TitelPulverdampf8

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Impressum

Autor: Dietmar Kuegler
Titel: Pulverdampf und Sternenbanner
Amerika erobert den Westen

Erschienen im:
Semitarius Verlag - Inh. Andreas Schumann
Rudolf-Dietz-Straße 38
65232 Taunusstein
© 2014 - Alle Rechte vorbehalten

ISBN: 978-3-945248-13-3

Weitere Print und eBook-Varianten finden Sie unter www.semitarius.com

Dieses Buch ist die eBook-Version des gleichnamigen Buchs aus dem Jahr 1998, erschienen im:
VERLAG FÜR AMERIKANISTIK D. Kuegler
P. O. Box 1332
D-25931 Wyk auf Foehr

Umschlagfotos: Dietmar Kuegler.

Oben, links: Jeff Thies als „Cole Younger“ im größten Pionierzeit-Reenactment in Northfield, Minnesota.

Oben, rechts: Der Grabstein des von Bürgern gelynchten Räubers John Heath auf dem Boothill von Tombstone.

Unten: Postkutsche in der Allen Street von Tombstone, Arizona

Alle aktuellen Fotos: Dietmar Kuegler

Alle historischen Fotos: Archiv Verlag für Amerikanistik, oder wie in den Bildlegenden angegeben.

Herstellung:

Andreas Schumann
Rudolf-Dietz-Straße 38
65232 Taunusstein

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Der wahre Lederstrumpf

Das Leben des Daniel Boone

Er ist eine unvergängliche Gestalt der amerikanischen Folklore: Der Mann in Hirschleder mit der Waschbärfellmütze auf dem Kopf, das langläufige Gewehr hinter sich herziehend, geräuschlos seinen Weg in weichen Mokassins durch das dichte Unterholz endloser Wälder suchend. Er ist Teil einer unberührten Wildnis, in der sich Romantik und Abenteuer verbinden. Eine Mischung, die gerade heute ihre Wirkung nicht verfehlt und den ewigen Traum des Menschen, die Natur zu beherrschen, ohne sie zu zerstören, mit Leben erfüllt.

Kein anderer verkörperte dieses Bild so überzeugend und mit größerer Ausstrahlung im Mythos von der Eroberung des amerikanischen Westens als Daniel Boone. Wenn es für die Amerikaner ein Urbild des Pioniers, ja einer ganzen Epoche gibt, dann ist er es.

Er war der Hinterwäldler, der die braven Städter erschaudern ließ, wenn sie an das Leben in der Wildnis, an Kampf, Blut, Tod und Skalpieren dachten. Und er war der Pfadfinder, Eroberer und Führer zu neuen Grenzen, der der Zivilisation eine Gasse bahnte und dem Aufbau einer neuen Nation den Weg ebnete.

Wunschdenken und Realität: Schon zu seinen Lebzeiten hatte die Phantasie die Wirklichkeit zunehmend überdeckt. Später trugen dazu nicht zuletzt die „Lederstrumpf“-Romane von James Fenimore Cooper bei, die die Gestalt des Waldläufers als Vorkämpfer der amerikanischen Besiedelung zum Nationalhelden stilisierten und Boone zum Vorbild hatten.

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Daniel Boone in gereiftem Alter.

Dietmar Kuegler

Pulverdampf und

Sternenbanner

Amerika erobert den Westen

Schmutztitel

Verlag für Amerikanistik

Wyk auf Foehr

Germany

Daniel Boone war der wahre Lederstrumpf. Er war keine Romanfigur. Aber sein Leben lieferte Stoff für viele Geschichten.

Er entstammte einer alten Quäkerfamilie. Sein Großvater war 1717 von England nach Pennsylvania ausgewandert, um der religiösen Verfolgung zu entgehen. Hier, im Berks County, wurde am 2. November 1734 sein Enkel Daniel geboren. Er war das sechste Kind von Squire und Sarah Boone, die insgesamt elf Kinder hatten.

Von klein auf war Daniel wenig daran interessiert, sich mit Büchern zu beschäftigen; seine schulische Bildung blieb marginal. Es zog ihn hinaus in die weiten Wälder. Er lernte die Bäume, die Pflanzen, die Tiere und die Indianer kennen und die Zeichen der Natur deuten. Schon als Halbwüchsiger ging er auf die Jagd und trug zur Ernährung der Familie bei.

Als zwei von Squire Boones Kindern außerhalb der Quäker-Gemeinschaft heirateten, geriet die Familie in der „Friends of Exeter“-Gemeinde unter Druck. Die Boones packten daraufhin kurzerhand ihre Habe auf einen Wagen und verließen Pennsylania. Sie zogen nach North Carolina, also südwärts; denn die Expansion nach Westen hatte zu dieser Zeit noch nicht begonnen. Um 1752 ließen sie sich im Yadkin River Valley nieder, einem fruchtbaren, waldreichen Tal mit Wild, Wasser und angenehmem Klima.

Daniels Schwester Mary heiratete den Sohn der benachbarten Bryan-Familie, Farmer vom Sugar Tree Creek, und Daniel traf auf der Hochzeitsfeier die 15 Jahre alte Rebecca Bryan, ein stattliches, braunhaariges Mädchen, das das Interesse des jungen Mannes weckte.

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Planwagen auf dem 1775 von Daniel Boone ange1egten Trail durch das „Cumberland Gap“ nach Kentucky.

