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RAIMUND BRICHTA
ANTON VOGLMAIER

DIE
WAHRHEIT
ÜBER
GELD

Wie kommt unser
Geld in die Welt
– und wie wird aus
einem Kleinkredit ein
großer Finanzcrash?

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INHALT

Zuallererst

Wie kommt Geld auf die Welt?

Wie geht Geld von der Welt?

Zahlen, bitte! – Aber wie?

Mythos und Wahrheit

Über Alchemisten, Münchhausen und den Schweizer Käse

Auch Banken lassen anschreiben

Augen auf an Deck!

Gottesspieler oder Sagenhelden?

Die Leichtigkeit der Geldherstellung und ihre Folgen

Das achte Weltwunder

Zins und Zins sind zweierlei

Geldspeicher stehen nicht nur in Entenhausen

Wer ist schuld an der Krise?

Je voller, desto toller

Der Schuldenmarathon

Der Berg und das Loch

Er rollt und rollt und rollt

Das Märchen von der Schuldenbremse

Die Inflation ist da!

Der Rettungs-Poker

Reif für die goldene Zitrone

Das Deutschland-profitiert-vom-Euro-Märchen

„Das Ende ist nicht mehr aufzuhalten“

Wie es wohl weitergehen wird?

Sicherheitsgurte für Ihr Geld

Weitermachen oder therapieren?

Zu guter Letzt

Anhang 1Das Geld ist woanders

Anhang 2Es geht auch ohne Zentralbankgeld

Anhang 3Protokoll der Krisensitzungen zur Rettung der Hypo Real Estate

Anhang 4Auf der Suche nach dem Goldschatz

Anhang 5193 Milliarden Erdkugeln aus purem Gold

Anhang 6Wie sicher ist die Einlagensicherung?

Anhang 7Schampus aus Abwasser

Anhang 8Wie schnell die Speicher volllaufen

Anhang 9Ist es tatsächlich ein Schneeballsystem?

Anhang 10Disput über den Rettungs-Poker

Anhang 11Liste unserer Gesprächspartner

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„ICH BIN DER WAHRHEIT VERPFLICHTET,
WIE ICH SIE JEDEN TAG ERKENNE,
UND NICHT DER BESTÄNDIGKEIT.“

Mahatma Gandhi

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ZUALLERERST

Für die meisten Leute ist Geld etwas Alltägliches und Selbstverständliches. Sie machen sich kaum Gedanken darüber, was genau das ist, das sich da auf ihren Konten oder in ihren Portemonnaies befindet. Und sie fragen sich auch nicht, wo dieses Etwas herkommt, das wir Geld nennen.

Fragen Sie doch einmal in Ihrem Bekanntenkreis nach: Wie wird Geld gemacht? Sie werden Antworten erhalten wie: „Es wird gedruckt“ oder „Die Zentralbank macht es“. Damit geben sich die meisten Leute zufrieden, obwohl dies nicht einmal der halben Wahrheit entspricht. Die volle Wahrheit erfahren Sie in diesem Buch.

Nehmen wir zum Beispiel an, Sie haben ein Konto bei der Bank Ihres Vertrauens, das genau ausgeglichen ist – der Kontostand beträgt also null. Nun gehen Sie zum Kundenberater und lassen sich einen Kredit einräumen von – sagen wir – 10.000 Euro. Sobald die Formalitäten erledigt sind, wird die Bank das Geld auf Ihrem Konto gutschreiben. Wo auf dem Kontoauszug vorher noch „0“ stand, wird jetzt „10.000“ stehen.

„So weit, so gut“, mögen Sie denken, „das ist doch ein ganz alltäglicher Vorgang, aber was hat er damit zu tun, wie Geld auf die Welt kommt? Die 10.000 Euro waren doch schon da, die Bank hat schließlich von anderen Leuten Spareinlagen bekommen, aus denen sie die 10.000 Euro entnehmen kann. Denn das ist ja das Geschäftsmodell einer Bank: Von Sparern Geld entgegennehmen und dieses Geld dann an Kreditnehmer weiterleiten.“

Letzteres ist aber der Trugschluss! Und genau hierin liegt ein Schlüssel für die Einsicht in das wahre Wesen unseres Geldes: Das Geld, das Sie mit einem Bankkredit bekommen, war vorher nämlich nicht da. Die Bank „macht“ es erst. Wie das funktioniert und welche Konsequenzen es hat, lesen Sie in diesem Buch.

