image1
Logo

Management Know-how für die Praxis

Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h. c. Helmut Kohlert

Aleksandar Duric/Martin Hüppauff

Prozesse im eigenen Unternehmen

Identifizieren – Entwickeln – Steuern – Verändern

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-033904-0

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-033905-7

epub:    ISBN 978-3-17-033906-4

mobi:    ISBN 978-3-17-033907-1

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

  1. 1   Einleitung
  2. 1.1   Für wen ist dieses Buch gedacht?
  3. 1.2   Welche Probleme werden behandelt?
  4. 1.3   Wie ist das Buch aufgebaut?
  5. 1.3.1   Prozesse im Unternehmen
  6. 1.3.2   Strukturen im Unternehmen
  7. 1.3.3   Prozessdesign und Prozessnotation
  8. 1.3.4   Denkprinzipien, Modelle und Methoden
  9. 1.3.5   Prozessoptimierung im Unternehmen
  10. 1.4   Was kann man sich davon versprechen?
  11. 1.5   Geschäftsprozesse – eine kurze Einführung
  12. 2   Das eigene Unternehmen verstehen
  13. 2.1   Unternehmensorganisation
  14. 2.1.1   Funktionale Linienorganisation
  15. 2.1.2   Produktbezogene Spartenorganisation
  16. 2.1.3   Marktbezogene bzw. regionale Spartenorganisation
  17. 2.1.4   Matrix-Organisationen
  18. 2.1.4.1   Matrix-Produkt-Organisation
  19. 2.1.4.2   Matrix-Markt-Organisation
  20. 2.1.4.3   Matrix-Projekt-Organisation
  21. 2.1.5   Projekt-Organisation
  22. 2.2   Unternehmensstrategie
  23. 2.2.1   Vision
  24. 2.2.2   Mission
  25. 2.2.3   Ziele
  26. 2.2.4   Methoden der strategischen Unternehmensanalyse
  27. 2.2.4.1   Umfeldanalyse
  28. 2.2.4.2   Five-Forces-Analyse
  29. 2.2.4.3   SWOT-Analyse
  30. 2.3   Unternehmensziele
  31. 2.4   Projekt- und Prozessmanagement
  32. 2.5   Kundenzentrierung
  33. 2.6   Digitalisierung
  34. 2.7   Aufbauorganisation folgt der Ablauforganisation
  35. 3   Prozessdesign
  36. 3.1   Beschreibung von Prozessen
  37. 3.1.1   Prozesslandkarte
  38. 3.1.2   Inhaltliche Beschreibung von Prozessaktivitäten
  39. 3.1.2.1   Prozess-Steckbrief
  40. 3.1.2.2   EITVOX-Form und Prozess-Tabelle
  41. 3.1.3   Darstellung von Prozessaktivitäten
  42. 3.1.3.1   Swimlane-Darstellung
  43. 3.1.3.2   Ereignisgesteuerte Prozesskette (EPK)
  44. 3.1.3.3   Erweiterte Ereignisgesteuerte Prozesskette (eEPK)
  45. 3.1.3.4   Business Process Model and Notation (BPMN)
  46. 3.2   Ansätze des Prozessmanagements
  47. 3.2.1   Das Wasserfallmodell
  48. 3.2.2   Das Stage-Gate-Modell
  49. 3.2.3   Das V-Modell
  50. 3.2.4   Agile Ansätze
  51. 3.3   Kennzahlen für Prozesse
  52. 3.3.1   Prozesszeit einer Aktivität
  53. 3.3.2   Durchlaufzeit des gesamten Prozesses
  54. 3.3.3   Prozesskosten
  55. 3.3.4   Ableitung KPIs auf Basis der Prozessziele
  56. 3.4   Prozessorganisation
  57. 3.5   Dokumentensteuerung oder -lenkung
  58. 4   Wichtige Denkprinzipien
  59. 4.1   Lean Management und die 7 Mudas
  60. 4.2   Arbeitsorganisation im Fluss
  61. 4.3   Agile Arbeitsorganisation
  62. 4.4   Design Thinking
  63. 4.5   Vergleich der Denkprinzipien
  64. 5   Vorgehensmodell zur Entwicklung der Prozesse und der Arbeitsorganisation (VEPA)
  65. 5.1   Der Design Thinking-Ansatz für die Prozessgestaltung
  66. 5.2   Phase 1: Vorbereitung
  67. 5.2.1   Vier Hebel zur Effizienzsteigerung
  68. 5.2.1.1   Verlagerung von Prozessen
  69. 5.2.1.2   Verbesserung von Prozessen
  70. 5.2.1.3   Abbau von Prozessen
  71. 5.2.1.4   Prozessinnovation
  72. 5.2.2   Checkliste: Output-Phase 1
  73. 5.3   Phase 2: Festlegungen
  74. 5.3.1   Methoden zur zielgerichteten Festlegung in Phase 2
  75. 5.3.2   Wertschaffung für den Kunden – Gestaltung der Aufgabenstellung
  76. 5.3.3   Das Value-Proposition-CANVAS am Beispiel eines Retouren-Prozesses
  77. 5.4   Phase 3: Verstehen
  78. 5.4.1   Methoden zum Verstehen in Phase 3
  79. 5.4.2   Prozessidentifikation
  80. 5.4.3   Kundenzufriedenheit
  81. 5.4.4   Einbindung Stakeholder
  82. 5.4.5   Mitarbeiterwissen nutzen
  83. 5.4.6   Priorisierung von Prozessen
  84. 5.4.6.1   Festlegung von Priorisierungskriterien
  85. 5.4.6.2   Messgrößen von Priorisierungskriterien
  86. 5.4.6.3   Maßstab und Gewichtung
  87. 5.4.6   Prozess-Umfangsdefinition – Elemente des Prozess-Steckbriefs
  88. 5.4.6.1   Prozessname
  89. 5.4.6.2   Prozesseigner
  90. 5.4.6.3   Beschreibung des Prozesses (Kurzbeschreibung)
  91. 5.4.6.4   Eingangs- und Ausgangskriterien
  92. 5.4.6.5   Ziele – Prozessziele – Erfolgskriterien
  93. 5.4.6.6   Kunden
  94. 5.4.6.7   Stakeholder und deren Interessen
  95. 5.4.6.8   Ausgabe, Ergebnis/Erfolgskriterien und KPI‘s
  96. 5.4.6.9   Beispiel Prozess-Steckbrief
  97. 5.5   Phase 4: Analyse
  98. 5.5.1   Methoden zur Analyse
  99. 5.5.1   Kundenrückmeldungen
  100. 5.5.2   Lessons Learned
  101. 5.5.3   Prozesszeit
  102. 5.5.4   Wertstromanalyse auf Basis Lean Management und der sieben Mudas
  103. 5.5.4.1   Bürokratie eliminieren
  104. 5.5.4.2   Redundanzen eliminieren
  105. 5.5.5   Risiko-basierter Ansatz
  106. 5.5.6   Vereinfachung von Prozessen
  107. 5.5.7   Prozesse im VUCA-Umfeld
  108. 5.5.8   Dokumentation der Prozessanalyse
  109. 5.6   Phase 5: Design
  110. 5.6.1   Methoden zum Design
  111. 5.6.2   Prozess-Design
  112. 5.6.3   Interne Kontrollen definieren
  113. 5.6.4   Automatisierung von Aktivitäten
  114. 5.7   Phase 6: Umsetzung
  115. 5.7.1   Methoden zur Umsetzung
  116. 5.7.2   Release Konzept
  117. 5.7.3   Praxistipps
  118. 5.7.3.1   Quick Wins
  119. 5.7.3.2   Test
  120. 5.7.4   Pilotierung
  121. 5.8   Phase 7: Ausrollen
  122. 5.8.1   Final Release
  123. 5.8.2   Befähigung
  124. Literaturhinweise

