cover.jpg

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

26.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

img1.jpg

 

Nr. 2305

 

Jagd auf die Dunkelkapsel

 

In der Gewalt des Dualen Kapitäns – zwei Terraner kämpfen ums Überleben

 

Michael Marcus Thurner

 

img2.jpg

 

Auf der Erde und den Planeten der Milchstraße ist das Jahr 1344 Neuer Galaktischer Zeitrechnung angebrochen – dies entspricht dem Jahr 4931 alter Zeitrechnung. 13 Jahre sind vergangen, seit eine Veränderung der kosmischen Konstanten die Galaxis erschütterte.

Seither hat sich die Lage normalisiert: Der interstellare Handel funktioniert wieder, die Technik macht erneut große Fortschritte. Da bricht die Vorhut der Terminalen Kolonne TRAITOR über die Milchstraße herein. Die Terminale Kolonne gehört zu den Chaosmächten, die nun nach der Galaxis greifen.

Sogenannte Kolonnen-Forts entstehen unbeobachtet überall in der Galaxis, um die zivilisierten Welten unter die Knute TRAITORS zu zwingen. Eines dieser Forts – TRAICOON 0098 – wird im Solsystem zerstört, doch sein Kommandant kann fliehen.

Der Duale Kapitän bleibt am Ort seiner Niederlage. Er wartet nicht nur auf Verstärkung, sondern versucht mehr über die Terraner in Erfahrung zu bringen. Zu seiner Überraschung »interferiert« er jedoch mit dem jungen Terraner Marc London und bringt diesen in seine Gewalt. Zur gleichen Zeit blasen die Verantwortlichen Terras zur JAGD AUF DIE DUNKELKAPSEL …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Zerberoff – Der Duale Kapitän erfährt alte Neuigkeiten.

Marc London – Der junge Terraner befindet sich in der Gewalt eines unerbittlichen Lebewesens.

Malcolm S. Daellian – Der Minister zeigt sich von seiner genialen und unausstehlichen Seite.

Mondra Diamond – Die Vertraute Perry Rhodans beweist einmal mehr ihre taktischen Fähigkeiten.

Ian Grant – Ein Jäger wird zum Opfer.

1.

 

»Natürlich existiert Captain Cooker!«

»Tut er nicht!«

»Tut er schon!«

»Tut er nicht!«

»Tut er schon!«

Das Geplänkel hätte ewig so weitergehen können, wäre Alistair McLeod nicht gestolpert. Er fiel nach vorne, wollte sich an Charlie Wongs Haaren festhalten und riss den Kopf seines alten Saufkumpans unglücklich nach hinten, gegen die Thekenkante.

Bevor Charlie vollends das Gleichgewicht verlor, tastete er wild umher, erwischte mit der Linken Raùl McLintocks Bart und zog den alten Hühnerdieb zu Boden. Dessen rechter Fuß, von großem Schwung getragen, landete besonders unglücklich in der Magengrube seines Schwagers, Bert Ferguson. Dass dann nichts mehr zu retten war, musste selbst einem rigide programmierten Sicherheitsroboter völlig klar sein.

So oder ähnlich würde es zumindest im Polizei-Protokoll stehen.

Selbstverständlich ging es in Wirklichkeit um die Existenz von Captain Cooker, der geheimnisumwitterten Riesensau, die angeblich auf der Insel lebte und räuberte. Viele der Dorfbewohner hatten sie bereits gesichtet und wollten den Rest der verbohrten, stinkenden Mistfresser aus Oban davon überzeugen. Und wenn Bert Ferguson, der mit dem Streit eigentlich gar nichts zu tun, aber vor 26 Jahren einmal mit Charlies Frau geschlafen hatte, auch etwas abbekam – nun, dann war der Zweck des Abends im Pub erfüllt.

Samstagabend im South Sea Hotel, Standardprogramm.

Der einzige Tag der Woche, an dem die hart arbeitenden Menschen der Insel Dampf ablassen konnten.

Von Gott und NATHAN verlassen, fernab von all den Annehmlichkeiten, die die meisten Menschen der Erde genossen. Ian Grant schüttelte den Kopf und trank den Whisky aus. Er hatte sich wie immer in eine stille Ecke verdrückt und sah resignierend dem gewalttätigen Treiben zu. Vor zehn Jahren, als er in der Halfmoon Bay angekommen war, hatte ihn die Derbheit der Menschen erschüttert. Heute gehörte die samstägliche Wirtshausrauferei für ihn genauso zum Folkloreprogramm wie das Rugby-Turnier im Frühsommer und die Blumenschau im Herbst.

