Die drei ???® Kids

Band 78

Schrottplatz in Gefahr

Erzählt von Ulf Blanck

Mit Illustrationen von Jan Saße

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KOSMOS

Umschlag- und Innenillustrationen von Jan Saße, Horgenzell

Umschlaggestaltung: Walter Typografie und Grafik, Würzburg

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© 2019, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-16421-1

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Jubiläum: 20 Jahre!

Es war noch sehr früh am Morgen und die aufgehende Sonne tauchte den Schrottplatz der Familie Jonas in ein rosafarbenes Licht. Justus rieb sich müde die Augen. »Onkel Titus, warum muss ich mitten in der Nacht aufstehen?«, stöhnte er und trottete gähnend hinter seinem Onkel her. Dieser transportierte eine Leiter auf der Schulter. »Weil wir es sonst nicht rechtzeitig schaffen, Justus. Es gibt noch so viel zu tun für die Feierlichkeiten. Und wenn die Gäste kommen, muss alles fertig sein. Man feiert schließlich nicht jeden Tag ein 20-jähriges Jubiläum.«

Justus trug in einer Hand einen Eimer mit Nägeln und in der anderen einen Hammer. »Und genau heute vor 20 Jahren wurde der Schrottplatz eröffnet?« Sein Onkel sah ihn genervt an. »Wie oft soll ich es noch sagen: Das hier ist kein Schrottplatz, sondern ein Wertstoffhandel. Nichts ist so alt und unnütz, dass es einfach weggeworfen werden sollte. Man kann alles noch einmal gebrauchen, und für jeden Gegenstand hier auf dem Platz findet sich irgendwann ein Käufer.«

Justus blieb kurz stehen und hob eine rostige Radkappe auf. »Auch für dieses alte Ding?«

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»Na klar! Ich wette, diese Radkappe hat eine tolle Geschichte! Nur kennen wir sie leider nicht. Vielleicht gehörte sie zum Auto eines Präsidenten oder eines berühmten Filmstars? Man könnte sie auch sauber machen und als Blumentopfuntersetzer benutzen. Umgedreht wäre die Radkappe eine originelle Obstschale, ein Brotkorb oder ein Lampenschirm. Es sind die Geschichten, Justus, die alten Dingen ihren Reiz verleihen. Aber genug geredet, die Arbeit wartet.«

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Mit diesen Worten stellte Justus’ Onkel die Leiter unter dem großen Eingangstor auf. Titus Jonas Wertstoffhandel war auf dem Schild darüber zu lesen. Vorsichtig erklomm er die Stufen. »Okay, ich bin so weit. Reich mir bitte die Holzplatte, die dort auf dem Boden liegt. Ich will sie hier zusätzlich anbringen.« Justus hob die Platte auf. »Hier, Onkel Titus! Aber pass auf, die Farbe scheint noch nicht ganz trocken zu sein.«

»Ich weiß, Justus. Das Ganze habe ich erst vor einer halben Stunde gemalt. Und jetzt gib mir bitte den Hammer und die Nägel. Das Jubiläumsschild soll ja nicht beim ersten Windstoß herunterfallen. Später kommen noch bunte Luftballons dazu.« Dann schlug er mit kräftigen Hammerschlägen die Nägel ein. »So, fertig! Das hält bombenfest. Zeit fürs Frühstück.« Justus strahlte. »Das sind die besten drei Worte, die ich heute Morgen gehört habe. Mir ist schon ganz schlecht vor Hunger.«

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Auf der Veranda hatte Tante Mathilda inzwischen den Frühstückstisch gedeckt. »Da seid ihr ja endlich«, rief sie ihnen entgegen. »Ich dachte schon, ihr mögt meinen Kirschkuchen nicht mehr.« Justus tippte sich an die Stirn. »Wie kann man den nicht mögen? Er ist der beste der Welt.« Seine Tante errötete leicht. »Nun ja, vielleicht nicht der beste der Welt. Aber der beste in ganz Rocky Beach bestimmt.«

Hungrig lud sich Justus ein großes Stück des köstlichen Kuchens auf den Teller. Seit er fünf Jahre alt war, lebte er bei Tante Mathilda und Onkel Titus. Seine Eltern waren damals bei einem Unfall ums Leben gekommen. Doch hier hatte er ein neues, liebevolles Zuhause gefunden.

