Impressum

Vollständige eBook-Ausgabe des bei Möllers & Bellinghausen Verlag GmbH (Quinto) 2007 erschienenen Werkes mit der ISBN 978-3-89835-846-0
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Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.

© eBook: Quinto, Möllers & Bellinghausen Verlag GmbH, München 2015

Text: Martin Baltscheit, Illustrationen: Ulf K.

Layout: Eva Tillmann
eISBN: 978-3-89835-459-2

www.quinto-verlag.de

Inhalt

Das Bücheressen

Die Verwandlung

Der Schneemann

Das Geschenk

Die Einladung

Das neue Jahr

Schnee von Gestern

Der Eisberg

Martin Baltscheit

Ulf. K

Weitere eBooks mit Herrn Paul

„Ich muss mich zügeln“, sagte er zu sich, „vielleicht eine Diät?“ Der kleine Herr Paul brauchte etwas leichtes und griff zu einem schmalen Lyrikband. Ein Liebesgedicht, ganz roh in den Mund. Das Gedicht ging so:

Allerliebste Kunigunde
ich vermisse dich so sehr
tausendmal in einer Stunde
fällt die Einsamkeit mir schwer
deine Küsse Kunigunde
ach, sie sind so lange her
und die liebste Liebeskunde
wär, du kämest wieder her.

Der kleine Herr Paul saß in seinem Sessel. Kunigunde, ging es ihm durch den Kopf, Warum hast du mich verlassen? Warum hast du … er konnte nicht weiter sprechen, die Stimme versagte ihren Dienst. Kunigunde, stammelte er nur noch und wusste gar nicht warum. Kunigunde! Wo bist du? Kurz war das Gedicht, doch lang seine Wirkung. Hinter den Worten versteckten sich neue Worte und der kleine Herr Paul drohte sich darin zu verlaufen. Kunigunde! Ach du Runde! Herzenswunde! Komm zurück!

In den folgenden Tagen litt er abwechselnd unter der Trennung von Kunigunde, Julia, Effi, Anna, Lisa und Esra.

Aber irgendwann war auch die Lyrik gegessen und alle anderen Bücher verschlungen, übrig blieben nur noch Zeitungen. Die taugten kaum als Imbiss. Am schlimmsten waren die Illustrierten, völlig geschmacklos.

Die große Bibliothek des kleinen Herrn Paul war jetzt nur noch ein staubiger Raum mit kalter Luft. Der kleine Herr Paul saß vor einem Notizblock. Eine schreckliche Leere breitete sich in ihm aus, als er ein leeres Blatt hinunterschluckte, und kalt wurde ihm außerdem. Hatte sich der Schnee auch hier über das Papier gelegt und alle Buchstaben unter sich begraben?

Der kleine Herr Paul suchte nach einem Stift. Er wollte etwas ausprobieren, wollte ein Blat­t beschriften, wollte schreiben, um zu überleben, etwas Nahr­haftes aufs Papier bringen. Eine kleine Geschichte, lecker und köstlich, etwas, das ihn für alle Zeiten satt machen würde. Er nahm seinen blauen Lieblingsfüller, legte den Block auf den Tisch und begann …

Drei Wochen vergingen und Paul bereitete sich auf seine Verwandlung vor. Dass Mädchen oft dieselben Sachen anhatten wie Jungen, beruhigte ihn, und in Piratenfilmen trugen Männer auch immer Blusen und Ohrringe. Dann überlegte er, wie die Verwandlung im Einzelnen vor sich gehen würde. Käme eine Fee durch das Fenster und würde singen?

Ich flog übers Land, ich flog übers Meer,
dann kam ich in dieses Städtchen,
jetzt steht dieser kleine Junge vor mir
und wird ab heute ein Mädchen.

Sie hebt ihren Zauberstab und Zupp!

Zupp?

Wuchsen ihm Brüste? Verschwand, was seine Mutter das unvermeidliche Ding nannte, und über das sein Vater, nur wenn er schon groß war, reden wollte? Was passierte mit dem Ding, dem Zumpf und Spatzi, der Spitz und Zwölfernuss? Wo ging es hin? Und was kam an seine Stelle? Was machte ein Mädchen zu einem Mädchen? Der kleine Paul wusste es nicht und fürchtete sich davor. Vielleicht konnte er ihn ja auch behalten, den Dong! Er lief in den Garten, um zu schaukeln. Schaukeln erfrischte den Verstand, da konnte ein Kind alle Sorgen vergessen. Es war Astronaut, Pilot oder umrundete als Satellit die Erde. Da oben war kein Platz für komplizierte Gedanken. Zum Beispiel der: Wie schaukelt es sich eigentlich im Rock?

Der Weihnachtsabend kam und Pauls Eltern läuteten die Glocke. Damit riefen sie ihren Sohn ins Wohnzimmer. Der kleine Paul brauchte länger als gewöhnlich und seine Mutter wollte schon nach ihm sehen, da öffnete sich die Tür und er trat ein. Er trug ein Kleid. Sein Vater erkannte den Vorhang aus der Küche, die Mutter die weiße Bluse, die sie am Morgen noch gebügelt hatte. Paul trug auch Schmuck und war geschminkt. Ganz gut sogar, nur die Wangen waren zu bordeaux.

Bärenaufbinder