Zur vollen Wahrheit gehört aber noch mehr: Die Art und Weise, wie unser Geld funktioniert, steckt nämlich auch hinter all den Krisen, die seit Jahren herauf- und wieder heruntergebetet werden – Finanzkrise, Eurokrise, Schuldenkrise. Auch wenn uns gerne andere, eher vordergründige Missstände als Ursachen präsentiert werden, liegen die tatsächlichen Wurzeln des Übels also tiefer.

Wir bringen diese ans Licht und geben Ihnen in leicht verständlichen Schritten die Möglichkeit, die Schwachstellen des Systems zu durchschauen. Wir vermitteln Ihnen außerdem ein Gespür dafür, was uns noch erwartet und wie man sich als Anleger darauf einstellen kann.

Und nun wünschen wir Ihnen viel Erfolg bei der Suche nach der Wahrheit über Geld.

WIE KOMMT
GELD AUF
DIE WELT?

„DIE SCHÖPFUNG. AM ANFANG SCHUF GOTT HIMMEL UND ERDE. UND DIE ERDE WAR WÜST UND LEER, UND ES WAR FINSTER AUF DER TIEFE; UND DER GEIST GOTTES SCHWEBTE AUF DEM WASSER. UND GOTT SPRACH: ES WERDE LICHT! UND ES WARD LICHT.“

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Die Bibelfesten unter Ihnen kennen diese Passage vermutlich auswendig. Sie steht am Anfang des Ersten Buchs Mose im Alten Testament. Was aber hat die christliche Schöpfungsgeschichte mit der Entstehung unseres Geldes zu tun? Ist Geld auch etwas Gottgegebenes? Mitnichten! Und trotzdem steht die Bibel beim Geldschaffen in gewisser Weise Pate.

Denn Geld entsteht auf die gleiche Weise, wie laut Bibel das Licht entstanden ist – indem jemand spricht: Es werde Geld! Und es wird Geld.

Bei der Geldschaffung ist dieser Jemand allerdings nicht Gott, sondern es sind ganz und gar irdische Institutionen, die diese Schöpfung vollbringen. Konkret: Es sind – wie schon erwähnt – Banken und es sind Zentralbanken, die man auch Notenbanken nennt. Sie alle erzeugen Geld – und zwar so, wie Gott das Licht erschaffen haben soll.

Experten sprechen in diesem Zusammenhang deshalb auch von „Geldschöpfung“, was wir mit Seitenblick auf die Bibel für eine sehr treffende Bezeichnung halten.

ZWEI SEITEN EINER MEDAILLE

Wie der Schöpfungsakt in der Regel vonstatten geht, haben wir im Groben schon skizziert: Jemand nimmt einen Bankkredit auf und bekommt dafür eine entsprechende Zahl auf seinem Konto gutgeschrieben. Das ist alles. Es geschieht im Handumdrehen und per Knopfdruck – eben aus dem Nichts.

Auf die näheren Umstände dieses Prozesses gehen wir gleich noch ein. Halten wir hier aber schon einmal fest:

Geld entsteht immer dann,
wenn Banken Kredite vergeben.

Daraus folgt ein weiterer wichtiger Zusammenhang: Wenn Geld nämlich dadurch gemacht wird, dass jemand einen Bankkredit aufnimmt, entsteht gleichzeitig auch immer eine neue Schuld – die Schuld des Kreditnehmers gegenüber der Bank. Das heißt:

Geld und Schuld sind eng miteinander verbunden.
Sie sind zwei Seiten derselben Medaille.

Es ist in etwa so, wie wenn Sie an einem Strand ein Loch buddeln und den ausgegrabenen Sand daneben anhäufen. Der Sandhaufen kommt nur dadurch zustande, dass gleichzeitig auch das Loch entsteht. Und genauso ist es beim Geld: Dies gibt es nur deshalb, weil es auch Schulden gibt.

