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Roland Lampe

„… kehrte ich bei Hempel ein”

© 2017 Roland Lampe

Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback: 978-3-7439-5045-0
Hardcover: 978-3-7439-5046-7
e-Book: 978-3-7439-5047-4

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Umschlagfotos: R. Lampe

Zweite, verbesserte Auflage

Inhalt

Vorbemerkung

Autoren vor 1933

Autoren von 1933 bis 1945

Autoren seit 1945

Quellen und weiterführende Literatur

Nachbemerkung

Verzeichnis der Autoren

Vorbemerkung

Oranienburg, ein Ort der Literatur? Die Stadt mit ihren heute über 40.000 Einwohnern und den acht Ortsteilen hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, aber stets waren Autoren hier zu Hause, wurden hier geboren, lebten und starben hier oder machten hier Station.

Bekannte Namen wie Friedlieb Ferdinand Runge, Hoffmann von Fallersleben und Theodor Fontane, den eine seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ nach Oranienburg führte, Friedrich Wolf und Inge und Heiner Müller aus Lehnitz sind darunter, aber auch Namen, die heute kaum noch jemand kennt, Nico Rost zum Beispiel und Gunther R. Lys.

Die bekanntesten gegenwärtigen Autoren sind Wieland Förster aus Wensickendorf, Giwi Margwelaschwili und W. Michael Blumenthal, der in Oranienburg geboren wurde und seit 2000 Ehrenbürger ist.

Sie alle hatten beziehungsweise haben eine intensive, sie prägende oder zumindest sie beeinflussende Beziehung zum Ort.

Nicht vergessen sind die Schriftsteller und Journalisten, die in den Konzentrationslagern Oranienburg 1933/34 und Sachsenhausen 1936 bis 1945 inhaftiert waren. Zu ihnen zählen Erich Mühsam, der im KZ Oranienburg ermordet wurde, Ehm Welk, Martin Niemöller und der Verleger Peter Suhrkamp.

„… kehrte ich bei Hempel ein“, das ist ein Zitat von Hoffmann von Fallersleben aus seiner Autobiographie „Mein Leben“ (1868). Hoffmann befand sich 1844/45 auf der Flucht vor den preußischen Behörden nach Mecklenburg, und bei Friedrich Hempel, dem damaligen Oranienburger Bürgermeister, konnte er seine Bibliothek zwischenzeitlich lagern.

Dieses Buch erscheint in zweiter, verbesserter Auflage, die erste Auflage 2016 fand in Oranienburg und darüber hinaus ein erfreuliches Echo.

Zwei weitere Bücher veröffentliche ich zeitgleich: „‚Da lag er vor uns, der buchtenreiche See …‘“ und „‚Dennoch, das Haus bezauberte mich …‘“. Mit ihnen stelle ich die Autoren vor, auf deren Spuren ich mich im Landkreis Oberhavel – außer Stadt Oranienburg – begab.

Autoren vor 1933

„Ich bin den 14. August 1769 zu Oranienburg an der Havel geboren, woselbst mein Vater als Stadt-Inspektor oder Stadt-Controlleur (wie diese Herren damals genannt wurden) angestellt war.“ Mit diesen Worten beginnt Friedrich Dulon, der berühmte Flötenvirtuose, seine Autobiographie, die 1807 unter dem Titel „Dülons des blinden Flötenspielers Leben und Meynungen von ihm selbst bearbeitet“, herausgegeben von Christoph Martin Wieland, in Zürich erschien.

Dulons Vorfahren stammten aus der französischen Schweiz, der Vater Louis Dulon wurde 1741 in Potsdam geboren, wo er zunächst als Goldschmied und später als „Accise-Bedienter“ (Steuerbeamter) tätig war, bevor er mit seiner Familie aus beruflichen Gründen nach Oranienburg zog. Die Mutter, 1736 in Küstrin geboren, hatte aus erster Ehe eine Tochter.

Zwei Ereignisse waren für Friedrich Dulon in Oranienburg prägend, er erblindete und seine Liebe zur Musik erwachte.

