Jedes Jahr zur Weihnachtszeit ziehe ich aufs Land und werde Bauer. Oder Bauernjunge, sollte man wohl sagen, wenn man bloß acht Jahre alt ist und einem der rechte Vorderzahn fehlt.

»So einem Dreikäsehoch tut die Stadtluft nicht gut«, sagt mein Opa zu meiner Mutter. »Nee, so ein Grünschnabel muss raus aufs Land, damit er ordentlich Schneeflocken in die Nase und jede Menge Reif in den Bart kriegt.«

»Na, hör mal«, sagt meine Mutter. »Der Junge hat doch gar keinen Bart.«

»Was?«, ruft mein Opa. »Keinen Bart? Hm, nein, der wächst ihm vermutlich erst später. Aber eine Nase – die hat er wohl?«

»Ja, ja«, sagt meine Mutter. »Eine Nase natürlich schon – meinetwegen kann er Weihnachten also ruhig auf dem Land verbringen.«

Siehst du. So kommt es, dass ich jedes Jahr zuerst ein langes Stück mit dem Zug fahre, dann ein kürzeres mit dem Bus, und zum Schluss geht es rumpeldipumpel auf Alfred Olsens altem Lastauto einen Kiesweg entlang.

Aus dem Schornstein steigt Rauch auf, der Hund Sophus bellt schwanzwedelnd zur Begrüßung, und das alte Pferd Lotte (so heißen nämlich alle richtigen Pferde) steckt den Kopf zur Stalltür heraus und wiehert. Und schon flitzt mein Opa aus dem Haus und läuft auf mich zu.

»Hallöchen, Junge!«, ruft er. »Willkommen!«

Mein Opa hat einen gewaltigen weißen Bart. Er reicht ihm fast bis zum Bauchnabel, und ich frage mich wirklich, wie er beim Essen in diesem Gestrüpp überhaupt noch seinen Mund findet. Guckt man aber ganz genau hin, entdeckt man ihn doch. Denn dort, wo der Mund sitzt, ist der Bart ein klein wenig gelb. Das liegt sicher daran, dass ab und zu ein Teil des Essens darin hängen bleibt.

Außerdem hat mein Opa so einen bestimmten Geruch. Also nicht irgendwie schlecht. Eher ein bisschen gemütlich. Vor allem riecht er nach Stall und nach Stroh – aber auch nach Tabak und Branntwein und dem Rauch vom Ofen.

Na ja, wenn ich komme, dann ruft er jedenfalls immer: »Hallihallo, Stummel!«, und drückt mich so fest, dass ich ganz rot im Gesicht werde.

Als Erstes machen wir jedes Mal einen Rundgang über den Hof und begrüßen alle Tiere. Der Hund Sophus beißt mir in die Hose, und die alte Lotte zupft an meinem Ärmel, weil sie hofft, dass ich

 

Danach gehen mein Opa und ich in die warme Stube, wo die Decke so niedrig ist, dass Opa ein bisschen den Kopf einziehen muss. Dort sitzen wir vor dem Kachelofen und stecken die Köpfe zusammen, während wir uns geheime Dinge erzählen.

Genau so ist es auch diesmal.

Irgendwann frage ich: »Opa, kommt dieses Jahr eigentlich ein Wichtel zu Besuch?«

»Hmm, tja«, sagt Opa. »Bis jetzt ist immer einer gekommen, warum also nicht?«

Und tatsächlich!

Plötzlich klopft es an der Tür, und Postmann Anders schaut in die Stube herein. Er sagt, dass er einen Brief für Opa dabeihat!

»Ha«, brummt mein Opa zufrieden, als Postmann Anders wieder fort ist. »Den Brief hat uns bestimmt ein kleiner Wichtel geschickt, der Weihnachten gern in unserer netten Gesellschaft verbringen will.«

Und Opa hat recht! Der Brief ist von Nisse Puk, der für die nächsten Tage seinen Besuch ankündigt.