Damit sollte bereits deutlich werden, dass durch die Herstellung von Geld kein zusätzliches Vermögen in die Welt gesetzt wird. Denn wenn dem neuen Geld eine gleich hohe neue Schuld gegenübersteht, hebt sich beides gegenseitig wieder auf. Das auf der Erde vorhandene Gesamtvermögen bleibt damit unverändert.

Genauso ist es übrigens am Strand: Dort entsteht durch den neuen Haufen ja auch kein zusätzlicher Sand, da gleichzeitig ein Loch gegraben wird.

Allerdings ist die Menge an vorhandenem Geld nicht so leicht zu erkennen wie etwa Sandhaufen an Stränden. Das einzige Geld, das man tatsächlich anfassen kann, ist Bargeld. Es macht aber nur einen Bruchteil des gesamten Geldes aus. Viel größer ist der Teil, der nur auf Bankkonten als sogenanntes Buchgeld existiert – in einer Geldform also, die man nicht greifen kann. Man kann sie nur in Form von Zahlen auf Kontoauszügen darstellen.

Genau dies macht die Sache so schwierig, denn eine elementare Zone in unserem Gehirn ist vor allem auf die Analyse von Objekten und deren Umgebung spezialisiert. Diese Zone war schon für unsere Vorfahren in der Steinzeit außerordentlich wichtig, wenn sie als Jäger und Sammler durch die Lande streiften. Sie ist es für uns aber auch heute noch, etwa im Straßenverkehr. Deshalb bestimmt sie nach wie vor einen Großteil unseres Denkens und wird in der Regel auch dann aktiviert, wenn wir uns über Geld Gedanken machen.

Aus diesem Grund werden uns im Fernsehen oft Münzen oder Scheine präsentiert, selbst wenn es in den Berichten gar nicht um Bargeld geht. Aber wie sollte man Geld auch anders anschaulich machen? Und Onkel Dagoberts Geldspeicher werden wir ein Leben lang vor allem deshalb nicht vergessen, weil wir ihn uns mit dieser Gehirnzone schon im Kindesalter so gut einprägen konnten.

Da sich unser Geld vom Gegenständlichen inzwischen jedoch weitgehend entfernt hat, müssten wir eigentlich ganz andere graue Zellen aktivieren, um es für uns begreifbar zu machen, aber das ist nur schwer möglich.

Deshalb haben wir uns auf die Suche nach Orten begeben, an denen man Geld wenigstens betrachten kann. Wir haben uns also gefragt, wo all das Geld herumliegen könnte, so wie Sand eben an Stränden herumliegt. Und wir sind fündig geworden in den Bilanzen der Banken und Notenbanken, die im Vergleich zu Sandstränden sogar einen entscheidenden Vorteil haben: In den Bilanzen liegt nämlich sämtliches vorhandenes Geld1, während man Sand bekanntlich außer an Stränden auch noch an unzähligen anderen Plätzen finden kann.

Noch dazu lässt sich in einer Bilanz sehr schön verfolgen, wie der schon skizzierte Prozess der Geldherstellung genau vonstatten geht. Was liegt also näher, als genau in diese Bilanzen zu schauen, um dem Phänomen Geld auf die Spur kommen? Genau das wollen wir jetzt tun.

Keine Angst, wir werden Sie dabei nicht mit trockener Bilanzbuchhaltung langweilen, sondern wir wollen nur die Vorzüge der Bilanzierung nutzen, um Sie der Wahrheit über Geld einen großen Schritt näherzubringen.

Schon der gute alte Goethe hatte schließlich erkannt, welche Vorteile es hat, wenn man ordentlich bilanziert und seine Bücher führt. In „Wilhelm Meisters Lehrjahren“ lobte er die Buchführung als „eine der schönsten Erfindungen des menschlichen Geistes“. „Jeder gute Haushalter sollte sie in seiner Wirtschaft einführen. Sie lässt uns jederzeit das Ganze überschauen, ohne dass wir es nötig hätten, uns durch das Einzelne verwirren zu lassen“, schrieb Meister Goethe bereits vor mehr als 200 Jahren.

