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Rosemarie Zehetgruber

Praxishandbuch

NATÜRLICH
KONSERVIEREN

Vorrat aus Gemüse, Obst und Kräutern
das ganze Jahr genießen

Mit Fotografien von Rita Newman

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SELBSTVERSORGEN

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SELBSTVERSORGUNG BRAUCHT (AUCH) GUTE BÜCHER

SELBSTVERSORGUNG AUS DEM GARTEN

SELBSTVERSORGUNG VON BALKON UND TERRASSE

SELBSTVERSORGUNG OHNE GARTEN UND GARTENZEIT

FRISCHHALTEN UND LAGERN

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PHYSIOLOGISCHE VORGÄNGE NACH DER ERNTE

VERDERB DURCH MIKROORGANISMEN

EXKURS: KÜCHENHYGIENE

NÄHRSTOFFE ERHALTEN

FRISCHHALTEN

EINLAGERN

GENUSS AUF VORRAT

ABKÜRZUNGEN/GLOSSAR

LITERATUR

DANK

VERARBEITEN UND HALTBARMACHEN

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KONSERVIEREN UND OPTIMIEREN

EINFRIEREN

TROCKNEN

HEIßABFÜLLEN

EINKOCHEN UND STERILISIEREN

EINLEGEN IN ZUCKER

EINLEGEN IN SALZ

EINLEGEN IN ALKOHOL

EINLEGEN IN ÖL

EINLEGEN IN ESSIG

MILCHSÄUREGÄRUNG

SAFT, SIRUP & CO

ALKOHOLISCHE GÄRUNG

ESSIGHERSTELLUNG

REZEPTE UND VERWENDUNGSTIPPS

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KRÄUTER UND BLÜTEN

OBST

Rhabarber

Beeren

Exkurs: Zitronen, Limetten, Orangen

Steinobst

Kernobst

Exoten

NÜSSE UND SAATEN

GEMÜSE

Spargel

Blattgemüse

Fruchtgemüse

Wurzelgemüse

Kürbisgemüse

Kohlgemüse

Zwiebelgemüse

HÜLSENFRÜCHTE

PILZE

GENUSS AUF VORRAT

Zugegeben, ich bin eine leidenschaftliche Sammlerin. Kein Spaziergang, keine Wanderung ohne Stoffbeutel – es könnte mir ja etwas Genießbares unterkommen. Und nichts macht mir mehr Freude als eine wohl gefüllte Speisekammer und die Möglichkeit, mich jederzeit daraus zu bedienen. All das, was zwischen dem Ernten und der gefüllten Vorratskammer liegt, ist Thema dieses Buches: das Konservieren.

Es gibt viele Möglichkeiten, Obst, Gemüse, Pilze, aber auch Kräuter und Blüten haltbar zu machen. Das vorliegende Buch soll Ihnen eine möglichst umfassende Darstellung der verschiedenen Methoden geben.

Für ein besseres Verständnis von Konservierung wird im Teil Frischhalten und Lagern zunächst ausführlich beschrieben, was nach der Ernte in den Pflanzen passiert. Mit diesem Wissen können Bedingungen geschaffen werden, um den Verderb wirkungsvoll zu verhindern und Nährstoffe, Aroma und Geschmack bestmöglich zu erhalten. Mit dem Konservieren verlängern wir nicht nur die Haltbarkeit, wir lassen völlig neue Lebensmittel, neue Geschmäcker entstehen. Milchsauer vergorener Chinakohl hat einen einzigartigen, erfrischenden Geschmack, nicht zu vergleichen mit dem frischen Salat. Quittenmus ist so unglaublich aromareich, dass man gleich ein ganzes Glas auslöffeln möchte. Der Biss in die frische Quitte ist dagegen wenig vergnüglich.

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Im Kapitel Verarbeiten und Haltbarmachen finden Sie eine detaillierte Beschreibung der verschiedenen Konservierungsmethoden. Den Anfang machen das Einfrieren, das Trocknen und das Haltbarmachen durch Hitze (heiß abfüllen und einkochen). Nach dem Konservieren durch Einlegen in Zucker, Salz, Alkohol, Öl bzw. Essig folgt ein Kapitel zur Milchsäuregärung oder Fermentation. Im Anschluss daran werden die Saftbereitung, die alkoholische Gärung zu Wein oder Most und die Essigherstellung beschrieben. Mit diesen Anleitungen können Sie die verschiedenen Konservierungsmethoden anwenden.

Wer gerne mit konkreten Rezepten arbeitet, wird im Kapitel Rezepte und Verwendungstipps fündig. Hier sind für Obst- und Gemüsearten, für Kräuter und Blüten sowie für Pilze und Hülsenfrüchte sehr spezifische Hinweise zum Frischhalten, Einlagern und zu den verschiedenen Konservierungsmöglichkeiten dargestellt. Außerdem finden Sie in diesem Kapitel viele erprobte Rezepte. Lassen Sie sich davon inspirieren.

Bei allen Vorschlägen, Rezepten und Verwendungstipps war ich bestrebt, den Energieaufwand gering zu halten und auf künstliche Zusätze zu verzichten.

Ein Wort zum Schluss: Sie werden sich vielleicht fragen, ob das Einlagern, Einkochen, das Selbstversorgen nicht sehr viel Arbeit macht? Ja, tut es. Natürlich gibt es besonders im Sommer und Herbst viel zu ernten und zu verarbeiten. Aber wie bei allem beansprucht das Konservieren gerade so viel Zeit, wie Sie dafür aufbringen möchten. Neues zu probieren, selbst einzukochen, zu saften und zu fermentieren ist nicht nur Mühe, sondern bietet auch Entspannung und Ausgleich zum Arbeits- und Familienalltag. Es ist ein Aufwand, der belohnt wird – mit natürlichem Geschmack, mit praktischen Fertigprodukten wie etwa Sugo, Pesto oder Kompotten, die schnell zur Hand sind, wenn einmal keine Zeit zum Kochen oder für die Zubereitung eines aufwändigen Desserts bleibt. Für mich bedeutet selbst zu konservieren auch ein Stück Unabhängigkeit. Mit der Zeit kommt die Erfahrung, welche Früchte in welcher Form am besten, köstlichsten und effizientesten haltbar gemacht werden. Das ist ein Wissen, von dem ich möchte, dass es erhalten bleibt und auch für die Generation meiner Kinder zur Verfügung steht.

Und falls einmal etwas nicht geerntet oder verarbeitet werden kann, ist es auch kein Drama. Es gibt immer Freunde oder Nachbarn, die gerne ernten. Und selbst, wenn etwas am Baum oder im Garten bleibt, ist es nicht verloren. Daran freuen sich die Vögel.

