7Was Sie erwartet

Über die Jahrtausende haben die Menschen unterschiedliche Vorstellungen davon entwickelt, was es mit dem Glück auf sich hat. Eines der frühesten Glückskonzepte, von denen wir wissen, ist 2500 Jahre alt und stammt von Konfuzius: Er war überzeugt, ein Mensch könne nur glücklich werden, wenn er sich für andere engagiert, sich bildet und tugendhaft lebt.

Aber es entstanden auch andere Vorstellungen: Der Daoismus definierte Glück als die individuelle Harmonie mit sich und dem Universum. Manche griechischen Philosophen hingegen setzten auf Gerechtigkeit und Tapferkeit. Anders Epikur: Er lehrte eine Haltung heiterer Gelöstheit als Voraussetzung für Glück. Die römischen Stoiker wiederum entdeckten das Gefühlsmanagement: Sie entwickelten Techniken, um negative Gefühle einzudämmen und positive zu verstärken.

Eine völlig andere Linie hingegen verfolgen die großen Weltreligionen. Sie verweisen die Menschen auf das Glück nach dem Tod.

Es gibt zahllose Versuche, die Frage nach dem Glück auf den Punkt zu bringen. Seit der Antike sind uns etliche Kernsätze überliefert, die Antwort geben wollen auf die Frage, wie der Mensch sein Glück findet. „Das Glück gehört denen, die sich selbst genügen“, stellt Aristoteles fest. Der römische Kaiser Marc Aurel betont hingegen die zentrale Rolle der Gedanken: „Das Glück im Leben hängt von den guten Gedanken ab, die man hat.“ Der Schriftsteller Hermann Hesse hat seinen eigenen Schlüssel zum Glück gefunden: „Glück ist Liebe. Wer lieben kann, ist glücklich.“ Der Moderator Günther Jauch wiederum sieht einen ganz anderen Aspekt als wesentlich an: „Bildung kann einen sehr glücklich und 8gelassen machen.“ All diese Aussagen sind zutreffend und doch ist keine in der Lage, das Phänomen „Glück“ umfassend zu beschreiben.

Inzwischen hat sich die Wissenschaft der Frage nach dem Glück angenommen. Sie kann einige hilfreiche Antworten liefern.

Im ersten Teil dieses Buches erhalten Sie einen Überblick über die wissenschaftlichen Aussagen zum Glück. Im zweiten Teil geht es dann in der Hauptsache um die verschiedenen Möglichkeiten, Glück zu erleben. Sie erhalten insgesamt 111 Vorschläge, wie Sie in kürzester Zeit etwas für Ihr Glück tun können. Manche der Tipps führen unmittelbar zu einem größeren Wohlgefühl, andere stellen die Weichen für zukünftiges Glück.

Testen Sie Ihre Glücksfähigkeit

Es gibt unzählige Möglichkeiten, glücklich zu sein. Die folgenden Fragen geben Ihnen einen Hinweis darauf, wie gut es Ihnen derzeit gelingt, Ihre Glückschancen zu nutzen. Überlegen Sie nicht lange, bevor Sie Ihre Antworten ankreuzen. Es geht nicht darum, alles „richtig“ zu beantworten. Überlegen Sie nur kurz, wie stark die einzelnen Aussagen auf Sie zutreffen. Sie können mit diesem Test Hinweise darauf erhalten, in welchem Bereich sich Ihr Glück möglicherweise noch vergrößern lässt.

0 = trifft nicht zu

1 = trifft manchmal zu

2 = stimmt genau!

9Was tun Sie für Ihr Glück?

0

1

2

1.

Ich liebe Abwechslung und probiere gern etwas Neues aus.

2.

Ich halte mich aufrecht und meine Bewegungen sind kraftvoll.

3.

Ich finde es nicht schlimm, wenn ich einen Fehler mache. Dabei lerne ich etwas fürs nächste Mal!

4.

Ich setze mich mit aller Kraft für meine Ziele ein.

5.

Es ist mir schon oft gelungen, mir meine Wünsche zu erfüllen und meine Träume zu verwirklichen.

6.

Ich versuche, aus allem, was mir begegnet, das Beste zu machen.

7.

Ich kann gut auf andere Menschen zugehen.

8.

Ich pflege regelmäßig meine Kontakte.