Darin können wir ihm nur zustimmen. Sie werden gleich selbst sehen, wie gut man auch in Sachen Geld mithilfe der Bilanz das Ganze überschaut, ohne sich durch das Einzelne verwirren zu lassen.

ZWEI SCHALEN UND IHRE BEDEUTUNG

Das Prinzip einer Bilanz ist ganz einfach. Ihr Name stammt vom lateinischen Begriff „bilanx“ ab, der „zwei Waagschalen“ bedeutet. Und tatsächlich funktioniert eine Bilanz wie eine Waage, die in der Lage ist, reine Zahlenwerte gegeneinander aufzuwiegen. Genauso wie eine richtige Waage muss sie dabei immer austariert sein. Das bedeutet, wenn man rechts etwas hineinlegt, muss man links das gleiche Gewicht dazulegen – und umgekehrt.

Warum das so sein muss, besprechen wir gleich. Zuerst aber zeigen wir Ihnen, was in die beiden Waagschalen einer Bilanz kommt: Auf der linken Seite sind das alle Vermögenswerte, über die ein Unternehmen verfügt, also zum Beispiel Gebäude, Maschinen oder Wertpapiere. Diese Schale nennt man „Aktivseite“ der Bilanz, weil ein Unternehmen sein Vermögen aktiv einsetzen kann, um damit Geschäfte zu machen.

In der rechten Schale sieht man dagegen, aus welchen Quellen das Vermögen finanziert wurde: zum einen aus dem Kapital, das von den Eigentümern des Unternehmens stammt – dies nennt man Eigenkapital –, und zum anderen aus dem, was sich das Unternehmen geliehen hat. In der Bilanz heißt dies Fremdkapital, in der Alltagssprache kann man es aber auch ganz einfach als Schulden bezeichnen. Die gesamte rechte Schale nennt man „Passivseite“ der Bilanz.

Damit sieht eine Bilanz – egal ob von einer Bank oder einem anderen Unternehmen – ganz grob so aus:

Aktivseite

Passivseite

Wert des Vermögens (z. B. Gebäude, Maschinen, Wertpapiere)

Quellen der Finanzierung (Eigenkapital und Fremdkapital/Schulden)

Der Grundsatz, dass beide Schalen immer im Gleichgewicht sein müssen, ergibt sich aus folgender Überlegung: Die rechte Seite zeigt nämlich auch, welche Geldgeber in welcher Größenordnung Ansprüche auf das links stehende Vermögen haben. Stellen Sie sich zum Beispiel einmal vor, der Wert des Vermögen links wäre geschrumpft und er wäre jetzt kleiner als das, was die Kapitalgeber auf der rechten Seite insgesamt ins Unternehmen eingebracht haben. Dann wäre nicht mehr genügend Vermögen da, um sämtliche Ansprüche befriedigen zu können. In einem solchen Zustand könnte das Unternehmen nicht mehr fortbestehen und deshalb müssten die Kapitalgeber so lange auf Ansprüche verzichten, bis beide Schalen wieder austariert sind.

In der Regel trifft ein solcher Verzicht zuerst die Geber von Eigenkapital, weil die Höhe ihrer Ansprüche nicht vertraglich garantiert ist. Mit anderen Worten: Wer tausend Euro Eigenkapital gibt, hat kein Recht darauf, genau diesen Tausender wieder zurückzubekommen. Es kann weniger sein oder auch mehr. Fremdkapitalgebern steht dagegen genau der Betrag zu, den sie verliehen haben, plus Zinsen.

Zuerst die rechte Schale …

Mit diesem Rüstzeug können wir nun die Geldproduktion gedanklich starten.

Dazu schauen wir in die Bilanz der gerade erwähnten Bank Ihres Vertrauens, bei der Sie den Kredit aufnehmen wollen. Grundsätzlich stehen in einer Bankbilanz die Kontoeinlagen der Kunden immer auf der Passivseite, also rechts. Warum? Weil diese Kontoguthaben nicht der Bank gehören, sondern den Kunden. Für das Geldhaus sind sie also Schulden. Die Bank hat insbesondere die Schuld, mit den Einlagen das zu machen, was ihre Kunden wünschen, also zum Beispiel Überweisungen oder Bargeldabhebungen zu ermöglichen.