Viel Freude mit dem Buch und dem Konservieren wünscht Ihnen

Rosemarie Zehetgruber

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SELBSTVERSORGUNG BRAUCHT (AUCH) GUTE BÜCHER

Dieses Buch ist ein Geschenk für alle, die gerne kochen und für die Gemüse, Obst und Kräuter dabei die Hauptrollen spielen. Für alle, die gerne Vorräte anlegen und diesen Reichtum, der im Alltag so viel Unabhängigkeit schafft, zu schätzen wissen. Für alle, die das Vorrathalten nicht in ihrer Familie aus einer Alltagspraxis gelernt haben. Für alle, die sich dieses Wissen nun nach und nach aneignen. All jene sind mit diesem umfassenden Werk allerbestens aufgehoben. Rosemarie Zehetgruber ist von Kindesbeinen an mit diesen Themen vertraut und verbindet im Alltag Erprobtes mit ihrer umfassenden ernährungswissenschaftlichen Kompetenz und Beratungserfahrung, bietet weder überflüssige Informationen noch oberflächliches Do-it-Yourself-Wohlfühl-Feeling, sondern hand- und bissfestes Basiswissen für alle Lebenslagen.

DIE RESSOURCEN DER SELBSTVERSORGUNG

Vorräte anlegen, Vorrat halten ist ein Thema, das aufs Erste anachronistisch wirkt. Gehen Mann und Frau durch die scheint’s allzeit üppig gefüllten Supermärkte, stellt sich die Frage, wer sich denn die mühevolle und zeitintensive Arbeit des Einlegens, des Trocknens und all der anderen vielen Handgriffe des Haltbarmachens und des Vorrathaltens antuen will. „Wozu das Ganze?“, könnte man fragen. Vorräte einkochen ist viel Arbeit. Aus dieser Perspektive verwundert es auch nicht, dass im Laufe der „Wirtschaftswunderjahre“ viele das Selbsteingekochte nur allzu gerne gegen Fertigwaren aus dem Supermarkt eingetauscht haben. Wer einmal eine halbe Nacht lang hindurch Tomatensugo eingekocht hat, nachdem er oder sie die Kinder ins Bett gebracht hat und am nächsten Tag dann frühmorgens zu verschiedenen Besprechungsterminen musste, kann diese historische Entwicklung gut nachvollziehen und die Großmütter und Mütter, die sich damit nicht mehr die Hände und die Küchen schmutzig machen wollten, irgendwie auch gut verstehen. Doch für viele eingefleischte Selbstversorgerinnen und Selbstversorger hat das Vorräteanlegen Qualitäten, die dem Vergleichsblick auf die vollen Supermarktregale geradezu überflüssig erscheinen lassen. Wer einmal dem Unterschied zwischen mit Aroma- und Farbstoffen versetzter industrieller Massenware und schonend und ohne viele Zusatzstoffe eingekochten Fruchtaufstrichen, Pestos oder frisch geerntetem Chicoréesalat verfallen ist, ist auch bereit, entweder selbst einigen Aufwand zu betreiben oder lokale Netzwerke der Selbstversorgung aufzubauen (→ Selbstversorgung ohne Garten und Gartenzeit). Und sicher: Die Welt, in der das Vorräteanlegen auch misslingen darf – weil es ebenso das warenförmige Angebot der Lebensmittelversorgung gibt – bietet außerdem Freiräume.

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Convenience aus eigener Erzeugung

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Freude und Vorfreude ...

Nämlich jene des Experimentierens, der langsamen Aneignung der verschiedenen Techniken und der dafür nötigen Ausstattung und des Aufbaus von Beziehungsnetzwerken, die dafür notwendig sind. Dass Selbstversorgung mit Lebensmitteln mit einem „Aussteigen“ aus der Gesellschaft verbunden wäre, ist nämlich ein – weitverbreiteter – Mythos. Selbstversorgung braucht Wissensnetzwerke, braucht Menschen, die sich dabei gegenseitig unterstützen, braucht Städte, Dörfer und Landschaften, in der Gärten und Äcker ebenso Platz haben wie Abstellplätze für Autos oder Straßen. Braucht Arbeitsverhältnisse, die davon ausgehen, dass der Mensch nicht nur für die Lohnarbeit auf die Welt gekommen ist, braucht eine Arbeitsteilung, die der Produktion von Lebensmitteln Wertschätzung und entsprechenden monetären Wert entgegenbringt. Selbstversorgung heißt auch Selbstverortung, heißt, den Raum um sich nutzen zu können, sei es, um einen Nutzgarten anzulegen und zu bewirtschaften oder neue Netzwerke der Lebensmittelversorgung aufzubauen und zu pflegen.

SELBSTVERSORGUNG AUS DEM GARTEN

Im gemäßigten Klima Mitteleuropas geben die Jahreszeiten das Vorrathalten vor. Wir können nicht ganzjährig alles ernten, Garten und Acker sind Teil der Natur, und hier darf auch Winterruhe einkehren. Wer sich aus dem eigenen Garten das ganze Jahr – und nicht nur im Spätfrühling bis Frühherbst – hindurch mit Gemüse, Obst und Kräutern selbstversorgen will, muss sich für das Konservieren, das Einlagern und die Pflege der Lagervorräte auch Zeit nehmen (können). Beim Gemüse ist der Aufwand dafür in etwa gleich groß wie der Aufwand für den Anbau selbst. Tomaten und anderes Fruchtgemüse müssen eingekocht oder getrocknet werden, Wurzel- und Knollengemüse brauchen Lagerräumlichkeiten – die häufig neu geschaffen werden müssen. Obst hat gegenüber den allermeisten Gemüsearten den großen Vorteil, dass die Pflanzen mehrjährig sind:

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... im Garten

Wer einmal einen Obstgarten angelegt hat, kann sie ab dem Zeitpunkt, ab dem die Pflanzen das erste Mal Früchte tragen, über viele Jahre hindurch beernten. Zwar sind auch in einem Obstgarten, der bereits in den Ertrag gekommen ist, noch Pflege- und Erntearbeiten notwendig, doch entfällt das jährliche Aussäen oder Anpflanzen und die dafür notwendigen Tätigkeiten der Bodenvorbereitung und des Pflanzenvorziehens oder -besorgens. Und bei den Kräutern gibt es beides: Die Einjahreskräuter – wie Basilikum oder Majoran –, die jährlich neu ausgesät werden. Und die Mehrjahreskräuter – wie die mediterranen Halb- und Zwergsträucher Rosmarin oder Thymian –, die mehrjährig beerntet werden können.