1          Einleitung

 

 

 

1.1 Für wen ist dieses Buch gedacht?

1.2 Welche Probleme werden behandelt?

1.3 Wie ist das Buch aufgebaut?

1.4 Was kann man sich davon versprechen?

1.5 Geschäftsprozesse – eine kurze Einführung

Hier erfahren Sie, ob dieses Buch für Sie geeignet ist, welche Probleme angegangen werden und was sie sich davon versprechen können, dieses Werk durchzuarbeiten. Dieses Kapitel gibt Ihnen einen Überblick darüber, wie das Buch aufgebaut ist und welche Themengebiete eines Unternehmens im Zusammenhang mit Prozessmanagement erfasst sind. Sie erhalten Sie hier eine Einführung in das Thema Geschäftsprozesse und die zugehörigen Begriffsdefinitionen.

1.1       Für wen ist dieses Buch gedacht?

Dieses Buch richtet sich an alle Unternehmer, Fach- und Führungskräfte, die durch solides und innovatives Prozessmanagement einen Wettbewerbsvorteil für ihr Unternehmen erarbeiten wollen. Das Buch und sein Inhalt passen genau zu der – leider gar nicht so seltenen – Situation, die hier kurz skizziert werden soll: Sie haben das dringende Gefühl, dass die Geschäftsprozesse nicht rund laufen. Sie erhalten klare Signale aus der Organisation, hier passt vieles nicht (mehr) zusammen. In dieser Situation verliert das Unternehmen ständig Geld und Wert. Sie stellen fest: Immer wieder kommt es zu Störungen im Unternehmen, Termine werden nicht eingehalten, die Kunden sind unzufrieden, die Qualität stimmt nicht mehr und die Mitarbeiter beschweren sich, dass sie Ihre Arbeit nicht mehr ordentlich machen können. Sie fragen sich:

•  Steht der Kunde (noch) im Mittelpunkt des gemeinsamen unternehmerischen Handelns?

•  Sind unsere Vorgehensweisen darauf ausgerichtet, zufriedene oder sogar begeisterte Kunden zu haben?

•  Spielt der Kunde nur eine untergeordnete Rolle im Verkaufsprozess?

•  Wie schaffe ich es, die Anforderungen der Kunden in den Mittelpunkt zu stellen und ihn somit optimal zu bedienen?

•  Sind die Mitarbeiter in der Lage bzw. hat die Organisation die notwenigen Voraussetzungen geschaffen, um diese Aufgaben effizient und in der geforderten Qualität zu erledigen?

•  Ist das Unternehmen richtig aufgestellt, um beim Kunden Zufriedenheit oder sogar Begeisterung auszulösen?

Prozessgestaltung ist Führungsaufgabe. Ohne das notwendige Verständnis und Engagement des Führungsteams können keine leistungsfähigen Prozesse im Unternehmen etabliert werden. Gleichzeitig richtet sich dieses Buch auch an die übrigen Mitarbeiter eines Unternehmens, die ihrer Organisation helfen wollen und daran arbeiten, die Abläufe und Aufgaben effizienter zu gestalten. Das sind häufig diejenigen Mitarbeiter, die bei Ihren täglichen Aufgaben feststellen, dass sie immer wieder mit den gleichen Störungen konfrontiert sind. Aus dieser bitteren Erfahrung heraus beteiligen sich engagierte Mitarbeiter an Verbesserungsinitiativen. Auch dieser Gruppe wollen wir Unterstützung anbieten.