Bevor es zu einer Verbindung kommen konnte, wurde Daniel Boone zur Miliz gerufen: Im Jahr 1755 unternahm der englische General Edward Braddock eine Expedition gegen das illegal errichtete französische Fort Duquesne. Er benötigte neben regulären britischen Soldaten Milizverstärkung aus den Kolonien, die von dem 23jährigen Colonel George Washington kommandiert wurde. Daniel Boone wurde als Wagenlenker beim Tross eingesetzt, als die 1.500 Mann starke Truppe von Fort Cumberland in Maryland aufbrach und sich durch die unwegsame Wildnis bis in die Gegend des heutigen Pittsburgh (Pennsylvania) vorkämpfte. Der Marsch kostete die Soldaten ihre gesamte Kraft, und Braddock, der zu sehr in militärischen Kategorien Europas dachte, tappte in eine Falle der Franzosen und ihrer indianischen Verbündeten. Er zahlte dafür mit seinem Leben. Seine Truppe wurde in die Flucht geschlagen.

Daniel Boone hatte nicht vor, als Held zu sterben. Er ließ seinen Wagen stehen, schwang sich auf eines der Gespannpferde und brachte sich in Sicherheit.

Zurück am Yadkin River, begab er sich zu den Bryans, hielt um Rebecca an und heiratete sie. Die Ehe sollte 56 Jahre Bestand haben. Aus ihr gingen zehn Kinder hervor, von denen zwei von Indianern getötet wurden.

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Einsame Blockhütte in den riesigen Wäldern Kentuckys. So lebten die ersten Kolonisten - isoliert und ständig bedroht von der sie umgebenden Wildnis. Ein derartiges Blockhaus konnte von einer Siedlerfamilie innerhalb zwei bis drei Wochen errichtet werden.

Das junge Ehepaar baute seine erste Hütte am Bear Creek, einem Nebenarm des Yadkin River. Das Land hier war fruchtbar, aber Daniel war kein Farmer. Er verdiente sein Geld mit der Häutejagd. Aus diesem Grund zog die Familie Ende der 1760er Jahre weiter nach Westen, in die Gegend des heutigen Wilkesboro, North Carolina.

Die Boones hatten kein leichtes Leben; oft wurden Daniel die frisch geschossenen Häute von Indianern gestohlen, und er war gezwungen, für seine Ausrüstung und die Versorgung seiner Familie von den Fellaufkäufern Kredit aufzunehmen. „Die wirtschaftliche Lage der Familie schwankte zwischen Überfluß und Armut“, schrieb die Historikerin E. Moize.

Rebecca Bryan war eine Grenzerfrau: Geboren und aufgewachsen in den Waldländern der britischen Kolonien, in enger Nachbarschaft mit Indianern, kannte sie das Leben in der Wildnis. Sie wußte eine langläufige Steinschloßrifle zu handhaben, sie goß Kugeln und war imstande, einen Hirsch zu enthäuten. Eine kräftige, unerschrockene Frau, die oft monatelang allein war, wenn Daniel wieder in die Wälder zog, und die häufig nicht wußte, ob er überhaupt noch am Leben war. Die Historikerin Elizabeth A. Moize schrieb über das äußerst innige, aber auch sehr pragmatische Eheleben der Boones: „Ein Zeitgenosse erinnerte sich, dass Daniel nach einer langen Zeit der Abwesenheit, in der er auf Entdeckung gezogen war und gejagt hatte, zurückkehrte und Rebecca mit einem neugeborenen Kind in den Armen vorfand. Sie gestand ihm, dass einer seiner Brüder der Vater sei. Es wurde gesagt, dass Boone antwortete: Nun gut, wenn der Name derselbe ist, dann ist alles andere egal, und er liebte das Kind wie sein eigenes.“

Daniel Boone war einer der ersten weißen Männer, die tief in die Wälder Tennessees vordrangen. Er durchstreifte die Blue Ridge Mountains und die östlichen Alleghenies auf der Suche nach jagdbarem Wild und stellte schon früh Überlegungen an, bis nach Kentucky vorzudringen - ein Traum, der ihn seit dem mißglückten Braddock-Feldzug nicht mehr losließ. Er teilte ihn mit dem Waldläufer und Indianerhändler John Finley, einem Kameraden aus der Braddock-Armee. Finley war auf dem Ohio River bis nach Kentucky gelangt. Aber er hatte von Indianern erfahren, dass es einen Landweg gab, der durch das Gebirge führte und in alter Zeit von Jägern und Kriegern benutzt worden war. Er mochte inzwischen überwuchert sein, doch ein guter Waldläufer konnte ihn finden. Eine Herausforderung für Daniel Boone, der die unstillbare Neugier nach dem Unbekannten in sich trug, nach dem Geheimnis, das hinter der nächsten Bergkette und den dichten Wäldern liegen mochte. Es war dieser tiefverwurzelte Drang, der die Pioniere in der Neuen Welt ständig vorantrieb, die unstillbare Hoffnung, näher am Horizont ein besseres Land und ein besseres Leben zu finden.

Am 1. Mai 1769 brach Boone, begleitet von seinem Schwager John Stuart, John Finley und drei weiteren Männern auf, die Blue Ridge Mountains zu überqueren. Sie durchzogen die Holsten-, Clinch- und Powell-Täler und sahen vor sich die gewaltigen Cumberland Mountains, die sich ihnen scheinbar unüberwindbar in den Weg stellten. Doch sie stießen auf Jägerspuren, folgten ihnen und gelangten zu einer gangbaren Passage, die wiederum zu einem alten Pfad der Cherokee und Shawnee führte. Gleichwohl drohte von den Indianern keine Gefahr: In den Wäldern Kentuckys befanden sich zwar die Jagdgründe einiger Stämme, aber es gab keine ständigen indianischen Ansiedlungen.