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Erfahrene Selbstversorgerinnen und Selbstversorger bauen im Gemüsegarten viele Kulturarten an, die sich als Winter- und Lagergemüse gut eignen. So sind Winterlauch, Haferwurzel, Pastinaken oder Zuckerwurzel frostfest und können auch über den Winter direkt aus den Beeten geerntet werden. Bei anderen Kulturen ist es eine Sortenfrage: Bei Karotten kann zum Beispiel die gelbe Sorte ‚Lobbericher‘ auch direkt im Beet ohne Schutz überwintern. Alle anderen Sorten werden mit einem dicken, zweilagigen Vlies abgedeckt und dann direkt beerntet. Das empfiehlt sich auch bei den frosttauglichen Gemüsen, damit sie auch an Tagen, an denen der Boden gefroren ist, beerntet werden können. Doch, um die Selbstversorgung aus dem Garten auch praktikabel und alltagstauglich zu halten, ist es empfehlenswert, den Bedarf für ein oder zwei Wochen zu ernten und in Küchennähe in Kisten einzuschlagen. In Regionen, in denen im Winter mit größeren Schneemengen zu rechnen ist, ist ein eigenes Winterlager hingegen unverzichtbar (→ Seite 34).

Wintergemüse direkt aus dem Garten

Pastinake, Haferwurzel, Zuckerwurzel, Schwarzwurzel, Winterlauch, Wurzelpetersilie, Grünkohl, Sprossenkohl

Wintergemüse aus dem (ungeheizten) Gewächshaus

Asia-Salate, Winter-Spinat, Vogerlsalat

Wintergemüse aus dem Lager

Karotte, Knollensellerie, Winterkohlrabi, Kohlrübe, Herbstrübe, Lagerkraut, Winterkürbis

Wintergemüse

Die frischgemüseärmste Zeit ist meist der ausgehende Winter bis zum Frühjahr. Dann sind die Lagervorräte oft schon aufgebraucht, und die neue Ernte ist noch nicht da. Für diese Zeit ist das konservierte Obst und Gemüse besonders wichtig. Je nach Temperaturverlauf und Niederschlagsmengen beginnt dann ab April oder Mai wieder die Zeit, in der man aus dem Garten schon wieder mehr frisches Gemüse ernten kann. Das erste erntereife Fruchtgemüse ist meistens Zucchini, die Pflanzen tragen bereits fünf Wochen nach dem Auspflanzen die ersten Früchte. Mit den ersten Tomaten und Gurken ist ab Mitte Juli zu rechnen. Kleinfrüchtige und frühreife Paprika tragen meist ab Ende Juli die ersten Früchte, Melanzani erst ab August.

Der mengenmäßige Ertrag ist bei weitem nicht das einzig wichtige Kriterium für einen Selbstversorger-Gemüsegarten. Auch können die Erträge der einzelnen Arten von Jahr zu Jahr stark schwanken – meist infolge der Witterung. So erntete ich von je drei Zucchinipflanzen über zehn Jahre immer viel mehr Zucchini, als wir essen konnten. Auch heuer hatten die Pflanzen ausreichend Platz und waren gut mit Kompost versorgt. Doch die Trockenheit und die Knappheit an Gießwasser ließ die Pflanzen einfach immer wieder Durst leiden und so war auch der Fruchtansatz entsprechend mager. In Jahren mit trockenen, heißen Sommern hat üblicherweise das Fruchtgemüse ertragsmäßig die Nase vorn. Vorausgesetzt man hat genug Wasser zur Verfügung, um die durstigen Pflanzen zu gießen, kann man dann mit hohen Erträgen bei Zucchini, Bohnen, Tomaten oder Paprika rechnen. In Jahren mit kühlen und regenreichen Sommern leidet das Fruchtgemüse – mit Ausnahme von Zucchini und den weniger wärmebedürftigen Kürbisarten. Doch besonders für alle Wurzelgemüse, Rote Rüben, Stangen- und Knollensellerie und auch für Salate und andere Blattgemüse sind gerade diese Wachstumsbedingungen ideal. Sie liefern dann viel mehr Ertrag, als man frisch essen kann, und damit die Basis fürs Einkochen und Vorrathalten. Auch für Obst gilt: Es gibt ausgesprochene Obstjahre, in denen die Bäume viele Früchte tragen und Jahre, in denen mit weniger Ertrag gerechnet werden kann. In den Obstjahren kann ein Vorrat an Apfelsaft angelegt werden. Dieser ist bis zu zwei Jahren gut haltbar und so kann die Verarbeitung und das Vorrathalten auch erntearme Jahre überbrücken. Erfahrene Gärtnerinnen und Gärtner wissen, dass es Jahre gibt, in denen eine Kulturart besonders reich trägt und gar nicht alles frisch aufgegessen werden kann. In Jahren mit üppiger Gurkenernte werden dann besonders viele Senfgurken aus den samenreifen Früchten eingemacht, in kühleren Jahren kann es hingegen sein, dass die Gurken nur so viele Früchte tragen, wie immerzu frisch gegessen werden. So ist die Versorgung aus dem Garten nicht nur beim Frischgemüse vom Witterungsverlauf während der Gartensaison abhängig, sondern auch die Möglichkeiten der Vorratshaltung variieren von Jahr zu Jahr.

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Wurzelgemüse wird in Sand eingeschlagen.

Wie groß soll ein Garten für die Selbstversorgung sein?

Die Frage nach der Größe eines Gemüsebeets oder Ackers ist eine relativ häufig gestellte. Eine Studie aus Deutschland hat den statistischen Pro-Kopf-Verbrauch an Gemüse und Kartoffeln und Obst umgerechnet in einen Flächenbedarf pro Kopf (bei ökologischer Wirtschaftsweise). Die Ergebnisse sind erstaunlich: Für den statistischen Jahresverbrauch pro Kopf und Nase von 124 kg Gemüse und Kartoffeln benötigt man eine Fläche von 51,5 m2, für den Jahresverbrauch von 47 kg Obst 33,4 m2. Zählt man dies zusammen und geht man von einem 4-Personen-Haushalt aus, ergibt sich eine Gemüse-Kartoffel-Anbaufläche von 206 m2 und eine Obst-Anbaufläche von 133,6 m2 (Wakamiya, 2011). In der älteren deutschsprachigen Gartenliteratur wird von einem Flächenbedarf pro Kopf von 170 m2 für eine Ganzjahresversorgung mit Gemüse und Kartoffeln ausgegangen (Bier, 1920).