Die Mitarbeiter eines Unternehmens leisten entweder einen direkten Wertbeitrag zu den Produkten und Dienstleistungen im Unternehmen oder unterstützen diesen Wertschöpfungsprozess indirekt. Durch ihre operative Erfahrung leisten sie jederzeit einen wertvollen Beitrag zum Gelingen der Prozessentwicklung. Deshalb unser Aufruf: Helfen Sie mit, die Grundlage für profitables und nachhaltiges Wachstum in Ihrem Unternehmen zu legen.

1.2       Welche Probleme werden behandelt?

Ein Unternehmen ist eine wirtschaftlich-finanzielle und rechtliche Einheit, für die das erwerbswirtschaftliche Prinzip konstituierend ist. Unternehmen bieten verschiedenste Produkte und Dienstleistungen am Markt mit dem Ziel an, einen Gewinn zu erwirtschaften.1 Je wettbewerbsfähiger man ist, desto zufriedener ist in der Regel der Kunde und je effizienter die Umsetzung erfolgt, desto höher ist der Gewinn. Ganz einfach sollte man meinen.

Unternehmen, die eine gewisse Größe erreicht haben, sind in der Regel entlang der Aufgabengebiete bzw. der Fachbereiche aufgebaut. So findet man u. a. einen Vertriebs-, einen Marketing-, einen Einkaufs-, einen Entwicklungs- und einen Fertigungsbereich. Um die Mitarbeiter in den verschiedenen Abteilungen zu organisieren, werden in der Regel verschiedene Hierarchie-Ebenen eingeführt und die Organisationsstrukturen über weitere Führungsebenen miteinander verbunden. Man spricht dann von der Linienorganisation, das ist der »Klassiker« unter den Organisationsformen (image Kap. 2.1). Im Normalfall werden Unternehmen nicht auf Basis ihrer Prozesse organisiert, d. h. entlang der Ablauforganisation, was zu den Konflikten führen kann.

Die einzelnen Bereiche, Abteilungen und Unterabteilungen haben häufig unterschiedliche Ziele, welche aus verschiedenen unternehmerischen Rahmenbedingungen resultieren. In der Regel sind dies Ziele, die sich nicht am Wertstrom ausrichten. Dies führt dazu, dass zum einen die Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg nicht immer reibungslos funktioniert und zum anderen, dass der Kunde nicht im Mittelpunkt steht.

Dagegen werden in diesem Buch die Anforderungen und Bedürfnisse des Kunden immer ins Zentrum der Betrachtungen gestellt. Wir leiten daraus die notwendige Prozesslandschaft ab. Somit stellen wir sicher, dass sich das Unternehmen immer am Kunden orientiert. Damit werden die Produkte und Dienstleistungen im Hinblick auf ein optimales Kundenerlebnis entwickelt und produziert. Der – zahlende – Kunde soll langfristig zufrieden oder im besten Fall sogar begeistert mit dem Unternehmen sein.

In der Innensicht des Unternehmens sorgen die in diesem Sinne richtigen Prozesse dafür, dass ein effizienter Arbeitsablauf sichergestellt wird und die wertvollen/teuren Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden. Es spielt dabei eine wichtige Rolle, die Mitarbeiter von der Wichtigkeit kundenorientierter Prozesse und deren zielorientierten Steuerung zu überzeugen. Bei richtiger Umsetzung des Prozessmanagements wird damit sichergestellt, dass in der Organisation des Unternehmens abteilungsübergreifend optimal zusammengearbeitet wird, die teure Verschwendung von Ressourcen (»Muda« image Kap. 4.1.1) unterbleibt und der Kunde dadurch bestmöglich bedient wird.

Unter Prozessmanagement verstehen wir alle Aktivitäten eines Unternehmens, die das Ziel haben, Prozesse zu gestalten, kontinuierlich weiterzuentwickeln, zu verbessern und im Unternehmen sowie bei den Mitarbeitern zu verankern.

1.3       Wie ist das Buch aufgebaut?

Dieses Buch soll eine knappe Einführung in das Prozessmanagement geben: Es wird beschrieben, was Prozesse und die dazugehörige Arbeitsorganisation ausmachen, wie diese gestaltet werden müssen, um Kundenbedürfnisse und Unternehmensziele bestmöglich erfüllen zu können. Dazu ist es notwendig, die vorhandenen Prozesse im Unternehmen zu verstehen und die oftmals aus der Entstehungsgeschichte heraus gewachsenen spezifischen Strukturen und Vorgehensweisen kritisch zu hinterfragen.

1.3.1     Prozesse im Unternehmen

In Kapitel 1.5 führen wir zunächst den Begriff »Geschäftsprozess« ein, betrachten dabei die verschiedenen Arten von Prozessen und diskutieren, welchen Nutzen diese für den täglichen Geschäftsbetrieb haben. Der inhaltliche Fokus der Ausführungen liegt auf wertschöpfenden bzw. wertschaffenden Unternehmensprozessen. Das sind Abläufe entlang der Wertschöpfungskette oder des Wertstroms, die unmittelbar für den Kunden einen Mehrwert schaffen. Zumeist werden diese Prozessarten wie in Abbildung 1 dargestellt visualisiert. Die aus Kundensicht wertschöpfenden bzw. wertschaffenden Prozesse werden horizontal dargestellt, die begleitenden Führungs- und unterstützenden Prozesse werden vertikal abgetragen.

