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Jenseits von Ninive


Jenseits von Ninive


1. Auflage

von: Renate Krüger

7,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 01.07.2014
ISBN/EAN: 9783863943202
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 185

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Ein Mann mit dem bei uns nicht üblichen Vornamen Jonas erkrankt. Er wird in ein Sanatorium geschickt. Der Mann mit dem ungarischen Namen Jonás Molnár stirbt an Krebs. Zu seiner Hinterlassenschaft gehört ein Umschlag mit beschriebenen Blättern. In ihnen hat er versucht, die Krankheit einzuordnen in sein Leben. Wie von selbst drängte sich ihm dabei die Jonas-Fabel auf. So identifiziert er sich denn mit jenem Mann, der dem Auftrag Gottes, in Ninive Buße zu predigen, zu entgehen sucht. Der Schreiber erfindet Figuren und gibt ihnen symbolische Namen:„Ember“ - Mensch, „Követ“ - Bote, „Honvágy“ - Heimweh.
Er siedelt eine Stadt Ninive in unserer Zeit an, er lässt diese Stadt bevölkert und von kriegerischem Geist beherrscht sein. Sich selbst gibt er den Auftrag, wider diesen Geist anzufechten. Doch es geht nicht allein um den Mann, der sein Leben zu erkennen sucht.
Zwischen ihm und dem Ninive-Jonas steht Krisztina, seine Frau. So ist das Bild des Mannes, der nach Ninive beordert wird, eine Deutung, die Jonás Molnár für sich findet und an seine Frau weitergibt, weil Ehe unter anderem auch beinhaltet: „Wo ich bin, da sollst auch du sein und was mir gehört, das soll auch dir gehören ...“
So ist das, was Molnár tut, in gewissem Sinn eine Standortbestimmung und eine Bestandsaufnahme, der mehr oder weniger mühsame Versuch, durch die vielen Ablagerungen und Schichten des „Alltags“ hindurch zu dem vorzudringen, was man „sein Leben“ nennen kann.
Die ganze „Reise nach Ninive“ wäre jedoch unsinnig, wenn nicht zu offensichtlich „ein Draht spürbar wäre, an dem gezogen wird“. Da ist plötzlich nichts mehr lächerlich, da hört jeder Spaß auf: denn es gibt Wege genug, um einen Menschen nach Ninive zu führen - nach seinem Ninive. an den Ort seiner Bestimmung. An jeder Ecke, hinter jedem Mauervorsprung, in allem was auf uns zukommt, kann die Reise in unser Ninive beginnen, kann der zaghafte Ansatz zu einem ganzen Leben enthalten sein. So entsteht ein wunderbares Geschehen, das nicht anders sichtbar wird, als dass man es in ein Bild fasst und dadurch erkennbar werden lässt.
Krisztina, die Frau, die den fiktiven Lebensbericht ihres Mannes liest, lernt verstehen, dass das Leben trotz des vorhandenen Grabes weitergeht, und trotz des vielen Unverständlichen, das aus den Zeilen sprach, stellt sie fest: „... sie würde wieder Ja zu Jonas sagen, und es komme ihr vor, als begänne jetzt erst eigentlich die Ehe ...“