„Das erste merkwürdige Ereigniß“, seine Erblindung, trug sich ungefähr sechs Wochen nach seiner Geburt zu. „Es zeigten sich nämlich“, schreibt er im Kapitel „Meine Geburt und Erblindung, auch etwas über wahre und falsche Augenärzte“, „kleine Geschwürchen an den Thränen-Drüsen. Die Sorgfalt meiner Eltern rieth ihnen eine Zuflucht zu einem Arzt zu nehmen; nur giengen sie gerade vor lauter Vorsicht nicht vorsichtig genug hiebey zu Werke, und so ließ sie mein Unglück einem Menschen in die Hände fallen, der von der Arzneykunde so wenig verstand, daß es für ihn und mich besser gewesen wäre, gar nichts davon zu wissen.“

Der Arzt verordnete nämlich, so Dulon, „statt innerlicher Mittel, wodurch die Unreinigkeit vor den Augen wäre abgeleitet worden, allerley Salben, welche auf dieselben gelegt werden mußten, und machte dadurch das Uebel immer ärger. Die unausbleibliche Folge hievon war, daß sich die Augen endlich ganz und gar verschloßen; und als ich sie des neunten Tages darauf zum ersten Male wieder öffnete, zeigte sich die schreckliche Zerstörung derselben.“

Entsetzt zogen die Eltern in Berlin sofort die berühmtesten Ärzte zu Rate, allein, „alle weitere Hilfe war vergebens. Indeß half alles Jammern und Wehklagen zu nichts; mein Loos war geworfen, und man mußte sich darein ergeben.“

Im folgenden Kapitel „Meine Kinderjahre“ erzählt der Autobiograph, wie sich sein musikalisches Gehör entwickelte. „Ich weiß die Zeit nicht genau zu bestimmen; indessen muß ich wenigstens mein viertes Jahr zur Hälfte zurückgelegt haben, da ich mich von Oranienburg noch so mancherley zu erinnern weiß, wovon ich weiter nichts mittheilen will, als daß ich bereits Spuren von meinem Gedächtniß, wie auch von meiner Lust und Anlage zur Musik zu erkennen gab. […] Denn wenn sich von außen her ein Ton hören ließ, so musste man mich sogleich ans Fenster bringen und es öffnen, und nun hörte ich mit gleicher Aufmerksamkeit dem Gesang der Nachtigall wie dem Krähen des Hahns, einem musikalischen Instrument wie dem Horn des Hirten oder des Nachtwächters zu.“

Zudem hatte er eine alte Wärterin, eine Kinderfrau, die von „der guten Mutter Natur mit einer nicht übeln Stimme zu singen begabt war. Sie wußte, da sie dem Siebenjährigen Krieg als Marketenderin mit beygewohnt hatte, viele Soldatenlieder auswendig“, die sie ihm vorsang. „Ihr eigentlicher Name war Mövius, von uns Kinder aber wurde sie Memme genannt. So oft ich nun des Nachts vom Schlaf erwachte, rief ich ihr zu: Memme singen! Wozu das gute alte Weib sich dann immer willig finden ließ. Auch lernte ich bald ihre Lieder instinktmäßig nachsingen. So viel von Oranienburg.“

1773 wurde der Vater nach Havelberg versetzt, 1777 zog die Familie nach Stendal weiter.

Im selben Jahr (1777), da war er acht Jahre alt, erhielt Dulon den ersten Flötenunterricht von seinem Vater, der ihn mit Werken von Johann Joachim Quantz und Georg Philipp Telemann heranbildete. 1781 bis 1786 unternahmen Vater und Sohn ausgedehnte Konzertreisen in zahlreiche deutsche Städte sowie durch die Schweiz, Holland und England.

Bald galt Dulon als technisch versierter Virtuose mit hoher musikalischer Auffassungsgabe und phänomenalem Gedächtnis. Sein Repertoire umfasste die wichtigste Flötenliteratur der Zeit, zum Markenzeichen seiner Soli wurden kunstvolle Triller von ungewöhnlich langer Dauer, die beim Publikum Begeisterung, bei der Kritik teilweise aber auch Ablehnung hervorriefen.

1789 hielt er sich in Tübingen auf und unterrichtete dort für kurze Zeit den Dichter Friedrich Hölderlin im Flötenspiel. 1796 nahm er eine Stellung als kaiserlicher Kammermusiker in Petersburg an. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Würzburg, wo er 1826 starb.

Seit 1832 lebte der Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge (1794-1867) in Oranienburg, nachdem er seine Universitätslaufbahn in Breslau beendet hatte. Er arbeitete viele Jahre als technischer Leiter der Chemischen Produktenfabrik, die im Schloss untergebracht war, und entdeckte u. a. das Phenol und das Anilin. Auf Anregung Goethes wies er in Kaffeebohnen das Koffein nach. Zudem erfand er eine haltbare Tinte, eine Keramikglasur für Öfen und die so genannte Oranienburger Kernseife.

Als Publizist – rund fünfzig Bücher und größere Aufsätze in Zeitschriften stammen aus seiner Feder – legte er großen Wert darauf, „allgemeinverständlich zu schreiben“ und so für die „Gemeinnützlichkeit zu wirken“.