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Kulturart

Ertrag in kg/m2

Bemerkungen

Ampfer

0,5–2,5

Gemüseampfer am ertragreichsten

Artischocke

2–4

zusätzlich im Herbst beerntbar sind die Blattstiele

Asia-Salate

1–5

größter Ertrag bei Ernte ausgewachsener Pflanzen

Buschbohne

12,5–20

große Sortenunterschiede im Ertrag

Endiviensalat

2,5–3,5

wächst besonders einfach im Herbst, Sorten mit grobem Blatt gut lagerbar

Feuerbohne

1,5–5

Trockenbohne

Gartenmelde

0,5–1,5

über einen langen Zeitraum beerntbar

Karotte

3–7

Lagerkarotten am ertragreichsten

Kartoffel

1,5–3

jährlich auf einem neuen Platz und feldresistente Sorten oder neues Pflanzgut anbauen

Kohlrabi

2–5

Lager- und Strunkkohlrabi am ertragreichsten, Frühkohlrabi bildet kleinere Knollen

Knollenfenchel

1,3–2

treibt nach dem Schnitt zahlreiche kleine Nebenknollen

Knollensellerie

2–3

benötigt regelmäßige Wasserversorgung

Mangold

1,5–3

Blattmangold ertragreicher als Stielmangold

Neuseeländerspinat

4–5

über einen langen Zeitraum beerntbar

Palerbsen

1–3

gute Vorfrucht auf Endivienbeeten, dadurch gute Beetausnutzung

Paprika

2–10

hohe Erträge nur im warmen Weinbauklima und bei guten Bewässerungsmöglichkeiten

Pastinake

3–4

ideales Wintergemüse, wenn kein Winterlager vorhanden, da frostfest

Radieschen

1–2

gute Vorfrucht, dadurch höherer Ertrag von einzelnen Beeten

Rettich

0,8–4

Winterrettich am ertragreichsten

Rote Rübe

2,5–4

höchster Ertrag bei Lagerrüben, aber auch als kleinere Rüben laufend beerntbar

Salat

2,5–4

Höchstertrag bei Kopfsalaten, Baby-Leaf aus Aussaat aber schneller schnittreif

Spargel

0,3–0,5

unkompliziertes und mehrjährig beerntbares Gemüse

Spinat

1,2–3

sehr gute Vor- und Zwischenfrucht, dadurch höherer Ertrag von einzelnen Beeten

Stangenbohne

1,1–1,5

frische Fisolen

Weißkraut

2,5–7

Lagerkraut am ertragreichsten

Wurzelpetersilie

1,5–3

gute Doppelnutzung (Blatt und Wurzel)

Zuckererbse

2–3,5

gute Vorfrucht für Endivien, dadurch gute Beetausnutzung

Zwiebel

3–4

Höchtserträge bei feuchtem Frühjahrswetter und trockenem Frühsommer

Ertrag verschiedener Gemüsekulturen pro m2 im Biogarten

Sortenwahl im Selbstversorgergarten

Ein wichtiger Aspekt für die Selbstversorgung aus dem Garten ist die Sortenwahl. Für die Versorgung mit frischem Gemüse aus dem Garten sind Sorten, die ein langes „Erntefenster“ haben, besonders interessant: Das ist jener Zeitraum, in dem eine Sorte erntereife Früchte/Blätter oder Wurzeln ausbildet. Für die Vorratshaltung sind oft jene Sorten günstiger, deren Früchte zu einem relativ einheitlichen Zeitpunkt reif werden. Einige Beispiele: Die Kornelkirsche ‚Joliko‘ reift über mehrere Wochen. Für das Naschen der Früchte direkt vom Strauch ist das ideal. Will man die Früchte aber zu Saft oder Mus für den Winter verarbeiten, ist dies eine mühsame Angelegenheit, da man die reifen Früchte portionsweise einfrieren müsste. Dazu eignet sich zum Beispiel die Sorte ‚Kassanlak‘ viel besser. Ihre Früchte sind relativ zeitgleich erntereif. Oder: Die samenfesten Brokkolisorten bilden nicht nur eine Hauptrose, sondern nachdem diese geschnitten ist, zahlreiche Nebenrosen aus und sind damit über mehrere Monate hinweg bis in den Herbst hinein beerntbar. Als drittes Bespiel ein Blick auf die Sortenvielfalt der Gartenbohne: Die feinen Filetbohnen sind besonders gut für den Frischverzehr, viel ertragreicher und damit fürs Konservieren interessanter sind hingegen Sorten, die kräftigere Hülsen ausbilden. Wer größere Mengen an Fisolen konservieren will, baut am besten Buschbohnensorten an, die relativ einheitlich reifen, oder Stangenbohnen, die von sich aus ertragreicher als Buschbohnen sind.

Der Anfang eines Selbstversorgergartens

Wer neu zu gärtnern beginnt und nicht nur gerne erntet, sondern auch einkocht und konserviert, hat gerade zu Beginn an vielen Ecken und Enden neu zu lernen. Ein häufiger „Anfängerfehler“ ist, dass man sich anfangs die Latte zu hoch legt. Am besten ist, wenn man anfangs mit 8–10 Kulturarten anfängt und dann Jahr für Jahr weitere dazunimmt und aus den eigenen Erfahrungen lernt. Es gibt einige klassische Einsteiger-Gemüse, und Gemüsearten, die höhere Ansprüche stellen (→ Liste unten). Besonders empfehlenswert ist es, zu Beginn den Rat bei erfahrenen Biogärtnerinnen und -gärtnern aus der Region zu suchen. Sie wissen, welches Gemüse hier besonders gut wächst, können oft auch gute Sortenempfehlungen für die Region geben oder kennen bewährte Kulturtechniken.

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Klassische „Einsteiger-Gemüse“

Spinat, Kohlrabi, Buschbohnen, Winterheckenzwiebel und Schnittlauch, Kürbis

Gemüse, die etwas gärtnerische Erfahrung und gute Kulturbedingungen benötigen

Stangensellerie, Karfiol, Knollenfenchel, Melanzani, Paprika und Chili, Melonen, Gurken

SELBSTVERSORGUNG VON BALKON UND TERRASSE

In den letzten Jahren haben viele Menschen die Blumen am Balkon gegen essbare Kräuter und Gemüsepflanzen eingetauscht. Je nach Größe einer Terrasse oder eines Balkons – und je nach verfügbarer Zeit – kann ein mehr oder weniger großer Anteil der Kräuter und Gemüse hier selbst geerntet werden. Besonders zeitintensiv ist auf diesen Standorten das Gießen, da sich die Pflanzen in den Töpfen nicht selbst mit Wasser versorgen können. Besonders leicht gelingt die Selbstversorgung mit Kräutern vom Balkon. So reichen zwei bis drei Basilikumpflanzen, um im Spätsommer bis zu 1 l Pesto herzustellen. Auch alle Blattgemüse, die man direkt aussäen kann (Spinat, Rukola, Vogerlsalat, Asia-Salate, Erbsensprossen), lassen sich relativ unkompliziert auch in kleineren Gefäßen anbauen. Doch auch wenn nur ein kleiner Teil des täglichen Bedarfs direkt am Balkon geerntet werden kann, viele der neuen Urban Gardener haben mit der Pflege der eigenen Pflanzen am Balkon auch die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern wieder neu schätzen gelernt. Für andere ist es besonders wichtig, dass sie so ihren Kindern vermitteln können, dass Gemüse nicht im Supermarktregal wächst, dass Pflanzen Aufmerksamkeit und Pflege brauchen, um ertragreich zu gedeihen, und dass es einen großen Geschmacksunterschied zwischen dem Frisch-aus-dem-Supermarkt und dem Erntefrisch-von-der-Pflanze gibt.