9.

Wenn sich jemand unfreundlich oder rücksichtslos verhält, nehme ich das nicht persönlich.

10.

Ich beschäftige mich nur selten mit meinen Sorgen oder mit vergangenem Unglück.

11.

Ich achte auf meine Gesundheit.

12.

Ich bin davon überzeugt, dass ich eine glückliche Zukunft haben werde.

13.

Ich schwelge hin und wieder in schönen Erinnerungen.

14.

Ich finde jeden Tag etwas, das ich genießen kann.

1015.

Ich tue gern etwas für andere.

16.

Ich suche mir meine Freunde sorgfältig aus und meide Menschen, die sehr negativ und entwertend sind.

17.

Ich weiß, was ich brauche und sorge gut für mich selbst.

18.

Ich achte in allen Dingen auf Ausgewogenheit.

19.

Ich nutze meine Chancen, Dinge und Situationen nach meinen Vorstellungen zu gestalten.

20.

Ich liebe das Leben und akzeptiere die Dinge, wie sie sind.

21.

Ich bin mir selbst ein guter Freund und gehe liebevoll mit mir um.

22.

Ich erkenne einen Sinn in meinem Leben und Handeln.

23.

Ich bin diszipliniert und setze um, was ich wichtig finde.

24.

Ich habe keine Angst vor Problemen, sondern mache mich tatkräftig an die Lösung.

Auswertung:

Die Antwort „stimmt genau!“ zählt zwei Punkte, „trifft manchmal zu“ bringt einen Punkt und für „trifft nicht zu“ gibt es keine Punkte. Sie können also maximal 48 Punkte erreichen. Je näher Sie der Gesamtpunktzahl kommen, desto größer ist Ihre derzeitige Glücksfähigkeit.

11Vom Wesen des Glücks

Es gibt weder eine Formel, in die man das Glück packen könnte, noch ein Patentrezept für ein glückliches Leben. Glück als Forschungsobjekt verhält sich wie eine Glibbermasse, die man nur schwer zu fassen bekommt, weil sie immer wieder andere Formen annimmt. Die Wissenschaft weiß aber trotzdem viel über die Beschaffenheit dieser Substanz.

Was ist Glück?

Sicher ist: Die Fähigkeit zum Glück steckt in unseren Genen und jeder Mensch kann Glück empfinden. Über die jeweilige Ausprägung dieses Gefühls bestimmen zwei Faktoren: die genetische Programmierung und die persönliche Erfahrung. Da beide Faktoren bei jedem Menschen variieren, wird ein und dasselbe Ereignis mitunter völlig unterschiedlich wahrgenommen und erlebt. Mit anderen Worten: Was für den einen Menschen Grund zur Freude ist, kann den anderen verärgern (oder betrüben oder gleichgültig lassen oder …).

Unterschiedliche Reaktionen auf ein Ereignis

Ereignis

Mögliche Wahrnehmung und Gefühle

Der eigene Geburtstag

„Ich habe Grund zu feiern“ → Freude

„Meine Lebenszeit wird immer knapper.“ → Angst, Trauer

„Ich muss eine lästige Einladung geben“ → Unlust

„Ich habe ein gutes Jahr verbracht!“ → Dankbarkeit, Stolz

12Konflikt mit dem Chef

„So ein Blödmann!“ → Ärger

„Ich muss die Sache wohl anders anpacken.“ → Zuversicht

„Der tut sich manchmal auch schwer.“ → Nachsicht

„An seinen Argumenten ist was dran.“ → Respekt

Sie sehen, wie individuell die emotionale Reaktion auf einen Reiz ist. Die Dinge tragen zunächst keine Bedeutung in sich, sie sind neutral. Die Bedeutung schaffen wir erst selbst. Wie wir das tun, hängt sehr von unseren persönlichen Bedürfnissen und Erfahrungen ab. Auch unsere aktuelle Befindlichkeit spielt eine Rolle. In ausgeruhtem Zustand nehmen wir einen Konflikt mit dem Chef ganz anders wahr, als wenn wir ohnehin schon gestresst sind. Alles, was uns im Laufe des Tages begegnet, interpretieren und bewerten wir. Auf dieser Grundlage entsteht dann unser Gefühl.