In diesem Moment kamen Peter und Bob auf ihren Fahrrädern durch die Toreinfahrt gesaust. Auch sie hatten Onkel Titus versprochen, bei den Feierlichkeiten zu helfen. »Da sind wir!«, rief Peter und stellte sein Rad vor der Veranda ab. »Was sollen wir tun?« Tante Mathilda winkte die beiden zu sich. »Die Arbeit kann warten. Erst einmal wird gefrühstückt. Sonst fallt ihr mir vor Erschöpfung noch um. Setzt euch. Es gibt Kirschkuchen.« Bob ließ sich das nicht zweimal sagen und schnappte sich grinsend einen Teller. »Sehr gut. Aber jetzt heißt es schnell sein, denn sonst stopft Justus alles alleine in sich hinein.« Sein Freund spuckte in hohem Bogen einen Kirschkern in den Garten. »Da kannst du dir sicher sein. Ihr hättet ruhig zehn Minuten später kommen können.« Tante Mathilda musste lachen. »Nichts da! Erstens habe ich noch viel mehr Kuchen für die Feier gebacken, und zweitens haben wir heute keine Zeit herumzutrödeln.«

»Richtig, Mathilda«, unterbrach sie Onkel Titus. »Ich habe eine ganze Liste mit Aufgaben zusammengestellt: Luftballons aufpusten, Musikanlage aufstellen, Girlanden spannen, Fackeln verteilen, Getränke vorbereiten, Sonnenschirme aufklappen, Platz fegen …«

»Halt! Das hört ja gar nicht mehr auf«, unterbrach ihn Justus. »Und das alles in den Ferien. Hätte ich das gewusst, hätte ich mich in meinem Zimmer eingeschlossen.« Sein Onkel grinste ihn an. »Das war mir klar. Darum habe ich die Liste auch erst jetzt vorgelesen. So! Aufessen, Jungs, und ran an die Arbeit!«

Lieblingsschrott

Nach dem Frühstück begannen die drei Freunde damit, die bunten Luftballons aufzublasen. Bob sortierte aus einer großen Tüte alle weißen, roten und blauen Ballons aus. »Ich finde, wir nehmen nur diese drei Farben. Irgendwie ist es ja auch unsere Feier. Und das sind die Farben der drei ???.«

Anschließend befestigten sie die bunten Ballons am großen Eingangstor. Peter stand hoch oben auf der Leiter. »Jetzt gibt es den Schrottplatz schon 20 Jahre«, staunte er. »Das ist wirklich eine lange Zeit. Irgendwann gibt es die drei ??? auch zwanzig Jahre. Ob wir dann wohl immer noch Kriminalfälle lösen?«

Justus sah ihn empört an. »Natürlich! Und außerdem werden wir für immer Freunde bleiben.« Bob klopfte ihm auf die Schulter. »Und nicht nur zwanzig Jahre lang, sondern mindestens tausend!«

Zufrieden betrachteten die Jungen jetzt ihr Werk und klatschten sich gegenseitig in die Hände.

Justus’ Onkel hatte in der Zwischenzeit vor seinem Schuppen mit Lieblingsschrott lange Tische aufgebaut. Im Schuppen lagerten seine wertvollsten Schätze, von denen er sich normalerweise nur sehr ungern trennte. Doch der heutige Jubiläumstag war eine Ausnahme. So schleppte Titus Jonas kistenweise merkwürdige Gegenstände heraus und verteilte sie auf den Tischen. »Langsam habe ich in meinem Schuppen keinen Platz mehr«, seufzte er. »Ich hoffe, heute finden sich Käufer, die den Wert dieser einzigartigen Stücke zu schätzen wissen. Und zur Feier des Tages gibt es sogar zwanzig Prozent Rabatt auf alles.«

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Auf den Tischen stapelten sich Dinge, die auf den ersten Blick nicht immer leicht zu erkennen waren: lederbezogene Lenkräder alter Autos, mehrere Flugzeugpropeller aus Holz, eine knallrote Popcornmaschine, rostiges Blechspielzeug, historische Reklameschilder und viele weitere merkwürdige Teile aus Blech und Plastik.

