Agnes Lieberknecht / Yomb May
Wissenschaftliche Arbeiten formulieren
Ein Arbeitsbuch für Schreibkurse und Selbststudium
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
Wissenschaftliche Texte sind selten beliebt und werden meist nicht gern gelesen. Sie gelten als trocken und kompliziert. Doch das liegt nicht so sehr an den Inhalten solcher Texte, sondern vielmehr an der Sprache, in der die Inhalte oft kommuniziert werden. Den Anspruch, wissenschaftliche Erkenntnisse sprachlich angemessen zu „verpacken“ und verständlich zu vermitteln, erfüllen nur wenige Wissenschaftler – zum Leidwesen der Leserinnen und Leser: Ein Großteil der Lehrbücher und anderer im Laufe des Studiums relevanten wissenschaftlichen Publikationen zeichnen sich durch eine verschraubte Sprache aus. Und nicht selten verfallen Studierende dem Irrglauben, sprachliche Komplexität sei ein Qualitätsmerkmal der Wissenschaft. Andererseits konzentrieren sich die zahlreichen wissenschaftspropädeutischen Publikationen auf das „wissenschaftliche Arbeiten“, d.h. auf die Arbeitstechniken, sodass „wissenschaftliches Formulieren“ kaum behandelt wird.
Das vorliegende Buch schließt diese Lücke. Es grenzt sich von Publikationen zum wissenschaftlichen Arbeiten durch seine thematische Ausrichtung ab: die Formulierung wissenschaftlicher Arbeiten. Viele Lehrbücher zu wissenschaftlichem Schreiben erschöpfen sich in der Aufstellung und Beschreibung von Kriterien, die eine ideale wissenschaftliche Arbeit ausmachen. Tatsächlich aber kommen Studierende mit diesen Anforderungen nur selten zurecht, weil sie häufig abstrakt bleiben, so zum Beispiel, wenn Studierende „treffsicher“ und „verständlich“ formulieren oder den „roten Faden“ einhalten sollen. Wie man im schreibpraktischen Kontext einen solchen roten Faden herstellt, warum eine treffsichere Formulierung überhaupt notwendig ist und wie man sie erzielt, gibt vielen Studierenden Rätsel auf.
Erfolgreiches Hochschulstudium steht und fällt mit der Beherrschung akademischen Schreibens. Und wissenschaftliche Arbeiten können nur gelingen, wenn sich der Verfasser mit der Sprache der Wissenschaft als seinem wichtigsten Handwerkszeug vertraut macht und sie richtig einsetzt. Deshalb will das vorliegende Buch Studierende für die sprachlichen Besonderheiten des akademischen Schreibens sensibilisieren.
Schreiben lernt man nur durch schreiben, „aber nur dann, wenn es reflektiertes Schreiben ist“ (Otto Kruse). Deshalb ist dieses Buch als Lehrwerk konzipiert, das die akademische Schreibfähigkeit in praktischer Absicht vermittelt, und zwar sowohl durch rezeptive als auch produktive Schreibübungen.
Das Buch gliedert sich in sieben Kapitel. Jedes Kapitel ist nach folgendem Prinzip aufgebaut:
Aufstellung und Erklärung der Regel (wir sagen, was gilt)
Erläuterung der Relevanz für das wissenschaftliche Schreiben (wir sagen, warum es so geht)
Veranschaulichung durch Beispiele (wir zeigen, wie es geht)
Übung zur Überprüfung der erworbenen Kompetenz (wir lassen ausprobieren, wie es geht)
Dieses Buch ist auf die Vermittlung akademischen Schreibens sowohl für wissenschaftspropädeutische Seminare als auch für Schreibkurse zugeschnitten. Es wendet sich gleichermaßen an Studierende aller Fachrichtungen, die im Selbststudium ihre Fähigkeit zum wissenschaftlichen Formulieren verbessern wollen.
Zugunsten der besseren Lesbarkeit haben wir uns dafür entschieden, in diesem Buch die männliche („Leser“) und weibliche Form („Leserin“) abzuwechseln. Bei beiden Schreibweisen sind jeweils alle Geschlechter mitgemeint.
Bayreuth, im September 2019 Agnes Lieberknecht, Yomb May
Inhalt des Kapitels:
1.1 Was ist Wissenschaft?
1.2 Maximen der Wissenschaftlichkeit
1.3 Merkmale der Wissenschaftssprache Deutsch
1.4 Wissenschaftssprache vs. Alltagssprache
Um die Frage zu klären, wie man wissenschaftliche Texte angemessen formuliert, muss zunächst einmal ein wichtiger Zusammenhang erläutert werden: der zwischen Sprache und Wissenschaft. Dafür ist es erforderlich, sich klar zu machen, was Wissenschaft überhaupt ist bzw. was sie leisten muss. Daraus ergibt sich die Vorstellung, dass der Gebrauch einer spezifischen Sprache notwendig ist, um die Ziele wissenschaftlichen Arbeitens erfüllen und die Ergebnisse angemessen kommunizieren zu können.
Das folgende Kapitel klärt deshalb folgende Fragen:
Was ist Wissenschaft?
Welche Maximen muss wissenschaftliches Arbeiten erfüllen?
Welche sprachlichen Ausdrucksmittel sind dafür zweckdienlich?
Um die Spezifik der Wissenschaftssprache zu erfassen, wird schließlich ein Blick auf die Unterschiede zur Alltagssprache geworfen.
Wer sich mit der Wissenschaftssprache befassen oder sich diese aneignen will, muss sich zunächst darüber im Klaren sein, was Wissenschaft überhaupt ist. Denn erst wenn man eine Vorstellung davon hat, was Wissenschaft zu leisten hat, kann man den sprachlichen Anforderungen gerecht werden, die an die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse gestellt werden.
