Cover

Über dieses Buch:

Es macht PENG, es macht PLOPP, es macht KRAWUMMS, wenn unser Leben eine ungeahnte Wendung nimmt. Das merkt auch Maria: Gerade noch hat sie sich heimlich über die vergeblichen Abnehmversuche ihres Chefs amüsiert – nun macht er ernst mit dem Entschlacken, jedenfalls was seine Abteilung angeht. PENG! So kommt es, dass die frischgefeuerte Maria zu einer sehr ungewöhnlichen Zeit in der U-Bahn sitzt und dort von einem geheimnisvollen Buch angestuppst wird. Es trägt den Titel »Feng Shui gegen das Gedöns des täglichen Lebens«. PLOPP! Eigentlich sollte sie es liegen lassen. Aber dann greift Maria doch danach – mit ungeahnten Folgen. KRAWUMMS!

Warum? Nun, das lesen Sie am besten selbst!

Über die Autorin:

Kirsten Rick wurde 1969 in Hamburg geboren und wuchs in einem kleinen Dorf in der Nähe auf. Sie studierte Angewandte Kulturwissenschaften in Lüneburg und arbeitet seitdem, da sie laut eigener Aussage »nichts Vernünftiges gelernt hat«, als Redakteurin für verschiedene Zeitschriften und als freie Journalistin. Kirsten Rick lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern im Hamburg am Hafen.

Bei dotbooks veröffentlichte Kirsten Rick bereits die Romane »Schlüsselfertig« und »Frischluftkur« – die auch als Sammelband erhältlich sind – sowie die Kurzgeschichtensammlung »Ernas kleines Weihnachtswunder« und die Novelle »Ausgestochen! Eine Plätzchengeschichte«.

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Originalausgabe September 2014

Copyright © 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München, unter Verwendung eines Bildmotivs von Fotolia.com/Marta17

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95520-611-6

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Kirsten Rick

Maria räumt auf

Roman

dotbooks.

Kapitel 1

Als die U3 ratternd die Kurve zwischen Rödingsmarkt und Baumwall nimmt, spürt Maria etwas an ihrem rechten Oberschenkel. Leicht widerwillig löst sie ihren Blick vom Hafenpanorama, das sie immer wieder fasziniert, egal, wie oft sie hier langfährt. Stattdessen schaut sie auf den blauen Plastiksitzbezug hinunter.

Da liegt ein Buch neben ihr. Nein, es liegt nicht nur da – es stupst sie an. Etwas, was Bücher in der Regel eher selten machen.

Maria sieht sich um. Es hat doch niemand neben ihr gesessen? Sie hat keine Ahnung, wer das Buch dort hingelegt hat. Das mag allerdings auch daran liegen, dass sie insgesamt in einer emotionalen Ausnahmesituation ist. Sie steht – das heißt, sie sitzt – leicht neben sich.

Der Waggon ist leer, das ist ungewöhnlich auf der beliebten Strecke, aber Maria ist sonst um diese Zeit auch nicht unterwegs. Um 11.32 Uhr sitzt sie normalerweise im Büro einer Versicherung. Eines Konzerns, der damit wirbt, sich um die Menschen zu kümmern. (Gelegentlich beschleicht Maria das Gefühl, dass dieser löbliche Grundgedanke nicht konsequent durchgesetzt wird; meistens ist sie es, die sich um alles kümmert.)

»Doch nun«, sagte ihr Abteilungsleiter vor etwas mehr als einer Stunde zu ihr, »müssen die Strukturen verschlankt werden.«

Und: »Das ist enorm wichtig, dafür haben Sie sicher Verständnis.«

Und: »Ein Prozess der Entschlackung, Sie verstehen?«

Zuerst dachte Maria, Dr. Brummsbach würde von einer neuen Diät reden, die er ausprobiert. Neulich schwärmte er von »5:2«, »Schlank im Schlaf« sei auch wunderbar und »Low-Carb« sowieso unumgänglich. Dabei nahm er beständig zu. Vielleicht bekam Dr. Brummsbach nicht genug Schlaf?

Irgendwann im Laufe des Gesprächs begriff Maria, dass es um sie ging. Offensichtlich war sie die Schlacke. Oder zumindest ihr Arbeitsplatz. Der würde angeblich nicht mehr in die neuen Strukturen passen.