Ein Beleg dafür ist die Broschüre „Das Gift in der deutschen Sprache, ausgetrieben von F. F. Runge“, mit der er 1856 gegen den „unnützen Fremdkram“, wie er es nannte, gegen den Einfluss anderer Sprachen also, in diesem Fall hauptsächlich der französischen und italienischen, auf die „reine, edle deutsche Sprache“ ins Feld zog.

In der Einleitung bereits fuhr er schweres Geschütz auf, indem er konstatierte, dass „in dem wahren Augiasstall“, zu dem „unsere Sprache“ geworden sei, „nur noch die Mistforke des tiefdringenden Spottes und Hohns etwas zu leisten vermag.“

Anschließend schoss er sich auf die aktuelle Tagespresse ein. So wetterte er zum Beispiel gegen einen Kritiker der „Kreuzzeitung“, der in einem Konzertbericht die Worte „virtuosität, bravour und original“ verwendet hatte, forderte von der „Vossischen Zeitung“, dass sie statt „Personal“ „viele“ schreibe – „viele Beamte und Arbeiter“ – und schlug anstelle von „Beileids-Adresse“ die Verwendung von „Beleid-Bezeigung“ vor. „Adresse, ein Wort, das anstatt Aufschrift bei jedem lumpigen Brief gebraucht wird.“

Mit aller Entschiedenheit widersprach er der Behauptung, dass die deutsche Sprache eine schwere Sprache sei. Ein Journalist hatte sie mit einer Knute verglichen, die italienische Sprache dagegen mit einem „weichen, biegsamen Reis“. „Nun steh‘ uns bei!“, so der erboste Runge, „die deutsche Sprache eine Knute! Jawohl, sie sollte sich täglich einmal darin verwandeln, um Denen um die Ohren zu sausen, die sie so heillos verunglimpfen, wie gewisse Herren über und unterm Strich.“

Aber auch ein positives Beispiel fand der Streitbare und lobte die „Kölnische Zeitung“, die geschrieben hatte: „Die Rheinfahrt von Mainz hierher wird der Schienenstraße keinen ernstlichen Mitbewerb bereiten.“ – „Mitbewerb! Hieran mögen sich die ein Beispiel nehmen, die stets nur concurrent und concurrenz schreiben oder sprechen.“

Mit seinem Engagement stand er im Übrigen nicht allein da, seit Anfang des 17. Jahrhunderts bereits existierten literarische Vereine zur Pflege der Poesie und Sprache, die im Gefolge der erzieherischen Impulse der deutschen Aufklärung für die „Reinigung“ der deutschen Sprache von Fremdwörtern, für eine einheitliche Orthographie und Grammatik und für feste Regeln in der literarischen Produktion eintraten.

Allerdings blieb Runge in diesem Fall ein Einzelkämpfer, er sah sich gezwungen, seine Broschüre selbst herauszugeben, nachdem „in dem großen Berlin“ viele Buchhändler ihren Verlag abgelehnt hatten – „Sie scheuen einen Kampf für die Muttersprache.“

Ein weiteres Beispiel für seine publizistischen Bestrebungen sind die 1866/67 erschienenen „Hauswirthschaftlichen Briefe“, die neben Erinnerungen an seine Jugendzeit praktische Ratschläge für Hausfrauen enthalten. In einer Rezension der „Annalen der Landwirtschaft“ wurde ihm freilich vorgeworfen, „nicht selten die Grenze zwischen dem Volksthümlichen und dem Trivialen“ überschritten zu haben.

Nach seinem Ausscheiden aus der Fabrik 1852 lebte der Chemiker in bescheidenen Verhältnissen – die Stellung in der Fabrik war ihm nach einem Konflikt mit der Witwe und Erbin des letzten Besitzers Eduard Cochius gekündigt und die Rente gestrichen worden – in der Mühlenstraße 29, heute Sachsenhausener Straße 23. Die „armselige Hütte“ wurde in den 1950er Jahren abgerissen.

Aus seinen wissenschaftlichen Entdeckungen hatte er keinen finanziellen Nutzen ziehen können, und obwohl er bei seinen Mitmenschen sehr beliebt war, erkannten sie den Wert seiner Leistungen nicht. Fachliche Anerkennung wurde ihm nur aus dem Ausland zuteil, und auch das nur in späteren Jahren.

