaner und des britischen Commonwealth hatte es nicht gefehlt. Aber um in einer Gegend wie dem Tangga-Tal Dämme zu bauen, ist mehr vonnöten als Geld und guter Wille. Als ich mit dem Vortrupp auf dem Gelände angekommen war, hatte es nichts gegeben als Sümpfe und Dschungel, Blutegel und eine Kolonie von Sechsmeterpythons. Es verging fast ein Monat, bis das Unternehmen seine ersten zwei Bulldozer von der Küste heraufgeschafft hatte. Und im ersten Jahr hatten wir gleich nach dem Hereinbrechen des Monsuns die gesamte Ausrüstung stehen lassen und auf höheres Gelände ziehen müssen, um am Leben zu

Im Büro des leitenden Ingenieurs waren bereits zwei andere Männer, als ich den Kopf zur Tür hineinstreckte, aber Gedge winkte mich herein.

»Setz dich, Steve. Wir sind gleich fertig.« Er dreh

Ich setzte mich und hörte zu.

Gedge, vom Unternehmen als Bauleiter eingesetzt, war ein sehr fähiger und erfahrener südafrikanischer Bauingenieur, der den größten Teil seines Arbeitslebens im Osten verbracht hatte, und zwar von sich aus. Viele Jahre hatte er in China gearbeitet und dann, seit dem chinesisch-japanischen Krieg, in Indien und Pakistan. Er hatte dort kein Geheimnis daraus gemacht, dass er Asiaten den Menschen seiner eigenen Rasse vorzog, nicht nur als Arbeitskollegen, sondern auch als Freunde. Bei den Europäern hieß es natürlich, er sei exzentrisch, und von Zeit zu Zeit kursierten Gerüchte über ihn – er sympathisiere mit dem Kommunismus oder er halte sich sechs eurasische Konkubinen oder er sei heimlich Buddhist geworden.

Momentan jedoch waren seine Gefühle für seine asiatischen Mitarbeiter alles andere als freundschaftlich. Er hatte Ärger mit ihnen. Und wirklich, seit Major Suparto vor sechs Monaten mit seinen fünf Bruder-Offizieren aus Selampang eingetroffen war, hatte es praktisch nichts als Ärger gegeben.

 

Sunda war früher ein Teil Niederländisch-Ostindiens. 1942 wurde es von den Japanern besetzt. Als drei Jahre später die Holländer zurückkamen, sahen sie sich einer sundanesischen »Befreiungsarmee« gegenüber und standen vor der Forderung nach Unabhängigkeit, der sie

Der Augenblick der größten Schwierigkeit für alle revolutionären Führer scheint der Augenblick des Erfolgs zu sein; der Augenblick, in dem sie – eben noch Rebellen im Konflikt mit den Herrschenden – selber plötzlich die Herrschenden geworden sind; in dem die Kämpfer, die den Sieg herbeigeführt haben, erwartungsvoll und ungeduldig ihre Belohnung einfordern. Es ist leichter, eine Befreiungsarmee zu rekrutieren, als sie zu entwaffnen und aufzulösen.

Zuerst sah es aus, als wüsste die provisorische Regierung der neuen Republik von Sunda sich recht klug aus dieser Verlegenheit zu helfen. Eine Politik des Abmarsches wurde betrieben, um den esprit de corps zu brechen. Keine Einheit als solche wurde aufgelöst. Männer aus denselben Gebieten wurden zusammengefasst und dann in ihre jeweiligen Gebiete zurücktransportiert, bevor sie entwaffnet und demobilisiert wurden. Inzwischen baute die Regierung schnell die kleine reguläre Armee auf, auf der in der Zukunft ihre Autorität beruhen sollte, und setzte sie gegen alle früheren Mitkämpfer ein, die noch auf dem Kriegspfad waren. Und das waren natürlich einige; besonders jüngere Soldaten, die sich oft zusammenrotteten und die Menschen in den Dörfern terrorisierten. Aber diese Art Banditentum hatte kaum politische Bedeutung. Nach der Unabhängigkeitserklärung Präsident Nasjahs schien ein paar Monate lang alles ganz gut zu gehen.