Noch etwa zehn Sekunden, dann würde …

»Was’n hier los?«

Bravo. Tüylüp Byg-stüg war heute um einige Momente früher dran. Wie meist wurde der Blue, ehrenamtlich ernannter Sicherheitsbeamter von Oban, von einem seiner mühselig zusammengestoppelten Roboter ein wenig abgestützt.

»Nichts, du Wurmfresser!«, rief Bert Ferguson, bevor er seinem Schwager den ausgestreckten Zeigefinger tief ins linke Nasenloch schob und ihm detailreich verklickerte, dass er mit seiner Alten ein weiteres Mal, und zwar vor 15 Jahren, geschlafen hatte.

»Wurmfresser? Na warte, du …«

Der Rest war nicht zu verstehen, da die Stimme des einzigen »Ordnungshüters« des Dorfes in den Ultraschallbereich glitt.

Der Blue griff zu einer Flasche an der Theke, die wundersamerweise heil geblieben war, schüttete ein wenig vom Eierlikör in seine Halsöffnung und hieb das gute Ding schließlich Mairi Ncombe über den Kopf.

Mairi, das für einen Epsalermischling recht schmal geratene »Mädchen« in der Bar, war anders nicht zu bremsen. Und auch so eigentlich nicht: Sie ignorierte den Hieb über ihr Haupt, fegte Alistair quer durch den Raum und schrie so wie immer: »Und wer entjungfert mich jetzt? Wer? Wer?«

Ian Grant duckte sich an den Kämpfenden vorbei zu Will Shag, dem Wirt. Der verfolgte hinter seiner Theke, durch einen leichten Prallschirm vor dem Gröbsten geschützt, aufmerksam das Treiben und notierte, wer was beschädigte.

»Nicht viel los heute«, rief ihm Ian ins Ohr. »Ich werd mal schlafen gehen.«

»Lass dich nicht täuschen«, antwortete Will, ohne die Blicke vom Geschehen abzuwenden. »Autsch! Glaubst du, dass der Doc einen Satz Ohren und Zähne für Charlie lagern hat?«

»Sicherlich. Wenn mich nicht alles täuscht, bekommt er die Dinger vom Festland mit Mengenrabatt. Meines Wissens hat er Zahn-, Gewebe- und Knochenproben von allen Männern und Frauen in seinem Kühlhaus gebunkert.«

»Gehst du morgen auf die Jagd? Moment.« Er leckte bedächtig über den Stift und schrieb murmelnd weiter. »Raùl: zwei Pint-Gläser, eine Vase, ein ertrusischer Spucknapf, halb voll.«

»Ja. Die Wildsäue und Hirsche vermehren sich so rasch, dass wir mit dem Abschuss kaum nachkommen.« Ian duckte sich routiniert, wich besagtem Spucknapf aus und zahlte. »Mach’s gut, Will. So lustlos, wie das heute zugeht, kannst du wahrscheinlich früher zumachen.«

»Schön wär’s!« Der Wirt sah erstmals hoch und beutelte verzweifelt den Kopf. »Angeblich kommen später ein paar Ozzies vorbei, die hier die Sommerfrische verbringen. Sie wollen mit ihren ›nachbarlichen Freunden ein paar Takte zum Thema Rugby plaudern‹.«

»Ozzies! Touristen!« Ian spuckte angewidert aus. »‘s wär’ so schön ruhig auf der Insel, wenn die uns nicht belästigen würden.«

Er nickte zum Gruß und verließ das South Sea Hotel. Der morgige Tag versprach anstrengend und nervenaufreibend zu werden.

2.

 

»Warum?«

»Wer?«

»Wo?«

Die drei Fragen schwirrten immer wieder durch den Äther und zeugten von der Ratlosigkeit der TLD-Mitarbeiter.

Hinzu kam der unterschwellig geäußerte Verdacht, diese Aktion wegen nichts und wieder nichts zu unternehmen.