Die Frage, was Wissenschaft ist, wird nicht einheitlich beantwortet. Das liegt nicht zuletzt daran, dass verschiedene Disziplinen unterschiedliche Gegenstände behandeln und je ein eigenes Verständnis von Wissenschaft pflegen. Dennoch gibt es auch Versuche, einen disziplinübergreifenden Minimalkonsens in der Definition des Wissenschaftsbegriffs zu formulieren. Dieser liegt in dem Anspruch aller wissenschaftlichen Disziplinen begründet, „Erkenntnis durch rationale, intersubjektiv explizierbare Methoden zu erreichen.“ (Westmeyer 1994:475)
Die drei folgenden Definitionsansätze bieten ein disziplinübergreifendes Verständnis des Wissenschaftsbegriffs an:
Definition 1:
„Wissenschaft hat das Ziel, die Welt (auch ferne Welten) und das Leben auf der Erde zu erforschen, Unbekanntes zu entdecken und dabei Wissen zu sammeln, auszuwerten, anzureichern und nutzbringend durch Veröffentlichungen und Lehre zu transferieren.“ (Balzert 2011:7)
Definition 2:
„Wissenschaft hat es grundsätzlich mit der Beobachtung, Analyse und Erklärung von Natur-, Geistes- und Kulturphänomenen zu tun.“ (Schiewe 2007:32)
Definition 3:
„Wissenschaftlern [geht es] darum […], Zusammenhänge in der Welt aufzudecken und zu beschreiben, um dadurch allgemeingültige Merkmale und Mechanismen herauszustellen.“ (Auer/Baßler 2007b:12)
a) In den drei Definitionen werden jeweils Tätigkeiten genannt, die typisch für wissenschaftliches Arbeiten sind. Arbeiten Sie diese heraus und tragen Sie sie in die folgende Tabelle ein.
| wissenschaftliche Tätigkeiten |
Definition 1 |
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Definition 2 |
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Definition 3 |
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b) Erläutern Sie, welches gemeinsame Grundverständnis von Wissenschaft in diesen drei Definitionen ausgedrückt wird.
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Die meisten der genannten Tätigkeiten sind immanent sprachlich. Das heißt, sie sind unmittelbar mit sprachlichen Prozessen verbunden. Es mag möglich sein, ohne Zuhilfenahme von Sprache z.B. Wissen zu sammeln. Spätestens jedoch, wenn es darum geht, das gesammelte Wissen zu erklären und zu beschreiben, also zu kommunizieren, kommt man nicht ohne Sprache aus. Für die Ausführung dieser Tätigkeiten sind spezielle sprachliche Ausdrucksmittel notwendig.
Unabhängig davon, welches Verständnis von Wissenschaft in der jeweiligen Disziplin vorherrscht, gilt: Wissenschaft funktioniert nicht ohne Sprache. Daher ist ein erhöhtes Bewusstsein für den Stellenwert von Sprache in der Wissenschaft Bestandteil wissenschaftlichen Denkens und Schreibens.
Unser Verständnis von Wissenschaft ist normativ: Das, was als „wissenschaftlich“ gilt, bemisst sich an bestimmten Regeln, deren Einhaltung als Garant für das Erreichen der Ziele wissenschaftlichen Arbeitens gilt. Man spricht daher von „Maximen der Wissenschaftlichkeit“. Diese sind:
Objektivität bzw. Neutralität
Universalität bzw. Kontextunabhängigkeit
Exaktheit bzw. Eindeutigkeit
Gerade für Studierende in den ersten Semestern ist es jedoch häufig schwer, sich etwas Konkretes unter diesen Begriffen vorzustellen. Denn die Ansprüche, die mit diesen Maximen verbunden werden, sind noch allzu abstrakt, als dass sie ohne weiteres in die Schreibpraxis umgesetzt werden könnten. Daher soll zunächst ihre jeweilige Bedeutung reflektiert werden.
Maxime | Bedeutung |
Objektivität/Neutralität | Bei dieser Maxime geht es darum, die Inhalte einer wissenschaftlichen Arbeit sachlich und neutral darzustellen. Das heißt, der Text muss frei sein von Wertungen, manipulativer Absicht, ideologischer Färbung und persönlichen Vorlieben des Verfassers. Als objektiv gilt ein Text zudem dann, wenn er unterschiedliche, auch konträre Positionen berücksichtigt. |
Universalität/Kontextunabhängigkeit | Wissenschaftliche Aussagen müssen – im Idealfall – unabhängig von ihrem kulturellen, historischen und politischen Entstehungskontext nachvollziehbar und überprüfbar sein. |
Exaktheit/Eindeutigkeit | Der Leser eines wissenschaftlichen Textes muss diesen ohne weitere Erklärungen nachvollziehen können. Dafür müssen wissenschaftliche Aussagen klar und präzise formuliert werden – der Leser kann nicht zurückfragen. |
Zwar ist es hilfreich, sich über die Bedeutung dieser Maximen im Klaren zu sein, doch es kommt beim Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit darauf an, diese auch sprachlich umzusetzen. Das heißt, es muss die Verbindung zwischen den genannten Maximen und den passenden wissenschaftssprachlichen Mitteln hergestellt werden.
Überprüfen Sie den folgenden Text im Hinblick auf die genannten Maximen. Erläutern Sie, inwiefern sie eingehalten werden oder nicht.