Unglücklicherweise hatte das Problem eine Seite,

Es gab mehrere Hundert von diesen überschüssigen Offizieren; viel mehr, als die reguläre Armee oder der neue Polizeiapparat in vernünftiger Weise hätte absorbieren können. Hinzu kam, dass viele nicht Offiziere im üblichen Wortsinn – also Männer von ausgeprägter Loyalität – waren, sondern Guerillaführer und Exbanditen, die gegen die japanische Besatzungsmacht sowohl gekämpft als auch mit ihr kollaboriert hatten, bevor sie sich dann bei den holländischen Kolonialtruppen genauso verhielten. Es stand also zu erwarten, dass sie anfangen würden, die neue Regierung in Selampang zu bekämpfen, wenn das verheißene Utopia nicht sofort Wirklichkeit werden würde; oder wenn sie mit ihrem Beuteanteil oder ihren neuen Posten nicht mehr zufrieden wären. Machiavelli meinte, der kluge Usurpator solle, sobald er an die Macht komme, gegen seine ehrgeizigen Anhänger Anklagen erfinden und sie beseitigen lassen, bevor sie übermütig werden können. Aber so umsichtig oder praktisch veranlagt ist nicht jeder Politiker.

Obwohl die Gefahr bereits manifest geworden war, wurde sie von der Nasjah-Regierung unterschätzt. In der Auseinandersetzung mit wichtigen Tagesproblemen der Verwaltung und eingespannt in den politischen Kampf,

Die Antwort hatten die Politiker bald. Als es so weit war, dass sie der Generalversammlung den Verfassungsentwurf vorlegen konnten, gab es eine Streitmacht von nahezu dreitausend Aufständischen, die im zentralen Hochland operierte. Angeführt wurde sie von einem Excolonel namens Sanusi, der sich selbst zum General befördert hatte und schnell die Herrschaft über einen Verwaltungsbereich gewann, der sich über die einzigen zwei Straßen erstreckte, die die Hauptstadt mit den nördlichen Provinzen verbanden. Überdies war Sanusi ein frommer Moslem und verbreitete eine Reihe von Manifesten, in denen er alle Rechtgläubigen aufrief, seiner Nationalen Freiheitspartei von Sunda beizutreten und den Ungläubigen in Selampang, die den neuen Staat bereits im Augenblick seiner Geburt verraten hätten, den Heiligen Krieg zu erklären.

Die Aufstände, die darauf folgten, führten zu einigen Toten unter der eurasischen Bevölkerung der Stadt, aber schließlich konnte die Ordnung ohne großes Blutvergie

Nachdem sie diese Demütigungen geschluckt hatte, war die Regierung genötigt, das Problem etwas realistischer zu sehen. Sie glaubte, Sanusi habe weder Panzer noch Artillerie und dass er deshalb gezwungen sei, in den Bergen zu bleiben. Sie wusste außerdem, dass sie es sich nicht leisten konnte, noch mehr das Gesicht zu verlieren, ohne das Vertrauen der Öffentlichkeit stark zu erschüttern. Auch mussten gewisse Empfindlichkeiten im Ausland berücksichtigt werden. Verhandlungen darüber, ob großzügige Kredite in US-Dollars zur Verfügung gestellt werden würden, standen kurz vor dem Abschluss. Ein Anschein von Ruhe und Stabilität musste unter allen Umständen gewahrt werden.

Man entschied sich also zum Bluffen.

Ein vom Informationsminister veröffentlichtes Kommuniqué verkündete, die »Sanusi-Bande« sei einge

Gleichzeitig wurde der Verteidigungsminister zu geheimen und besonderen Vorsichtsmaßnahmen gegen jeden weiteren Verrat in den Streitkräften angewiesen. Jeder Armeeoffizier sei durch den Einsatz von agents provocateurs sorgfältig auf seine Zuverlässigkeit zu überprüfen. Von Andersdenkenden sei eine Liste zu erstellen, und Schritte zu ihrer Kaltstellung seien zu unternehmen. Sanusi solle sich in den Bergen die Beine in den Bauch stehen, bis eine umfassende Offensive gegen ihn gestartet werden könne.