Nach vier Wochen Marsch durch die Wildnis errichtete Daniel Boones Expedition ein Basislager an einem Bach. Heute befindet sich in der Nähe die Stadt Irvine. Zu jener Zeit zogen noch Bisonherden durch dieses Gebiet. Es gab reiches Grasland, unberührte, paradiesische Gegenden für Wild. Die Männer hatten das „Bluegrass Country“ erreicht, ein Gebiet, das bis heute eine sentimentale Sehnsucht bei vielen Amerikanern auslöst. Boone berichtete später seinem Biographen: „Wir befanden uns am Red River ..., und von der Spitze einer Anhöhe schauten wir mit Wohlgefallen in das herrliche Kentucky.“

Sieben Monate lang jagte Boones Gruppe und häufte exzellente Hirschhäute an. Die Beute war bereits gepackt und die Aufbruchsvorbereitungen waren getroffen, da tauchten überraschend Shawnee-Krieger auf und raubten die Pferde und die gesamte Jagdbeute. Boones Begleiter traten enttäuscht den Rückweg an. Boone und Stuart aber blieben, und Daniel Boones Bruder Squire gelang es, eine zweite Jägergruppe zu finden, denen die Shawnee ebenfalls über 2.000 Hirschhäute gestohlen hatten. Ihnen handelte er einige Pferde, Pulver und Blei ab, so dass Boone erneut auf die Jagd gehen konnte. Zweimal schaffte sein Bruder die Jagdbeute nach North Carolina und kehrte mit frischen Vorräten nach Kentucky zurück. Aber als Daniel Boone sich nach zweijähriger Abwesenheit zur Heimkehr entschloss, wurde er im März 1771 erneut von Indianern überfallen und verlor abermals seine gesamte Jagdbeute.

Zwei Jahre später faßte Boone den Entschluß, in Kentucky zu siedeln. Die ganze Familie, sowie einige Angehörige der Bryans beluden Wagen, trieben ihr Vieh zusammen und brachen nach Westen auf. Unweit des Powell Valleys schickte Daniel seinen 16 Jahre alten Sohn James und einige andere junge Männer zurück, um weitere Ausrüstungen zu holen. Die kleine Gruppe gelangte kaum drei Meilen weit, dann wurde sie von Indianern überfallen. James Boone und Henry Russell wurden zu Tode gemartert. Daniel konnte seinen Sohn nur noch begraben. Seine verängstigten Begleiter weigerten sich, weiterzuziehen, so entschloss er sich, seinen Plan vorerst aufzugeben und kehrte zum Yadkin zurück. Doch in den alten Kolonien war das Interesse an neuem Land groß. Zwar hatte die britische Kolonialverwaltung die Anlage von Siedlungen im Westen verboten, aber man befand sich am Vorabend der amerikanischen Revolution. Widerstand gegen die englische Regierung zeigte sich allerorten. Der Richter Richard Henderson rief in North Carolina eine „Transylvania Company“ ins Leben, eine Siedlungsgesellschaft, die eine neue Kolonie in Kentucky gründen sollte. Am Watauga River schloß Hendersons Gruppe mit einigen Häuptlingen der Cherokee einen Vertrag und zahlte ihnen Waren im Wert von 10.000 Pfund für ein Gebiet von 20 Millionen Acres Land zwischen den Flüssen Kentucky und Cumberland. Doch Boone, der den Handel mit den Cherokee durchführte, wußte, dass hier kein Geschäft wie zwischen weißen Grundbesitzern abgeschlossen wurde. Die Company hatte sich die Freundschaft und Unterstützung nur eines Teils der Cherokee gesichert. Es gab andere Gruppen des Stammes, die keineswegs damit einverstanden waren, ihre alten Jagdgründe mit den Weißen zu teilen.

Am 10. März 1775 brach Boone mit 30 Holzfällern auf, einen Weg durch das Waldland zu schlagen, auf dem die Siedler folgen sollten. Die Arbeit des Trupps begann im heutigen Tennessee, einem Gebiet, das für die Cherokee sakrale Bedeutung hatte und wo sich daher noch in den nächsten Jahrzehnten Konflikte zwischen Weiß und Rot abspielen sollten. Hier liegt heute die Stadt Kingsport, die erst in unserer Zeit den Östlichen Cherokee dreieinhalb Acre ihres alten Besitzes zurückerstattete.

Dem Weg, den Daniel Boones Männer vor über 200 Jahren durch den Urwald bahnten, folgt heute in großen Teilen die Straße Nr. 58 nach Südwest-Virginia. Von hier aus zogen die Waldläufer in die Cumberland-Berge. Hunderte von Pionieren folgten Boones Pfad, einem schmalen, teilweise steilen, immer schwierigen Weg durch das Bergland. Am 24. März richteten Boone und seine Holzfäller südlich der heutigen Stadt Richmond, Kentucky, ein Camp ein. Sie waren völlig erschöpft, nicht nur von der Arbeit, sondern auch von Indianerangriffen, denen sie sich in den zurückliegenden Tagen erwehren mussten. Dabei waren mehrere Männer verwundet worden. Der Anführer der Holzfäller, Captain Twitty, war durch beide Knie geschossen worden und starb drei Tage später.

Einige Männer von Boones Truppe desertierten. Die anderen errichteten ein einfaches Blockhaus-Fort, wo sie ihre Wunden versorgten.

