Details

Küchengespräche mit Frau L.


Küchengespräche mit Frau L.

Porträts und Geschichten
1. Auflage

von: Elisabeth Schulz-Semrau

7,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 18.07.2014
ISBN/EAN: 9783863947095
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 276

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Ich bin heute fix und alle - ein türkischer Kaffee, und schon wird die große - kleine Welt lebendig in den Küchengesprächen mit Frau L., die ihre vier Kinder allein großzieht.
Wie überlebte Trude R. zwanzig Jahre Lagerzeit und Verbannung?
Warum will die Fürsorgestelle der minderjährigen Ines das Kind absprechen?
Was geschieht, wenn Gerda, das Nuschtchen, Ziehschwester und Dienstmagd der Königsberger Zeit, plötzlich wieder mit ihrem Pappkoffer in der Tür steht?
Eine lange gedemütigte Ehefrau ersinnt eine heilsame Kur für ihren pflegebedürftigen Ehemann ... Mit Wärme, Anteilnahme und Witz erzählt Elisabeth Schulz- Semrau von tapferen Leuten, denen sie begegnete.
Im wörtlichen Sinn zwischen Tür und Angel frage ich sie: Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich über Sie schreibe? Mit dieser Unbedenklichkeitsgeste, die ein Charakteristikum ihres Wesens ist, wirft sie den Kopf hoch, leicht rechts, schüttelt ihn kurz, wobei sie die Unterlippe ein wenig über die obere schiebt, am Kinn bilden sich Grübchen, die Nase gerät in der Bewegung schmaler, sie sagt: Können Sie ruhig. Mich kennt ja doch keiner ...
LESEPROBE:
Aber jetzt las sie endlich. Und wir saßen ohne persönliche Einladung in der zweiten Reihe sogar; wir waren einfach, als die hochgeschlossene Chefredakteurin sich um sie mühte, hineingeschlüpft, so ganz selbstverständlich tuend, zwischen all den festlich gekleideten Kulturschaffenden. Dabei waren gar nicht alle gekommen, diese Kultur- - ach, ich habe keine Lust, das Wort ärgerte mich seit ’ner halben Stunde, in der wir vergeblich versucht hatten, in den Saal dieses Barockschlösschens hineinzugelangen.
Sie las die Geschichte dieses Diplom-Ingenieurs, den wir schon im ersten Band kennengelernt hatten. Seine Frau war nicht mit zu uns gekommen, obwohl sie ihn liebte, er sie liebte. Einige Male war er in den kleinen Ort am Rhein gefahren, den die Schriftstellerin sicher selbst gut kannte, sie war ja aus der Gegend, immer aber ohne sie in das große Werk zurückgefahren, das er nach dem Krieg mit aufbaute. Und als sie sich endlich entschloss, sein Kind bei ihm, bei uns zu erwarten, war es zu spät, starb sie.
Warum ließ sie seine Frau sterben? Nun hätten sie doch endlich leben, miteinander, füreinander leben können. Dazu brauchte sie doch nicht herüberzukommen, wäre sie dann schon lieber dageblieben, auch wenn’s Westen ist, aber sterben? - Im Leben gibt’s oft so uneingeplante Dinge, die schmerzen oder ärgern.