Das Gefühl der Sicherheit, das der Regierung aus diesen Entscheidungen erwuchs, währte nicht lange. Die vom Verteidigungsminister durchgeführten Nachforschungen führten bald zu dem erschreckenden Ergebnis, dass unter den Offizieren offen von einem Staatsstreich

Die erste Reaktion des Ministerrats war Panik, und für vielleicht eine Stunde palaverte man offenbar sehr aufgeregt darüber, ob man aus Singapur ein britisches Kriegsschiff als Beistand erbitten solle. Dann rissen sie sich zusammen und gaben General Ishak, dem Verteidigungsminister, Sondervollmachten für das Vorgehen gegen die Verschwörer. Vierundzwanzig Stunden später waren sechzehn der höheren Offiziere erschossen, und weitere sechzig saßen im Gefängnis in Erwartung des Kriegsgerichts.

Die unmittelbare Krise war gebannt; aber die Regierung hatte einen üblen Schrecken bekommen und würde diese Erfahrung so schnell nicht vergessen. Die Nachrichten aus Indonesien über den »Turko«-Westerling-Zwischenfall verstärkten die Angst der Regierung. Wenn eine kleine Truppe javanischer Konterrevolutionäre, angeführt von ein paar verrückten Holländern, vor den Augen der rechtmäßigen indonesischen Regierung eine Stadt wie Bandung erobern konnte, dann konnte eine große Truppe sundanesischer Aufständischer unter Sanusi wahrscheinlich auch Selampang erobern. Nur die Garnison von Selampang mit ihren japanischen Panzern und Panzerspähwagen und ihren sechs deutschen 88-Millimeter-Kanonen hinderte sie an dem Versuch. Wenn es Sanusi gelingen würde, die Garnison dadurch zu neutralisieren, dass er sich – wie er es ja fast schon

Da Eigennutz der vorherrschende Charakterzug bei den meisten Offizieren auf der Liste der Verdächtigen war, funktionierte die neue Politik. Von Zeit zu Zeit gab es Verschwörungspsychosen und mitternächtliche Exekutionen, und für die Dauer eines Monats herrschte das Standrecht; aber obgleich die Straßen nach Norden jetzt in fester Hand der Aufständischen waren (Sanusi war so unverschämt, von den Dörfern in seinem Gebiet Steuern zu kassieren), verlor die Regierung keinen Boden mehr. Die Verluste lagen jetzt mehr auf moralischem als auf territorialem Sektor.

Der schwarze Markt beispielsweise. Für sein Wachstum gab es einfache wirtschaftliche Gründe. Die amerikanischen Kredite waren nicht in Produktionsmitteln angelegt worden, sondern man hatte sie verschwendet für Dinge wie Autos, Kühlschränke, Radios und Klima

Die Regierung erkannte zwar, dass zur Bewältigung dieses Problems Maßnahmen vonnöten waren, konnte sich jedoch nicht darüber einig werden, worin diese Maßnahmen bestehen sollten. Das war nicht nur Unentschiedenheit und lag auch nicht einfach daran, dass persönliche Interessen einiger Minister zu berücksichtigen waren. Die Unfähigkeit der Regierung, sich wirksam mit diesem oder irgendeinem der anderen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme, mit denen sie konfrontiert war, auseinanderzusetzen, hatte einen tieferen Grund. Die Sanusi-Affäre hatte auf irgendeine hintersinnige Weise dazu gedient, sie zu demoralisieren, und zwar gründlich. Nachdem 1950 die Verschwörung aufgedeckt worden war, wurden alle Regierungsgeschäf

Oben im Tangga-Tal waren wir bis zu einem gewissen Grad von diesem ganzen Irrsinn isoliert; wenigstens während des ersten Jahres. Besucher, vor allem Leute von der Weltgesundheitsorganisation und der UNICEF, die zur Arbeit in unser Gebiet kamen, erzählten uns, was vorging, und wir waren dann jedes Mal überrascht, dass so intelligente Männer tatsächlich erwarteten, wir würden ihnen die phantastischen Geschichten, die sie uns erzählten, glauben. Später, als unsere eigene Verbindung mit der Hauptstadt enger wurde, mussten wir uns eines Besseren belehren lassen. Aber solange Gedge die nötigen Arbeitskräfte hatte und solange von unserem kleinen Hafen an der Küste regelmäßig die Versorgung zu uns heraufkam, konnten wir das Gefühl haben, die Vorgänge in Selampang seien ohne Bedeutung für uns.