Ohne Daniel Boone hätten wohl alle aufgegeben. Aber in den kritischsten Momenten bewahrte er kaltes Blut. Er strahlte Entschlossenheit und Unbeirrbarkeit aus, und sein Mut wirkte ansteckend auf die anderen Männer. „Twitty’s Fort“, dem verstorbenen Captain zu Ehren benannt, wurde zum Zufluchtsort für die nachfolgenden Siedler, zur sicheren Raststation auf dem langen Weg ins Bluegrass-Land. Doch das Unternehmen forderte großen Optimismus und eine innere Stärke, die viele Siedler nicht hatten. Boones setzte ein Beispiel. Er fürchtete die Indianer nicht, er hatte sie kennengelernt, als Freunde und als Feinde, er wußte, mit ihnen umzugehen. Er führte die erste Gruppe Siedler den Otter Creek hinunter zum Kentucky River, wo er einen Posten errichtete, der Boonesborough genannt wurde.

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Boonesborough 1778. Als die Siedlung von Indianern belagert wurde, waren Siedler und Tiere in drangvoller Enge eingepfercht und litten unter Wassermangel.

Hier traf am 20. April 1775 Henderson mit weiteren Siedlern ein. Einen Monat später, am 23. Mai, entstand in einer Generalversammlung der Kolonisten unter dem ausgreifenden Geäst einer Ulme eine Art Verfassung für „Transylvania“. Gerichte wurden eingerichtet und eine Miliz organisiert. Die Versammlung erließ Jagdgesetze.

Die Dokumente jener Tage zeigen, dass keiner der Beteiligten in Boonesborough wußte, dass bereits seit einem Monat die amerikanische Revolution im Gang war und die ersten Schlachten um die Unabhängkeit von England geschlagen worden waren. Das sollte sich aber bald ändern, denn überall da, wo die relativ schwachen britischen Kolonialtruppen nicht selbst auftreten konnten, setzten sie die mit ihnen verbündeten Indianerstämme ein, die in Folge die einsamen Siedlungen im Waldland angriffen und verheerten. Etwa die Hälfte der Bevölkerung in der Kolonie Daniel Boones und Hendersons gab unter diesem Druck auf. Drei junge Mädchen, darunter Jemima Boone, Daniels Tochter, wurden zeitweise von Shawnee entführt, konnten sich aber selbst befreien - ein Ereignis, das James Fenimore Cooper später als Beispiel für einige Kapitel in seinem Roman „Der letzte Mohikaner“ dienten.

Der Unabhängigkeitskampf in den Neu-England-Staaten führte mehr als einmal zu Unterbrechungen des Warenaustausches der Siedlungen in der Wildnis mit den Atlantik-Kolonien. Im Januar 1778 gab es in Boonesborough praktisch kein Salz mehr. Da sich die Indianer zu dieser Zeit üblicherweise in ihre Winterquartiere zurückgezogen hatten, brach Daniel Boone mit 30 Männern zu den Mineralquellen von Blue Licks im Norden Zentral-Kentuckys auf, um dort Salz zu kochen. Es war ein Weg von 70 Meilen nach Norden durch bedrohliche Einsamkeit.

Der Trupp erreichte die Quellen zwar unbehelligt, doch als Boone Anfang Februar auf die Jagd ging, wurde er von Shawnee überrascht und gefangengenommen. Sie verschleppten ihn in ihr Lager, wo sich mehr als 100 Krieger aufhielten, die sich auf dem Kriegspfad befanden. Sie wollten Rache für ihren Häuptling Cornstalk, der einige Monate zuvor von Weißen ermordet worden war, während er sich auf dem Weg zu Friedensverhandlungen befunden hatte.

Häuptling der Shawnee war Blackfish, der das Lager der Salzmacher längst ausgespäht hatte und die Chance nutzen wollte, das nahezu männerlose Boonesborough anzugreifen und niederzubrennen.

Daniel Boone gelang es, mit Blackfish zu verhandeln. Er überredete ihn, sich zunächst mit ihm und den Männern, die bei Blue Licks lagerten, zufriedenzugeben. Er führte die Indianer zum Lager der Salzmacher zurück und brachte seine Begleiter dazu, sich den Shawnee zu ergeben, um die zurückgebliebenen Frauen und Kinder in Boonesborough zu schützen. Die Indianer trieben ihre Gefangenen in die Shawnee-Siedlung Old Chillicothe am Little Miami River im heutigen Ohio. Boone und zehn andere wurden nach Detroit gebracht und dem Vizegouverneur Henry Hamilton angeboten. Der kaufte 9 der Männer frei, nicht aber Daniel Boone. Blackfish weigerte sich, ihn freizugeben, er war viel zu stolz auf seinen berühmten Gefangenen. Es war Boones Glück, daá er sowohl die Briten als auch die mit ihnen verbündeten Shawnee von seiner Treue zum englischen Mutterland überzeugen konnte. Er hatte sich nie offen der Unterstützung der Rebellion schuldig gemacht, und er hatte in der britischen Kolonialmiliz als Captain gedient.

Blackfish adoptierte Boone unter dem Namen Sheltowee (Big Turtle = Große Schildkröte) als seinen Bruder. Ein Shawnee-Häuptling namens Tukemas berichtete später: „Big Turtle wurde wegen seiner Tapferkeit adoptiert. Er war ein Dieb, als wir ihn bei Blue Licks fingen; denn es war unser Salz, aber das war nicht so wichtig. Wir anderen stahlen ständig Pferde. Wir nahmen sie von den Siedlern, und die holten sie sich von uns. Es war Teil eines Spiels.“

Daniel Boone hatte keine Probleme, sich der indianischen Lebensweise anzupassen. Er hatte sein Leben lang mit den verschiedensten Völkern zu tun gehabt, kannte ihre Sitten und Eigenheiten, und als Mann der Wälder unterschied sich seine Denkweise nicht so stark von der ihren. Aber Boone wollte zurück zu seiner Familie und seiner Siedlung; denn wenn sein Leben auch sicher war, Boonesborough war es nicht. Auf einem Jagdausflug im Juni flüchtete er und legte etwa 160 Meilen in nur 4 Tagen und Nächten zu Fuß zurück. Am Ende seiner Kraft taumelte er in seine Siedlung und musste feststellen, dass nur seine Tochter Jemima noch auf ihn wartete. Seine Frau hatte ihn inzwischen aufgegeben und war nach North Carolina zurückgekehrt.