„Situationen interkultureller Kommunikation werden einerseits beschrieben als Erfahrungen, die von Missverständnissen, kommunikativen Fehlschlägen und Verunsicherungen gekennzeichnet sind; andererseits aber auch als Situationen der Bereicherung, der Anregung und der Faszination. Diese Ambivalenz zwischen Verunsicherung und Faszination kennzeichnet die sogenannte ‚Begegnung mit dem Fremden‘ (Günthner 1993). Zugleich verdeutlichen Studien zur interkulturellen Kommunikation, dass ‚Fremde‘ bzw. ‚Fremdheit‘ keine objektive Beziehung zwischen Gruppen oder Individuen ist, sondern das Ergebnis von interaktiven Prozessen der Attribuierung darstellt (Schütz 1972; Günthner 1993, 1999; Hahn 1994). Folglich ist eine zentrale Frage der ‚Interkulturellen Kommunikationsforschung‘: Wie wird ‚Fremdheit‘ konstruiert und relevant gemacht? Im folgenden soll gezeigt werden, dass kulturelle Differenzen und kulturelle Fremdheit häufig über den Gebrauch unterschiedlicher kommunikativer Praktiken und speziell ‚kommunikativer Gattungen‘ erfolgt. […]
Ich werde zunächst einen Überblick über die Gattungsanalyse geben, um dann ihre Relevanz für die interkulturelle Kommunikationsforschung zu skizzieren. Dabei soll verdeutlicht werden, dass die Gattungsanalyse nicht nur der Beschreibung und Erklärung kommunikativer Praktiken dient, sondern aufgrund ihrer analytischen Verbindung zwischen konkreten sprachlichen Handlungen und dem größeren soziokulturellen Kontext, den kommunikativen Erwartungen und Ideologien kultureller Gruppen, ein wesentliches Instrument der Analyse interkultureller Kommunikation darstellt.“ (Günthner 2007:375)
Objektivität/Neutralität:
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Universalität/Kontextunabhängigkeit:
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Exaktheit/Eindeutigkeit:
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Nur durch ganz konkrete sprachliche Ausdrucksmittel lassen sich die Maximen der Wissenschaftlichkeit beim Verfassen wissenschaftlicher Texte einhalten.
Wissenschaftliche Texte sind Träger eines fachspezifischen Wissens und richten sich in der Regel an ein Fachpublikum. Deshalb sind sie in der Wissenschaftssprache verfasst. Wissenschaftssprache ist nicht nur ein Fachjargon, sondern vor allem ein „Funktiolekt“. Damit ist eine Sprachvarietät gemeint, die sich durch spezielle Funktionen von anderen Sprachvarietäten unterscheidet.
Die Wissenschaftssprache hat die Funktion, die Forschungsergebnisse nach den oben genannten Maximen der Wissenschaftlichkeit zu präsentieren und einen konstruktiven Austausch mit anderen Wissenschaftlern zu ermöglichen. Sie soll also objektiv informieren und nicht z.B. unterhalten. Sie soll argumentativ überzeugen und nicht rhetorisch überreden. Wissenschaftssprache ist ein Instrument des Darlegens, Beweisens, Argumentierens, Schlussfolgerns etc. Sie hat zudem die Maßgabe zu erfüllen, auf begrenztem Raum (z.B. Aufsatz) möglichst viele Informationen zu vermitteln. Die Folge von diesem Zwang zur Ökonomisierung ist eine komprimierte Sprache.
Zwischen den Merkmalen der Wissenschaftssprache und den Funktionen, die sie erfüllen soll, besteht ein Zusammenhang. Deshalb ist ein auf diese Funktionen hin ausgerichteter Gebrauch der sprachlichen Ausdrucksmittel notwendig.
Ein wissenschaftlicher Text ist in der Regel an seiner Sprache erkennbar. Wer regelmäßig wissenschaftliche Texte liest, entwickelt ein Gefühl für diese Sprache und ihre Strukturen. Charakteristisch dafür sind unter anderem:
Verwendung von Fachbegriffen und Fremdwörtern
„Die operativen Prozeduren gewinnen einen erweiterten Stellenwert, indem sie zur Wiedergabe komplexer Relationen eingesetzt werden“. (Ehlich 2018:17)
Nominalstil
„Die operativen Prozeduren gewinnen einen erweiterten Stellenwert, indem sie zur Wiedergabe komplexer Relationen eingesetzt werden“. (Ehlich 2018:17)
Passiv
„Die operativen Prozeduren gewinnen einen erweiterten Stellenwert, indem sie zur Wiedergabe komplexer Relationen eingesetzt werden“. (Ehlich 2018:17)
Partizipialkonstruktionen
„Zu den Modellierungen von wissenschaftlichem Wissen, die in der AWS (alltäglichen Wissenschaftssprache) abgebunden sind und so dem erfolgreich wissenschaftlich Sozialisierten für seine eigene textuelle Schriftlichkeit zur Verfügung stehen, gehört die elementare Sichtweise von Wissenschaft als Prozess“. (Ehlich 2018:17)
Hypotaxen
„Zu den Modellierungen von wissenschaftlichem Wissen, die in der AWS (alltäglichen Wissenschaftssprache) abgebunden sind und so dem erfolgreich wissenschaftlich Sozialisierten für seine eigene textuelle Schriftlichkeit zur Verfügung stehen, gehört die elementare Sichtweise von Wissenschaft als Prozess“. (Ehlich 2018:17)
Finden Sie im folgenden Textausschnitt typisch wissenschaftssprachliche Merkmale und tragen Sie diese in die unten stehende Tabelle ein.