Images

Abb. 1: Schematische Darstellung typischer Prozessarten eines Unternehmens

Bei der prozessorientierten Analyse, Steuerung und Gestaltung des Unternehmens spielen neben wertschöpfungsbezogenen auch (begleitende) Führungsprozesse eine wichtige Rolle. Ein Führungsprozess ist definiert als zweckgerichtete, direkte oder indirekte Verhaltensbeeinflussung der Geführten durch die Führenden im Rahmen einer wechselseitige, aber im Hinblick auf die Einflussmöglichkeiten mehr oder weniger asymmetrischen Beziehung. Am Ende geht es für das Management des Unternehmens darum, die Entscheidungen durchzusetzen und damit die Unternehmensziele zu realisieren.2

Wir erklären vor diesem Hintergrund die Grundlagen des Prozessmanagements und geben Hilfestellung, eigene Prozesse zu identifizieren und diese zu entwickeln.

1.3.2     Strukturen im Unternehmen

Bevor wir uns der Prozessdefinition widmen können, müssen jedoch weitere Grundlagen geklärt bzw. Voraussetzungen für zielgerichtetes Prozessmanagement geschaffen werden: Es gilt nämlich zunächst und vor allem, das eigene Unternehmen und seinen organisatorischen Aufbau zu verstehen. Dazu werden in Kapitel 2.1 kurz die verschiedenen denkbaren Formen der Unternehmensorganisation erklärt und anhand folgender Leitfragen geklärt, welche Implikationen sich jeweils für die Prozessentwicklung ergeben:

•  Wie ist das Unternehmen aktuell organisiert?

•  Welche Organisationsform spielt dabei die zentrale Rolle und wie wirken sich dies auf das Prozessmanagement aus?

•  Sind funktionale Organisationformen geeignet, um Prozesse effizient umzusetzen?

•  Welche Alternativen gibt es und wie kann man die Hürden der Organisation überwinden?

In diesem Zusammenhang muss auch auf die strategische Planung des Unternehmens eingegangen werden, weil die Prozessentwicklung dadurch beeinflusst bzw. determiniert wird. Im Rahmen von Kapitel 2.2 beantworten wir deshalb folgende Fragen:

•  Wie entwickeln Unternehmen die Strategien und wie leiten sich daraus Ziele ab?

•  Welche Rolle spielen in dieser Strategie die Prozesse und die Arbeitsorganisation?

•  Wie sieht ein integriertes unternehmerisches Zielesystem aus, das auch Ziele für das Prozessmanagement beinhalten kann?

Da heute in Unternehmen umfangreichere Aufgaben im Rahmen von Projekten organisiert werden, wird der Organisation von Projekten und dem Projektmanagement besondere Aufmerksamkeit gewidmet; dabei soll auch die Frage geklärt werden, wie sich die in der Praxis oft verwechselten Bereiche des Projekt- und Prozessmanagements voneinander abgrenzen lassen (image Kap. 2.4).

Unternehmen und die in ihnen bearbeiteten Projekte sind kein Selbstzweck, sondern dienen – wie bereits eingangs festgestellt – der bestmöglichen Befriedigung von Kundenwünschen durch Produkte und Dienstleistungen. Aus diesem Grund steht bei der Betrachtung von Unternehmensprozessen die Kundenorientierung im Mittelpunkt (image Kap. 2.5). Hierbei sind sowohl die Endkunden, die fertige Produkte und Dienstleistungen abnehmen, als auch Geschäftskunden gemeint, die Produkte weiterverarbeiten oder ihrerseits an Endkunden verkaufen.

Um Prozesse im Einklang mit Kundenwünschen zu entwickeln, müssen wir zunächst wissen, wer unsere Kunden sind, wo sich diese aufhalten und welche Bedürfnisse sie haben. Damit begeben wir uns auf die »Customer Journey«, eine Reise des Kunden entlang der unternehmerischen Tätigkeiten zur Erfüllung kundenseitiger Bedürfnisse. Wir analysieren potenzielle Wechselwirkungen zwischen dem Kunden, dem eigenen Unternehmen und seinen Produkten und Dienstleistungen an den »Touch Points«, also den Kontaktpunkten, an denen wir mit unseren Kunden kommunizieren können. Darauf wollen wir unsere Prozesse abstimmen. Ziel ist es, den Kunden an diesen Touch Point optimal zu bedienen. Dadurch entsteht langfristige Kundenbindung (image Kap. 2.5).

Bei der Einbeziehung des Kunden in die Prozessorganisation des Unternehmens steht heute zunehmend die Digitalisierung im Mittelpunkt. Der Kunde kann durch die Digitalisierung auf vielfältige Arten mit Unternehmen kommunizieren. Die möglichen Auswirkungen auf das Prozessmanagement und die damit verbundenen Chancen wollen wir bei der Entwicklung der Prozesse berücksichtigen (image Kap. 2.6). Am Kapitelende wird der traditionelle Ansatz der Unternehmensorganisation deshalb modernisiert und erweitert, dabei werden Prozesse und Arbeitsorganisation aus den Kunden- und Geschäftsbedürfnissen abgeleitet und erst zum Schluss die Aufbauorganisation des Unternehmens festgelegt (image Kap. 2.7).

1.3.3     Prozessdesign und Prozessnotation

In 3. Hauptkapitel werden die Grundlagen für die Gestaltung der Prozesse dargestellt. Dazu müssen die gebräuchlichsten Formen der Notationen von Prozessen vorgestellt werden. Damit können Sie Prozesse sachgerecht, systematisch und verständlich erfassen, beschreiben und die Prozesse verändern (image Kap. 3.1). Eine einheitliche und standardisierte Notation bildet dann die gemeinsame Basis für Ihre Arbeit im Prozessmanagement des eigenen Unternehmens. Neben der eigentlichen Prozessbeschreibung spielt auch die geeignete Dokumentation eine entscheidende Rolle, denn sie stellt den Informationsfluss und die Kommunikation sicher (image Kap. 3.5). Im weiteren Verlauf des Kapitels zeigen wir Ihnen einige Standardmodelle des Prozessmanagements auf. Diese Vorgehensmodelle können Ihnen als Leitplanken bei der Erarbeitung der Prozesse dienen (image Kap. 3.2).