Boone gönnte sich keine Erholung. Er trieb die verbliebenen Siedler an, Boonesborough zu befestigen und schickte Boten aus, um die Virginia-Miliz zu alarmieren. Anfang September zog eine Truppe von Indianern und Franco-Kanadiern, insgesamt 456 Männer, heran, um Boonesborough zu einzunehmen.

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Heroisierende Lithografie von 1874 von einem Kampf Daniel Boones mit einem Indianer, während seine Frau eines ihrer Kinder schützt.

Die Indianer wurden von Blackfish geführt, der sich von Boones Flucht persönlich gekränkt fühlte. Er führte dreitägige Verhandlungen mit ihm, dann sprachen die Waffen. Tagelang krachten die Gewehre. Feuerpfeile flogen über die Palisaden. Die Belagerer versuchten, Tunnel unter den Befestigungen hindurchzugraben. Aber schwerer Regen löschte die Feuer und verhinderte die Anlage von unterirdischen Gängen. Die Verteidiger waren am Ende ihrer Kräfte. In der zweiten Woche jedoch gaben die Angreifer auf. Boone zählte 37 tote Feinde und berichtete von einer großen Zahl von Verletzten. Innerhalb der Palisaden von Boonesborough waren nur zwei Männer ums Leben gekommen. Vier Verteidiger waren verwundet worden. Seine Tochter Jemima hatte ein Splittergeschoß im Rücken getroffen.

Für den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg war dieser Sieg von entscheidender strategischer Bedeutung. Eine Niederlage von Boonesborough hätte das Ende aller vorgeschobenen amerikanischen Siedlungen im Westen und eine vollständige Kontrolle der westlichen Front entlang der Appalachen und des oberen Mississippi durch England zur Folge gehabt.

Als Daniel Boone überzeugt war, dass Boonesborough wieder sicher war, brach er nach North Carolina auf, um seine Frau zurückzuholen. In Logan’s Fort jedoch erwartete ihn ein Kriegsgerichtsverfahren; man warf ihm vor, seine Salzmacher an die Shawnee verraten und mit den Briten kollaboriert zu haben. Selbstbewußt erklärte Boone, wie er die Engländer und ihre indianischen Verbündeten überlistet hatte, um seine Siedlung zu retten. Zeugen bestätigten ihn. Am Ende wurde er nicht nur von allen Vorwürfen entlastet, er erhielt sogar den Rang eines Majors der Miliz. Doch auch als er mit Rebecca nach Kentucky zurückkehrte, folgte ihm der Krieg. Zahlreiche einsame Siedlungen wurden von britischen Truppen und mit ihnen verbündeten Indianern geplündert und niedergebrannt. Als Daniel mit seinem Bruder Edward auf die Jagd ging, wurde Edward von Indianern getötet.

1782 griffen Anhänger der britischen Krone, darunter der berüchtigte Simon Girty, die Siedlung der Familie Bryan an, und Daniel Boone schickte 150 Mann aus Boonesborough, die durch Männer aus Lexington und Harrodsburg verstärkt wurden, zur Rettung seiner Verwandten aus. Die Entsatztruppe geriet am 19. August 1782 am Licking River in einen indianischen Hinterhalt. Obwohl Boone die Falle erkannte, konnte er die undisziplinierten Milizmänner nicht aufhalten: Sie stürmten vorwärts, in den Pfeilhagel der Indianer hinein. In der „Schlacht von Blue Licks“ fielen binnen weniger Minuten über 60 Kentuckier, darunter Daniel Boones Sohn Israel.

Boone und anderen Überlebenden gelang die Flucht. Es war die „letzte Schlacht der Revolution“. Nach diesem Kampf schwiegen die Waffen zwischen England und dem unabhängigen Amerika. Während jetzt der innere Kampf um die Einheit der „Vereinigten Staaten“ begann, setzte sich die Besiedlung in den von Boone durchstreiften Wildnisgebieten an der Westgrenze des neuen Staatenbundes fort. Zuviel für Daniel Boone, den schon wieder die Einsamkeit der Wälder lockte. Er verließ mit seiner Familie Boonesborough und zog weiter. Er versuchte sich als Pferdehändler und Gastwirt und wurde Abgeordneter des Parlaments von Kentucky. In Limestone am Ohio River bauten die Boones einen Trading Post auf. Daniel handelte mit Fellen, Häuten und Ginseng-Wurzeln, und er verdiente sein Geld als Landvermesser und Makler. Letztere Tätigkeiten sollten ihn ruinieren, da ihm die juristischen Regeln des Landverkaufs nicht geläufig und vermutlich auch gleichgültig waren; zudem waren die frühen Landkarten von Kentucky so ungenau, dass Eigentumsansprüche in jahrelangen Prozessen durchgesetzt werden mussten. Nominell gehörten ihm 2.000 Acres Land. Doch Boone verlor das meiste davon, weil er sich nie um eine ordnungsgemäße Absicherung gekümmert hatte. Weitere Parzellen musste er verkaufen, um Siedler zu entschädigen, denen er Grundstücke vermittelt hatte, die schon von anderen abgesteckt worden waren. Daniel Boone legte mit seiner Familie eine Farm am Brushy Fork an, nur zehn Meilen von Blue Licks entfernt, und versuchte, seinen Lebensunterhalt wieder als Jäger zu verdienen. Aber die zunehmende Besiedlung trieb das Wild aus den Wäldern. Hatte er einst gescherzt, dass es Zeit sei, sich nach freiem Land umzusehen, als sich gut 70 Meilen entfernt von seiner Hütte neue Siedler niedergelassen hatten, war daraus inzwischen Ernst geworden. Die Jagd lohnte sich bald kaum noch. 1798 schließlich beschlagnahmte Kentucky seine restlichen Ländereien wegen rückständiger Steuern.