„Wie Levinson (2006) in seinen Ausführungen zur "human interaction engine" betont, ist die zwischenmenschliche Interaktion geprägt von allgemein menschlichen Fertigkeiten und Verhaltensdispositionen, wie Kooperativität und Ausrichtung am Gegenüber, die Tatsache, dass wir mit Sprache Bedeutung inferieren, der sequenzielle Ablauf von Konversationen sowie der Einsatz multimodaler Ressourcen zur Herstellung und Interpretation kommunikativer Handlungen etc. Diese Faktoren führen u.a. dazu, dass Interaktionen grundlegende sprach- und kulturübergreifende Gemeinsamkeiten aufweisen und Phänomene wie Turn-Taking, Paarsequenzen, Begrüßungen, Reparaturen etc. grundlegende Bestandteile der zwischenmenschlichen Kommunikation darstellen. Dennoch ist die zwischenmenschliche Interaktion keineswegs als invariante, fixierte Maschinerie zu verstehen […]; vielmehr weist sie ein Set an Prinzipien auf, das mit kulturellen Besonderheiten interagiert, "to generate different local flavours" (Levinson 2006:56). Der Erforschung der kulturellen Prägung kommunikativer Praktiken widmete sich auch die in den 1970er Jahren von den Anthropologen und Linguisten Dell Hymes und John J. Gumperz ins Leben gerufene, disziplin-übergreifende Forschungsrichtung der Ethnography of Communication. Ihre empirischen Studien verdeutlichen, dass Kultur kein dem Interaktionsprozess "aufgepfropftes Etwas" ist, sondern integraler Bestandteil jeder menschlichen Interaktion (Silverstein/Urban 1996; Gumperz/Levinson 1996; Günthner/Linke 2006): Kulturelle Prozesse manifestieren sich in der Art, wie wir sprechen und handeln, bzw. wie wir die Äußerungen und Handlungen des Gegenübers interpretieren, wie wir Ereignisse konzeptualisieren und bewerten. Kultur und Interaktion stehen somit in einem reflexiven Verhältnis: Einerseits durchdringen kulturelle Konventionen jede Interaktion; andererseits wird Kultur vor allem durch zwischenmenschliche Interaktion reaktiviert (Knoblauch 2005; Günthner 2015; 2017).“ (Günthner 2018:479f.)
typisch wissenschaftssprachliches Merkmal | Textbeleg |
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Die Spezifik der Wissenschaftssprache lässt sich besonders anschaulich im Kontrast zur Alltagssprache erfassen. Eine wesentliche Ursache für den Unterschied zwischen Alltags- und Wissenschaftssprache liegt darin begründet, dass Wissenschaftssprache und Alltagssprache unterschiedliche Wissensformen vermitteln.
Übersicht: Wissen im Alltag und in der Wissenschaft
Wissen im Alltag | Wissen in der Wissenschaft |
Nach subjektiven Bedeutsamkeiten geordnetes Wissen | Nach paradigmatisch begründeten Kriterien geordnetes Wissen |
nicht-systematisiertes Wissen | systematisiertes Wissen |
routiniertes Handeln | reflektiert methodisches Handeln |
nicht organisierte Erkenntnis | organisierte Erkenntnis |
Wirklichkeit als unbezweifelbar gegebene „Realität“ | Frage nach den Bedingungen des Wirklichkeitsverständnisses |
Vermeidung des Zweifels | Systematisierung des Zweifels |
Sicherung des Erkannten | Zweifel am Erkannten |
Vermeidung von Alternativen | Aufdeckung von und Suche nach Alternativen |
Konzentration auf eine Deutung | selbstverständliche Annahme von Mehrdeutigkeiten |
Unmittelbarkeit der Alltagspraxis | systematisierte Distanz zur Alltagspraxis |
Ausschließliche Deutung und Bewältigung der unmittelbar gegebenen Realität | hypothetische Vorwegnahme potentieller Problemsituationen |
pragmatische Motivation | theoretische Motivation |
erfahrungsnahe Sprache | erfahrungsferne, abstrakte Sprache |
im subjektiven und / oder kollektiven Bewusstsein aufgehobene und v.a. mündlich kommunizierte Erkenntnisse | vor allem in schriftlicher Form kommunizierte Erkenntnisse |
Quelle: Hierdeis/Hug 1992:56f. (leicht modifiziert)
Diese Gegenüberstellung macht deutlich: Alltagswissen entsteht nicht nach festgelegten Kriterien, sondern ist durch Subjektivität, Flexibilität und Kontextabhängigkeit gekennzeichnet. Die Entstehung wissenschaftlichen Wissens dagegen ist strenger geregelt, systematisch und kriterienorientiert. Für eine zweckmäßige Vermittlung der jeweiligen Wissensform ist daher eine spezifische Sprache notwendig. Daraus lassen sich die unterschiedlichen Merkmale beider Funktiolekte erklären.
Merkmale der Alltagssprache | Merkmale der Wissenschaftssprache |
Umgangssprachliche und dialektale Formulierungen | Standardsprache und Fachbegriffe |
Wertungen | neutrale Ausdrücke |
implizite Sprechweise | explizite Formulierungen |
einfache Sätze, Satzabbrüche | hypotaktische Konstruktionen |
Verbalstil | Nominalisierungen, Funktionsverbgefüge und Partizipialkonstruktionen |
unpräziser Wortgebrauch | präziser Wortgebrauch |
Wiederholungen | wenig Wiederholungen |
Füllwörter und Modalpartikeln | keine Füllwörter und Modalpartikeln |
Tendenz zu Aktiv | Tendenz zu Passiv |
grammatische Fehler | idealerweise keine grammatischen Fehler |
Gedankensprünge | strukturierte Argumentation |
… | … |
Charakteristisch für die Alltags- bzw. Wissenschaftssprache sind folgende Grundeigenschaften:
Alltagssprache | Wissenschaftssprache |
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Das bedeutet: In der Alltagskommunikation spricht man meist „drauf los“, weil Denken und Formulieren nahezu gleichzeitig stattfinden. In der Wissenschaftskommunikation dagegen steht dem Verfasser wesentlich mehr Zeit zur Verfügung, um seine Gedanken gezielt zu formulieren. Diese Grundeigenschaften der beiden Varietäten spiegeln sich in den oben genannten sprachlichen Merkmalen wider.
Die Tatsache, dass in vielen studentischen Arbeiten alltagssprachliche Formulierungen begegnen, rührt nicht zuletzt daher, dass die Alltagssprache der geläufigste Funktiolekt ist. Solche Arbeiten lesen sich dann stellenweise wie eine mündliche Kommunikation.