Das sonst so beschauliche Wohnviertel im Atlan Village glich einem aufgescheuchten Hühnerhaufen. Riesige Schwebelichter wurden in Position gebracht. TLD-Agenten suchten mit Hilfe ihrer Ausrüstung nach Spuren. Positronik-Fachleute durchschnüffelten Datenbanken, die auf ungewöhnliche Vorgänge in dem eng begrenzten Bereich während der letzten Stunden hinwiesen. Kosmopsychologen, Leute vom Spurensicherungsdienst, Kampfroboter, UHF-Spezialisten, kurioserweise ein Trupp Beamter von der Einwanderungsbehörde und gewöhnliche Straßenpolizisten vervollkommneten das Bild eines scheinbaren Wirrwarrs. Zudem mussten angeheiterte Schaulustige, verärgerte Anrainer und Hundertschaften winziger Presse-Roboter vom Ort der Untersuchungen fern gehalten werden.

Malcolm S. Daellian konnte das Misstrauen spüren, das ihm entgegengebracht wurde. In gewissem Sinne hatte er auch Verständnis dafür. Die Hinweise, die er und seine Mitarbeiter aufgefangen hatten und die auf die Aktivität eines Feindes aus der Terminalen Kolonne hindeuteten, waren noch lange keine Beweise.

»Da kommt ein Gleiter«, sagte Rudnor, der nervös von einem Bein aufs andere trat und bereits seinen sechsten »Tradom«-Schokoladeriegel verschlang.

Daellian hätte sein fettes »Kindermädchen« am liebsten zur Hölle geschickt. Aber so wie bereits in den vergangenen Tagen spürte er eine unerklärliche Hemmschwelle. Irgendetwas brachte ihn dazu, den Kerl in all seine Aktivitäten und Überlegungen mit einzubeziehen. Wenn er nur gewusst hätte, was diesen seltsamen Effekt auslöste …

Der Gleiter mit einem markanten roten Symbol am Bug landete. Daellian hatte die energetische Kennung des Transporters längst mit Daten in seinen Speichern verglichen, einen Scan der einzigen Insassin vorgenommen und zudem ihre biologischen Daten überprüft.

An Bord saß eine über Siebzigjährige, der er über alle Maßen misstraute – wie fast jedem.

Agalija Teekate stieg aus. Beherrscht, ruhig, konzentriert. Nichts deutete darauf hin, dass er sie vor wenigen Minuten aus dem Schlaf gerissen hatte.

Selbst ohne Schminke, selbst in diesem abgetragenen und weiten Kleidungsstück, das sie achtlos übergestreift hatte, strahlte sie eine gehörige Portion Erotik aus, wie sie da im typischen Wiegeschritt auf seinen Sarg zukam. Agalija schien die ewige Jugend gepachtet zu haben.

»Danke, dass du gleich gekommen bist«, sagte Daellian so nüchtern wie möglich.

»Ich hoffe für dich, dass es wichtig genug ist, um mich um drei Uhr morgens aufzuwecken.« Sie blickte sich um. »Ist Noviel informiert?«

»Ja. Er hat mich angewiesen, dir das Kommando zu überlassen.«

»Einfach so?« Überrascht hob sie eine Augenbraue. »Der alte Habicht gibt normalerweise nichts aus der Hand … Ich unterstehe nicht einmal seinem Liga-Dienst.«

»Gerade deswegen, meinte er. Er nimmt an – so wie übrigens auch ich –, dass wir mit seinen Geheimdienst-Methoden allein nicht weiterkommen werden. Er vermutet eine Verquickung mit wissenschaftlichen Abteilungen, die mir unterstehen …«

»Er will mit dir nicht zusammenarbeiten«, unterbrach ihn Agalija schroff.

»So ist es.« Daellian spielte aus seinen Tonaufzeichnungen einen fast echt klingenden Seufzer zu. »Ich verstehe zwar nicht, warum – aber er kann mich einfach nicht leiden.«

»Nun – das beruht sicherlich auf Gegenseitigkeit.«

Daellian schwieg. Er ließ die Behauptung der Frau einfach im Raum stehen.

»Also«, sagte sie nach ein paar Sekunden, »was soll ich hier eigentlich?« Sie reckte sich, spannte ihren muskulösen Körper und nahm mit einem dankbaren Nicken den selbst erhitzenden Kaffee in Empfang, den ihr Rudnor reichte.

»Also?«

Daellian informierte Agalija in dürren Worten über die Ortungsergebnisse, die seine Wissenschaftler aufgefangen und die ihn ins Atlan Village geführt hatten.