Peter betrachtete die Auslage. »Und das liegt alles schon seit 20 Jahren im Schuppen?«, fragte er interessiert. Onkel Titus schüttelte den Kopf. »Nein, das hat sich nach und nach angesammelt. Als Mathilda und ich damals hier einzogen, gab es den Wertstoffhandel noch gar nicht. Zu Beginn habe ich nur kaputte Fahrräder repariert, denn basteln konnte ich schon immer gut. Später brachten mir die Leute aus Rocky Beach alles, was nicht mehr richtig funktionierte. Waschmaschinen, Toaster, Fernseher oder Bügeleisen. Es sprach sich herum, dass ich alles Alte gut gebrauchen konnte. Und so sammelte sich im Laufe der Jahre einiges an. Tja, und daraus ist der Wertstoffhandel entstanden.«

Justus blickte sich stolz um. »Das soll dir erst mal einer nachmachen, Onkel Titus. Ich kenne das Gelände hier eigentlich nur als Schrott… äh, Wertstoffhandel.«

»Früher war hier einmal eine Gärtnerei«, erzählte sein Onkel. »Und ganz früher soll es ein kleines Weingut gewesen sein. In Kalifornien wird ja sehr viel Wein angebaut. Irgendwo steht auch noch eine uralte Flasche vom Weingut Montelena

In diesem Moment kam ein Polizeiwagen durch die Toreinfahrt gerollt. Die drei ??? wussten sofort, wer das war. »Da kommt Kommissar Reynolds«, rief Bob und rückte seine Brille gerade. »Was will der denn hier?« Den Kommissar kannten die drei Freunde sehr gut. Schon oft hatten sie ihm bei schwierigen Kriminalfällen geholfen. Darum hatte Reynolds die drei auch zu seiner geheimen Spezialeinheit ernannt.

»Guten Morgen, Jungs!«, rief er ihnen entgegen. »So früh schon auf den Beinen?« Aus dem Kofferraum holte er einen großen Blumentopf mit einem Rosenstrauch. »Das ist mein Jubiläumsgeschenk«, verkündete er stolz und ging auf die Veranda zu. Dort verteilte Tante Mathilda gerade auf dem Tisch mehrere dampfende Kirschkuchen zum Auskühlen.

»Kommissar Reynolds, was verschafft uns die Ehre?«, fragte sie.

Der Polizist reichte ihr die Hand. »Ich möchte zum Jubiläum gratulieren. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Geschäft 20 Jahre erfolgreich besteht. Wissen Sie noch, was ich Ihnen damals zur Eröffnung geschenkt habe?«

Jetzt kam Onkel Titus dazu. »Ja natürlich, ich weiß es noch genau: eine tolle Leiter für unseren Kirschbaum.«

Tante Mathilda lachte, ging zum Baum und pflückte von einem herabhängenden Ast eine Kirsche ab. »Dieser Baum ist das Geheimnis meines Kirschkuchens, denn auf die Kirsche kommt es an. Jahr für Jahr trägt der Baum die süßesten und saftigsten Früchte.«

Justus pflückte sich auch eine Kirsche. »Für den besten Kirschkuchen der Welt«, grinste er und steckte sich das Obst in den Mund. »Die Leiter, die wir schon so oft zum Kirschenpflücken verwendet haben, ist also von Kommissar Reynolds. Gibt es denn noch mehr Geheimnisse über den Wertstoffhandel, die ich noch nicht kenne?«

Onkel Titus legte ihm die Hand auf die Schulter. »Da gibt es bestimmt eine Menge zu entdecken, Justus. Doch heute ist nicht der Tag für Geheimisse, heute wird gefeiert. Wie weit seid ihr mit der Liste?«

»Na ja, die bunten Ballons hängen auf jeden Fall schon mal am Eingangstor«, antwortete Peter etwas kleinlaut.

»Dann will ich nicht länger bei den Vorbereitungen stören«, sagte der Kommissar und überreichte die Pflanze. »Zur Einweihung gab es eine Leiter, zum Jubiläum gibt es Rosen.« Tante Mathilda bedankte sich mit einem Lächeln. »Wunderbar. Ich werde die Kletterrose vor der Veranda einpflanzen, dann kann sie bis zur Dachrinne hinaufwachsen. Bitte nehmen Sie ein großes Stück Kuchen mit, Kommissar. Und grüßen Sie Ihre Frau von mir.«

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»Das mache ich gerne, Mrs Jonas. Dann wird sie mich allerdings wieder stundenlang löchern, was das Geheimnis Ihres Kirchkuchenrezeptes ist, mit dem Sie Jahr für Jahr den Backwettbewerb von Rocky Beach gewinnen«, lachte der Kommissar.