(aus einer studentischen Abschlussarbeit):
In der heutigen Zeit gibt es zu fast jedem beliebigen Thema Ratgeber in allen möglichen Formen, wie Bücher, Fernseh- und Radiosendungen, Internetforen oder (Online-)Videos. Im Alltag ist man immer wieder mit Situationen konfrontiert, in denen man sich beraten lässt: beim Einkauf, beim Arztbesuch, bei der Finanzberatung der Bank, beim Studium, im Beruf oder bei der Steuerberatung.
Formulierungen wie zu fast jedem beliebigen Thema oder in allen möglichen Formen sind Sprachmuster aus der Alltagskommunikation. Dort haben sie ihre Berechtigung, weil es nicht um die wissenschaftliche Genauigkeit geht. Ihre Verwendung in einem wissenschaftlichen Text wirkt sich jedoch negativ auf dessen sprachliche Qualität aus.
Nicht so | So formulieren Sie besser |
Das ist verdammt schwer. | Der Schwierigkeitsgrad ist hoch. |
Die Entwicklung der Kulturtheorie in den letzten Jahren lässt sich nicht in wenigen Worten erzählen. | Die Entwicklung der Kulturtheorie in den letzten Jahren lässt sich nicht in wenigen Worten zusammenfassen. |
Die Formulierungen der linken Spalte sind typisch für den Sprachgebrauch im Alltag. Will man den gleichen Inhalt in einem wissenschaftlichen Text kommunizieren, muss man auf wissenschaftssprachliche Ausdrücke wie in der rechten Spalte zurückgreifen.
Zur Vermeidung oder Beseitigung von alltagssprachlichen Formulierungen und Ausdrücken in wissenschaftlichen Texten ist es notwendig, die Unterschiede zwischen der Sprache der Nähe (Alltagssprache) und der Sprache der Distanz (Wissenschaftssprache) in den Blick zu nehmen (vgl. Tabelle oben).
Die Ansprüche an die Wissenschaftssprache Deutsch sind vielfältig. Sie betreffen vor allem drei große Bereiche:
Wortwahl
Satzbau
Stilebene
a) Ordnen Sie die beiden Texte der Alltagssprache und der Wissenschaftssprache zu.
Text 1 | Text 2 |
„Also ich bin sehr ein Sicherheitsmensch und hab auch heute noch ne Tendenz eher zu viel zu lesen zu nem Thema, es gibt ja verschiedene Typen. Die einen haben ne Idee und fangen mal an zu rödeln und zu basteln. Ich fühl mich immer sicherer wenn ich so das Forschungsfeld überblicke und deswegen sammel ich immer, also – fürchterliche Berge von Büchern. Ich weiß noch bei meiner Habilitation hat irgendwann mein Mann sich furchtbar beklagt, weil er immer noch Kisten für mich durch die Gegend geschleppt hat zurück zur Bib und von der Bib, also es waren wirklich – Wagenladungen“ (Krähling 2010:91) | „Konrad Ehlich sieht die wissenschaftssprachliche Kompetenz vor allem als ein „Depositum“, als historische gewachsenen „Speicher“ domänenspezifischer kognitiver Prozeduren (Ehlich 1999:10). Er akzentuiert damit die denotative, die begriffliche Strukturierungsleistung. In sozialsemantischer Perspektive lässt sich die Beherrschung des Ausdrucksinventars im Unterschied dazu als ein Habitus fassen, als ein System verinnerlichter Verhaltensmuster, das dem „Common sense“ in der Wissenschaftskommunikation entspricht. In dieser Sicht ist der konnotative Anspielungswert der Ausdruckstypik mindestens ebenso hoch zu gewichten wie das kognitive Strukturierungspotential.“ (Feilke/Steinhoff 2003:118) |
Text 1: _________________________________________ | Text 2: _________________________________________ |
b) Nennen Sie die jeweiligen sprachlichen Mittel und ordnen Sie sie den Kategorien in der Tabelle zu.
Kategorie | Alltagssprache | Wissenschaftssprache |
Wortwahl |
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Satzbau |
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Stilebene
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Sonstiges |
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Formulieren Sie die folgenden alltagssprachlichen Sätze in die Wissenschaftssprache um und erklären Sie, nach welchem Kriterium Sie den Satz jeweils verändert haben.
Alltagssprache | Wissenschaftssprache | Kriterium |
Man erwartet, dass man beim Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit mit fremdem Gedankengut korrekt umgeht. |
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Immer wenn wir atmen, verbrauchen wir eine recht große Menge Sauerstoff. |
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Der Verfasser dieses Artikels schimpft über die angeblich falschen Theorien seiner Vorgänger. |
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Der Verfasser des Artikels hat am Ende seines Kapitels keine Zusammenfassung geschrieben. Das ist aber nicht so tragisch. |
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Das Inhaltsverzeichnis entspricht nicht den wissenschaftlichen Ansprüchen, weil es ist nicht vollständig. |
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Die genaue Festlegung der Gedankenführung wird natürlich schon im Inhaltsverzeichnis vorgenommen. |
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Man muss heute differenzieren und individualisieren, wenn man gut unterrichten will. |
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Ich ging eigentlich davon aus, dass dies ein fruchtbarer Ansatz wäre. |
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Mein Nachbar hat mir bestätigt, dass Polizeigewalt in Deutschland immer mehr zunimmt. |
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Genderforschung ist ja ziemlicher Quatsch. |
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Unsere geliebte Bundeskanzlerin hat ganz richtig gesagt, dass wir ein starkes Europa brauchen. |
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Diese Blumen da, die blühen so rot-orange. Manchmal auch gelb. |
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Das stimmt einfach nicht. |
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Nachdem ich die Testphase abgeschlossen hatte, kam nun der nächste Schritt. Ich führte erste Versuche durch. Jetzt unter realistischen Bedingungen. |
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Forschungen haben gezeigt, wie ähnlich das Erbgut von Menschen und Menschenaffen ist. Diese müssen nun vertieft werden. |
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Ob diese Hypothese zutrifft, liegt im Auge des Betrachters. |
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Die Erläuterungen zu den einzelnen Bereichen der Wissenschaftssprache sollen in den folgenden Kapiteln Schritt für Schritt dabei helfen, die jeweiligen sprachlichen Anforderungen einer wissenschaftlichen Arbeit zu erfüllen.