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Ausstattung ...

SELBSTVERSORGUNG OHNE GARTEN UND GARTENZEIT

Auch wer in der Stadt lebt, keinen Garten sein Eigen nennt oder keine Zeit zum Gärtnern hat, hat einige Möglichkeiten, Gemüse und Obst für die Vorratshaltung zu beziehen. Die einfachste Möglichkeit dazu ist, in der Saison günstiger einzukaufen. So ist zum Beispiel Ende August bis September Tomaten- und Zucchini-Vollernte. Nun ist auch der Preis günstiger. Doch häufig ist es gar nicht so einfach, gute biologische Einkoch-Tomaten in ausreichender Menge zu bekommen. Denn zu gutem Sugo lassen sich nur Fleisch- und Soßentomaten verarbeiten. Sie schmecken intensiver und lassen nicht so viel Wasser beim Einkochen. Eine gute Möglichkeit, ausreichend und gute Tomaten zum Verarbeiten zu bekommen, ist Mitglied bei einer Foodcoop (→ Kleines ABC der neuen Netzwerke der Selbstversorgung, Seite 18) zu werden, die direkt bei den Produzenten die Früchte bezieht. Oder gemeinsam mit einer Gärtnerei oder einem landwirtschaftlichem Betrieb eine CSA (→ Kleines ABC der neuen Netzwerke der Selbstversorgung, Seite 17) zu gründen, bei der auch die Fixabnehmerinnen und -abnehmer die Anbauplanung und Sortenauswahl mitentscheiden können.

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... für die Gartenarbeit

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Aufteilung der Ernte im CSA-Betrieb

Vieles kann in der Natur gesammelt werden – etwa Pilze, Heidelbeeren oder verschiedene Teekräuter. Dazu muss man erstens die ess- und sammelbaren Pflanzen kennen und zweitens die Orte, an denen diese wachsen. Gute Schwammerl- oder Beerenplätze sind nicht zu Unrecht oft gut gehütete Familiengeheimnisse. Drittens braucht man zum Sammeln Zeit und für entlegene Orte häufig auch ein Auto oder eine Mitfahrgelegenheit, um sie zu erreichen. Alles, was gesammelt wird, muss unmittelbar danach auch getrocknet oder verarbeitet werden können. Wer mit einem Korb Schwammerl vom Sonntagsausflug heimkommt, braucht für das Einlegen noch ein paar Stunden Zeit vom Sonntag. Und dazu auch die nötige Ausstattung (Gläser in der richtigen Größe samt passenden Deckeln, Einkochtöpfe) und die anderen Zutaten – wie einen guten Fruchtessig, Gewürze und Salz – zur Hand.

Eine jüngere Initiative ist die kostenlose Onlineplattform www.mundraub.org. Eine Webseite, die laut den Initiatorinnen und Initiatoren bereits von über 30.000 Menschen genutzt wird. Auf der Webseite kann man Standorte von ungenutzten Obstbäumen im öffentlichen Raum melden oder finden, deren Obst bislang einfach zu Boden fiel und verfaulte. Die Plattform liefert so eine Grundlage, um Landschaften in der Stadt und auf dem Land auch wieder nutzbar zu machen.

Neue Netzwerke der Selbstversorgung

Wer keinen eigenen Garten hat und Gemüse und Obst ernten will, muss zwar etwas erfinderisch sein, kann sich dabei aber an einer rasant steigenden Zahl an Vorbildern orientieren und wird zunehmend mehr Gleichgesinnte finden. Gerade – aber nicht nur – im Einzugsbereich von Großstädten sind in den letzten Jahren zahlreiche Initiativen und neue Netzwerke der Selbstversorgung entstanden. Wie Pilze wachsen an vielen Orten Foodcoops, CSAs (Community Supported Agricultures), Genussgemeinschaften oder auch größere wirtschaftliche Zusammenschlüsse zwischen Produzentinnen bzw. Produzenten und Bürgerinnen bzw. Bürgern aus dem Boden.

Sie heißen Gela (Gemeinsam Landwirtschaften), Gartenpiraten, Gemüsefreude, Kartoffeldealer, WirGemeinsamGemüse, Fairteiler, Solawi (Solidarische Landwirtschaft) oder Regionalwert AG. Darüber hinaus gibt es immer mehr Initiativen, die auch auf ganz andere Art gärtnern und ernten. In vielen Städten sind in den letzten zehn Jahren zahlreiche Gemeinschaftsgärten entstanden. Den Akteurinnen und Akteuren geht es meist nicht nur um den unmittelbaren Ertrag der Gärten, sie verstehen den Gemeinschaftsgarten meist auch als ökologische und soziale Experimentierfläche in der Stadt. Sie schaffen urbane Freiräume jenseits des Konsumzwangs, setzen sich für demokratische und plurale Stadtgesellschaften ein, für Begegnung und Beziehungen im Stadtgrätzel und engagieren sich für ihren Stadtteil. So gesehen geht es auch hier darum, für sich selbst und seine Umgebung zu sorgen.

Im Folgenden ein kleines ABC der neuen Netzwerke der Selbstversorgung:

CSA – Community Supported Agriculture: Mit CSA ist ein Zusammenschluss von einem oder mehreren landwirtschaftlichen/ gärtnerischen Betrieben und einer Gruppe von Konsumentinnen und Konsumenten gemeint. Durch die direkte Zusammenarbeit kann das Sortiment auf die Bedürfnisse abgestimmt werden und die Konsumentinnen und Konsumenten, die sich als „Prosumenten“ verstehen, können umgekehrt regionale Bäuerinnen und Bauern direkt unterstützen, indem sie die Jahresernte einer bestimmten Fläche oder des ganzen Hofes abnehmen – und meist auch vorfinanzieren. Damit übernehmen sie auch einen Teil des (finanziellen) Risikos. Wenn durch Hagel oder Trockenheit die Ernte kleiner ausfällt, ist die Ernte für alle kleiner. In ertragsreichen Jahren gibt es dann für alle mehr. So ist es möglich, einerseits einen Betrieb aus dem profitorientierten Marktgeschehen herauszulösen und Gemüse aus einer vielfältigen und handarbeitsintensiven Form der Landwirtschaft zu beziehen. Das Gemüse hat meistens die Qualität und Frische wie im eigenen Garten selbst geerntetes Biogemüse. Das ist eine der größten Stärken der CSA: Auch wer weder das Wissen noch die Möglichkeit hat, sein „eigenes“ Gemüse anzubauen, kann sich so mit geschmackvollem und frischem Biogemüse versorgen. Das Gemüse wird entweder in fertig zusammengestellten Kisten oder zur freien Entnahme zu vereinbarten Abnahmeplätzen geliefert. Wer eine eigene CSA gründen möchte, kann auf umfangreiches Basismaterial, das bestehende Kooperationen bereits gesammelt haben, zurückgreifen. So gibt es zum Beispiel ein einfaches Tool zur Flächenberechnung für die einzelnen Gemüse- und Obstarten – je nachdem wie viele Menschen aus der CSA versorgt werden sollen (www.makecsa.org). Eine der „ältesten“ CSAs in Österreich ist die Gärtnerei Ochsenherz in Gänserndorf bei Wien. Sie ist darauf ausgerichtet, einen Kreis von etwa 200 Menschen mit Gemüse zu versorgen (www.ochsenherz.at).

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Gemeinschaftsgarten als Kommunikationsort

Foodcoop/Lebensmittelkooperative: Foodcoop ist ein Zusammenschluss von Menschen, die selbstorganisiert biologische Produkte direkt von lokalen Bauernhöfen, Gärtnereien oder Imkereien beziehen. Interessant ist die Gründung einer Foodcoop überall dort, wo biologische und regionale Lebensmittel schwer erhältlich sind. Historische Vorläufer sind die Konsumgenossenschaften des 19.Jahrhunderts oder auch Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften der 1980er Jahre. Viele Höfe und Gärtnereien haben sich bereits auf die Belieferung von Foodcoops spezialisiert, sie liefern frisches Gemüse der Saison und können so auch größere Mengen für die Vorratshaltung anbieten. Wer eine Foodcoop gründen möchte, kann an die umfangreichen Erfahrungen der bestehenden Foodcoops anknüpfen (www.foodcoops.at und www.foodcoops.de).

Kleingarten/Schrebergarten: Die „Schrebergartenbewegung“ entstand – ausgehend von Leipzig – in Deutschland und wurde vom Arzt Dr.Schreber initiiert, um Kindern in den bereits industriell geprägten Großstädten Bewegungsfreiräume und Spielplätze zu bieten. Im Jahr 1869 wurde die erste Schrebergartenanlage in Leipzig gegründet. In den Kriegs- und Nachkriegsjahren waren die Gärten für die Selbstversorgung mit Obst und Gemüse in den Städten besonders bedeutend. In vielen Kleingärten hat in den letzten Jahrzehnten der Anbau von Obst und Gemüse an Bedeutung verloren. Vor allem, seit sie auch ganzjährig bewohnt werden können und somit die ursprünglich kleinen Hütten zu Mini-Villen umgewandelt wurden. Wer Interesse an einem Kleingarten hat, wendet sich direkt an einen Verein (Liste der Vereine siehe www.kleingaertner.at und www.kleingarten-bund.de).

Selbsternte/Mietgärten: Das Prinzip ist einfach: Bäuerinnen und Bauern unterteilen ein Feld in einzelne Gartenparzellen und verpachten diese an Menschen, die gerne ihr eigenes Gemüse anbauen wollen. Der Anbau funktioniert arbeitsteilig: Pflügen, Anbau und Bewässerung wird von den Bäuerinnen und Bauern im Rahmen der Pachtkosten angeboten. Auf manchen Selbsterntefeldern säen oder pflanzen die Bäuerinnen und Bauern einen Teil des Gemüses an, ein Teil der jeweiligen Fläche wird freigelassen. Alle Pflege-, Bewässerungs- und Erntearbeiten übernehmen die einzelnen „Selbsternter“. Manche pachten sich eine Fläche für eine Saison, andere gleich für mehrere Jahre, um in ihrem Garten auch mehrjährige Pflanzen anbauen zu können. Die meisten Selbsternteprojekte starten im April und die Flächen sind bis November nutzbar. Manche stellen auch Werkzeug und Beratung zur Verfügung (zum Beispiel die Morgentaugärten in Linz www.morgentaugaerten.at). Die einzelnen Parzellen sind zwischen 20 und 60 m2 groß. Weitere Infos: www.selbsternte.at. Der Zentralverband der Kleingärtner und Siedler Österreichs bietet auch „Öko-Erntelandparzellen“ an, auf denen Beerensträucher beerntet werden können.

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Quellen:

Bier, Alfred (1924): Lohnende Gemüsezucht im kleineren und größeren Garten, Verlag des „Erfurter Führers im Obst- und Gartenbau“, Erfurt

Heistinger, Andrea/Arche Noah: Das große Biogarten-Buch, Löwenzahn Verlag, Innsbruck

Heistinger, Andrea/Arche Noah: Handbuch Bio-Gemüse. Sortenvielfalt für den eigenen Garten, Löwenzahn Verlag, Innsbruck

Wakamiya, Atsuko (2011): Flächenbedarf für den Nahrungsmittelkonsum in Deutschland, Studie erstellt im Auftrag der Regionalwert AG Freiburg

www.bio-austria.at/aaz/

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Gemeinsam macht die Arbeit im Garten besonders viel Freude.

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Obst, Gemüse, Kräuter, Blüten und Pilze sind auch nach der Ernte lebendig. Stoffwechselvorgänge laufen weiter, Geschmack, Aroma und der Nährstoffgehalt verändern sich. Wirklich frisch sind die Früchte nur dann, wenn man sie unmittelbar nach der Ernte verzehrt. Je länger man sie aufbewahrt, desto größer die Veränderungen. Manche kann man optisch erkennen: Blätter werden welk, Früchte verschrumpeln oder werden matschig, sie verlieren an Farbe, Sprosstriebe bzw. Wurzeln entwickeln sich. Andere Veränderungen sind nicht so offensichtlich, sie betreffen zum Beispiel den Gehalt an Nährstoffen. Davon sind unter anderem die Vitamine C, B1 und Folsäure stark betroffen, ihr Abbau beginnt unmittelbar nach der Ernte.