Vorsicht Diebe!

Die Vorbereitungen zur Jubiläumsfeier hatten mittlerweile weitere Besucher angelockt. Neugierig durchstreiften mehrere Kunden das Gelände des Wertstoffhandels. Der große Platz war von einem Bretterzaun umgeben. Dazwischen lagerten unzählige Dinge, die oft nur durch schmale Gänge erreichbar waren. Es gab auch Autos, Maschinenteile, alte Reifen, Teppiche, Stühle und sogar einen alten Wohnwagen.

»Was ein wenig Werbung ausmacht«, strahlte Onkel Titus. »Ich sollte jedes Jahr ein Jubiläum feiern.«

Unter den Kunden befanden sich einige Männer, die sich besonders für die Autos interessierten. Aber auch ein junges Pärchen sah sich neugierig um. »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Titus Jonas die beiden. »Suchen Sie etwas Bestimmtes?« Der braun gebrannte Mann, der ein etwas schmuddeliges T-Shirt trug, schüttelte abwehrend den Kopf. »Nein, nein, wir bewundern einfach nur alles, was alt ist.« Die Frau mit den kurzen Haaren neben ihm nickte. »Ja, schöne Dinge haben Sie. Wirklich sehr spannend. Aber wir müssen leider gleich weiter. Wir sind auf der Durchreise.« Mit diesen Worten gingen die beiden zurück zur Toreinfahrt, stiegen in einen rostigen VW-Bus und fuhren davon.

Justus beobachtete währenddessen argwöhnisch einen älteren Herrn, der die ausgestellten Dinge vor dem Schuppen betrachtete. Plötzlich zuckte er zusammen. »Peter! Bob!«, flüsterte er. »Ich glaube, der Opa da drüben hat gerade etwas in seiner Tasche verschwinden lassen.« Der Mann trug einen ölverschmierten Overall und sah sich jetzt leicht nervös um.

»Meinst du, der hat was geklaut?«, fragte Peter.

»Ja. Es wäre nicht das erste Mal, dass Leute hier etwas mitgehen lassen. Viele denken, dass das alles sowieso nur Schrott ist und man nichts dafür bezahlen muss. Ich werde den Fall gleich mal untersuchen.«

Zielstrebig ging der Anführer der drei ??? auf den Mann zu. »Guten Tag! Kann ich Ihnen helfen?« Der Alte zuckte zusammen. »Helfen? Ja, äh, vielleicht.« Dann zog er mit hochrotem Kopf eine Zange aus seiner Tasche. »Dieses Werkzeug wollte ich, äh, kaufen. Hab das Ding nur kurz in meine Tasche gesteckt, damit es mir kein anderer Kunde wegschnappt. Wo finde ich denn die Kasse?«

Jetzt mischte sich Onkel Titus ein. Er hielt eine abgewetzte Geldbörse in der Hand. »Hier ist die Kasse, mein Herr. Die Zange kostet drei Dollar. Aber in Ihrem speziellen Fall verlange ich vier. Ich hoffe, wir verstehen uns. Ich mag es nämlich nicht, wenn man sich einfach bedient und das Bezahlen vergisst.«

Das Gesicht des alten Mannes wurde noch röter. Er fühlte sich offensichtlich ertappt. Mit leicht zittrigen Händen überreichte er Titus Jonas das Geld und verschwand dann eilig durchs Tor.

»Den habe ich schon dreimal beim Klauen erwischt«, seufzte Onkel Titus. »Es gibt Leute, für die ist Stehlen ein Hobby. Dabei hat der bestimmt genug Geld, um sich die Zange auf ehrliche Weise zuzulegen.«

Justus blickte sich um. »Vielleicht sollten wir auf dem Gelände eine Überwachungskamera aufstellen?«

In diesem Moment ertönte ein lauter Knall und alle zuckten zusammen. »Was war das?«, rief Peter erschrocken. »Seht mal! Hinten zwischen den alten Ölfässern steigt eine Rauchsäule auf!«