Der Einfachheit halber betrachten wir im Folgenden lediglich den Ausschnitt der Bilanz, der für die Geldherstellung wichtig ist. Bevor Sie Ihren Kredit bekommen, sieht er so aus:

Aktivseite

Passivseite

0

Ihre Kontoeinlage 0

Sie haben noch nichts auf dem Konto, die Bank hat damit keine Schulden bei Ihnen, die sie in die rechte Waagschale legen müsste. Folglich muss sie dafür links auch kein Vermögen vorhalten.

Jetzt aber unterzeichnen Sie den Kreditvertrag und danach schreibt die Bank die 10.000 Euro auf Ihrem Konto gut. In der Bilanz passiert dadurch Folgendes:

Aktivseite

Passivseite

0

Ihre Kontoeinlage 10.000

Was hat sich verändert? Nun, wo vorher „0“ stand, steht jetzt „10.000“, mehr ist nicht passiert. Und das ist auch schon der entscheidende Vorgang der Geldschöpfung. Kaum zu glauben, aber wahr! Denn egal, ob es sich um eine Geschäftsbank oder eine Notenbank handelt:

Geld entsteht immer dadurch, dass eine Bank auf der rechten Seite, also der Passivseite, ihrer Bilanz jemandem eine „Kontoeinlage“ gewährt, die es vorher noch nicht gegeben hat.

Der Begriff „Einlage“ suggeriert zwar, dass man etwas „einlegt“, das schon vorhanden ist. Dies muss jedoch nicht der Fall sein. Das „eingelegte“ Geld kann auch erst in dem Moment entstehen, in dem die Bank die betreffende Einlage in ihre Bilanz aufnimmt.

Geld wird übrigens ausschließlich auf der Passivseite der Bilanzen von Banken und Notenbanken produziert. Dies gilt selbst für Bargeld, das man zwar zusätzlich noch anfassen und weitergeben kann, welches aber vorher immer erst in einer Bilanz geschaffen werden muss, und zwar in der Bilanz der Notenbank.

Das heißt: Wer dem Geld auf die Spur kommen will, muss lediglich auf den rechten Seiten der Bankbilanzen unter „Einlagen“ nachschauen. Außerdem muss er noch das Bargeld finden, das in der Notenbankbilanz unter der Position „Banknotenumlauf“ steht.

Danach die linke …

Aber noch ist die Sache nicht komplett, denn in unserem Beispiel neigt sich die Waage nun auf die rechte Seite, weil sie dort schwerer geworden ist. Dies darf natürlich nicht sein und deshalb müssen links ebenfalls 10.000 Euro dazukommen. Nur woher?

Sie haben sich mit dem Kreditvertrag dazu verpflichtet, das Geld zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzuzahlen. Die Bank hat also nun eine Forderung an Sie, die für das Institut werthaltiges Vermögen darstellt. Und genau diese Forderung legt das Geldhaus in seine linke Schale:

Aktivseite

Passivseite

Forderung an Sie 10.000

Ihre Kontoeinlage 10.000

Damit ist die Waage wieder ausbalanciert. In der Realität geschieht beides natürlich gleichzeitig, um gar nicht erst ein Ungleichgewicht entstehen zu lassen. Wir haben den Vorgang aber entzerrt, um ihn anschaulicher zu machen und um die Tatsache zu unterstreichen, dass nur das, was auf der rechten Seite der Bilanz passiert, die Geldschöpfung ist. Denn nur die dort stehende neue Kontoeinlage ist das produzierte Geld. Die Forderung links ist kein Geld.

Trotzdem ist es natürlich wichtig, beide Seiten der Bilanz im Auge zu behalten, weil man nur so jederzeit das Ganze überblicken kann.

Wir halten also noch einmal fest:

Geld entsteht zwar nur auf der rechten Seite von Bankbilanzen, gleichzeitig muss aber immer ein ebenso hoher Vermögenswert auf der linken Seite dazukommen. Und dieser Vermögenswert ist in der Regel eine Forderung, denn Geld wird meistens auf dem Wege einer Kreditvergabe produziert.