Ein wichtiges Gebiet des Prozessmanagements stellt darüber hinaus die – vielfach sträflich vernachlässigte – Messung der Leistungsfähigkeit einzelner Prozesse dar. Wir wollen Sie in Kapitel 3.3 mit ausgewählten Kennzahlentypen vertraut machen.

1.3.4     Denkprinzipien, Modelle und Methoden

Mit den in Kapitel 4 vorgestellten Denkprinzipien beschreiben wir vier Modelle, die mit ihren Methoden und daraus abgeleiteten Instumenten/Tools das Prozessmanagement entscheidend beeinflusst haben:

•  »Lean Management«

•  »Fluss in der Arbeitsorganisation«

•  »Agile Arbeitsorganisation«

•  »Design Thinking«

Mögen die betrieblichen Einsatzgebiete auch stark variieren, allen vier Modellen ist gemeinsam, dass der Kunde im Fokus der Prozesse und ihrer Entwicklung bzw. Optimierung steht.

1.3.5     Prozessoptimierung im Unternehmen

Diese Denkprinzipien bilden die Grundlage für unser in Kapitel 4 beschriebenes Vorgehensmodell. Dort wird in einem 7-Phasen-Modell eine in der Praxis bewährte Vorgehensweise zur Entwicklung von Prozessen und der dazugehörigen Arbeitsorganisation vorgestellt.

In die 7 Phasen des Vorgehensmodells fließen jeweils die Erkenntnisse aus den vorangegangenen Kapiteln ein. Die Phasen werden hierbei rekursiv durchlaufen, wodurch eine kontinuierliche Verbesserung erreicht werden soll. Darüber hinaus werden Praxistipps gegeben.

1.4       Was kann man sich davon versprechen?

Mit dem vorliegenden Werk verbinden die Autoren den Anspruch, jeder Führungskraft und auch jedem interessierten Mitarbeiter in einem Unternehmen einen Zugang zur mitunter komplexen Welt der Unternehmensprozesse zu verschaffen. Der Anspruch des vorliegenden Textes liegt nicht darin, die neuesten Erkenntnisse der Fachliteratur zu referieren, sondern dem Leser vielmehr einen schnellen und inhaltlich kompakten Leitfaden an die Hand zu geben:

•  Wir möchten dem Leserkreis aus der Prozessperspektive zum einen ein grundsätzliches Verständnis eines Unternehmens und seiner Abläufe vermitteln. Zum anderen sollen einfache Hilfen für die Umsetzung unternehmerischen Prozessmanagements in der täglichen Praxis gegeben werden.

•  Sie erhalten einen umfassenden Eindruck darüber, wie ein Unternehmen aus der Prozessperspektive »funktioniert« und welche Probleme das mit sich bringen kann. Sie werden verschiedene Methoden kennen lernen, die sie gezielt für Ihre Prozessarbeit einsetzen können.

•  Sie werden einen Zugang finden, wie Sie die Prozesse in Ihrem Unternehmen identifizieren können. Sie werden in der Lage sein, zu bewerten, ob und inwieweit diese Prozesse zu ihren Zielen passen, ob diese Prozesse zu den Erwartungen Ihrer Kunden passen und wie sie diese ständig verbessern können.

•  Sie erfahren, wie Sie Schritt für Schritt die Unternehmensprozesse optimieren und neue Prozesse im Unternehmen etablieren können. Sie werden Transparenz in Ihre Prozesse bringen und so die Lücken in Ihrer Prozesslandschaft identifizieren. Sie werden diese Lücken schließen sowie unnütze Prozesse eliminieren. Sie können sogar zur »Königsdisziplin« aufsteigen und disruptive Prozesse gestalten. Dies sind Prozesse, die bisherige Abläufe schlagartig verändern und damit einen deutlichen Wettbewerbsvorteil am Markt generieren.

Jede Prozessoptimierung, die Sie erfolgreich durchführen, wird einen Beitrag zu Ihrer Zielerreichung leisten und zusätzlich ihr Unternehmen effizienter gestalten, ihre Kosten reduzieren und ihre Qualität erhöhen.

1.5       Geschäftsprozesse – eine kurze Einführung

Wir alle kennen Prozesse aus dem Alltag. Obwohl wir uns dessen nicht bewusst sind, viele unsere täglichen Routinen haben einen Prozesscharakter. Es sind wiederkehrende Abläufe, die nach der obigen Definition einen Nutzen entfalten und ein Ziel haben. Wenn wir uns morgens die Zähne putzen, um saubere Zähne zu haben und Karies zu vermeiden, dann folgen wir einem Prozess. Dieser sieht folgendermaßen aus:

Bad betreten – Licht einschalten – Spiegelschrank öffnen – Zahnbürste herausnehmen – Zahnpasta Tube öffnen – Zahnpasta auftragen – Befeuchten der Bürste – Mund öffnen – mit kreisenden Bewegungen für ca. 3 Minuten über die Zähne bürsten – Mund ausspülen – Zahnbürste reinigen – Zahnbürste & Zahncreme im Spiegelschrank verstauen.

Für Kinder, die noch nicht so routiniert Zähne putzen, werden im Bad manchmal Bilder aufgehängt, die die rotierende Bewegung und die Reihenfolge des Zähneputzens (oben – unten – links – rechts) visualisieren. Dieses einfache Beispiel zeigt schon, dass die Detaillierung und die Art der Beschreibung an den Nutzer angepasst sein müssen.