Und dann begannen die »Regierungsrentner« einzutreffen.

Es ist eines der Grundprinzipien der Colombo-Plan-Politik, dass – wenn Unterstützung für ein Projekt wie das des Tangga-Staudammes gewährt wird – so viel Führungsposten wie möglich von Asiaten eingenommen werden sollen. Stehen qualifizierte Asiaten nicht gleich

Diese Tatsache bremste die Behörden in Selampang jedoch nicht. Wenn Leib und Leben einer Regierung dadurch gesichert werden, dass eine Politik der jobs for the boys betrieben wird, werden hochbezahlte Posten rar. Hinzu kommt noch, dass die Löhne und Gehälter von den Unternehmern des Colombo-Plans gezahlt wurden und nicht von der Regierung. Als die Dienstverträge der Europäer auszulaufen begannen, muss das Tangga-Tal-Projekt in Selampang ausgesehen haben wie eine Goldgrube. In seiner Unschuld nahm Gedge an, dass sein förmliches, routinemäßiges Anfordern von Asiaten, die die scheidenden Europäer ersetzen sollten (Anfragen, zu denen er vertraglich verpflichtet war), zur Kenntnis genommen und dann auf die übliche Weise vergessen werden würde. Er wusste ganz genau, dass sie keine Fachkraft hatten, die sie ihm hätten schicken können. Und er hatte recht.

Der erste der überschüssigen Offiziere, der sich zum Dienst melden sollte, war ein bulliger Kerl in der Uni

Bald stellte sich heraus, dass der Captain ein ziemlich typisches Beispiel für das gewesen war, was uns bevorstand. Nachdem drei weitere Möchtegernaufseher und über ein Dutzend Anwärter auf andere Posten zurückgeschickt worden waren, hatte die Regierung den Arbeitsminister angewiesen, seine Taktik zu ändern. Anstatt den Bewerber persönlich zu schicken, wurde dessen Name geschickt, zusammen mit einer imponierenden Aufzählung der angeblichen Qualifikationen des Bewerbers, und alles war vom Arbeitsminister als korrekt bescheinigt. Gedge hatte also nur noch die Wahl, den Bewerber blind zu akzeptieren – aufgrund der Bewertung durch das Ministerium – oder diese Bewertung infrage zu stellen und somit an der Ehrlichkeit des Ministers zu zweifeln.

Ich glaube, wir waren alle der Ansicht, dass er sich gut aus der Affäre gezogen hatte. Die freundschaftliche Beziehung mit der Regierung war gewahrt worden. Seine eigene Autorität war ungeschmälert geblieben. Die Interessen seiner Arbeitgeber waren sichergestellt worden. Die Arbeit konnte ihrer Vollendung nun glatt entgegengehen (plan- und termingerecht), bis zu dem Augenblick, wo er über der östlichen Abflussrinne barhäuptig im Wind stehen würde, um die Gratulation des Präsidenten entgegenzunehmen. Vom Hauptbüro des Unternehmens war die Genehmigung gekommen, die Gehälter für sechs nutzlose sundanesische Offiziere dem Konto für Sonderausgaben zur Last zu schreiben. Es blieb jetzt nur noch abzuwarten, ob die Regierung ihr Versprechen halten würde.

Auf ihre spezifisch unredliche Weise hielt sie ihr Versprechen. Was sie schickte, waren nicht schwachsinnige, sondern intelligente Gangster.

Er seufzte. »Verstehe. Primadonnen. Das kann man denen nicht durchgehen lassen. Würde es dir etwas ausmachen hinzufahren, Steve?«

»Ich?« Streng genommen hatte ich mit so etwas nichts zu tun. Arbeitsverhältnisse waren Sache des Unternehmers. Ich war da, um die Firma der beratenden Ingenieure zu vertreten, die das Projekt geplant hatten, und darauf zu sehen, dass das Unternehmen die Bauarbeiten nach unseren Plänen ausführte. Aber ich war mit Gedge immer gut ausgekommen und konnte sehen, wie ernst es ihm war.