1799 beluden die Boones ein großes Kanu und fuhren den Ohio hinunter zum Mississippi. Im Oktober erreichten sie St. Louis, das sich zu jener Zeit unter spanischer Herrschaft befand. Die Spanier hießen den Mann, dessen Name längst über alle Grenzen berühmt war, mit einer Flaggenparade willkommen. Sie erteilten ihm sofort die Genehmigung, sich westlich von St. Louis niederzulassen, wobei jedem Familienmitglied 400 Acres Land zugestanden wurden. Mehr noch: Er wurde zum Richter seines Distrikts ernannt und hielt regelmäßig unter dem Baum vor seinem Haus Gerichtssitzungen ab. Doch auch hier hielt sein Glück nicht lange an. Als Spanien das sogenannte „Louisiana Territorium“ an Frankreich verkaufte, und als Frankreich das Gebiet an die USA weitergab, wurde seine spanische Landschenkung zunächst nicht anerkannt. Der Fall beschäftigte sogar den Kongress in Washington. Jahre verstrichen ohne Entscheidung. Als 1812 der zweite Krieg mit Großbritannien ausbrach, meldete Boone sich zur Miliz, wurde aber abgewiesen - er war zu diesem Zeitpunkt bereits 78 Jahre alt. Erst nach Ende des Krieges, 1814, entschied der Kongressausschuß für öffentliche Ländereien, dass sein Anspruch auf 850 Acres Land berechtigt sei. Nur wenige Tage später standen einige Siedler aus Kentucky bei Boone im neugebildeten Missouri-Territorium vor der Tür und behaupteten, dass er ihnen aus seiner Zeit als Landmakler Geld schulde. Boone musste alles, was er besaß, Parzelle für Parzelle, verkaufen, um sie zu befriedigen. Nur seinen Kindern blieb das von den Spaniern verliehene Landrecht.

Daniel Boone war jetzt wieder besitzlos, und er war allein; denn 1813 war seine Frau Rebecca gestorben. Obwohl fast 80 Jahre alt, zog er wieder auf Pelzjagd in die Wälder im Westen. Angeblich gelangte er bis zum Yellowstone River in Wyoming.

Seine letzten Jahre verbrachte er schließlich im Haus seines Sohnes Nathan, einem blauen Kalksteingebäude, das noch heute nahe Defiance, Missouri, steht. Hier starb Daniel Boone am 26. September 1820, wenige Wochen vor Vollendung seines 86. Lebensjahres. Er wurde an der Seite seiner Frau Rebecca bestattet, in einem Sarg, den er Jahre zuvor selbst gezimmert hatte.

1845 bat die Regierung von Kentucky um eine „Heimführung“ der sterblichen Überreste von Daniel und Rebecca Boone; denn inzwischen wurde Daniel Boone als der „Vater Kentuckys“ angesehen. Missouri stimmte zu, und die Leichen wurden nach Frankfort, Kentucky, gebracht und auf einem Hügel über dem State Capitol endgültig beigesetzt.

Elizabeth Moize bemerkte in ihrer biographischen Skizze über Boone: „Es gibt allerdings Leute in Missouri, die behaupten, dass Kentucky zwar Rebecca bekam, nicht aber Daniel; denn als Daniel neben seiner geliebten Frau bestattet werden sollte, fand man das Grab eines Sklaven neben ihr, so dass der alte Waldläufer zu Rebeccas Füßen beigesetzt werden musste. Also wurden die Knochen des Sklaven nach Kentucky überführt.“

Diese These wird von einer forensischen Untersuchung gestützt, die im 20. Jahrhundert in Kentucky am Schädel des angeblichen Daniel Boone durchgeführt wurde. Gewißheit gibt es allerdings nicht, und vermutlich will sie auch niemand.

Die Legende vom „Lederstrumpf“ ist noch immer lebendig. Daniel Boone ist ein Mythos, der sich längst verselbständigt hat, so dass sich auch sein Bild unauslöschlich in die Köpfe und Herzen der Menschen eingeprägt hat. Dabei ist es zumindest in einem Punkt unabweisbar falsch: Der Mann, der in Amerika eine ganze Epoche personifiziert, hat niemals eine Waschbärfellmütze getragen. Daniel Boone trug Zeit seines Lebens den breitrandigen, einfachen Filzhut der Quäker; denn dieser schützte den Kopf besser vor Sonne und Regen. Aber Legenden haben stets ihre eigene Wahrheit.

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John Filson, Landmakler, Spekulant und Kartograf, schrieb 1784 den ersten größeren Bericht über Daniel Boone und machte ihn damit zu einer legendären Gestalt. Für Filson war Boone eine Galionsfigur, um für die Besiedelung von Kentucky zu werben.

Vorwort

Der amerikanische Westen war immer, schon vor 200 Jahren, nicht so sehr eine geographische Größe, sondern vielmehr ein Lebensgefühl, ein geistiger Zustand, ein soziales Phänomen – immer ein Faktor zwischen Realität und Illusion.