Ein Prozess umfasst in ganz allgemeiner Definition eine logisch zusammengehörende Abfolge von Einzeltätigkeiten, die von den Prozessbeteiligten nach bestimmten Regeln durchgeführt werden. Sie bringt den Beteiligten einen messbaren Nutzen und leistet einen (positiven) Beitrag zur Erreichung von Zielen.3

Viele Prozesse laufen einfach ab – ohne dass wir sie vorher definiert oder aufgeschrieben haben. Das gilt auch für Unternehmen. Manchmal durchlaufen dieselben Prozesse unterschiedliche Abteilungen in derselben Weise, manchmal weichen diese ab. Einige Prozesse sind nur in den Köpfen der Mitarbeiter vorhanden, andere sind detailliert dokumentiert. Prozesse können, wie im Beispiel des Zähneputzens, einen sehr hohen Detailierungsgrad haben, oder nur eine grobe Beschreibung eines Vorgangs sein (»Zähne putzen«).

Eine weit verbreitete Darstellung der Aktivitäten eines Unternehmens ist die Wertkette bzw. Wertschöpfungskette im Konzept von Michael E. Porter.4 In diesem Konzept werden alle (Prozess-)Aktivitäten in primäre und unterstützende Aktivitäten eingeteilt. Die wertschöpfenden Aktivitäten werden vertikal dargestellt. Diese sind Logistik, Operationen (Produktion), Marketing und Vertrieb und Kundendienst/Service. Sie schaffen Wert und verbrauchen Ressourcen. Die zeitliche Abfolge der Arbeitsschritte einer Aktivität wird über Prozesse beschrieben. Die unterstützenden Aktivitäten werden horizontal dargestellt und sind nicht wertschöpfend: Dies sind Unternehmensinfrastruktur (einschließlich der Führungsfunktion/des Managements), Personalwirtschaft, Technologieentwicklung und Beschaffung (image Abb. 2).

Images

Abb. 2: Die Wert(schöpfungs)kette nach Michael E. Porter

Die Analyse der jeweiligen Wertkette und der Vergleich mit Wettbewerbern ist ein Instrument der strategischen Unternehmensplanung. Eine überlegene Wertkette bzw. überlegene Prozesse innerhalb derselben schaffen Wettbewerbsvorteile. Vielfach werden die Begriffe »Wertkette« und »Wertschöpfungskette« aber undifferenziert verwendet – hier und im Folgenden werden wir deshalb den Begriff »Wertschaffungskette« für die Schaffung von Werten innerhalb eines Unternehmens benutzen, mit »Wertschöpfungskette« soll dagegen die Verkettung der Wertschaffung mehrerer Unternehmen bezeichnet werden.

Das Konzept der Wertschaffungskette nach Porter basiert auf einer Industrielandschaft, die vorwiegend materielle Güter produziert. Die genannten Aktivitäten/Prozesse sind weitgehend identisch mit den Organisationsfunktionen von klassisch aufgebauten Unternehmen. Viele Unternehmen der Internet- und Softwarebranche sowie Engineering-Dienstleister finden sich hier nicht wieder. Deshalb müssen für diese Unternehmen die wertschaffenden Aktivitäten jeweils neu definiert werden, so zählt bei Internetunternehmen eine App-Entwicklung zu den wertschaffenden Aktivitäten. Bei Unternehmen wie Amazon oder Netflix wurden deshalb in den letzten Jahren die klassischen Organisationsstrukturen und zugehörige Aktivitäten aufgelöst und in marktorientierte, interdisziplinäre Einheiten (»crossfunctional units«) mit neu definierten Formen der Zusammenarbeit umgewandelt. Beispielsweise arbeiten dort Marketing, Entwicklung, Datenbank-, Server- und Netzwerk-Administration eng zusammen. Entsprechend definieren diese Unternehmen als zentrale Größe der unternehmerischen Wertschaffung den »DevOps Value stream«. »DevOps« ist ein Kunstwort aus »Dev« von Development und »Ops« von Operations.5

Die Aktivitäten (der Organisationsfunktionen) in einem Unternehmen werden durch Prozesse (betriebliche Abläufe) beschrieben. Ein Prozess in diesem unternehmerischen Zusammenhang ist demnach als eine Abfolge von Tätigkeiten bzw. Arbeitsschritten zu verstehen, die aus definierten Startvorgaben (Input) ein definiertes Ergebnis (Output) erzeugen und letztlich den Anforderungen bzw. Wünschen der Kunden folgt. Der Kunde steht hier im Mittelpunkt bzw. am Anfang der wertschaffenden Aktivität (image Abb. 3).6 Die Wertschaffung bezieht sich immer auf den Kunden, für diesen will ein Unternehmen einen Wert schaffen.

Images

Abb. 3: Definition der Aktivitäten eines Geschäftsprozesses nach Schmelzer und Sesselmann (2008)

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Anforderungen und Wünsche des Kunden nicht nur explizit geäußerte Anforderungen, sondern auch implizite Erwartungen umfassen.7 Auch können die eigenen Wünsche dem Kunden am Beginn eines Geschäftsprozesses bzw. der wertschaffenden Aktivität des Unternehmens noch nicht bewusst sein – von dieser Annahme geht etwa der Design Thinking-Ansatz aus (image Kap. 4.4).8

Geschäftsprozesse eines Unternehmens orientieren sich also immer am Kunden und beschreiben die wertschaffenden Aktivitäten in der Wertschaffungskette des Unternehmens. Hinsichtlich der Beurteilung bzw. Zuordnung von Prozessen zur Kategorie der Geschäftsprozesse hilft die Frage: »Ist nach Durchlaufen des betreffenden Prozesses ein unmittelbar für den Kunden erfahrbarer Wert oder Nutzen geschaffen worden?«

Prozessmanagement im Unternehmen sollte sich im Wesentlichen auf Geschäftsprozesse, d. h. auf Abläufe konzentrieren, die aus der Kundenperspektive eine wertschaffende Aktivität bilden. Vor allem das Management der Geschäftsprozesse kann für den Kunden spürbare Wettbewerbsvorteile erzielen.