Wie gut sind Sie mit den Anforderungen an die Wissenschaftssprache Deutsch vertraut? Kreuzen Sie an, welche Aussagen zur Wissenschaftssprache Deutsch zutreffen, und welche nicht.
Aussagen über wissenschaftliches Schreiben | trifft zu | trifft nicht zu |
Wissenschaftssprache sollte einen möglichst komplizierten Satzbau haben. |
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Je mehr Fremdwörter, desto besser. |
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Präzision und Verständlichkeit sind die obersten Gebote beim wissenschaftlichen Schreiben. |
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Es macht nichts, wenn niemand meinen wissenschaftlichen Text versteht. |
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Wissenschaftssprache ist nun mal unverständlich. |
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Es ist möglich, komplizierte Inhalte verständlich auszudrücken. |
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In wissenschaftlichen Texten dürfen sich ruhig auch mal flapsige Bemerkungen finden. |
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Das mit dem Zitieren muss man nicht so genau nehmen, dann spart man sich viel Arbeit. |
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In wissenschaftlichen Texten soll man am besten durchgängig den Nominalstil verwenden. |
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Der Ich-Gebrauch ist in wissenschaftlichen Texten absolut tabu. |
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Fremdwörter und Fachbegriffe sind das gleiche. |
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Hauptsache, es klingt kompliziert! |
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Wissenschaftliches Schreiben kann man lernen. |
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Um besser zu differenzieren, sollte man möglichst mehrdeutige Begriffe verwenden. |
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Die Umgangssprache erleichtert die Verständlichkeit eines wissenschaftlichen Textes. |
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Fachbegriffe werden gewählt, weil sie treffend und prägnant sind. |
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Ein journalistischer Schreibstil unterscheidet sich vom wissenschaftlichen Schreibstil. |
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Wissenschaftliche Texte sollten in einer unpersönlichen Sprache formuliert werden. |
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Der rote Faden lässt sich in einem wissenschaftlichen Text auch sprachlich herstellen. |
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Statt geläufiger Wörter sollte man in einem wissenschaftlichen Text ausschließlich Fach- und Fremdwörter verwenden. |
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Eine einfache Darstellung der Inhalte wirkt sich negativ auf die Qualität des Textes aus. |
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a)
| wissenschaftliche Tätigkeiten |
Definition 1 | erforschen, entdecken, sammeln, auswerten, anreichern, transferieren |
Definition 2 | Beobachtung, Analyse, Erklärung (beobachten, analysieren, erklären) |
Definition 3 | aufdecken, beschreiben, herausstellen |
b) Heuristisches (Suche nach neuem Wissen) und kommunikatives (Vermittlung/Weitergabe der neuen Erkenntnisse) Grundverständnis.
Objektivität/Neutralität:
Ausgewogenheit in der Argumentation, erkennbar an den Ausdrücken einerseits/ andererseits und nicht nur/ sondern auch
Verwendung des Passiv (werden beschrieben, soll gezeigt werden, soll verdeutlicht werden)
Nominalstil (Bereicherung, der Anregung und der Faszination, Prozessen der Attribuierung etc.)
Läuft der Objektivität zuwider: Ich-Referenz (Ich werde zunächst einen Überblick über die Gattungsanalyse geben)
Universalität/Kontextunabhängigkeit:
Grundlage für die Überprüfbarkeit sind Hinweise auf andere Studien und Quellen (Zugleich verdeutlichen Studien zur interkulturellen Kommunikation, dass…)
Exaktheit/Eindeutigkeit:
Verwendung von Fachbegriffen (Interkulturelle Kommunikation, Attribuierung, kommunikative Gattungen, Gattungsanalyse etc.)