INHALT:
KARFREITAG
TRAVEL TO NINIVE!
KARSAMSTAG
OSTERN
KARFREITAG
TRAVEL TO NINIVE!
KARSAMSTAG
OSTERN
Geboren 1934 in Spremberg/Niederlausitz. Seit 1939 in Schwerin ansässig.
Studium der Kunstgeschichte und klassischen Archäologie in Rostock.
Tätigkeit am Staatlichen Museum Schwerin. 1965 Verlust des Arbeitsplatzes aus politischen Gründen, seither freiberuflich als Publizistin und Schriftstellerin tätig:
Sachbücher (Die Kunst der Synagoge 1966, Das Zeitalter der Empfindsamkeit 1972, Biedermeier 1979, Spurensuche in Mecklenburg 1999, Aufbruch aus Mecklenburg. Die Welt der Gertrud von le Fort, 2000),
Belletristik (Licht auf dunklem Grund, Rembrandt-Roman, 1967, Der Tanz von Avignon, Holbein-Roman 1969, Saat und Ernte des Joseph Fabisiak, 1969, Nürnberger Tand 1974, Malt, Hände, malt, Cranach-Roman 1975, Jenseits von Ninive, 1975, Aus Morgen und Abend der Tag, Runge-Roman, 1977, Wolfgang Amadés Erben, 1979, Türme am Horizont, Notke-Roman 1982, Die stumme Braut, 2001, Paradiesgärtlein, 2008),
Jugendbücher (Geisterstunde in Sanssouci, Menzel-Erzählung 1980, Das Männleinlaufen, Alt-Nürnberger Geschichte 1983, Des Königs Musikant, Erzählung über Carl Philipp Emanuel Bach 1985).
Nach 1989 Mitarbeit am Aufbau der parlamentarischen Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern, Archivarbeiten.
Nach einigen Tagen fuhr ich nach Budapest zurück. Während ich durch die regennassen Straßen schlenderte, und mich fürchtete, auch hier dem Wort Ninive zu begegnen, fiel mir Teri ein. Ich könnte wieder einmal zu ihr gehen, zu ihr, nicht zu meiner Frau. Ich wohnte nämlich gar nicht zu Hause. Ich hatte Geld und konnte ein komfortables Hotelzimmer bezahlen, mit Telefon und Fernsehapparat. Doch vor beidem fürchtete ich mich. Also zu Teri.
Kaum hatte ich diesen Gedanken gefasst, fand ich mich auch schon auf dem Wege zu ihr. Ich fuhr einige Stationen mit der Straßenbahn, bog in die wohlbekannte Straße ein, zögerte einen Augenblick vor ihrer Haustür, stieg durch das dunkle schmutzige Treppenhaus, Teris Name stand noch an der Tür. Ich klingelte und musste warten. Natürlich, bei Teri musste man immer warten. Endlich näherten sich Schritte. Die Tür wurde geöffnet, und auf der Schwelle stand Teri in ihrem seidenen, nicht mehr ganz neuen Morgenmantel. Es war später Nachmittag, aber Teri trug zu Hause fast immer diesen Morgenmantel.
Erstaunt musterte sie mich von Kopf bis Fuß und fragte: „Du bist noch immer hier?“
Kein Wort über unsere lange Trennung, kein saloppes „Na, da bist du ja wieder!“, sondern die fast vorwurfsvolle Frage: „Du bist noch immer hier?“
„Wieso?“, gab ich zurück. „Was heißt hier ,noch‘? Wo sollte ich denn sonst sein?“
„In Ninive!“, antwortete sie prompt und sicher. „Jemand hat mir erzählt, du seiest nach Ninive gefahren, du hättest einen tollen Job erhalten, Ausgrabungen und so. Fällt der Flug wegen Nebel aus?“
„Ninive, immer nur Ninive! Wer hat sich bloß diesen Quatsch ausgedacht! Lass mich ein, ich hab’s satt!“
Auf Teris Sofa lagen die Kissen unordentlich herum wie immer. Ich ließ mich auf das Sofa fallen und sagte: „Das mit den Ausgrabungen stimmt. Aber doch nicht in Ninive. Da hat sich wohl jemand einen Spaß erlaubt.“
Teri sagte nur: „So?“
Und nach einer Pause: „Wirst du heute wieder dumme Schallplatten spielen? Oder hast du noch genug vom letzten Mal?“
„Was für Schallplatten?“, fragte ich zurück. „Ich erinnere mich an keine Schallplatten.“
Dann sah ich mich im Zimmer um.
„Hübsch hast du es hier.“
Das stimmte zwar nicht, aber ich wollte, dass es wahr wäre. „Kann ich nicht ein bisschen bei dir wohnen?“
„Du bist wohl noch verrückter geworden als du sonst schon warst? Du geh mal in dein komisches Ninive. Und lass mich in Ruhe.“
„Schon wieder Ninive! Dabei habe ich dir doch gesagt, dass das ein Irrtum ist!“
„Mir ist das ganz egal, wie diese Stadt heißt. Alle Städte sind gleich. Lass mich in Ruhe. Und jetzt muss ich saubermachen. Du störst nicht. Bleibe ruhig auf dem Sofa liegen, nimm aber die Beine hoch.“
Sie holte ihren Staubsauger, ließ ihn heulen, lauter als sonst. Heute störte es mich nicht. Sie arbeitete sich mit dem Staubsauger durch das Zimmer und sang dazu. Was? Ich mag es nicht noch einmal aufschreiben. Sie sang falsch wie immer, aber auch das störte mich nicht. Endlich war sie fertig, und der Staubsauger verstummte. Dann holte sie ihre Schreibmaschine und stellte sie auf den Tisch.
„Ich muss jetzt an meine Freundin schreiben“, sagte Teri. „Aber du kannst ruhig hierbleiben. Wenn du still bist, störst du nicht. Für mich bist du dann einfach nicht da.“
Die Schreibmaschine begann zu klappern, lauter als sonst. Aber auch das störte mich heute nicht. Auf einmal hielt sie inne. „Ach weißt du“, sagte Teri leise, „es könnte so schön sein, wenn das alles hier anders wäre. Wenn es jemanden gäbe, der wirklich ganz für mich da ist. Ohne den ich nicht leben kann. Jemand, der Pläne mit mir macht und mich doch in Ruhe lässt. Der nicht dauernd drängt und stört. Weißt du, das wäre doch ganz schön.“
Ich schwieg. Nach einiger Zeit erhob ich mich und sagte: „Ich muss jetzt gehen.“
„Gehen? Wohin gehst du eigentlich? Zu Krisztina?“
„Nein“, sagte ich, „ins Hotel.“

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