Die junge Gräfin – 1 – Sensation auf der Geburtstagsgala

Die junge Gräfin
– 1–

Sensation auf der Geburtstagsgala

Mit ihrem Sieg hatte keiner gerechnet!

Michaela Dornberg

Impressum:

Epub-Version © 2016 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: http://www.keltermedia.de

E-mail: info@kelter.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74093-268-8

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Zufrieden verstaute Alexandra von Waldenburg die letzten Tüten in ihrem Jeep. So, das war geschafft, die letzten Einkäufe für den sechzigsten Geburtstag ihres Vaters waren erledigt.

Jetzt konnte sie ganz entspannt auf die Ankunft der Gäste, vor allem ihrer Geschwister, warten. Auf die freute sie sich schon sehr, ganz besonders auf ihre drei kleinen Nichten, die Leben ins Haus bringen würden.

Sie überlegte sich gerade, in dem gegenüberliegenden kleinen Café einen Cappuccino zu trinken, als hinter ihr eine Stimme entzückt rief: »Mensch, Alex, das ist ja super, mit dir hätte ich nun wirklich nicht gerechnet, sondern dich um diese Zeit irgendwo bei euch im Betrieb vermutet. Trinken wir was zusammen?«

Alexandra drehte sich um, und da wurde sie auch schon stürmisch umarmt von ihrer besten Freundin Liliane Koch.

»Hallo, Lil, warum sitzt du nicht in deinem Büro, sondern spazierst durch die Stadt?«

Liliane Koch lachte.

»Vielleicht, weil ich geahnt habe, dich hier zu treffen? Nein, mal ganz im Ernst, ich war bei einem sehr schwierigen Kunden, der zum Glück endlich mit unseren Entwürfen einverstanden ist. Mein Gott, war das eine schwierige Geburt … Also, einen Kaffee hätte ich jetzt verdient oder einen doppelten Espresso? Also, was ist? Trinken wir was? Du bist auch eingeladen.«

Alexandra hakte sich bei ihrer Freundin unter.

»Werd nicht gleich leichtsinnig, nur weil du mal wieder einen Auftrag an Land gezogen hast. Ich lade dich ein, weil ich nämlich auch schon den Gedanken hatte, einen Kaffee oder so was zu trinken.«

»Das ist wunderbar«, lachte Liliane, »und selbstverständlich nehme ich die Einladung an.«

Die beiden jungen Frauen betraten das kleine, ein wenig altmodisch, aber durchaus gemütlich eingerichtete Café, das um diese Zeit noch nicht so gut besucht war.

Das würde sich allerdings am Nachmittag ändern, wenn die Zeit der Tortenschlachten begann.

Jetzt saßen an drei Tischen einzelne Herren, ganz wichtig in Akten und Aufzeichnungen vertieft. Ein älterer Mann hatte sich hinter einer Tageszeitung vergraben, und eine Gruppe alter Damen saß beim Frühstück zusammen. Um diese Zeit konnte man wohl eher Brunch sagen. Gewiss hatte eine von ihnen Geburtstag, denn sie prosteten sich gerade sehr vergnügt mit Sekt zu.

Alexandra und Liliane fanden einen kleinen Tisch direkt an einem der Fenster. Sie hätten sich überallhin setzen können, denn sie waren nicht hergekommen, um draußen auf dem Platz das Geschehen zu beobachten oder um gesehen zu werden, sondern um sich zu unterhalten.

Sie waren enge Freundinnen seit Kindergartentagen und hatten sich immer etwas zu sagen.

Alexandra war froh, dass Lil wieder nach Keimburg zurückgekommen war. Sie hatte einige Jahre in New York gelebt, war dort verheiratet gewesen, doch die Ehe war in die Brüche gegangen. Warum, darüber hatten die Freundinnen niemals gesprochen. Vielleicht war es das Heimweh gewesen.

Was auch immer, sie waren wieder beisammen, und das würde hoffentlich auch ewig so bleiben.

Alexandra konnte sich nichts anderes vorstellen, als auf ewig auf Waldenburg zu leben, in der Nähe von der beschaulichen kleinen Stadt Keimburg. Aber das war wohl nur ein Traum, der irgendwann zu Ende sein würde.

Wenn man so wollte, waren ihre Tage, besser gesagt Jahre, auf Waldenburg gezählt.

Noch hatte ihr Vater die Zügel fest in der Hand, aber eines Tages würden das Gut, der angeschlossene Betrieb, an ihren Bruder Ingo übergehen, und dann war sie gezwungen, sich einen anderen Lebensmittelpunkt zu suchen, ein Gedanke, der sie mit Schaudern erfüllte.

Mit Ingo würde ein anderer Wind auf Waldenburg wehen, ein Wind, der sie davonwehen würde.

Alexandra zuckte zusammen, als Liliane sie am Arm schüttelte.