PHYSIOLOGISCHE VORGÄNGE NACH DER ERNTE

Alle Früchte verderben irgendwann, manche schneller, andere weniger schnell. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang. Ein reifer Apfel fällt vom Baum, irgendwann beginnt er zu faulen, zu schimmeln und wird schließlich ganz zersetzt. Übrig bleibt Erde, die als Nährsubstanz für die Kerne dient. Schließlich soll daraus ja ein neuer Baum wachsen können. Wenn wir die Früchte des Gartens genießen und nicht der Natur überlassen wollen, müssen wir sie rechtzeitig diesem Kreislauf entziehen und ernten. Um länger etwas davon zu haben, müssen wir die unerwünschten Abbauprozesse hinauszögern, sprich das Obst und Gemüse in geeigneter Weise lagern bzw. haltbar machen. Dafür ist es gut zu wissen, welche physiologischen Vorgänge in den Pflanzen bzw. Pilzen ablaufen. Wenn man weiß, was den Verderb bewirkt, kann man Vorkehrungen treffen, um die Qualitätseinbußen zu verlangsamen bzw. möglichst gering zu halten.

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ATMUNG

Einer der wichtigsten Stoffwechselvorgänge, die nach der Ernte in Obst und Gemüse ablaufen, ist die Atmung. Pflanzen sind – anders als Tiere und der Mensch – zur Photosynthese fähig. Das heißt, sie können aus Kohlendioxid, Wasser und Sonnenlicht Zucker bzw. Stärke (Kohlenhydrate) bilden und so die Energie speichern. Als Nebenprodukt wird Sauerstoff abgegeben.

KOHLENDIOXID + WASSER + LICHTENERGIE → ZUCKER + SAUERSTOFF

Die Atmung ist das Gegenteil der Photosynthese. Bei der Zellatmung werden die Zucker- bzw. Stärkespeicher abgebaut, um dadurch Energie für die verschiedensten Lebensvorgänge zu gewinnen. Dabei wird Sauerstoff verbraucht und Kohlendioxid und Wasser gebildet.

ZUCKER + SAUERSTOFF → ENERGIE + KOHLENDIOXID + WASSER

Durch die Ernte werden Wachstum und Aufbau in der Frucht unterbrochen. Die Pflanze kann keine Photosynthese mehr betreiben und ist auf die Energiegewinnung durch den Abbau der Zucker- bzw. Stärkereserven angewiesen. Die Atmung ist damit ein wesentlicher Verderbfaktor: Nähr- bzw. Speicherstoffe werden abgebaut, Wasser wird abgegeben.

Generell gilt: je höher die Temperatur, desto stärker die Atmung. Die Folge: schnellere Alterung und kürzere Haltbarkeit. Zusammengefasst gibt es vor allem zwei Ansatzpunkte, um die Zellatmung zu verlangsamen und damit die Haltbarkeit zu verlängern:

ÜBRIGENS

Je höher der Blattanteil, desto stärker die Atmungsaktivität. Radieschen oder Karotten mit Laub haben eine 2- bis 3-fach höhere Atmungsintensität als Gemüse ohne Blätter.

Illustration  Kühlung: Eine Senkung der Temperatur um 10 °C verringert die Atmungsintensität und damit die Nährstoffverluste auf die Hälfte bis auf ein Drittel.

Illustration  Gasaustausch: Für die Atmung braucht die Pflanze Sauerstoff aus der Luft, Kohlendioxid wird als Abfallprodukt abgegeben. Wird Obst bzw. Gemüse in einem gasdichten Raum gelagert, kommt es daher nach und nach zu einer Veränderung der Luftzusammensetzung. Der Kohlendioxidgehalt steigt und der Sauerstoffgehalt sinkt. Dieser Gasaustauch führt zu einem Verlangsamen der Atmungstätigkeit. Dieses Phänomen macht man sich im Haushalt bei der Folienlagerung (→ Seite 36) bzw. für den Handel bei der CA-Lagerung (→Seite 175) zunutze.

REIFEVORGÄNGE

Auch die Reifungsprozesse werden mit der Ernte nicht gestoppt, sondern laufen weiter. Während der Reifung verändert sich die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe. Stärke-, Säure- und Zuckergehalte ändern sich, Aromastoffe werden ausgebildet, die Farbe verändert sich. Die Konsistenz wird mit zunehmender Reife entweder härter und fester, etwa bei Erbsen und Fisolen, oder auch weicher und saftiger, wie bei Tomaten, Gurken oder Äpfeln. Mit zunehmender Reife steigt auch der Vitamingehalt. Besonders stark ist dieser Anstieg bei Vitamin C. Während der Lagerung reifer Früchte nimmt der Vitamingehalt allerdings wieder ab. Für die Umbauprozesse während der Reifung sind u.a. Enzyme verantwortlich, gesteuert wird die Reife durch das Pflanzenhormon Ethylen. Bei den meisten Obst- und Gemüsearten beschleunigt Ethylen die Reifung. Die Aktivität der Enzyme nimmt mit sinkender Temperatur ab. Da Enzyme Eiweißstoffe sind, kann man sie durch Erhitzen und die Zuführung von Säure inaktivieren.

Reifestadien

Als Reife wird der Zustand bezeichnet, in dem Obst und Gemüse zum Verzehr geeignet ist und sortentypisch schmeckt und aussieht. Reifes Obst und Gemüse ist auch vom Nährstoffgehalt am wertvollsten. Wann allerdings das ideale Reifestadium, der richtige Erntezeitpunkt gekommen ist, kann nicht pauschal beantwortet werden. Beim Gemüse hängt es davon ab, welchen Pflanzenteil wir ernten und genießen oder auch einlagern wollen. Einfacher ist die Frage für Obst zu beantworten: Physiologisch reif sind die Früchte, wenn Wachstum und Einlagerung der Nährstoffe ganz abgeschlossen sind. Mit dem Erreichen dieser Vollreife ist aber nicht unbedingt der geeignete Erntezeitpunkt gekommen. Der ideale Erntezeitpunkt hängt davon ab, ob es sich um klimakterisches (nachreifendes) oder nicht klimakterisches (nicht nachreifendes) Obst handelt. Nicht klimakterisches Obst wird vollreif bzw. genussreif oder nur kurz davor geerntet. Bei diesen Früchten erfolgt nach der Ernte keine Nachreife.

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Werden sie zu früh geerntet, leiden vor allem Aroma und Geschmack. Nachreifendes Obst kann zur so genannten Pflückreife geerntet werden. Diese Früchte entwickeln sich im Lager zur Genussreife, sie gewinnen noch an Aroma. Werden klimakterische Früchte zu spät geerntet, verringert sich die Haltbarkeit. Werden sie zu früh geerntet, erreichen aber auch nachreifende Früchte nicht mehr das volle Aroma. Die Pflückreife erkennt man je nach Frucht und Sorte an der Größe, dem Zucker-Säure-Verhältnis, der Festigkeit und der Schalenfärbung.