»Wenn sie nicht irgendein wichtiger Mann begrüßt, verlieren sie das Gesicht«, erklärte er. »Und du weißt, dass ich mir mit diesen Leuten keinen schlechten Start leisten kann.«

»Na gut. Aber es wird dich zwei große Scotchs kosten.«

»Abgemacht. Und wenn du gleich fährst, sollen es von mir aus auch drei sein.«

Ich konnte damals noch nicht wissen, dass er mir damit in gewisser Weise das Leben rettete.

Ich fand die Neuankömmlinge bei der Funkerbude. Sie standen im Schatten und stierten finster in die Gegend.

Alle waren sie sehr schmuck ausstaffiert, mit makellosen Uniformhemden und blankgewichsten Pistolentaschen. Ich war doch einigermaßen beeindruckt.

Als ich näher kam, wandten sie sich mir zu und nahmen Haltung an. Einer von den Majoren trat einen Schritt vor und nickte kurz. Er war ein schlanker, gutaussehender kleiner Mann mit den flachen Zügen und hohen Backenknochen des Südsundanesen und mit einem strengen, arroganten Mund. Sein Englisch war fast perfekt.

»Mr. Gedge?«

»Nein. Mein Name ist Fraser. Ich bin hier der beratende Bauingenieur. Sie sind …?«

»Major Suparto. Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. Fraser.« Wir gaben uns die Hände, und er drehte sich um zu der Gruppe hinter ihm. »Ich darf vorstellen – die Majore Idrus, Djaja und Tukang; Captain Kerani und Captain Emas.« Auch sie nickten kurz mit den Köpfen, und er wandte sich wieder mir zu.

»Eigentlich hatten wir erwartet, dass Mr. Gedge uns die Ehre erweisen würde, uns bei unserer Ankunft willkommen zu heißen, Mr. Fraser.«

»Sie sind selbstverständlich willkommen, Major. Bedauerlicherweise hat Mr. Gedge momentan ziemlich viel zu tun, aber er würde sich trotzdem freuen, Sie und die anderen Herren in seinem Büro begrüßen zu dürfen.«

»Sehr schön, Mr. Fraser. Wir akzeptieren Sie als den Stellvertreter von Mr. Gedge.« Das Lächeln verschwand so plötzlich, wie es gekommen war. »Wir können ja jetzt gleich zu seinem Büro fahren, wenn Sie nicht meinen, dass er nur deswegen viel zu tun haben könnte, um uns warten zu lassen.«

»Wir haben hier nicht viel Zeit für das Protokoll, Major«, sagte ich; »aber Sie werden keinen Grund haben, sich über Unhöflichkeit zu beklagen.«

»Hoffentlich nicht.« Er lächelte wieder. »Sehr schön. Dann können wir gehn. Darf ich vielleicht mit Ihnen fahren, Mr. Fraser?«

»Selbstverständlich.«

Der Rest folgte in den anderen Jeeps. Unterwegs erklärte ich die Geographie des Camps und hielt an einem Punkt der Strecke, von dem aus alle einen guten Blick auf den Damm hatten. Aus den Jeeps hinter uns kamen Rufe des Staunens, aber Major Suparto schien nicht besonders interessiert. Beim Weiterfahren merkte ich jedoch, dass er mich mit unauffälligen Seitenblicken musterte. Dann sprach er.

»Was ist ein Verbindungsmanager, Mr. Fraser?«

»Ich glaube, das ist ein ganz neuer Posten.«

»Und bestimmt ein unnötiger. Nein, sagen Sie nichts. Ich möchte Sie nicht in Verlegenheit bringen.«

»Ich bewundere Ihre Diskretion, Mr. Fraser.«

Ich überging diese Spitze mit Stillschweigen.

»Ich bin ein vernünftiger Mensch, Mr. Fraser«, fuhr er nach einer Weile fort. »Ich bin durchaus in der Lage, diese Situation philosophisch zu nehmen. Aber meine Genossen sind da ein bisschen anders. Sie werden irgendetwas suchen, was sie befriedigt, und das kann zu Schwierigkeiten führen. Ich glaube, Mr. Gedge täte gut daran, das zu bedenken.«

»Ich werde ihn darüber unterrichten, aber ich glaube, Sie können bei ihm mit Verständnis rechnen.«

Er sagte nichts mehr, bis wir an Gedges Büro vorfuhren. Als ich mich anschickte auszusteigen, legte er mir eine Hand auf den Arm.