Die frühere Zirkusartistin und TLD-Agentin, Staatssekretärin, ehemalige Geliebte und Kindsmutter Perry Rhodans lauschte aufmerksam. Vielerlei Geheimnisse umgaben die Frau, die unter dem Namen Mondra Diamond bekannt geworden war. Doch diese Stunde war nicht dazu geeignet, darüber nachzugrübeln.

3.

 

Er hatte das junge Menschenwesen eben erst in der Zentrale der Dunkelkapsel abgelegt, als die Ortung neuerlich ansprach.

»Das Signal kommt wiederum vom Merkur«, sagte Aroff konzentriert. Augenblicklich beanspruchte er beide Hände für die Auswertungsarbeit, während Zerbone den Gefangenen beobachtete.

Was war es nur, das sie miteinander verband? Welche mentale Kraft besaß der Junge, und warum wohnte er wie eine Dienerkreatur in irgendeinem unbedeutenden Bezirk der Stadt? Wussten die Entscheidungsträger der LFT etwa gar nicht, dass dieses kleine Wesen … anders war als seine Artgenossen?

»Wir fliegen erneut den innersten Planeten an«, informierte ihn Aroff. »Die energetischen Kennungen stammen wiederum aus der Gegend, in der Projekt BACKDOOR beheimatet ist.«

Ihre Hände flogen förmlich über die hufeisenförmig angeordneten Armaturen, ohne dass Zerbone darauf Einfluss nahm. Mit einer Leichtigkeit sondergleichen huschte die Dunkelkapsel an den locker gestaffelten Wachschiffen der Terraner vorbei, ließ die Atmosphäre der Erde hinter sich, beschleunigte mit hohen Werten.

Der Zapfstrahl, der vom Nordpol Merkurs aus in die Sonne hineinragte und an deren hyperenergetischer Substanz naschte, musste eine besondere Bedeutung haben.

Eine, über die die Dunklen Ermittler im Vorfeld der Eroberung dieser Ressourcen-Galaxis nichts herausgefunden hatten.

»Der Zapfstrahl erlischt wieder!« Aroff stampfte mit ungewohnter Vehemenz seines dünnen Füßleins auf. Augenblicklich durchjagte eine Schmerzwelle den Ansatz ihrer beider Wirbelsäulen.

»Du faules Ei!«, zischte Zerbone, während sich ihr Körper unter den Qualen zusammenkrümmte. »Beherrsch dich gefälligst!« Der schuppige Kiefer renkte sich unter den peinigenden Muskelkontraktionen nahezu aus. Sie wanderten vom Becken seine eigene Wirbelsäule über die Halswirbel hinauf zum Kopf.

»Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, dass die Terraner ein Spielchen mit uns spielen!« Aroff pickte nervös in seinem Federkleid umher.

Es dauerte nicht lange, bis er sich wieder beruhigt hatte. Sein so nüchtern funktionierender Verstand unterdrückte jegliche Emotion und konzentrierte sich auf das Wesentliche.

Auf den jungen Terraner.

»Was machen wir mit ihm?«

»Wir befragen ihn selbstverständlich«, züngelte Zerbone zur Antwort.

Der Schmerz ließ allmählich nach. In einer gemeinsamen Anstrengung richteten sie ihren Körper auf und lehnten sich gegen das stützende Gel-Pad.

»Wir werden es nicht in der Dunkelkapsel tun«, sagte Aroff. »Die Fähigkeiten des Menschen sind uns nach wie vor unbekannt. Die Gefahr erscheint gering; dennoch sollten wir durch die … Befragung unser Raumschiff nicht in Gefahr bringen.«

»Also auf dem Erdmond oder einem der äußeren Planeten?«

»Der Einfachheit halber sollten wir auf der Erde bleiben. Auch wenn wir nicht auf die Kooperationsbereitschaft des Jungen angewiesen sind – wir würden uns Aufwand und Mühen sparen. Wer weiß schon, wie er auf veränderte Atmosphäremischungen und Temperaturbedingungen reagiert.«

»Meinetwegen.« Zerbone züngelte nachdenklich. »Such dir möglichst unbesiedeltes Land aus.«

Der Mor’Daer überlegte kurz und deutete schließlich auf einen kleinen Fleck auf der terranischen Südhalbkugel. Auf eine kleine Insel, Anhängsel einer etwas größeren. »Dieser Platz scheint mir ideal zu sein«, sagte er, ließ die Dunkelkapsel erneut in die Atmosphäre eintauchen.

4.