»He, wo bist du mit deinen Gedanken?«, wollte sie wissen. »Die Bedienung steht seit Ewigkeiten hier um zu erfahren, was du trinken willst.«

»Entschuldigung, ich nehme … Ach, bringen Sie mir bitte einen Cappuccino.«

Als die Bedienung gegangen war, erkundigte Liliane sich: »Was ist los? Wo warst du gerade? Bei einem Prinzen, der auf einem weißen Pferd angeritten kommt und dich auf sein Schloss entführt?«

»Schön wäre es«, seufzte Alexandra, »dann müsste ich mir um meine Zukunft wenigstens keine Gedanken machen. Leider gibt es Prinzen nur im Märchen.«

»Wieso Gedanken um die Zukunft? Gibt es etwas, was ich noch nicht weiß?«

Alexandra schüttelte den Kopf.

»Nein, ich glaube, ich bin im Augenblick bloß ein wenig sentimental, weil Papa sechzig wird. Das ist zwar noch kein Alter, aber irgendwann wird er sich zurückziehen, und Ingo wird der neue Herr von Waldenburg, und ich … Ich muss dann wohl einen Abflug machen, und ehrlich, Lil, das bricht mir beinahe das Herz, weil es für mich nichts Schöneres gibt als Waldenburg. Verflixt, warum bin ich kein Junge geworden, nicht einmal die Erstgeborene bin ich, sondern der Nachzügler.«

Die Getränke wurden serviert, und nachdem die Bedienung gegangen war und Liliane den ersten Schluck ihres übersüßten doppelten Espressos getrunken hatte, sagte sie:

»Wenn dein Vater schlau wäre, würde er dir alles überlassen und Ingo auszahlen, genauso wie seinerzeit Sabrina. Du liebst das Gut, kennst dich mit allem aus. Ingo hat doch von nichts eine Ahnung, allenfalls davon, wie man ein feudales Leben führen kann, ohne dafür viel tun zu müssen. Er ist für mich der typische Mann, der in seinem Lebenslauf als Beruf Erbe angeben kann. Was hat Ingo denn schon geschafft? Er hat ein biss­chen herumstudiert, alles angefangen, nichts beendet. Nicht einmal das mit seiner Ehe hat geklappt, die war nach zwei Jahren geschieden, dabei war Marion doch wirklich eine patente Frau.«

Alexandra nickte.

»Ja, ich fand sie auch sehr nett, schade, dass wir so gar nichts mehr von ihr hören. Sie ist einfach verschwunden, daran zu denken macht mich heute noch traurig, denn Marion und ich verstanden uns wirklich sehr gut.«

»Wahrscheinlich hat dein sauberer Bruder sie so verletzt, dass sie mit den gesamten von Waldenburgs nichts mehr zu tun haben will.«

»Du kannst Ingo nicht leiden, stimmt’s?«

»Das ist nicht wahr«, widersprach Liliane, »er sieht gut aus, kann charmant und nett sein. Mich stört nur, mit welcher Verantwortungslosigkeit er durchs Leben spaziert und den lieben Gott einen guten Mann sein lässt, so ganz nach dem Motto – ach, mein Vater und die kleine Schwester, die werden es schon richten. Die sorgen dafür, dass sich das Vermögen der Waldenburgs weiter vermehrt, damit ich es hinterher ausgeben kann.«

Alexandra seufzte.

»Stimmt schon, dass Ingo ein wenig leichtsinnig ist. Papa spricht nicht darüber, aber es grämt ihn schon sehr, dass Ingo so gar kein Interesse an allem zeigt. Ich mein, er weiß doch, dass er der nächste Herr von Waldenburg wird. Da muss er, auch wenn hinreichend Personal vorhanden ist, wenigstens etwas Ahnung haben.«

»Deswegen sage ich ja auch, dass dein Vater besser daran täte, dir alles zu überlassen, dann könnte er beruhigt davon ausgehen, dass du alles für die nächste Generation bewahren würdest. Ingo würde ich glatt zutrauen, dass er irgendwann alles verscherbelt.«

An so etwas wollte Alexandra nicht denken, wenngleich sie sich ein solches Szenario auch schon vor Augen geführt hatte.

»Lass uns über was anderes reden, Lil«, bat sie. »Auf jeden Fall bin ich froh, dass du auch zu Papas Geburtstag kommen wirst.«

»Und ich bin froh, dass er mich eingeladen hat. Kommen auch nette alleinstehende Männer? Wäre schon schön, mal wieder jemanden kennenzulernen, sich zu verlieben. Ich bin jetzt wieder so weit, aber die Chancen, in Keimburg jemanden zu finden, stehen nicht so gut. Ich glaub, da hat man eher die Chance, von einem Terroristen erschossen zu werden, als einen adäquaten Partner zu finden. Hoffentlich werden wir zwei keine alten Jungfern.«

»Na ja, du hast ja wenigstens schon mal eine Ehe hinter dir und weißt, wie das ist.«

Liliane wurde ernst.