»Verständnis ist eine feine Sache«, sagte er, »aber manchmal ist es besser, einen Revolver bei sich zu haben.«

Ich sah ihn ernst an. »An Ihrer Stelle, Major, würde ich vor Mr. Gedge derlei Scherze unterlassen. Er könnte auf den Gedanken kommen, Sie wollten ihn einschüchtern, und das würde ihm ganz und gar nicht gefallen.«

Er starrte mich an, und obgleich seine Hände keine Bewegung machten, war ich mir der Pistole an seinem Gürtel für einen kurzen Augenblick fast schmerzhaft bewusst. Dann lächelte er. »Ich mag Sie, Mr. Fraser«, sagte er. »Ich bin sicher, dass wir noch Freunde werden.«

Der Besuch bei Gedge verlief ganz gut. Die Verbindungsmanager behaupteten alle, Erfahrung in der Ver

Keiner von ihnen behauptete, irgendwelches technisches Wissen zu haben. Major Suparto bat darum, zur Transportabteilung zu kommen. Die übrigen wurden aufgeteilt auf die Abteilungen für Versorgung, Maschinen, Elektrizität, Bauwesen und Hochspannungsverlegung.

Das erste Anzeichen für Schwierigkeiten kam drei Tage später aus der Abteilung für Bauwesen. Einer der Männer, die in Abschnitt drei des Kraftwerks arbeiteten, war von Captain Emas angegriffen und übel zugerichtet worden. Nach dem Zwischenfall befragt, erklärte Cap

Gedge war in einer schwierigen Lage. Die Arbeiter stammten ausnahmslos aus den umliegenden Dörfern, und die kleineren Streitfälle, die es gegeben hatte, waren dadurch beigelegt worden, dass man die Dorfältesten eingeschaltet hatte. Eine regelrechte Gewerkschaftsorganisation war bislang nicht für nötig befunden worden. Unglücklicherweise war nach sundanesischem Arbeitsrecht die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft für Handwerker obligatorisch. Captain Emas wusste das offenbar. Sollte man ihn hinauswerfen und nach Selampang zurückschicken, so würde er beim Arbeitsministerium einfach Beschwerde darüber erheben, dass er gesetzwidrige Zustände vorgefunden habe und ein Opfer seines Versuchs geworden sei, diese Zustände zu beheben. Das Ministerium hätte seine Freude. Im Handumdrehen wäre Captain Emas zurück, ausgestattet mit Sondervollmachten zur Organisation einer Arbeiterbewegung im gesamten Tangga-Tal.

Gedge wählte das kleinere Übel. Er berief eine Versammlung der Vorarbeiter ein, hielt ihnen das Gesetz vor Augen und versicherte sich ihrer Zustimmung dafür, dass er bei der Arbeitergewerkschaft in der Haupt

Damit war Captain Emas für ein paar Wochen kaltgestellt, aber bald sickerte durch, dass die Majore Djaja und Tukang auf dem Maschinenpark und in der Elektrizitätsabteilung das gleiche Gaunerstück betrieben hatten. Weitere Vorarbeiterversammlungen wurden notwendig.

Das alles war ermüdend genug. Die Vorarbeiter fühlten, dass ihre Autorität unterminiert wurde, und stellten sich auf die Hinterbeine. Die Arbeiter hatten etwas dagegen, Gewerkschaftsbeiträge zahlen zu müssen, bloß weil irgendwer in Selampang das verlangte, und ließen bei der Arbeit nach. Kleine Schwierigkeiten begannen, zu großen Terminverzögerungen zu führen. Aber es sollte noch schlimmer kommen.

Etwa fünfzehn Meilen östlich vom Tal-Camp, an der von Port Kail heraufkommenden Straße, die von unseren Versorgungslastern benutzt wurde, lagen ein paar große Gummiplantagen. Zwei davon wurden noch immer von Holländern geführt.

Die Lage der in Sunda verbliebenen Holländer war ebenso schwierig wie gefährlich. Die meisten standen im Dienst der wenigen holländischen Geschäftshäuser, die, wenn auch unter Aufsicht der Regierung, immer noch betrieben werden durften; Banken beispielsweise.