Gerda, das Nuschtchen
The russians are not bad
Onkel Alfred
Alle meine Schüler ...
Paul
Anna Seghers liest
»... Sie sind vergüteter Stahl ...«
Der Partisan
Sonntagsfahrten
Das Lächeln vom Plakat
Küchengespräche mit Frau L.
Nur eine wahre Geschichte
Dorchen Schillings Opfergang
Am 14.7.1931 als Tochter eines Beamten im ehemaligen Königsberg/Preußen (heute Kaliningrad) geboren. Mädchenname: Elisabeth Appe.
Vier Jahre konfessionelle Grundschule, drei Jahre Lyzeum. 1945 Flucht in die Altmark, Tangermünde. Oberschule ohne Abschluss.
1948 bis 1949 Lehrerbildungsinstitut, ab November 1949 Lehrerin.
Fernstudium für 1. und 2. Lehrerprüfung, Fernstudium an der Pädagogischen Hochschule Potsdam.
Bis Ende August 1967 Lehrerin in Rangsdorf bei Berlin. Während dieser Zeit Gedichte geschrieben.
Von 1967-1970 Studium am Institut für Literatur Johannes R. Becher in Leipzig. Zwei Jahre freischaffend, danach 14 Jahre Lehrtätigkeit im Fach Prosa (bei Fernstudenten) an diesem Institut, zuletzt als Dozentin.
Von 1986-1990 für vier Jahre vom Hochschuldienst beurlaubt, in dieser Zeit freischaffend.
Verwitwet, zwei Söhne.
Wohnhaft in Leipzig, Berlin, Rangsdorf, jetzt wieder Berlin.
Auszeichnungen:
Förderpreis des Mitteldeutschen Verlages
Kunstpreis der Stadt Leipzig.
Liste der künstlerischen Arbeiten
Bibliografie (Romane):
Jedes Leben hat auch seine Zeit, Mitteldeutscher Verlag Halle 1974
Ausstellung einer Prinzessin, Mitteldeutscher Verlag Halle 1977
Axel und der Maler Sim, Kinderbuchverlag Berlin 1979
Die Beurteilung, Mitteldeutscher Verlag Halle 1981
Suche nach Karalautschi/Report einer Kindheit, Mitteldeutscher Verlag Halle 1984
Liane und ihr Baby, Kinderbuchverlag Berlin 1988
Küchengespräche mit Frau L. (Portraits und Geschichten), Mitteldeutscher Verlag Halle 1989
Drei Kastanien aus Königsberg, Mitteldeutscher Verlag Halle 1990
Wer gibt uns unsere Träume zurück, Langen Müller Verlag, München 1995
Im Mantel von Allerleirauh, BS Verlag Rostock 1995
Gerda, das Nuschtchen. Drei Erzählungen zwischen Königsberg und Tangermünde, OsirisDruck, Leipzig 2007
Elchritter. Fast ein Märchen aus vergangenen Tagen, OsirisDruck, Leipzig 2008
Aber jetzt las sie endlich. Und wir saßen ohne persönliche Einladung in der zweiten Reihe sogar; wir waren einfach, als die hochgeschlossene Chefredakteurin sich um sie mühte, hineingeschlüpft, so ganz selbstverständlich tuend, zwischen all den festlich gekleideten Kulturschaffenden. Dabei waren gar nicht alle gekommen, diese Kultur- - ach, ich habe keine Lust, das Wort ärgerte mich seit ’ner halben Stunde, in der wir vergeblich versucht hatten, in den Saal dieses Barockschlösschens hineinzugelangen.
Sie las die Geschichte dieses Diplom-Ingenieurs, den wir schon im ersten Band kennengelernt hatten. Seine Frau war nicht mit zu uns gekommen, obwohl sie ihn liebte, er sie liebte. Einige Male war er in den kleinen Ort am Rhein gefahren, den die Schriftstellerin sicher selbst gut kannte, sie war ja aus der Gegend, immer aber ohne sie in das große Werk zurückgefahren, das er nach dem Krieg mit aufbaute. Und als sie sich endlich entschloss, sein Kind bei ihm, bei uns zu erwarten, war es zu spät, starb sie.
Warum ließ sie seine Frau sterben? Nun hätten sie doch endlich leben, miteinander, füreinander leben können. Dazu brauchte sie doch nicht herüberzukommen, wäre sie dann schon lieber dageblieben, auch wenn’s Westen ist, aber sterben? - Im Leben gibt’s oft so uneingeplante Dinge, die schmerzen oder ärgern. Nein, schon richtig, ein Patentschluss wäre unglaubwürdig, zu rosig.
Ihre Stimme ging über die Sätze hin, wie man unermüdlich, unaufhaltsam Wege geht, Landstraßen, Waldwege, Feldwege, Grenzwege, Landstraßen und wieder Landstraßen, manchmal müde, stockend, sich weiterschleppend, aber bis ans Ende, immer bis zum Ziel.
Es war auch etwas von Zügen in der Stimme, irgendwie fahrende Züge, die sich monoton in die Eisenbahnschwellen hineinbeißen, nocheinstück, nocheinstück, nocheinstück, an den Haltestellen da waren die Manuskriptblätter zusammengeheftet; vielleicht machte man es so als Schriftsteller, ein Kapitel fertig, zusammenstecken, vielleicht hatte sie es aber auch zum Zwecke der heutigen Lesung zu Hause vorbereitet, es mit unsicheren Händen auswählend, zusammenlegend.
Alles war irgendwie zerbrechlich an ihr. Als sie sich nach ihrem Eintritt vorhin in der erleuchteten Vorhalle zurechtgefunden hatte, machte sie mit dem linken Fuß ein paar Schrittchen unsicher zur Seite, dabei fiel die linke Schulter hilflos vor, wie ein verwundeter Flügel, der sich nicht mehr richtig dirigieren ließ, und als sie dann noch fragte: »Was soll ich nun tun«, so wie: »was erwartet ihr jetzt von mir, wie muss ich mich nun für euch bewegen«, war mir, als hätte niemand mehr das Recht, sie zu beanspruchen, sie um etwas zu bitten. Die sollten sie zufriedenlassen, sie ganz vorsichtig behandeln, sie hatte doch ihren Teil wirklich und lange übererfüllt. Tapfer habe ich gelebt, habe den Himmel gesehen, den nimmer ihr sehen könnt ...
Nein, »habe ich gelebt« stimmt nicht, darf nicht stimmen, und überhaupt hatte ich ja auch darauf gewartet, die Minuten zählend, trotz der missbilligenden Blicke der zwei Verlagsengel vom Dienst auf meine wenig feierliche Kleidung hatte ich gewartet, dass ich auch ohne Einladung ihr zuhören dürfte.
Der Ingenieur war jetzt noch einmal in die Stadt zurückgekehrt, wo seine Frau zuletzt gewesen war. Er suchte ihre Wirtin auf, sie gab ihm ein blau verwaschenes Kleid seiner Frau, es hatte damals noch auf der Leine gehangen, als sie sich kurz entschlossen zu ihm aufgemacht hatte.
Warum quält man sich selbst so, geht und wühlt in Erinnerungen, die Vergangenes nie wiedergeben können? Kleine durchsichtige Seifenblasen, deren Zerplatzen lauter leere Löcher zurücklässt. Quatsch, dann müsste einem das Innere ja völlig zerlöchert sein. Ist es vielleicht auch, so unter der Haut, wer kann’s sehen? Drüber glatte oder weniger glatte Haut, Lachen, »sie ist doch immer fröhlich«, sagen die Leute, »die kann nichts umwerfen«. Wie gut sie das wissen, die wissen alles.

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