 

»Wir haben etwas gefunden!«, meldete ein TLD-Agent.

»Wo?«, fragte Malcolm S. Daellian.

»Dritte Ebene des Häuserblocks. Sechste Wohneinheit von links. Der … Tatort liegt verborgen. Ein Erker versperrt die Sicht vom Park aus.«

Ein rötliches Licht blitzte auf und markierte den Mann. Er schwebte mit seinem Antigrav an der Außenseite des Wohnhauses.

Daellian und Mondra erhoben sich gleichzeitig, während Rudnor hinter ihnen zurückblieb.

»Hier!«, sagte der namenlose Agent, als sie ihn erreichten, und deutete auf ein Fenster vor ihm. Genauer: auf das, was einmal ein Fenster gewesen war.

»Sauber ausgeschnitten«, murmelte Mondra. Vorsichtig fuhr sie mit ihren Fingern die messerscharfe Kante entlang. »Ein Desintegrator oder etwas Ähnliches, keine Frage.« Sie drehte sich zu dem Agenten mit dem ausdruckslosen Gesicht um. »Die Spurensicherung soll augenblicklich anmarschieren. Das übliche Prozedere. Infrarot, Schwingungsmustererkennungen, Befragung der Nachbarn und so weiter.«

Kommentarlos gab der Agent die Anweisungen weiter.

Mondra glitt währenddessen ins Innere der Wohnung. Daellian folgte ihr. Er manövrierte den Sarg passgenau durch die Lücke.

»Das Zimmer eines Jungen«, murmelte die Frau, während sie sich im Licht ihres Scheinwerfers umsah.

Der Haus-Servo versagte. Ein klägliches Flackern der Zimmerbeleuchtung und ein paar grässlich verzerrt klingende Worte – dann schaltete er sich ab.

Ein TLD-Agent meldete sich per Holo-Funk. »Die hier ansässige Familie heißt London. Mory und Julian London, der Sohn Marc. Die Eltern sind Schauspieler.«

»London? Der Name kommt mir vage bekannt vor …« Mondra schaltete die Verbindung aus, ging mit weichen Schritten durch das Zimmer. Ihre Finger tasteten scheinbar beiläufig da und dort über Einrichtungsgegenstände. Sie betrachtete Holo-Bilder von Konzerten und Theaterpremieren, kitschige Souvenirs aus der ganzen Welt und eine Sammlung von Gesteinsproben, die über das Zimmer verteilt waren. Mit rascher Handbewegung aktivierte sie einen Tonziegel an der Wand. Augenblicklich brauste der Sound einer Retro-Basso-Band über sie hinweg. Unzusammenhängender Lärm, der aus den Start- und Landegeräuschen einer Space-Jet, dem Brunftschrei eines arkturischen Kletterhahns und einem Verdauungsrülpser Icho Tolots gemixt war. Hastig schaltete die ehemalige Agentin die Musik mit einer weiteren Handbewegung aus.

»Das sind die ›Giveheads‹«, sagte sie in die plötzliche Stille. »Zurzeit sehr beliebt in Terrania.«

»Ich will gar nicht hören, woher du das weißt«, würgte Daellian das Thema ab.

»Ist auch nicht wichtig. Tatsache ist: Kaum ein Erwachsener würde sich diesen Krach freiwillig anhören.«

Das Licht sprang wiederum an, flackerte erneut, hielt aber diesmal. Sie schalteten die Scheinwerfer aus.

Eine kalte Windbö durchzog plötzlich das Zimmer, wirbelte mehrere Schreibfolien vom unaufgeräumten Arbeitstisch.

»Schüchtern ist er«, sagte Mondra plötzlich, während sie die Ausstattung des Zimmers weiterhin musterte. »Fast introvertiert.«

»Wie kommst du darauf?« Daellian konnte sich über die Entschiedenheit in der Stimme der Frau nur wundern.

»Spürst du die Stimmung dieses Zimmers nicht?«, fragte sie erstaunt. »Die Bilder. Die Musik. Die Planlosigkeit und Unordnung. Der Versuch, eine Persönlichkeit aufzubauen, sich von den Eltern abzunabeln …«

»Apropos Eltern: Sollten wir die beiden nicht allmählich ausfindig machen?«

»Du hast Recht«, antwortete Mondra. »Momentan bewegen wir uns ohnehin auf rechtlich sehr dünnem Eis. Wir befinden uns in einer Privatwohnung und schnüffeln herum …«