Fehlen von Ausdrücken der Unschärfe
typisch wissenschaftssprachliches Merkmal | Textbeleg |
Fachbegriffe und Fremdwörter | Kooperativität, inferieren, sequenziell, Interaktion, multimodal, Turn-Taking, Ethnography of Communication, konzeptualisieren etc. |
Partizipialkonstruktionen | von den Anthropologen und Linguisten Dell Hymes und John J. Gumperz ins Leben gerufene, disziplin-übergreifende Forschungsrichtung |
Zitate | “to generate different local flavours” |
Quellenangaben | (Levinson 2006:56), (Silverstein/Urban 1996; Gumperz/Levinson 1996; Günthner/Linke 2006) etc. |
Nominalisierungen | Verhaltensdisposition, Kooperativität, Ausrichtung am Gegenüber Einsatz multimodaler Ressourcen zur Herstellung und Interpretation kommunikativer Handlungen |
Passiv und Passiversatzformen | wird Kultur reaktiviert ist…zu verstehen |
a) Text 1: Alltagssprache, Text 2: Wissenschaftssprache
b)
Kategorie | Alltagssprache | Wissenschaftssprache |
Wortwahl | hab, ne, nem, mal (gesprochensprachliche Verkürzungen) also, ja, so (Partikeln, Füllwörter) rödeln, basteln (Umgangssprache) sehr, furchtbar (wertend, nicht-sachlich) geschleppt (Umgangssprache) Bib (Kopfwort) wirklich (Füllwort) Wagenladungen (metaphorisch, nicht-sachlich) | Kompetenz, Despositum, kognitive Prozeduren, donotativ, Habitus, Common sense, konnotativ (Fremd- und Fachwörter) domänenspezifischer, Strukturierungsleistung, Ausdrucksinventar, Wissenschaftskommunikation, Anspielungswert, Ausdruckstypik, Strukturierungspotenzial (Komposita) |
Satzbau | kaum Satzverknüpfungen (und)
| Satzverknüpfungen (damit, im Unterschied dazu, in dieser Sicht) hypotaktisch (Relativsatz) |
Stilebene
| Umgangssprache (siehe Wortwahl) subjektiv gefärbter Stil salopper Stil | gehobener und sachlicher Stil |
Sonstiges | willkürliche Interpunktion in Anlehnung an gesprochensprachliche Einheiten | Quellenangaben |
Alltagssprache | Wissenschaftssprache | Kriterium |
Man erwartet, dass man beim Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit mit fremdem Gedankengut richtig umgeht. | Beim Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit wird ein korrekter Umgang mit fremdem Gedankengut erwartet. | Passiv statt Aktiv (man) Nominalisierung (Umgang) des dass-Nebensatzes
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Immer wenn wir atmen, verbrauchen wir eine recht große Menge Sauerstoff. | Beim Atmen wird eine große Menge Sauerstoff verbraucht. | Passiv statt Aktiv Nominalisierung (beim Atmen) des Nebensatzes (immer wenn) Weglassen der Partikel recht |
Der Verfasser dieses Artikels schimpft über die angeblich falschen Theorien seiner Vorgänger. | Der Verfasser dieses Artikels kritisiert die Theorien seiner Vorgänger als unzutreffend. | Wissenschaftlicher Stil (kritisiert) statt Umgangssprache (schimpft) sachlich-distanziertes Adjektiv (unzutreffend) statt unsachlicher Wertung (angeblich falsch) |
Der Verfasser des Artikels hat am Ende seines Kapitels keine Zusammenfassung geschrieben. Das ist aber nicht so tragisch. | Der Verfasser des Artikels hat am Ende seines Kapitels keine Zusammenfassung geschrieben. Dies stellt jedoch kein Defizit dar. | sachlich-distanzierter Stil (kein Defizit) statt dem umgangssprachlich-saloppen Ausdruck (nicht so tragisch) Nominalisierung (Defizit) des Adjektivs (tragisch) |
Das Inhaltsverzeichnis entspricht nicht den wissenschaftlichen Ansprüchen, weil es ist nicht vollständig. | Das Inhaltsverzeichnis entspricht nicht den wissenschaftlichen Ansprüchen, weil es nicht vollständig ist. | korrekte Syntax: weil+Nebensatz |
Die genaue Festlegung der Gedankenführung wird natürlich schon im Inhaltsverzeichnis vorgenommen. | Die genaue Festlegung der Gedankenführung wird schon im Inhaltsverzeichnis vorgenommen. | Weglassen des Füllwortes natürlich |
Man muss heute differenzieren und individualisieren, wenn man gut unterrichten will. | Für einen guten Unterricht muss heute differenziert und individualisiert werden. oder Differenzierung und Individualisierung sind heute notwendig für einen guten Unterricht. | Passiv, Nominalisierung
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Ich ging eigentlich davon aus, dass dies ein fruchtbarer Ansatz wäre. | Die ursprünglich positive Bewertung dieses Ansatzes basierte auf einer falschen Annahme. | Verzicht auf Ich-Referenz Weglassen des Füllwortes eigentlich Nominalisierung |
Mein Nachbar hat mir bestätigt, dass Polizeigewalt in Deutschland immer mehr zunimmt. | Aktuelle Zahlen des Bundesinnenministeriums belegen, dass Polizeigewalt in Deutschland im letzten Jahr um 5 % zugenommen hat. | Gesicherte Quelle statt mein Nachbar Konkrete Zahl (5 %) statt Ausdruck der Unschärfe immer mehr
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Genderforschung ist ja ziemlicher Quatsch. | Genderforschung ist umstritten. | Weglassen der Partikel ja und des Ausdrucks der Unschärfe ziemlich objektiver Ausdruck umstritten statt umgangssprachlich-unsachlichem Ausdruck Quatsch |
Unsere geliebte Bundeskanzlerin hat ganz richtig gesagt, dass wir ein starkes Europa brauchen. | Bundeskanzlerin Merkel sagt zu Recht, dass ein starkes Europa wichtig sei. | Weglassen der unsachlichen Formulierung unsere geliebte sachlicher Ausdruck zu Recht statt umgangssprachlicher Formulierung ganz richtig, diese Position muss im Weiteren begründet werden objektiver Ausdruck ist wichtig statt persönlicher Formulierung wir brauchen |
Diese Blumen da, die blühen so rot-orange. Manchmal auch gelb. | Die Blüte der Phalaenopsis hieroglyphica hat folgendes Farbenspektrum: rot, orange, gelb. | lateinischer Fachausdruck Phalaenopsis hieroglyphica statt der unspezifischen Formulierung diese Blume da Kompositum Farbenspektrum statt Ausdruck der Unschärfe so Nominalisierung Blüte statt blühen |
Das stimmt einfach nicht. | Diese Aussage ist unzutreffend. | sachlich-objektiver Ausdruck unzutreffend statt der umgangssprachlich-unsachlichen Formulierung stimmt einfach nicht Begründung ist erforderlich |
Nachdem ich die Testphase abgeschlossen hatte, kam nun der nächste Schritt. Ich führte erste Versuche durch. Jetzt unter realistischen Bedingungen. | Nach Abschluss der Testphase wurden erste Versuche unter realistischen Bedingungen durchgeführt. | Passiv statt Ich-Referenz Reduktion auf einen Satz Nominalisierungen |
