Manuela Maer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Blaue Libellen und
grüne Heuschrecken

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Twilight-Line Verlag GbR

Obertor 4

D-98634 Wasungen

Deutschland

 

www.twilightline.com

www.buch-wasungen.de

 

1. Auflage, August 2014
ISBN eBook: 978-3-944315-18-8
ISBN der Printausgabe: 978-3-944315-12-6

 

© 2014 Twilight-Line Verlag GbR

Alle Rechte vorbehalten.

 

 

 

 

 

 

 

 

Gib dich hin ...

... und flieg durch die Lüfte,

lass dich tragen,

in Ruhe und Unruhe zugleich,

genieße die Wellen der Winde innig,

die mal heftig, mal ruhig die Welt bewegen.

Sieh die Farben der Blumen, der Bäume und Tiere,

nimm wahr die Schönheit und sei sie noch so grau.

Schau hinauf in den Himmel und spüre die Wärme,

diese Wärme erfüllt deinen Körper,

durchdringt deine Seele,

wenn du es zulässt.

Nimm dein Leben unverändert,

oder ändere es, um diese Dinge zu erleben.

Hadere nicht mit dir,

mit deinen Unzulänglichkeiten.

Es kostet dich mehr Energie dich zu wehren,

wie sie als Geschenk zu betrachten

und anzunehmen.

 

Manuela Maer

 

 

 

 

Für meine Freundin Angela

 

 

Inhalt

 

Der Anfang

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Nicht das Ende

Meine Oase

 

Der Anfang

 

Das dritte Mal heute schon. Ich nestle ein Aspirin hervor und werfe es in mein Wasserglas. Ein schmerzverzerrter Blick auf die Uhr, noch zwei Stunden. Das werd ich wohl noch schaffen. Diese Schmerzen. Diese unsäglichen Kopfschmerzen, die zeitweise so stark sind, dass ich fast glaube, dass mir übel davon wird. Nichtsdestotrotz kann ich nicht einfach zu Hause bleiben. Schließlich habe ich den Job erst seit kurzem. Er macht Spaß. Strengt an. Bin im Innersten davon überzeugt, dass ich mich erkältet habe. Diesen Druck im Kopf spüre ich zwar schon länger, jedoch sind diese Schmerzen noch nicht lange so stark. Tief schnaufe ich durch. Ich weiß, dass das Aspirin nur für kurze Zeit wirkt.

Das Telefon läutet. Georg, mein Kollege geht dran. Er klingt wie immer freundlich am Telefon. Nimmt die Zimmerbuchung entgegen und trägt es gleich in den Computer ein.

Mit einem Mal verschwimmt alles vor mir. Ich halte mich am Tresen fest. Hier, hinter der Rezeption ist genug Platz. Umfallen stellt also kein Problem dar.

»Eva, alles in Ordnung?«

»Nicht ganz. Mir ist grad ein wenig schwindelig.«

»Ist ja auch kein Wunder. Du schonst dich ja kein bisschen. Du solltest weniger von diesem Zeug schlucken und einfach mal zwei Tage zu Hause bleiben und entspannen.«

»Keine Zeit zu entspannen. Das kann ich machen, wenn ich mal alt bin.«

»Jetzt komm. Du machst deine Sache gut. Glaub mir.«

»Kein Problem, ist schon wieder weg.«

Gequält lächle ich Georg an. Er kennt mich noch nicht gut genug, als dass er merken könnte, wie schlecht es mir wirklich geht.

Bin heute trotz allem froh, wenn ich zuhause bin.

 

Hinter mir liegt eine unruhige Nacht. Am Morgen ist es mir so schlecht, dass ich mich erst einmal übergebe. Mein Kopf hämmert. Ausgerechnet heute, wo ich unserem Küchenchef Bruno versprochen hatte mit auf den Markt zu gehen.

Mein Telefon klingelt. Zittrig nehme ich ab.

»Hey Eva, ich bin’s, Elena. Pass auf, kannst du noch am Großmarkt vorbeifahren? Liegt doch auf deinem Weg. Die bestellten Kerzen waren heute in der Lieferung nicht dabei. Brauchen die doch für die angemeldete Geburtstagsfeier heute Nachmittag.«

»Mach ich. Kannst du Georg sagen, dass ich ein klein wenig später komme?«

»Mann, Eva ...! Wie hörst du dich denn an. Alles in Ordnung?«

»Wenn ich ehrlich sein soll, eher nicht. Mir ist schlecht und ich musste mich schon mehrmals übergeben.«

»Oh weh. Hast dir was eingefangen. Dann halte ich es für besser dass du heute zuhause bleibst.«

»Du hast wahrscheinlich Recht. Das ist sicher so ein Virus. Es geht mir schon seit ein paar Tagen nicht gut.«

»Hoffentlich hast du uns nicht angesteckt.«

»Danke, sehr mitfühlend.«

»Sorry, war nicht böse gemeint. Also du bleibst daheim. Ich komme in der Mittagspause vorbei. Dann kann ich die Kerzen nachher selbst holen.«

»Ok! Wie du meinst.«

»Ja das mein ich. Bis später, Eva.«

»Bis nachher, Elena.«

 

Schleppend schlurfe ich zurück in mein Schlafzimmer. Lege mich aufs Bett. Mein Kopf hämmert.

 

Aufdringliches Läuten dringt zu mir durch. Ich weiß im ersten Moment gar nicht, was los ist. Dann erinnere ich mich. Mir war schlecht. Elena.

Geschwind steh ich auf, schwanke kurz und öffne die Tür.

»Hi Eva.«

»Hi!«

»Na, geht‘s dir besser? Habe dir einen Streusel mitgebracht.«

»Oh, du bist ein Schatz!«

»Weiß ich doch.«

Wir sitzen in meiner Küche. Elena stellt Teller hin und ich mach Kaffee. Der Raum duftet nach Hefegebäck, fein.