Neben dem Kredit gibt es zwar noch eine zweite Möglichkeit der Geldherstellung, sie spielt in der Praxis aber nur eine untergeordnete Rolle. Eine Bank kann nämlich auch dadurch Geld produzieren, dass sie Vermögenswerte ankauft, zum Beispiel Gold, Immobilien oder Wertpapiere. Dann legt sie statt der Forderung genau diesen Vermögenswert in die linke Waagschale und gleichzeitig stockt sie rechts das Kontoguthaben des Verkäufers auf. Sie bezahlt hier also mit Geld, das sie noch gar nicht hat, welches sie vielmehr erst im Laufe des Kaufvorgangs selbst „produziert“. Dies ist ein wirklich nettes Privileg, welches nur Banken und Notenbanken genießen.

Vor dem Kauf – sagen wir eines Goldbarrens – sieht die Bankbilanz im betreffenden Ausschnitt noch so aus:

Aktivseite

Passivseite

0

Kontoeinlage 0

Und danach so:

Aktivseite

Passivseite

Gold 10.000

Kontoeinlage 10.000

Zentralbanken schaffen auf diese Weise auch Geld, wenn sie zum Beispiel fremde Währungen ankaufen. Greift etwa die Europäische Zentralbank mit Dollarkäufen am Devisenmarkt ein, kommen in ihre linke Waagschale die gekauften Dollar und in der rechten entsteht der entsprechende Gegenwert in Euro als Kontoeinlage des Dollarverkäufers.

Geld kann also auch durch den Kauf von anderem Geld entstehen, sofern es sich dabei um fremde Währungen handelt. Da aber die gekauften Währungen in der Regel ihrerseits wiederum durch Kredit geschaffen worden sind, ist die eigentliche Triebfeder der Geldschöpfung auch hier das Schuldenmachen.

Ähnlich sieht es aus, wenn eine Bank Anleihen aufkauft, denn auch hinter diesen Wertpapieren stecken nur Schulden.

Man kenn es also drehen und wenden, wie man will: Der größte Teil der Geldproduktion basiert auf Kredit.

1 Spezialisten können zwar stundenlang darüber diskutieren, was man eigentlich unter Geld versteht. Da dabei aber der Blick für das Wesentliche leicht verloren geht, lassen wir uns auf eine solche Diskussion gar nicht erst ein. Wir meinen mit Geld einfach das, was jeder spontan als solches erkennt, also Scheine, Münzen und die Guthaben auf Bankkonten. Wenn auch wir den Begriff später erweitern, zum Beispiel in Bezug auf Geldvermögen, weisen wir ausdrücklich darauf hin. Außerdem verwenden wir für die Guthaben auf Bankkonten auch gleichbedeutende Begriffe wie Einlagen, Kontoeinlagen oder ganz allgemein Buchgeld.

WIE GEHT
GELD VON
DER WELT?

„DER HERR HAT’S GEGEBEN, DER HERR HAT’S GENOMMEN, GEPRIESEN SEI DER NAME DES HERRN.“

Hiob 1,21

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Nun gehen wir der Frage nach, unter welchen Bedingungen Geld wieder verschwindet. Kann es, wenn es erst einmal auf der Welt ist, überhaupt wieder von uns gehen – und wenn ja, wie? Die Antwort lautet: Ja, es kann – und zwar im Prinzip genauso, wie es gekommen ist.

Schauen wir dafür wieder in die Bilanz, denn sie ist nicht nur der Ort, an dem Geld geboren wird und lebt, sondern auch der Ort, an dem es wieder „stirbt“. Als Beispiel dienen uns erneut die 10.000 Euro, die Sie als Kredit bekommen haben. Nehmen wir der Einfachheit halber an, Sie hätten mit dem Geld nichts gemacht und es nur auf dem Konto liegen gelassen. Dann sieht die Bilanz Ihrer Bank nach wie vor so aus:

Aktiva

Passiva

Forderung an Sie 10.000

Ihre Kontoeinlage 10.000

Nehmen wir nun an, Sie würden den Kredit jetzt tilgen. Dabei passiert Folgendes: Die Bank zieht die 10.000 Euro einfach von Ihrem Konto ab, sodass Ihr Kontostand wieder null beträgt.