Forschungen haben gezeigt, wie ähnlich das Erbgut von Menschen und Menschenaffen ist. Diese müssen nun vertieft werden. | Forschungen haben gezeigt, wie ähnlich das Erbgut von Menschen und Menschenaffen ist. Diese Forschungen müssen nun vertieft werden. oder Forschungen, die gezeigt haben, wie ähnlich das Erbgut von Menschen und Menschenaffen ist, müssen nun vertieft werden. | klarer Bezug |
Ob diese Hypothese zutrifft, liegt im Auge des Betrachters. | Ob diese Hypothese zutrifft, muss überprüft werden. | neutraler Ausdruck muss überprüft werden statt Floskel liegt im Auge des Betrachters |
Aussagen über wissenschaftliches Schreiben | trifft zu | trifft nicht zu |
Wissenschaftssprache sollte einen möglichst komplizierten Satzbau haben. |
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Je mehr Fremdwörter, umso besser. |
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Präzision und Verständlichkeit sind die obersten Gebote beim wissenschaftlichen Schreiben. | x |
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Es macht nichts, wenn niemand meinen wissenschaftlichen Text versteht. |
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Wissenschaftssprache ist nun mal unverständlich. |
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Es ist möglich, komplizierte Inhalte verständlich auszudrücken. | x |
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In wissenschaftlichen Texten dürfen sich ruhig auch mal flapsige Bemerkungen finden. |
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Das mit dem Zitieren muss man nicht so genau nehmen, dann spart man sich viel Arbeit. |
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In wissenschaftlichen Texten soll man am besten durchgängig den Nominalstil verwenden. |
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Der Ich-Gebrauch ist in wissenschaftlichen Texten absolut tabu. |
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Fremdwörter und Fachbegriffe sind das gleiche. |
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Hauptsache, es klingt kompliziert! |
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Wissenschaftliches Schreiben kann man lernen. | x |
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Um besser zu differenzieren sollte man möglichst mehrdeutige Begriffe verwenden. |
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Die Umgangssprache erleichtert die Verständlichkeit eines wissenschaftlichen Textes. |
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Fachbegriffe werden gewählt, weil sie treffend und prägnant sind. | x |
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Ein journalistischer Schreibstil unterscheidet sich vom wissenschaftlichen Schreibstil. | x |
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Wissenschaftliche Texte sollten in einer unpersönlichen Sprache formuliert werden. | x |
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Der rote Faden lässt sich in einem wissenschaftlichen Text auch sprachlich herstellen. | x |
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Statt geläufiger Wörter sollte man in einem wissenschaftlichen Text ausschließlich Fach- und Fremdwörter verwenden. |
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Eine einfache Darstellung der Inhalte wirkt sich negativ auf die Qualität des Textes aus. |
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Inhalt des Kapitels:
2.1 Das Thema finden und klar formulieren
2.2 Eine Forschungslücke finden und formulieren
2.3 Die Forschungsfrage formulieren
2.4 Die Zielsetzung klar formulieren
Der anfängliche Elan, mit dem man an das Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit herangeht, kann schnell einer gewissen Ratlosigkeit weichen, wenn das Thema, die Forschungsfrage und die Zielsetzung der Arbeit nicht klar formuliert sind. Alle drei Aspekte stehen in einem Zusammenhang, bedeuten jedoch nicht dasselbe. Wenn man ein Thema sinnvoll und angemessen formuliert, eine forschungsleitende Fragestellung entwickelt und sich über die Zielsetzung der Arbeit im Klaren ist, hat dies Vorteile sowohl für die Verfasserin, als auch für die Leserin.
Wo aber liegen nun die genauen Unterschiede zwischen Thema, Fragestellung und Zielsetzung und wie findet man jeweils angemessene Formulierungen dafür? Hierfür bietet das folgende Kapitel Orientierung.
Eine der ersten Herausforderungen, die beim Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten bewältigt werden müssen, liegt darin, ein geeignetes Thema zu finden und zu formulieren. Aber was ist ein geeignetes Thema und wie lässt es sich richtig formulieren? Bei der Beantwortung dieser Fragen sind einige Grundsätze zu beachten.
Das Thema umfasst den Gegenstandsbereich, mit dem sich eine wissenschaftliche Arbeit inhaltlich befasst. Die Arbeiten, die im Studium oder am Ende des Studiums geschrieben werden, stehen in der Regel im Kontext des jeweiligen Fachgebietes. Daher kann eine Lehrveranstaltung einen sinnvollen thematischen Rahmen bilden. Es empfiehlt sich deshalb, bereits während des Studiums bzw. im Laufe der Lehrveranstaltung Ideen für mögliche Themen zu sammeln.
Allerdings eignet sich nicht jedes beliebige Thema für eine wissenschaftliche Untersuchung. Das kann mehrere Gründe haben: Das Thema ist bereits mehrfach und ausführlich behandelt worden oder das Thema bietet keine Anknüpfungspunkte an das eigene Fach etc. Geeignet ist ein Thema dann, wenn es auf nachvollziehbaren Kriterien beruht. Dazu zählen u.a.:
Interesse: Die Motivation, eine wissenschaftliche Arbeit zu verfassen, bleibt länger erhalten, wenn man ein Thema wählt, für das man sich interessiert und dessen Bearbeitung man sich über einen längeren Zeitraum vorstellen kann. Gleichwohl ist von zu persönlichen Themen (z.B. eigene familiäre Probleme) abzuraten, da dabei oftmals die objektiv-wissenschaftliche Distanz verloren geht.
Relevanz: Das Thema sollte einen Bezug zum eigenen Fach und bestenfalls zu den Inhalten des Studiums aufweisen sowie aktuell sein, wobei es nicht darum gehen kann, sich auf „Modethemen“ zu stürzen.
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