»Es geht besser. Hat echt gut getan, mich nochmal hinzulegen. Vor allem, weil ich wegen der Kopfschmerzen fast die ganze Nacht nicht geschlafen habe.«

»Na siehst du. Wie lang hast du das jetzt schon?«

»Kann ich nicht genau sagen. Dieser Druck in meinem Kopf, den habe ich schon länger. Diese Schmerzen erst seit etwas über einer Woche. Sie sind stetig ärger geworden.«

Jetzt schaut sie mich kritisch an.

»Warst du beim Arzt?«

»Ach was. Ich renn doch nicht wegen so ein paar Kopfschmerzen gleich zum Arzt.«

»Was wenn du einen Zeckenbiss hattest oder sowas.«

»Hatte ich nicht.«

»Aber könnte doch. Manchmal merkt man das nicht.«

»An mich gehen keine Zecken.«

Elena lacht nicht. Sie ist ernsthaft besorgt, ich sehe es ihr an.

»So geht das nicht. Du machst erst mal einen Termin und lässt dich untersuchen. Vorher lass ich nicht zu, dass du wieder zur Arbeit gehst.«

Wenn Elena böse ist, zieht sie immer ihre Augenbrauen zusammen und ihre Stirn legt sich in gefährliche Falten. Dann weiß ich, dass es besser ist zu tun was sie sagt.

Ich bin froh, dass es Elena gibt.

 

 

Kapitel 1

 

Langsam schließe ich meine Augen. Ich spüre, wie die scharfe Medizin beginnt durch meine Venen zu fließen. Eine Wolldecke wird über mich gelegt, ohne dass ich dem zugestimmt habe. Die Schwester ist sehr freundlich und kümmert sich sehr liebevoll um mich. Sie tut es, ohne mir das Gefühl zu geben, dass sie Mitleid haben könnte. Sie tut es, weil sie aufgrund ihrer Ausbildung weiß, was ich durchmache. Was viele ihrer Patienten aushalten müssen und sie versucht ihr Möglichstes, uns dieses Leiden erträglicher zu gestalten. Sie heißt Iris.

Diese Diagnose, die mich von einem Tag zum anderen aus meinem Leben gerissen hat. Bösartiger Tumor im Gehirn. Größer als ein zwei Euro Stück, hatte man mir gesagt. So bekam ich zumindest eine leise Vorstellung davon, was da für ein Fremdkörper in meinem Kopf heranwuchs. Sie sagten nach vielen zermürbenden und anstrengenden Untersuchungen, dass er zu groß sei, um direkt zu operieren. Sie wollten versuchen ihn derart mit einer Chemotherapie zu bearbeiten, dass er hoffentlich schrumpfen würde. Er, ich nannte ihn mittlerweile Magnus, saß direkt neben dem Sehnerv, so dass ich nicht nur elende Kopfschmerzen hatte, sondern die Gefahr einer Erblindung bestand.

Also da sitze ich mit meinen gerade mal 27 Jahren. Hoffe dass die willentlich erlaubte Vergiftung meines Körpers dazu führt, dass Magnus eines Tages herausgenommen werden kann, ohne weitere Schäden zu hinterlassen.

Gemächlich tut sich ein Bild vor meinem Geiste auf. Ich sitze auf einer Holzbank, verwittert und dennoch gepflegt. Schaue auf einen großen Teich, der tief genug wäre, um darin zu schwimmen. Rechts von mir befindet sich das seichte Ufer, hoch bewachsen von zartem Schilfgras, welches sich im Wind hin und her wiegt. Dazwischen schlängeln Seerosen in weißem und rosafarbenem Blütenwerk. Dahlien, Rosen, Buchs und Efeu verschiedenster Art säumen den Kiesweg, der sich um den kleinen Miniatursee herum windet. Wenn ich ehrlich bin, kenne ich von den meisten Pflanzen, die sich hier angesiedelt haben, keinen Namen. Dennoch sitze ich hier, auf dieser Holzbank und betrachte deren Schönheit, die ohnegleichen hier seinen richtigen Platz gefunden hat. Nicht weit von mir entfernt beobachte ich einen kleinen Bach, der seinen Ursprung in einem schmalen Wasserfall findet. Ich vermute, dass das Wasser aus dem Teich dort hinaufgepumpt wird, um dann im natürlichen Lauf seinen Weg zurück in den Teich zu finden. In meinem Traum schließe ich die Augen, um dem gleichmäßigen Geräusch des plätschernden Wassers zu lauschen. So lange, bis ich das Gefühl bekomme, das mein linker Arm anfängt zu brennen. Es ist nicht wirklich ein echtes Brennen. Es kommt mir vor, als hätte mich eine Biene gestochen und an dieser Stelle wird es in dieser Sekunde heiß und kalt zugleich. Schnell schaue ich auf meinen Arm. Eine kleine Fliege krabbelt darauf herum. Ich verscheuche sie nicht. Mir ist bewusst, selbst im Traum, dass sie nicht die Ursache für dieses warme Gefühl ist. Amüsiert betrachte ich ihr munteres Treiben und lenke meine Gedanken von diesem Schmerz fort. Lasse meinen Blick aufmerksam über den Teich gleiten. Eine monströse Libelle fliegt hektisch über dem Wasser, hin und her zwischen den Schilfgräsern und immer wieder kurz die Oberfläche berührend. In Kreisen ziehen sich dadurch wiederholt kleine Wellen über die Wasseroberfläche. Mir wird kühl. Schnell schließe ich in meinem Traum die Augen und öffne sie in der Wirklichkeit.