»Alex, eine gescheiterte Ehe ist eine Erfahrung, die man sich wirklich ersparen kann.«

Alexandra ärgerte sich, dass sie davon angefangen hatte.

Auch wenn Liliane so tat, als sei es vorbei, hatte man an ihrer Reaktion erkennen können, dass es noch lange nicht so war.

»Ich freue mich so sehr auf die Kleinen«, wechselte Alexandra das Thema. »Schade, dass sie so weit weg wohnen, man bekommt nur so wenig von ihnen mit, sieht sie nicht heranwachsen. Wenn ich es schon so sehr bedaure, wie muss es da in meinen Eltern wohl aussehen? Es kommt im Jahr nicht so oft vor, dass sie ihre Großelternrolle ausleben können.«

»Drei kleine Mädchen können auch ganz schön anstrengend sein«, wandte Liliane ein.

»Ja, das stimmt, und bald werden Sabrina und Elmar wieder ein Kind haben …«

»Willst du damit sagen, dass deine Schwester schon wieder schwanger ist?«

Alexandra nickte.

»Mein Gott, die Mädchen sind doch noch so klein. Legen die beiden es unbedingt darauf an, einen Sohn zu bekommen?«

Alexandra zuckte die Achseln.

»Keine Ahnung, aber vorstellbar ist es schon. Wollen denn nicht alle Männer einen Sohn haben, um Fußballspielen, das Spielen mit der elektrischen Eisenbahn wieder aufleben zu lassen?«

»Na ja, wenn das seine Motivation ist, wünsche ich viel Glück, dass es diesmal mit dem Stammhalter klappt. Es kann aber auch ganz gehörig ins Auge gehen, und Mädchen Nummer vier erblickt das Licht der Welt.«

»Ach, weißt du, Lil, mir wäre das so was von egal, für mich wäre allein entscheidend, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen.«

Liliane rührte in ihrem Espresso herum, es war der dritte, und wenn sie sich einen vierten bestellen würde, dann würde Alexandra einschreiten. »Und wenn es krank wäre?«, wollte sie wissen.

»Dann wäre es doch auch mein Kind, und ich würde ihm alle Liebe schenken wie einem gesunden, vielleicht sogar noch mehr Liebe.«

»Ja, ja, meine Freundin Alex mit dem großen, guten Herzen.«

»Wieso, du würdest ein krankes Kind doch auch lieben, oder, Lil?«

»Ja, ja, das schon, aber ich würde, im Gegensatz zu dir, ganz schön mit dem Schicksal hadern.«

Alexandra blickte auf die altmodische Wanduhr, die genau in ihrem Blickfeld hing.

»Mein Gott, da haben wir uns aber ganz schön verplaudert. Ich muss aufbrechen, meine Eltern werden sich ganz gewiss schon wundern, wo ich bleibe.«

Sie winkte die Bedienung herbei, bezahlte, dann verließen die Freundinnen das Café.

»Wir sehen uns«, sagte Alexan­dra, »spätestens zu Papas Geburtstag.«

»Klar, und vorher telefonieren wir auf jeden Fall. Wie ich uns kenne, schon spätestens heute Abend.«

Dem hatte Alexandra nichts hinzuzufügen, weil es ganz einfach stimmte.

Liliane und sie waren halt Busenfreundinnen …

*

Gut Waldenburg war ein prachtvoller Besitz, der sich außerhalb des Ortes, eingebettet in Felder und Wälder befand und mit seinem weitläufigen, großzügigen Herrenhaus, den anschließenden Stallungen und den zahlreichen Nebengebäuden wie ein kleiner Ort für sich wirkte, wie eine Insel inmitten einer wunderbaren Natur.

Alexandra fuhr über den Hof zu der großen Remise, in der alle Fahrzeuge untergestellt waren.

Dieses Glücksgefühl, nach Hause zu kommen, würde wohl niemals aufhören. Für sie war Waldenburg der allerschönste Platz der Welt, ein Paradies, das zu verlassen ihr das Herz brechen würde. Sie wusste, dass sie dieses Gefühl von Heimat, Glück, Geborgenheit, Frieden niemals anderswo finden konnte. Hier waren ihre Wurzeln, hier war sie geboren worden, hatte eine unbeschwerte Kindheit verbracht, und wundervolle Jugend, und hierhin war sie nach Beendigung ihres Studiums mit wehenden Fahnen zurückgekehrt.

Warum ließ Ingo sich so selten blicken?

Manchmal hatte sie das Gefühl, dass er froh war, wieder weg zu können. Ob etwas Wahres daran war, was Lil vorhin gesagt hatte? Dass er irgendwann alles verkaufen würde?

Nein!

Sie wollte diesen Gedanken überhaupt nicht weiter ausspinnen, weil er geradezu gruselig war.

Als sie über den Hof zum Herrenhaus ging, kam Max, der Stallbursche, ihr hinterhergelaufen.

»Frau von Waldenburg, der Schimmel lahmt. Wollen Sie sich das mal ansehen, oder soll ich den Tierarzt anrufen?«