1867 starb F. F. Runge in Oranienburg. Sein Grab befindet sich auf dem Städtischen Friedhof in der Dr.-Kurt-Schumacher-Straße, das Gymnasium in der Willy-Brandt-Straße und eine Buchhandlung tragen seinen Namen. In der Sachsenhausener Straße steht seit 1994 die Runge-Plastik von Stephan J. Möller und im Kreismuseum im Schloss ist in einem Raum eine ständige Ausstellung zu Leben und Werk zu besichtigen – darunter, mit einem hellblauen Umschlag versehen, ein Exemplar des „Giftes in der deutschen Sprache“.

Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874), der u. a. den Text des Deutschlandliedes und viele bekannte Kinderlieder dichtete („Alle Vögel sind schon da“, „Ein Männlein steht im Walde“), traf am 27. Februar 1844 in Oranienburg ein, um seinen Freund F. F. Runge zu besuchen. Sie waren Kollegen an der preußischen Universität in Breslau gewesen und hatten dort zu den Gründungsmitgliedern der „Zwecklosen Gesellschaft“, einem Zirkel kritischer Wissenschaftler, gehört.

Hoffmann war aus Berlin ausgewiesen worden und befand auf dem Weg nach Mecklenburg ins Exil. Anlass für die Ausweisung war seine Teilnahme an einer öffentlichen Feier zu Wilhelm Grimms 58. Geburtstag am 24. Februar des Jahres. Die Berliner Studenten, die mit einem Fackelzug Grimm, den Literaturwissenschaftler und Märchensammler, ehrten, ließen auch Hoffmann, den Verfasser der „Unpolitischen Lieder“, hochleben. Das kränkte nicht nur Wilhelm Grimm, sondern rief auch die preußischen Behörden auf den Plan, die die Hochrufe als politische Demonstration werteten und dem Dichter bereits am nächsten Morgen den Ausweisungsbefehl überbrachten.

Die „Unpolitischen Lieder“ waren 1840/41 in der für Lyrik enormen Auflage von 12.000 Exemplaren erschienen. In diesen Gedichten prangerte Hoffmann die politischen Zustände in Deutschland an, die von Vielstaaterei, Bürokratie und Zensur geprägt waren. Ihre Veröffentlichung hatte ihm bereits im Dezember 1842 sein Amt als Professor für Germanistik an der Universität in Breslau gekostet und zu einem unsteten Wanderleben geführt.

Der Dichter blieb zwei Wochen F. F. Runges Gast, genau gesagt dreizehn Tage, denn 1844 war ein Schaltjahr. Was die beiden Männer und Freigeister in dieser Zeit wohl getrieben haben?

Am 10. März verließ er die Stadt wieder in Richtung Mecklenburg. „Man hatte mir auf der Post gesagt, wenn ich mit der Rostocker Schnellpost bis Löwenberg führe, so könne ich von dort bequem und schnell in die Schweriner Gegend kommen“, berichtet er detailliert in seiner Autobiographie „Mein Leben. Aufzeichnungen und Erinnerungen“ (1868-1870) über die Reise. „Von Löwenberg war allerdings eine Verbindung dahin, aber eine sehr schlechte. Ich fuhr die Nacht durch über Rheinsberg und kam gegen Mittag des folgenden Tages (11. März) in Wittstock an. Kurz vorher fragte ich den Postillon, ob denn die Post weiter ginge. Ja, erwiderte er, da können Sie sich erst Wittstock mal recht ansehen – die Post geht abends um 11 Uhr weiter. Schöne Aussicht: Zwölf Stunden in Wittstock!“

Am 12. März gegen 8 Uhr abends, nach zwei Tagen Reisezeit, betrat er zum ersten Mal mecklenburgischen Boden. Dort erhielt er im Juli 1845 das Heimatrecht und wurde im August aus der preußischen Staatsbürgerschaft entlassen.

Mitte Mai 1845 kam er noch einmal nach Oranienburg, um sich um seine Bibliothek zu kümmern, eine bedeutende Gelehrtenbibliothek, die inzwischen von Breslau hierher transportiert und bei Friedrich Hempel – Oranienburgs Bürgermeister von 1837 bis 1845 – untergebracht worden war.

„In Oranienburg kehrte ich bei Hempel ein. Er war so gütig gewesen, meine Bücher zu beherbergen und beherbergte jetzt mich selbst. Hempel hatte sein Bürgermeisteramt aufgegeben, er wollte nicht länger ein Handlanger der Polizei sein“, erinnert Hoffmann in seiner Autobiographie.