Spät erforscht und dann stürmisch in Besitz genommen, regte er schon im 18. und 19. Jahrhundert die Phantasie nicht nur der Amerikaner, sondern auch der restlichen Welt an. Daran hat sich – wenn auch unter anderen Blickwinkeln – nichts geändert.

Der amerikanische Westen galt – und gilt in gewissem Maße noch heute – als ein Land der Verheißung; „the Promised Land“, wie schon im 19. Jahrhundert gesagt wurde. Im Westen scheint der Himmel größer und näher. Der Blick schweift weit. Der Mensch bekommt das Gefühl, dass es keine Grenzen mehr gibt. Von diesem Land geht eine inspirative Kraft aus, die damals wie heute Energien freisetzt, aber auch Verlockungen, die teils Wunschdenken sind, teils Bedrohungen. Im Westen war Raum für jeden, nicht nur physisch, auch mental, der stark genug war, sich mit diesem Land zu messen. Jeder, der in direkten Kontakt mit dem Westen kam, veränderte sich. Entweder er wuchs aufgrund der Herausforderungen und Erfahrungen, die dieses Land für ihn bereithielt, oder er scheiterte gänzlich – ein Land der Extreme, das kaum einen Mittelweg zuließ. Auch die, die den Westen nie betraten, wurden von ihm beeinflusst, von den Geschichten und Bildern, die weltweit verbreitet wurden und Träume inspirierten, und von der Energie, die jene zurückfließen ließen, die hier lebten.

Das Charisma des amerikanischen Westens hatte Auswirkungen auf Europa. In dessen Enge und Beschränkung erschien dieses unendlich ausgedehnte Land mit seinen scheinbar grenzenlosen Freiheiten wie ein Paradies, und den Amerikanern der industrialisierten Zonen war der Westen immer eine Option für ein Leben in Unabhängigkeit.

Ein Mythos, aber unausrottbar – und warum auch? Ein Mythos, der so positiv ist, trägt dazu bei, Menschen zu motivieren und zu stärken.

Jene, die den Westen physisch erlebten, wussten es besser. Sie kannten seine Härten, seine Gnadenlosigkeit. Aber auch sie verfielen diesem Land und passten sich ihm an, wurden Teil seiner selbst, wurden von ihm geprägt – wurden zu „Westerners“, ein Begriff, der in Amerika noch immer Respekt, ja Bewunderung auslöst.

Der „Westerner“ selbst sieht sich als „der Amerikaner“ schlechthin; und auch der Rest der Nation neigt dazu, diese Ansicht zu akzeptieren. Dieser Menschenschlag wurde geformt von den unwiderstehlichen Einflüssen seines Lebensraums, und er verbreitet eine besondere Aura um sich.

Der Amerikaner sieht sich noch heute gern als Pionier oder zumindest in den Fußstapfen seiner Vorväter, die Pioniere waren. Wer in den Westen geht, dem haftet dieser Pioniergeist nach wie vor an. Es handelt sich um ein schwer zu definierendes Gefühl, eine Sichtweise, die nicht rational begründet werden kann. Und wenn schon im 19. Jahrhundert mit wohligem Schauer über den „Wilden Westen“ gelesen und geredet wurde, so ist diese Ansicht bis heute mit einer Nostalgie versehen, die die Seele wärmt und eine wohlige Spannung erzeugt; denn der Begriff „Wilder Westen“ löst nach wie vor den Geschmack von Abenteuer, Freiheit und Romantik aus.

Der „Wilde Westen“ ist ein aktuelles Klischee, ein Bild Amerikas, das immer wieder aufgegriffen wird, wenn die Vereinigten Staaten sich in den Augen der Welt unangemessen verhalten. Es löst bestimmte Assoziationen aus und hat politische und militärische Bezüge.

Aber der „Wilde Westen“ ist auch ein historisches Klischee, das für Faustrecht, Gesetzlosigkeit und Gewalt steht, für ein raues Land, in dem der Starke überlebte, der Schwache unterging.

Weltweit verbreitet wurden diese Vorstellungen von der populärsten Filmgattung, die Hollywood bis in die 1970er Jahre produzierte, dem Western. Der Westernfilm zehrte von den historischen Fragmenten, die diese Ansichten zu bestätigen schienen; denn der Begriff „Wilder Westen“ ist nicht etwa in Europa geprägt worden, er stammt aus Amerika selbst. Schon im 19. Jahrhundert schauten die Amerikaner im urbanen Osten des Landes westwärts zum Missouri und zu den Rocky Mountains und verschlangen begierig die Berichte in den illustrierten Zeitungen über Kämpfe mit Indianern, Revolvergefechte, Weidekriege zwischen Ranchern und Heimstättensiedlern, über den großen Eisenbahnbau und den Pony Express. Der Westen war ein Land der Herausforderung und der Bewährung, in dem der Mensch sich ohne zu viele behördliche Auflagen und Vorschriften bis an seine Grenzen verwirklichen konnte. Vom Westen träumten zuerst die Amerikaner und später die Europäer. Und noch bevor die ersten Filme über die Leinwand flimmerten, bereiste ein echter Mann aus dem Westen, Buffalo Bill Cody, die Welt mit seiner Show und zementierte die farbigen, wildromantischen Bilder, die bis zum heutigen Tag die Vorstellungen von Amerika beeinflussen.

In jedem Klischee steckt ein Körnchen Wahrheit. Falsch ist: Der Westen war nicht leer und unbesiedelt. Es gab Hunderte von Indianervölkern, die hier ihre Heimat hatten. Richtig ist: Der Westen war „wild“. Die Lebenskonditionen waren weit entfernt von der abendländischen Zivilisationsform. Die geographischen und klimatischen Verhältnisse waren in weiten Gebieten menschenfeindlich.