»Nisse Puk«, murmelt Opa und zündet seine krumme Pfeife an. »Soso, Nisse Puk möchte uns dieses Jahr also einen Besuch abstatten.«

»Ob ich ihn kenne?«, brummt Opa. »Na, aber hallo. Wart’s nur ab, morgen erzähle ich dir ein paar Geschichten über ihn.«

Gestern hat mein Opa einen Brief von einem Wichtel gekriegt.

Nisse Puk heißt er, und er will uns in der Weihnachtszeit besuchen.

Ich bin schon ganz kribbelig vor Aufregung.

»Weißt du«, sagt Opa. »Dieser Nisse Puk ist ein ganz schön alter Knacker – so um die einhundertsiebzig Jahre muss er sein, und runzelig wie ein verschrumpelter Apfel. Aber du kannst darauf wetten, dass er noch Feuer im Hintern hat.«

»Feuer?«, frage ich erschrocken. »Wie, Feuer?«

»Hoho«, lacht Opa. »Er hat Schwung, verstehst du? Er ist überhaupt nicht zu bändigen, der alte Rabauke – nichts als Streiche hat er im Kopf.«

»Erzähl mir was über ihn«, sage ich und setze mich auf den Stuhl neben Opa.

»Hmm, also«, sagt Opa und zündet seine krumme Pfeife an. »Weißt du, bei mir hat er bis jetzt noch nie gewohnt. Da kann man wahrscheinlich von Glück reden, denn es ist unglaublich,

›Ab mit euch‹, sagte Nisse Puk zu ihnen. ›Jetzt mischt den Hof mal ordentlich auf.‹ Und glaub mir, genau das taten die Tiere. Heilige Gießkanne, war das vielleicht ein Durcheinander! Die Kühe muhten, die Pferde wieherten – ja, alle miteinander veranstalteten sie ein grässliches Spektakel. Und die faulen, vergesslichen Leute von Vestereng mussten mit nichts als ihren Nachthemden am Leib hinaus in die Dunkelheit. Dort flitzten sie herum wie ein Haufen Gespenster, während die Bewohner der umliegenden Höfe vor Schreck unter ihre Betten krochen. Nisse Puk beobachtete das Schauspiel zufrieden durch die Dachluke auf dem Heuboden und lachte, bis ihm die Tränen übers Gesicht liefen.«

»Aber Opa!«, rufe ich. »Ich dachte, Wichtel wären nett und freundlich und …«

Wuuumps macht es plötzlich drüben in der Milchkammer. Und als wir nachgucken gehen, Opa und ich, na, was glaubst du wohl, was wir da finden?

Einen Koffer. Einen klitzekleinen Koffer, kaum größer als ein Lesebuch. Ganz allein steht er dort mitten im Raum auf dem Boden. Und obwohl niemand zu sehen ist, wissen Opa und ich genau, wer ihn hier in der Milchkammer abgestellt hat.

Du hast es bestimmt auch längst erraten, oder?

»Soso«, sagt Opa. »Dann haben wir ihn wohl schon hier im Haus, diesen Nisse Puk. Wahrscheinlich ist er gerade draußen, um die Katze zu begrüßen. Wichtel und Katzen haben sich nämlich immer jede Menge zu erzählen.«

Eine Weile betrachten wir schweigend den kleinen Koffer.

»Du, Opa«, flüstere ich dann. »Sollten wir nicht etwas Milchreis für Nisse Puk kochen, bevor wir es vergessen?«

»Gute Idee«, brummt Opa. »Gute Idee, Junge.«

Also kochen wir Milchreis. Eine riesige Portion.

Später am Tag, als es langsam dunkel wird und Opa und ich den Kühen ihr Abendessen geben, stehen wir ganz still im Stall und lauschen.

Opa nickt und blinzelt mir zu.

»Tatsächlich, du hast recht«, sagt er. »Er hat bestimmt Hunger, dieser Nisse Puk.«

»H