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Zum Nachdenken

Wie häufig am Tag geben Sie den Dingen eine positive Bedeutung? Wie oft eine negative?

Wie wirkt sich das auf Ihre Befindlichkeit aus?

Wie könnten Sie Ereignisse so interpretieren, dass die positiven Gefühle zunehmen?

Da unsere Neigungen und Bedürfnisse recht unterschiedlich sind, können wir natürlich nicht alle in denselben Dingen dasselbe Maß an Befriedigung finden. Auch in dieser Hinsicht 13stellt Glück eine höchst individuelle Angelegenheit dar. Der eine liebt Gartenarbeit, der andere hasst sie. Darüber hinaus ändern sich Bedürfnisse im Laufe des Lebens immer wieder. Ein Hobby, dem Sie sich in Ihrer Jugend mit Leidenschaft gewidmet haben, muss Sie nicht zwangsläufig auch im mittleren Lebensalter noch glücklich machen. Darum sollten Sie Ihre aktuellen Neigungen und Bedürfnisse gut kennen.

Heinrich von Kleist brachte es auf den Punkt: „Ein jeder hat seine eigene Art, glücklich zu sein, und niemand darf verlangen, dass man es in der seinigen sein soll.“

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Zum Nachdenken

In welchen Augenblicken des Tages sind Sie am glücklichsten?

Was sagt Ihnen das über Ihre persönlichen Neigungen und Bedürfnisse?

Wie könnten Sie dieses Wissen nutzen, um Ihre Tage noch glücklicher zu gestalten?

Im Grunde gibt es „das Glück“ gar nicht. Denn es fühlt sich immer wieder anders an. Wenn Sie überraschend von einem guten Freund zum Essen eingeladen werden, erfahren Sie eine andere Form von Glück, als wenn Sie eine schwierige Aufgabe mit Bravour gelöst haben oder eine herrliche Landschaft bewundern. Trotzdem bezeichnen wir all diese unterschiedlichen Gefühlsqualitäten als Glück.

Es stellt sich die Frage, was die Natur mit dieser Emotion bezweckt. Die Evolution kennt nur ein Ziel: das Überleben. 14Wir müssen also annehmen, dass Glück letzten Endes der Arterhaltung dient. Aber wie?

Die Antwort findet man in der Neurobiologie. Wenn Menschen etwas unerwartet Gutes erleben, reagiert das Gehirn mit Glücksgefühlen. Solange jedoch der alte Trott vorherrscht, dürfen wir auch kein großes Glücksgefühl erwarten, nicht einmal dann, wenn die Sache an sich gut ist. Sollten Sie also beispielsweise Ihr Hobby zum Beruf machen, werden Sie keineswegs von morgens bis abends glücklich sein. Sie werden sich vielmehr nach einiger Zeit an Ihren Traumberuf gewöhnt haben. Er kann Sie nicht mehr so glücklich machen wie zu Beginn. Dieser Gewöhnungseffekt stellt sich bei allen guten Dingen ein. Sie kennen das längst: Wenn Sie jeden Tag Ihr Leibgericht essen müssten, könnten Sie es bald nicht mehr genießen. Aus Sicht der Evolution macht das Sinn; Sie haben ja nun begriffen, was gut schmeckt. Sobald Ihr Leibgericht zu einem selbstverständlichen Teil Ihres Speiseplans geworden ist, werden Sie vermutlich nach neuen kulinarischen Erfahrungen Ausschau halten.

Das Gehirn reagiert bei einer unerwartet guten Erfahrung mit Glückshormonen, damit wir uns diese Erfahrung besser merken und in Zukunft erneut danach streben. Glück hilft beim Lernen: Nach einigen Wiederholungen haben wir die gute Erfahrung in unserem Gedächtnis oder Verhaltensrepertoire verankert. Nun gibt es keine Notwendigkeit mehr, die Sache mit Glücksgefühlen zu begleiten. Stattdessen suchen wir nach neuen guten Erfahrungen. Das bedeutet leider: Es gibt für niemanden von uns ein permanent anhaltendes Glück. Dafür sind wir einfach nicht konstruiert. Glück 15ist episodisch. Wir können allerdings für viele glückliche Episoden sorgen.