Nachreifende/klimakterische Früchte (Beispiele)

APFEL, BIRNE, QUITTE, MARILLE, NEKTARINE, PFIRSICH, ZWETSCHKE, TOMATE, MELANZANI

Ethylen

Klimakterische Früchte bilden auch im Lager Ethylen und reifen eigentlich erst mit dessen Hilfe richtig aus. Gleichzeitig geben sie das Reifegas Ethylen an die Umgebung ab und sorgen so dafür, dass auch die umgebenden Früchte schneller reifen. Auf nicht nachreifende Arten hat Ethylen daher einen negativen Einfluss. Sie werden rasch überreif und kaputt. Kartoffeln, Karotten, Gurken, Brokkoli, Karfiol, Kohlsprossen, Kraut oder Spinat reagieren besonders empfindlich auf Ethylen. Sie sollten nicht neben Früchten, die viel Ethylen abgeben (z.B. Äpfel, Birnen, Tomaten), aufbewahrt werden. Man kann das Ethylen aber auch bewusst nutzen. Das passiert etwa in Bananenreifungsanlagen. Dort werden grüne, unreife Bananen mit Ethylen begast und so zur Reifung gebracht. Aber auch im Kleinen kann man Ethylen als Reifebeschleuniger einsetzen: Geben Sie unreife Früchte gemeinsam mit einem Apfel in einen geschlossenen Behälter oder einen Kunststoffbeutel – innerhalb weniger Tage sind sie essreif.

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Quitten reifen beim Lagern nach.

INFO

Äpfel bilden im Laufe der Reifung eine Wachsschicht auf der Schale, um zu verhindern, dass Wasser verdunstet. Aus diesem Grund fühlen sich manche Äpfel fettig an.

TRANSPIRATION

Obst und Gemüse bestehen zu einem großen Teil aus Wasser. Je nach Fruchtart liegt der Anteil bei 70–97 Prozent. Mit der Ernte wird der Wassernachschub über die Wurzel gekappt, gleichzeitig steigt die Verdunstung. Wie schnell Wasser abgegeben wird, hängt von der Art und der Größe der Oberfläche ab. Blattgemüse hat mehr Oberfläche als Wurzelgemüse und welkt daher schneller. Eine dicke Schale oder Wachsauflagen verringern die Verdunstungsrate. Je höher die Temperatur, desto höher sind die Transpirationsverluste.

Ansatzpunkte, um die Transpiration zu verlangsamen und damit die Haltbarkeit zu verlängern:

Illustration  Luftfeuchtigkeit: Der Verdunstungsverlust ist umso geringer, je höher die umgebende Luftfeuchtigkeit ist. Allerdings steigt bei zu hoher Luftfeuchtigkeit das Fäulnisrisiko. Je nach Art und Sorte ist eine Luftfeuchtigkeit von rund 85–95 Prozent günstig.

Illustration  Umgebungsfeuchtigkeit: Das Einschlagen in Sand, Erde oder anderes leicht befeuchtetes Strukturmaterial reduziert die Verdunstung.

Illustration  Luftbewegung: Luftbewegung führt zu einer Abtrocknung der Oberfläche und verringert damit das Risiko von Fäulnis. Übermäßige Luftbewegung führt aber zu Austrocknung.

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Salate bestehen zu 95 Prozent aus Wasser. Sie welken rasch, genießen Sie sie daher möglichst erntefrisch.

PH-WERT

Der pH-Wert ist ein Maßstab für den Säuregrad. Er zeigt an, ob eine wässrige Flüssigkeit sauer (Säure), basisch (Lauge) oder neutral reagiert. Die pH-Skala reicht von 0 bis 14, wobei eine Lösung mit einem pH-Wert zwischen 0 und 7 sauer und eine Lösung zwischen 7 und 14 alkalisch ist, pH 7 ist neutral. Die meisten verderbnis- bzw. krankheitserregenden Bakterien entwickeln sich am besten bei einem pH-Wert zwischen 6 und 8. Bei einem pH unter 4,4–4,5 stellen sie das Wachstum ein. Essigsäurebakterien haben ihr pH-Optimum zwischen pH 5,4 und 6,3 und Milchsäurebakterien zwischen pH 5,5 und 6,0. Entsprechend tiefer liegt ihr pH-Minimum. Hefen und Schimmelpilze sind wesentlich säuretoleranter und können auch bei pH 4,0 noch wachsen.

VERDERB DURCH MIKROORGANISMEN

Neben den beschriebenen Veränderungen sind vor allem Kleinstlebewesen – Bakterien, Hefen und Schimmelpilze – für den Verderb von Obst, Gemüse oder Speisepilzen verantwortlich. Mikroorganismen sind in der Luft, im Boden, auf Tieren, Menschen und natürlich auch auf pflanzlichen Lebensmitteln zu finden. Und das in unglaublich großer Anzahl: In einem Fingerhut voll Erde sind rund 1 Milliarde Mikroorganismen enthalten! Sie sind also völlig normal und großteils sogar sehr nützlich für uns. Manche werden auch bewusst zur Lebensmittelverarbeitung eingesetzt, etwa Milchsäurebakterien für die Sauerkrautherstellung, Hefen für die alkoholische Gärung oder Essigsäurebakterien für die Essigbereitung. Einige wenige Mikroorganismen allerdings sind Verderbnis- oder sogar Krankheitserreger.

Mikroorganismen benötigen für ihr Wachstum bestimmte Lebensbedingungen: Feuchtigkeit, eine bestimmte Temperatur, verfügbare Nährstoffe und ein bestimmtes Milieu. Bei idealen Bedingungen können sich Bakterien, Hefen und Schimmelpilze explosionsartig vermehren. Aus einer Bakterie können nach 7 Stunden 2 Millionen und nach 12 Stunden 7 Milliarden Bakterien entstanden sein. Bei ungünstigen Lebensbedingungen können manche Bakterien Sporen ausbilden. Diese sind besonders widerstandsfähig gegenüber Hitze, Kälte und Wassermangel. Unter günstigen Bedingungen keimen die Sporen dann wieder zu Bakterien aus und wachsen munter weiter.

So lange die Pflanze lebt und unverletzt ist, befinden sich die Mikroorganismen in einem Gleichgewicht. Mit der Ernte vermehren sie sich vor allem dort, wo die Pflanze verletzt ist und Zellsaft austritt. Dort ist es feucht und die Mikroorganismen haben Zugang zu den Nährstoffen – ein idealer Nährboden! Sie bauen diese Nährstoffe ab, es kommt zu Zersetzung, Fäulnis, Gärung und Verschimmeln. Den Verderb durch Mikroorganismen kann man also in der Regel sehen, riechen und schmecken.