Der große amerikanische Historiker Fredrick Jackson Turner bezeichnete die „Frontier“ – jene Region, die sich am Rande der Besiedelung zur Wildnis befand – als die Basis des amerikanischen Nationalgefühls und charakterbildend für den Amerikaner. Seine Thesen sind im Zuge der „political correctness“ in den letzten Jahren in Frage gestellt worden. Aber seine Grundüberlegungen sind von zwingender Logik und bis heute in der amerikanischen Gesellschaft zu beobachten.

Eine der essenziellen menschlichen Eigenschaften ist der Überlebenswille, der den Menschen immer wieder dazu bringt, sich den unterschiedlichsten Bedingungen seines jeweiligen Lebensraums anzupassen. Es mag durchaus sein, dass viele Menschen, die in den amerikanischen Westen zogen, schon von Grund auf besondere Fähigkeiten hatten, unternehmungslustiger, risikofreudiger und ehrgeiziger waren als andere und um jeden Preis etwas erreichen wollten. Aber ihre eigentliche Prägung erhielten sie erst hier. Hier im Westen mussten sie sich bewähren, mussten sie beweisen, dass sie imstande waren, etwas aufzubauen, zu gestalten. Sie mussten Ausdauer zeigen, Zähigkeit, Stärke, Stehvermögen, Talent zum Improvisieren. Hier entwickelten sie die Eigenschaften, die sie ihren Kindern und Kindeskindern vererbten und die bis heute den typischen „Westerner“ ausmachen, der den Amerikanern aus anderen Gebieten der USA noch immer so eindrucksvoll erscheint, häufig aber auch nicht ganz geheuer ist.

Die Palette der Charaktere, die den amerikanischen Westen eroberten und deren Tun und Lassen das Panorama eines außergewöhnlichen Landes formten, ist vielfältig. Neben den Planwagenpionieren, die monatelang durch endlose Prärien zogen, einer feindlichen Natur und feindlichen Menschen trotzten, um ein Gebiet zu finden, in dem sie neuen Siedlungsraum schaffen konnten, standen Cowboys, die zu Ikonen verklärten, obwohl sie niemals etwas aufbauten, nichts von bedeutendem Bestand hinterließen, aber mit ihrer Lebensform einen einzigartigen Mythos schufen, gleich den Mountain Men, die die Pfade durch die Wildnis fanden, denen die späteren Kolonisten folgten, und die den Westen für den ersten bedeutenden Wirtschaftsfaktor der Neuen Welt, den Pelzhandel, öffneten.

Neben chinesischen und irischen Eisenbahnarbeitern, die den Kontinent erstmals verkehrsmäßig einigten, standen die Goldsucher, die auszogen, den Reichtum des Landes zu plündern, und die letztlich die Grundlage für die Gründung von Städten und die Urbanisierung von ganzen Landstrichen in die Wege leiteten.

Heimstättensiedler kämpften um ein Stückchen Land, um ihren Familien eine Existenz zu schaffen, während Großrancher wie Fürsten die vermeintlich freie Weide verteidigten. Neben den Raubrittern des Dollars nutzten Männer mit desperatem Charakter die rechtsfreien Räume, ließen zeitweilig das Faustrecht zum allgemeinen Gesetz werden – und trugen zum gewalttätigen Bild des Westens bei.

Prägnant und eindringlich hat der Historiker Kent Ladd Steckmesser die Ausstrahlung von Männern wie Wyatt Earp, Doc Holiday, Pat Garrett oder Wild Bill Hickok analysiert: „Die [Western]Helden personifizieren Charakterzüge, die die Amerikaner immer bewundert haben: Mut, Selbstvertrauen und physische Kraft nehmen einen hohen Rang in der Bewertung ein. Diese Eigenschaften erscheinen in einer gefestigten, industrialisierten Gesellschaft anachronistisch. Tatsächlich scheinen viele dieser heroischen Züge mit sentimentalen, nostalgischen Vorstellungen über die Freiheit der untergegangenen Frontier verbunden zu sein. Im Allgemeinen erzeugt der Westen romantische und sentimentale Gefühle. Die Eroberung der Wildnis, von Boones Kentucky bis Custers Montana, hat die Amerikaner stets angezogen und inspiriert. Die übermenschliche Gestalt des legendären Helden hebt sich stolz vor diesem pittoresken Hintergrund ab und repräsentiert das immerwährende Drama vom Menschen im Widerstreit mit dem Unbekannten.

Aber die Grundausstrahlung der legendären Helden ist, dass sie dem Guten verpflichtet sind. Sie dienen der Wahrheit und Gerechtigkeit, verteidigen die Schwachen und Unterdrückten. Sie sind Darsteller der großen Allegorie vom Guten gegen das Böse, einer Allegorie, die tief in der amerikanischen Geschichte wurzelt … Denn die Amerikaner haben sich generell selbst in einer idealistischen Rolle gesehen. Sie wollten sich mit dieser heroischen Darstellung ihres nationalen Charakters identifizieren.“ (Steckmesser, Kent Ladd, The Western Hero, 1967: 255)

Hier beginnt schon wieder die Verklärung des Westens; denn natürlich waren diese Helden amerikanischer Folklore nicht „gut“. Sie folgten keinen Visionen oder hatten gesellschaftliche Ziele zum Vorteil der Allgemeinheit. Sie waren Egoisten, die mit scharfem Blick die Möglichkeiten erkannten, die sich in einem großen, ungeordneten Land boten, und rücksichtslos gedachten, diese Chancen wahrzunehmen – mit allen Mitteln. Gewalt war dabei in dieser Zeit immer eine Option.