»Ich arbeite hier seit zwölf Jahren«, sagte Maria, mehr zu sich selbst als zu Dr. Brummsbach. Er antwortete trotzdem: »Und wir sind Ihnen für Ihren unermüdlichen Einsatz dankbar. Deswegen haben wir ein großzügiges Angebot vorbereitet.« Er schob einen Briefbogen der Versicherung über den Tisch, auf dem in geschmackvollen Buchstaben Auflösungsvertrag stand. Seinem Lächeln nach hätte man denken können, Maria bekäme einen Weihnachtsbonus. »Sie verstehen doch sicher, dass das auch zu Ihrem Besten ist.«

Maria verstand vor allem eins: Sie wurde von Dr. Brummsbach gerade abbestellt wie ein zu kalorienreiches Dessert. Sie war einfach zu viel. Im Weg. Sie wurde entsorgt. Und sie durfte, nein, sollte sofort gehen.

Habe ich gerade einen Schock, fragte sich Maria, fand aber keine zufriedenstellende Antwort. Sie fühlte sich auf einmal ganz leer und fast schwerelos. Das Einzige, was sie bleischwer auf dem Boden hielt, war der Kugelschreiber, den Dr. Brummsbach ihr in die Hand drückte und mit dem sie ihren Namen unter das Schriftstück setzte.

Dann ging auf einmal alles sehr schnell. Wenn es überhaupt noch schneller gehen konnte als in den letzten paar Minuten.

Maria hatte befürchtet, ihr ehemaliger Vorgesetzter würde sie noch ins Foyer begleiten – so, wie man Müll hinausbringt. Immerhin das blieb ihr erspart.

Deshalb war sie so schnell wie möglich und so unauffällig wie möglich verschwunden. Hatte sich ihre Tasche gegriffen und sich noch nicht mal von den Kollegen verabschiedet. Ob einige von ihnen dachten, Maria habe eine Verabredung zu einem frühen Mittagessen mit Dr. Brummsbach? Er hatte sie bisher noch nie an ihren Schreibtisch begleitet. Nun tat er es und lächelte, als würde er dafür bezahlt – was er zweifelsfrei wurde – und als sei alles in bester Ordnung. Was es für ihn vermutlich auch war.

Es könnte sein, dass sie »bis später« gemurmelt hat oder etwas anderes, was keinen Sinn ergibt. Maria konnte sich schon nicht mehr daran erinnern.

»Es kommt alles in Ordnung«, sagte Dr. Brummsbach zum Abschied, bevor sich die Aufzugtür schloss.

Was wusste der denn!

***

Und nun sitzt Maria da, zu ungewöhnlicher Zeit und in einer sehr unaufgeräumten Stimmung, und wird in der U3 von einem Buch angestupst. Auf dem Titelbild fliegt ein kleiner Schmetterling anmutig über einer sich ihm zuwendenden Blüte. Ein Motiv, das Ordnung ausdrückt und unter normalen Umständen vermutlich sofort für ein gewisses Wohlbefinden sorgen würde. Auf dem Bahnsteig am Baumwall zanken sich derweil drei Möwen um ein Fischbrötchen, das sie einem entsetzt aussehenden Touristenkind entrissen haben.

Feng-Shui gegen das Gedöns des täglichen Lebens heißt das Buch. Maria überlegt einen kurzen Moment, ob sie den Titel persönlich nehmen soll: Wie Gedöns oder Gerümpel fühlt sie sich nämlich gerade. Sie ist versucht, die Anklageschrift vom Sitz zu werfen und befriedigt zuzusehen, wie der Schmetterling in Richtung Waggonboden abstürzt. Aber dann denkt sie, das Buch kann doch nichts dafür. Und es ist vielleicht ein Zeichen, dass es gerade jetzt hier ist.

»Es will zu mir«, flüstert sie, obwohl Selbstgespräche eher nicht zu ihren Angewohnheiten gehören. Die Idee, das Buch mitzunehmen, ist verführerisch. Es scheint eine sehr gute Idee zu sein, sich gerade an irgendetwas festzuhalten. Warum also nicht an Feng-Shui gegen das Gedöns des täglichen Lebens?

Maria sieht sich um. Es ist wirklich niemand in der Nähe.

An der Haltestelle Sternschanze verlässt sie die Bahn, mit dem Buch in der Tasche.

Zu Hause beginnt sie zu lesen.

Und damit nimmt ihr Leben zum zweiten Mal an diesem Tag eine unerwartete Wendung.

Kapitel 2

Es ist alles zu viel. Maria kann es geradezu körperlich spüren: Der Ballast drückt schwer auf ihre Schultern. Sie sieht sich in ihrer Wohnung um. Es ist, als würde sie zum ersten Mal seit langer Zeit richtig hinsehen. Die Regale quellen über. Auf dem Boden sammeln sich Zeitschriftenstapel. Okay, nur zwei Stapel, aber die gehören dort eigentlich nicht hin. Die Tür vom Kleiderschrank schließt nicht mehr richtig. Der Ärmel eines T-Shirts schaut ein paar Millimeter dahinter hervor, so als würde das Textil planen, sich bei nächster Gelegenheit hinterhältig auf Maria zu stürzen. Sie beschließt, sicherheitshalber das Weite zu suchen.