Aktiva

Passiva

Forderung an Sie 10.000

Ihre Kontoeinlage 0

Das Geld ist aber nicht etwa auf ein anderes Konto überwiesen worden, sondern die 10.000 Euro sind von der Welt verschwunden – und zwar auf die gleiche Art, wie sie gekommen waren. Ihre Bank hat aus der Zahl 10.000 einfach die Zahl 0 gemacht. Mehr nicht. Die Bank hat’s gegeben, die Bank hat’s genommen.

Das heißt:

Jede Tilgung eines Bankkredits führt dazu, dass Geld vernichtet wird. Geld kommt also mit der Kreditvergabe und es verschwindet wieder mit der Kreditrückzahlung.

Dies sind die beiden grundlegenden Mechanismen, die Sie ein wenig auf sich wirken lassen sollten, denn sie werden im weiteren Verlauf des Buches noch eine wichtige Rolle spielen. Vor allem wird es darum gehen, warum die gesamte Menge an Geld in der Regel nicht schrumpft, ja nicht schrumpfen darf, obwohl es zunächst plausibel erscheinen mag, wenn man daran denkt, dass bei jeder Tilgung eines Bankkredits Geld wieder in der Versenkung verschwindet.

Nun müssen wir aber unsere Waage noch ins Gleichgewicht bringen, denn es ist klar, dass im selben Moment, in dem die Bank das Geld von Ihrem Konto tilgt, auch keine Forderung mehr gegen Sie besteht. Deshalb ist die Bankbilanz tatsächlich wieder ausgeglichen:

Aktiva

Passiva

Forderung an Sie 0

Ihre Kontoeinlage 0

Für diesen Vorgang spielt es übrigens keine Rolle, ob das Geld von der Entstehung bis zur Vernichtung auf dem Konto gelegen hat, wie wir angenommen haben, oder ob es zwischenzeitlich für andere Zwecke verwendet wurde. Wichtig ist nur, dass sich am Tag der Tilgung 10.000 Euro auf dem Konto befinden.

Aus dem elementaren Zusammenhang zwischen Geld und Schuld ergibt sich auch eine wichtige Schlussfolgerung: Würden sämtliche Schulden getilgt, gäbe es auch so gut wie kein Geld mehr.1 Schulden sind also absolut notwendig, um unser Wirtschaftsleben aufrechtzuerhalten. Ohne Schulden – und damit ohne Geld – bräche alles zusammen.

1 Abgesehen von einem kleinen Rest an Geld, der nicht durch Kreditvergabe in Umlauf gekommen ist, sondern durch den Ankauf von Vermögenswerten. Aber auch dieses Geld kann grundsätzlich wieder verschwinden, nämlich dann, wenn die Banken die Vermögenswerte wieder verkaufen.

ZAHLEN, BITTE!
– ABER WIE?

„KEIN NORMALER KONSUMENT WEISS HEUTE AUCH NUR UNGEFÄHR UM DIE HERSTELLUNGSTECHNIK SEINER ALLTAGSGEBRAUCHSGÜTER. NICHT ANDERS ABER STEHT ES MIT … DEM GELD. WIE DIESES EIGENTLICH ZU SEINEN SONDERQUALITÄTEN KOMMT, WEISS DER GELDGEBRAUCHER NICHT, DA SICH JA SELBST DIE FACHGELEHRTEN STREITEN.“

Max Weber, Philosoph

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Was Max Weber schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts feststellte, gilt auch heute noch: Da sich selbst die Gelehrten über das Phänomen Geld streiten, hat die Mehrheit der Bevölkerung keinen blassen Schimmer davon, was Geld eigentlich ist und wie es entsteht. Deshalb dürfte es den meisten Leuten auch unverständlich sein, wie es möglich ist, dass man mit bloßen Zahlen, die Banken in ihre Bücher schreiben, etwas bezahlen kann, zum Beispiel ein Auto. Genau dies werden wir Ihnen nun aber zeigen. Schauen Sie sich das folgende Beispiel bitte an, denn nur so verstehen Sie, wie unser Geld wirklich funktioniert.