Johann Friedrich Wilhelm Hempel (1810-1883) war der Neffe von Johann Gottfried Hempel (1752-1817), der 1802 das Oranienburger Schloss vom Königlichen Hofmarschallamt mit der Verpflichtung gekauft hatte, hier 50 Webstühle zur Baumwollfabrikation zu betreiben. 1814 richtete Georg Friedrich Albrecht Hempel (gest. 1836), der Sohn Johann Gottfried Hempels (und Cousin Johann Friedrich Wilhelm Hempels), gemeinsam mit dem Apotheker Johann Heinrich Julius Staberoh die Chemische Produktenfabrik im Schloss ein, deren technischer Leiter F. F. Runge 1832 wurde. Carl Gustav Hempel wiederum, nach dem eine Straße in Oranienburg benannt ist, war ein Philosoph. Er wurde 1905 in Oranienburg geboren und starb 1997 in Princeton/USA.

Erneut erhielt er eine Einladung seines Freundes Runge. „Den 22. Mai gab Runge eine große Gesellschaft, die er ein ‚großes Zauberfest‘ nannte. Es waren zweiundzwanzig Personen eingeladen, außer den Herren auch Frauen und Fräulein, und er sorgte auch heute dafür, dass sich keine Langeweile blicken ließ.“

Seine Bibliothek, die inzwischen in Kisten eingepackt in Birkenwerder lagerte, holte er erst im Januar 1846 ins Mecklenburgische. Er benötigte sie dringend, da er begonnen hatte, ein „Deutsches Volksliederbuch“ zusammenzustellen.

Nach verschiedenen Lebensstationen, u. a. gab er in Weimar im Auftrag des Großherzogs eine literaturwissenschaftliche Zeitschrift heraus, war Hoffmann zuletzt ab 1860 Bibliothekar der Schlossbibliothek in Corvey an der Weser, wo er 1874 an den Folgen zweier Schlaganfälle starb.

1861 besuchte Theodor Fontane (1819-1898) die Stadt, der Verfasser der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Dieses Buch bzw. diese Buchreihe – bis 1882 erschienen vier Bände – war auch der Anlass für den Ausflug, Ziel war das Schloss.

In den Morgenstunden des 28. Mai brach die Reisegesellschaft mit der Postkutsche in Berlin auf. Mit von der Partie waren der Verlagsbuchhändler Adolf Enslin und Wilhelm Hertz, der Verleger der „Wanderungen“, der von der Reiseidee so begeistert war, dass er die Kosten übernahm.

Zunächst fuhr man auf einer der heute noch üblichen Routen an Tegel vorbei bis an den „romantischen Sandkrug“ in Glienicke, wo eine Pause eingelegt wurde. Die zweite Etappe, eine „anderthalbstündige Fahrt an Tannenholz und Dörfern vorbei“, führte über Hohen Neuendorf, Birkenwerder und Havelhausen direkt bis zum Schlossplatz in Oranienburg.

Hier quartierte man sich im Hotel „Eilers“, dem Gebäude des früheren Rathauses zwischen Berliner und der Breiten Straße, gegenüber dem Schloss, ein. Sofort fühlte sich Fontane wohl. „Da sitzen wir denn auf der Treppe des Hauses, die sich nach rechts und links hin zu einer Art Veranda erweitert, und freuen uns der Stille und der balsamischen Luft, die uns umgeben.“

Aber er war ja nicht gekommen, um sich zu erholen, und er war auch nicht unvorbereitet, fleißig hatte er bereits Friedrich Ballhorns „Geschichte der Stadt Oranienburg“ von 1850 und andere Quellen studiert, so dass er das betreffende Wanderungs-Kapitel ausführlich mit der Geschichte des Schlosses seit seiner Einrichtung durch Louise Henriette 1651 bis hin zur damaligen Gegenwart 1861 beginnen lassen konnte.

Er entsann sich auch der Jahre, in denen er „als Kind dieses Weges kam und von Platz und Brücke aus ängstlich nach dem unheimlichen alten Bau herüberblickte, der, grau und verkommen, in Qualm und Rauch dalag wie ein Gefängnis oder Landarmenhaus.“ Gemeint war die Zeit ab 1832, in der das Schloss die Chemische Produktenfabrik unter der Leitung von Friedlieb Ferdinand Runge beherbergte und Fontane Gymnasiast in Neuruppin war (1832/33).

Noch ragt der Bau, doch auf den breiten Treppen

Kein Leben mehr, kein Rauschen seidner Schleppen,

Die alten Mauern stehen öd‘ und leer,

’s sind noch die alten und – sie sind’s nicht mehr.

Vierzeiler am Anfang des Kapitels „Schloß Oranienburg“ in den „Wanderungen“ 1861