An dieser Stelle sei auch unser Verständnis des Begriffs »Arbeitsorganisation« erklärt. Wir verstehen darunter die Art und Weise des Zusammenwirkens von Mitarbeitern in einem Unternehmen oder zwischen Unternehmen. Eine Arbeitsorganisation definiert sich über Rollen und die Form der Zusammenarbeit dieser Rollen. Wir werden an verschiedenen Stellen die Arbeitsorganisation hervorheben, da nicht immer bewusst ist, dass diese im Zusammenhang mit Prozessmanagement definiert werden muss. In vielen Unternehmen wird die Arbeitsorganisation nicht explizit beschrieben, sondern sie wird gleichwie ein Stück Kultur gelebt. Wir sind der Meinung, dass die Arbeitsorganisation bewusst definiert und beschrieben werden sollte, um den Mitarbeitern Orientierung zu geben.

1     Eine umfassende Einführung in diese grundlegenden Zusammenhänge bietet hierzu J. Sigloch, T. Egner, S. Wildner: Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 5. Auflage, Stuttgart 2015, S. 19-39.

2     Gabler Wirtschaftslexikon, Führungsprozess, online unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/128945/fuehrungsprozess-v5.html, zuletzt geprüft am 7.2.2019.

3     Dazu ausführlich M. Heine, S. Rehder: Geschäftsprozessmanagement, Stuttgart 2017, S. 11 ff.

4     Es empfiehlt sich ein Blick in die Originalarbeit von M. E. Porter: Competitive Advantage. Creating and Sustaining Superior Performance, New York 2004, die dargestellte Wertkette und die zugehörige Erläuterung findet sich dort auf Seite 37 ff.

5     Dazu im Detail G. Kim, J. Humble, P. Debois, J. Willis: The DevOps Handbook, Portland 2016.

6     Siehe dazu auch die Einführung in H.J. Schmelzer, W. Sesselmann: Geschäftsprozessmanagement in der Praxis, Kunden zufrieden stellen – Produktivität steigern – Wert erhöhen Hanser Verlag, 8. Aufl., München 2008, S. 5 ff.

7     Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit strukturiert die Kundenanforderungen in Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen. Die Bildung dieser Kategorisierung basiert auf einer Kundenbefragung mittels spezieller produktspezifischer Fragebögen. So lassen sich Erkenntnisse darüber gewinnen, welche Kundenanforderungen im Rahmen der Produkt- bzw. Dienstleistungsentwicklung berücksichtigt werden sollten. Dazu N. Kano u. a.: Attractive Quality and Must-be Quality, in: Journal of the Japanese Society for Quality Control, 1984, Vol. 14(2), S. 147-156.

8     Dazu E. Sauvonnet und M. Blatt (Hrsg.): Wo ist das Problem? Design Thinking als neues Management-Paradigma, Norderstedt 2014.

2          Das eigene Unternehmen verstehen

 

 

 

2.1 Unternehmensorganisation

2.2 Unternehmensstrategie

2.3 Unternehmensziele

2.4 Projekt- und Prozessmanagement

2.5 Kundenzentrierung

2.6 Digitalisierung

2.7 Aufbauorganisation folgt der Ablauforganisation

Hier lernen Sie grundlegenden Elemente kennen, die einen direkten oder indirekten Einfluss auf das Prozessmanagement im Unternehmen haben: Welche Rolle spielt die Organisation und welche Formen sind in der Praxis gebräuchlich? Welche Möglichkeiten gibt es, eine Vision zu formulieren und wie werden daraus die Ziele und die Strategie abgeleitet? Zudem wird der Begriff des Projektmanagements erklärt und der Unterschied zum Prozessmanagement dargestellt. Eine weitere wichtige Größe im Prozessmanagement ist der (zufriedene) Kunde: Welche Möglichkeiten es gibt, den Kunden und seine Wünsche zu verstehen, wird anhand des Konzepts der Customer Journey gezeigt. Darüber hinaus wird erörtert, welchen Einfluss die fortschreitende Digitalisierung auf das Kundenverhalten und das Prozessmanagement haben könnte. Am Ende gehen wir der Frage nach, wie Prozesse zu vorhanden Organisationen passen und welche Organisationsansätze verfolgt werden können.

2.1       Unternehmensorganisation

Unternehmungen haben Aufgaben und Ziele. Eine Aufgabe kann beispielsweise die Herstellung eines bestimmten materiellen Produkts sein, dazugehörige Ziele sind oftmals durch betriebswirtschaftliche Größen wie Umsatz, Gewinn, Marktanteil gegeben. Um die erforderlichen Aufgaben in einem Unternehmen zu erfüllen, muss die Arbeit strukturiert werden. Dadurch wird die Zusammenarbeit mehrere Mitarbeiter, mehrerer Teams oder mehrerer Einheiten möglich. Die Organisation eines Unternehmens ist ein formales Gebilde, um diese Zusammenarbeit zu steuern. Die Struktur sollte die Aufgabenverteilung klären, die Aktivitäten der einzelnen Mitarbeiter aufeinander abstimmen und miteinander verknüpfen.