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Tipp für Ihr Glück

1. Seien Sie experimentierfreudig: Bestellen Sie im Restaurant ein Gericht, das Sie noch nie gegessen haben, sprechen Sie jemanden an, den Sie nicht kennen. Tun Sie etwas Ungewohntes. Auf diese Weise erhöhen Sie die Chance, etwas zu erleben, das Sie glücklich macht.

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Tipp für Ihr Glück

2. Sorgen Sie für Abwechslung! Die Entscheidung für etwas anderes Gutes oder gar Neues erhöht ganz erheblich die Wahrscheinlichkeit glücklicher Momente und kostet Sie keine Minute Zeit.

Nicht wenige Menschen verbringen ihre Zeit mit dem Warten aufs Glück. „Wenn ich erst meinen Traumjob, Traumpartner, mein Traumhaus, Traumauto, meine Traumfigur etc. habe, dann werde ich glücklich sein.“– Aber: Diese Hoffnung trügt. Das Glück stellt sich nicht mit einem Paukenschlag ein, um dann für immer zu bleiben. Das bedeutet aber nicht, dass Sie Ihre Träume aufgeben sollten. Sie dürfen sich eben nur nicht zu viel davon versprechen. Auch in Traumhäusern leben unglückliche Menschen. Glück ist ein schönes Lebensziel, aber eines, das täglich aufs Neue erarbeitet werden muss. Äußere Faktoren wie der Partner, der Job, das Haus, die Kinder, die Kollegen etc. geben nicht den Ausschlag. Sie 16selbst sind der entscheidende Faktor. Es hat also keinen Sinn, auf etwas Bestimmtes zu warten, um endlich glücklich sein zu können. Ihr Glück findet immer hier und heute statt und Sie selbst sind die Quelle. Glück als Lebensziel erfordert, dass wir mit Entschlossenheit das tägliche Glück verfolgen. Dies ist der einzige Weg zu einem besseren Leben.

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Zum Nachdenken

Wenn Sie sich eine Glücks-Messlatte von eins bis zehn vorstellen, wobei „zehn“ größtes Glück bedeutet, wo stehen Sie dann heute? Wie schätzen Sie Ihr Glück ein?

Gibt es ein langfristiges Ziel, von dem Sie sich dauerhaftes Glück versprechen? Falls ja, warum? Was genau wird dieses große Ziel für Sie verändern?

Was können Sie heute tun, um sich gut zu fühlen und glückliche Momente zu erleben?

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Tipp für Ihr Glück

3. Wenn Sie wissen wollen, ob Ihr Traumziel wirklich so toll ist, wie Sie glauben, dann nehmen Sie sich eine Minute Zeit und fragen jemanden, der dieses Ziel bereits erreicht hat. So wissen Sie, wie realistisch Ihre Glückserwartung ist.

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17Tipp für Ihr Glück

4. Stellen Sie sich eine Minute lang vor, Sie hätten Ihr Traumziel bereits erreicht. Gehen Sie davon aus, dass sich damit nicht automatisch das Glück einstellt. Überlegen Sie stattdessen, was Sie konkret tun könnten, um einen idealen Tag in Ihrem Traumjob, Traumhaus etc. zu erleben.

Wenn wir Glück verstehen und verstärken wollen, müssen wir wissen, wie es zustande kommt. Was passiert dabei im Kopf und im Körper?

Eine Emotion wie das Glück entsteht immer zuerst im Körper – als physiologische Antwort auf eine bestimmte Situation. Es ist uns nicht möglich, frei darüber zu entscheiden, wie unser Körper in der jeweiligen Situation reagiert. Die entsprechende Emotion stellt sich vielmehr spontan ein. Sobald das Großhirn diese körperliche Reaktion verarbeitet, wird uns die Empfindung bewusst und wir nehmen ein Gefühl wahr. Daraus folgt: Wenn Glück auf körperlichen Signalen basiert, können wir durch die bewusste Beeinflussung des Körpers auch das Glücksempfinden beeinflussen.

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18Tipp für Ihr Glück

5. Sie können Ihre Stimmung augenblicklich verbessern, indem Sie Ihre Körperhaltung ändern. Bei einem Durchhänger hilft es, wenn Sie den Rücken gerade machen, aufrecht sitzen, die Körperspannung erhöhen, im Stehen das Gewicht gleichmäßig auf beide Beine verteilen, den Kopf hoch halten, das Kinn leicht anheben.