Aber auch im nächsten Zimmer wird es nicht besser: Auf der Küchenarbeitsfläche ist nicht mal genug Platz, um einen Apfel zu schneiden, geschweige denn, eine Mahlzeit mit mehreren Zutaten zuzubereiten. Die Granitplatte wird von hübsch arrangierten Öl- und Essigflaschen, von Gewürzmühlen mit interessanten Kompositionen aus verschiedensten Ländern (Marokko bis Jamaika), einem Salz-Sortiment (Himalaya-Salz, Salz mit Algen, Rauchsalz, Orangen-Salz, schwarzes Lava-Salz) und anderen Nahrungszubehörfamilien okkupiert. In den Kochbüchern, die auf einem Regalboden auf ihren nächsten Einsatz warten, stecken Zeitschriftenseiten mit Rezepten, die schon geraume Zeit darauf warten, ausprobiert zu werden.

Bei Maria sammeln sich die Dinge. Sie finden Gesellschaft. Widerstrebend zieht Maria mit der rechten Hand zwei der bunt bedruckten Blätter heraus. Auf dem einen finden sich Profitipps für die Weihnachtsbäckerei. Auf dem anderen wird verraten, Wie ein veganes Chili auch den hungrigsten Mann begeistert. Ermattet lässt Maria sich auf den Küchenstuhl fallen.

Sauber und ordentlich ist alles, keine Frage; Maria hat einen detaillierten Putzplan, den sie exakt einhält. Lauter kleine Häppchen, auf die einzelnen Tage verteilt: montags Staubwischen, dienstags Badezimmer putzen, mittwochs Küche grundreinigen, donnerstags Böden saugen und wischen, freitags Betten neu beziehen. Nur wenn sich außerplanmäßig mal eine kleine Wollmaus unter einem der Schränke und Regale hervortraut, lässt Maria sie gewähren. Für Mäuse, welcher Form und aus welchem Material auch immer, ist die Katze zuständig.

Erschöpft von all der Last, legt Maria das Buch aus der U-Bahn beiseite, das sie die ganze Zeit in der linken Hand gehalten hat, als würde es sie vor dem beschützen, was sie nun auf einmal sieht. Es ist, als hätte die Lektüre des Aufräum-Ratgebers ihr Bewusstsein erweitert, wie ein Joint oder LSD. So stellt Maria sich das vor, obwohl sie das eine wie das andere nur aus den Medien und vom Hörensagen kennt. Mit etwas Stärkerem als Caipirinha berauscht sie sich nie, und auch das hat sie manches Mal bereut, weil es ihr doch schwerfällt, Maß zu halten.

Nun ist sie nüchtern und hat das Gefühl, als würde sie zum ersten Mal wirklich klar sehen. Das Chaos um sie herum.

Wie kann sie so nur leben?

Wie hat sie das nur ausgehalten?

Sehr, sehr reichlich kommt ihr das vor, was sie in nun immerhin 48 Lebensjahren sorgfältig zusammengetragen hat. Vertraute Dinge, liebevolle Sammlungen. Maria gibt den Sachen ein Zuhause, stellt Passendes zusammen, ergänzt, vervollständigt, trennt sich selten und nur ungern von etwas.

Aber lebt sie nicht in einer Zugewinngemeinschaft? Maria ist verheiratet. Nächstes Jahr wird sie Silberhochzeit feiern. Also kann man sie nicht allein für all diese Besitztümer verantwortlich machen.

Oder vielleicht doch?

Ihr Mann, das muss Maria sich eingestehen, kauft eher weniger ein. Es gibt kaum Bereiche in dem Dreieinhalb-Zimmer-Jugendstil-Altbau, die allein ihm zugeordnet sind. Eigentlich nur das Regal mit den Vinylschallplatten, das aber, so findet Maria, unverhältnismäßig viel Platz einnimmt, ebenso wie die beiden Plattenspieler, die darauf thronen. Früher haben sie oft gemeinsam Musik gehört, manchmal sogar dazu getanzt, nur für sich. Diese Zeiten sind lange vorbei.

Entschlossen läuft Maria ins Wohnzimmer, nimmt eine der Schallplattenhüllen, die unaufgeräumt auf der Plastikhaube liegt, und stellt sie ins Fach.

Schon besser.

Maria atmet tief durch.

Und dann macht sie sich an die Arbeit.

***