Unter Organisation wird in der Betriebswirtschaftslehre das formale Regelwerk eines arbeitsteiligen Systems im Unternehmen verstanden. Von einer Organisation spricht man in diesem Zusammenhang, wenn mehrere Personen in einem arbeitsteiligen Prozess kontinuierlich an einer gemeinsamen Aufgabe infolge eines gemeinsamen Zieles arbeiten. Die auf Mitarbeiter verteilten Arbeitshandlungen sind dabei aufeinander abzustimmen und auf das gemeinsame Ziel der Gewinnerzielung und Unternehmens(wert)erhaltung hin auszurichten.9

Das Organigramm einer Organisation bildet in den meisten Fällen lediglich eine hierarchische Ordnung ab. Es stellt dar, welche Mitarbeiter in welcher Einheit organisiert sind und wie die Führungsstruktur aussieht. Folgt die Organisation einer solchen Struktur spricht man von einer Aufbau- oder Linienorganisation. Sie legt die Rahmenbedingungen fest, welche Aufgaben von welchen Mitarbeitern, Teams oder Abteilungen übernommen werden. Es werden organisatorische Einheiten gemäß der vorhandenen bzw. benötigten Kompetenzen gebildet. Diese werden durch eine übergeordnete Stelle, d. h. die Führung miteinander verknüpft, um eine Zusammenarbeit zu gewährleisten. Je nach Ausgestaltung dieser organisatorischen Einheiten und der Führungsebenen können verschiedene Organisationsformen sinnvoll sein. Zu jeder organisatorischen Stelle gibt es in der Regel eine Beschreibung, welche die Hauptaufgaben zusammenfasst und damit auch die Kompetenzen, Ausbildung und zusätzliche Anforderungen an diese Stelle formuliert.

Zunächst möchten wir Ihnen die wichtigsten Organisationsformen in Unternehmen kurz vorstellen. Vermutlich kennen Sie die meisten bereits. Allerdings ist es im Zusammenhang mit dem Management unternehmerischer Prozesse wichtig, dass Ihnen die jeweiligen Chancen und Gefährdungen für die Entwicklung der Prozesse und die Arbeitsorganisation bewusst sind.

2.1.1     Funktionale Linienorganisation

Bei der funktionalen Linienorganisation werden Funktionen in einer hierarchischen Organisation zusammengefasst und Gruppen bzw. Abteilungen mit entsprechender Führungsstruktur gebildet. Durch die Führung (top down, also von »oben« nach »unten«) können die Bereiche relativ einfach kontrolliert und gesteuert werden. Diese Organisationsform ist sehr weit verbreitet. Dies ermöglicht eine einfache und effiziente Delegation. Budgetierung und Kostenkontrolle sind einfach zu bewerkstelligen. Die fachliche Kompetenz wird innerhalb der Gruppe oder Abteilung gestärkt, da fachlicher Austausch auf einer hierarchischen bzw. organisatorischen Ebene einfach gestaltet werden kann. Die Fachkräfte können dadurch in unterschiedlichen Projekten eingesetzt werden. Der Einsatz von Ressourcen innerhalb eines Fachbereiches kann somit effizient gestaltet werden. Eine gewisse Kontinuität ist gewährleistet. Vorschriften, Verfahrensanweisungen und Regelungen sind einfach einzuführen und einfach zu verstehen (image Abb. 4).

Images

Abb. 4: Beispiel einer funktionalen Linienorganisation

Die Autonomie der einzelnen Funktionen kann jedoch zu Abkapselung einzelner Gruppen und Abteilungen und damit zu Problemen führen. Es besteht die Gefahr, dass sich zwischen den Fachbereichen Barrieren bilden. Zudem sind bei übergreifenden Projekten die Verantwortlichkeiten nicht eindeutig geregelt, so dass sich im schlimmsten Fall keiner verantwortlich fühlt. Der Kunde steht hier nicht im Mittelpunkt. Das führt zu einer verzögerten Reaktion auf Kundenwünsche. Genau dieses Ziel wollen wir jedoch mit modernem Prozessmanagement erreichen. Deshalb ist diese Organisationsform in Bezug auf Prozessmanagement nicht die erste Wahl. Aufgrund der wenig ausgeprägten Dynamik und der geringen externen Einflüsse sind die Motivation und die Innovationskraft der Organisation und ihrer Mitglieder häufig nur schwach ausgebildet.

2.1.2     Produktbezogene Spartenorganisation

In produktbezogenen Spartenorganisationen werden strategische und operative Entscheidungen organisatorisch getrennt. Die Verantwortlichkeiten sind klar geregelt. Es besteht typischerweise eine hohe Motivation aufgrund der Tatsache, dass sich die Mitarbeiter der Produktsparte in ihrem Aufgabenbereich in gewisser Weise als freie Unternehmer betätigen können. Die Mitarbeiter arbeiten direkt für den Projektleiter oder Produktverantwortlichen. Unprofitable Produktlinien können schnell eingestellt werden. Ertragsstarke Produktlinien kann man einfach verstärken. Innovationen für neue Produkte können schnell und effizient in einer neuen Produktsparte organisiert werden. Die Kommunikationskanäle funktionieren reibungslos und direkt. Das Team ist in Richtung Produkt im wahrsten Sinne in eine Linie gebracht. Das Produkt steht im Mittelpunkt und es kann schnell auf Kundenwünsche reagiert werden. Durch die Identifikation mit dem Produkt ist Loyalität und hohe Motivation gegeben (image Abb. 5).

Images

Abb. 5: Beispiel einer produktbezogenen Spartenorganisation