Dafür kommen wir zu Ihrem Kredit zurück, den Sie bei der Bank Ihres Vertrauens aufgenommen haben. Nehmen wir an, Sie hätten sich in den Kopf gesetzt, dafür ein neues Auto zu kaufen, und zwar einen Fiat 500. Normalerweise reichen 10.000 Euro dafür zwar nicht ganz, aber wenn Sie einen ordentlichen Rabatt aushandeln – schließlich gelten Sie mit dem Geld beim Händler ja als Barzahler – oder wenn Sie einen Vorführwagen nehmen, könnte es klappen.

Nehmen wir also an, dass Sie den Deal perfekt gemacht haben. Jetzt kommt es nur noch darauf an, die 10.000 Euro von Ihrem Konto auf das Bankkonto des Fiat-Händlers zu überweisen. Für Sie ist das kein Problem, denn Sie brauchen dafür nur ein Überweisungsformular auszufüllen. Aber für die Bank könnte es unter Umständen etwas aufwendiger sein.

Am einfachsten ist es, wenn der Händler sein Konto zufällig bei derselben Bank hat wie Sie. Dann geht es nämlich ruckzuck. Erinnern wir uns daran, wie die Bilanz Ihrer Bank aussah, nachdem Sie dort Ihren Kredit aufgenommen hatten:

Aktiva

Passiva

Forderung an Sie 10.000

Ihre Kontoeinlage 10.000

Fügen wir nun das Konto hinzu, das der Autohändler bei derselben Bank hat:

Aktiva

Passiva

Forderung an Sie 10.000

Ihre Kontoeinlage 10.000 Händlerkonto 0

Da der Händler auf diesem Konto kein Guthaben hat, muss es auf der gegenüberliegenden Aktivseite auch keinen Ausgleich dafür geben.

Mit Ihrer Überweisung ändert sich nun Folgendes:

Aktiva

Passiva

Forderung an Sie 10.000

Ihre Kontoeinlage 0 Händlerkonto 10.000

Die Bank muss also nicht mehr tun, als auf zwei ihrer Kundenkonten jeweils eine Zahl zu verändern. So einfach wandern die 10.000 Euro von Ihrem Konto auf das Konto des Händlers. Insgesamt bleibt das Gewicht der rechten Schale unverändert, sodass sich auch in der linken Schale nichts ändern muss. Und damit sehen Sie zum ersten Mal, dass sich mit Geld, das aus dem Nichts geschöpft wird, tatsächlich etwas anfangen lässt: Sie haben soeben damit ein Auto bezahlt!

Allerdings ist es für die Bank nicht immer so einfach. Wahrscheinlich wird der Händler nämlich sein Konto nicht bei derselben Bank haben wie Sie. Und dann gibt es ein Problem: Die 10.000 Euro auf Ihrem Konto sind ja bloß eine Zahl, die die Bank in ihre Bilanz geschrieben hat. Damit sind sie gleichsam nur das Geld dieser Bank, das sie zwar bankintern jederzeit von einem auf das andere Konto umbuchen kann, aber wie sieht es nach außen aus?

Wenn der Händler sein Konto bei einer anderen Bank hat, muss mehr passieren als eine bloße Umbuchung, denn die andere Bank bekommt durch die Überweisung auf das Konto des Autohändlers zusätzlichen Inhalt in die rechte Waagschale ihrer Bilanz gelegt, ein Inhalt, der aus ihrer Sicht eine Schuld darstellt. Folglich muss in ihre linke Schale ein zusätzlicher Vermögenswert hineinkommen.

Und genau das ist die Lösung: Von Bank zu Bank wird nicht nur die Schuld übertragen, sondern gleichzeitig auch ein Vermögenswert. Nur welcher? Etwa die 10.000 Euro, die Ihre Bank noch als Kreditforderung gegen Sie hat? Diese Forderung könnte sie doch einfach an die andere Bank mit übertragen. Dann wäre sie beides los: sowohl die Forderung an Sie als auch die Schuld.

Klingt im ersten Moment logisch, ist es aber nicht, denn Sie haben den Kreditvertrag mit Ihrer Bank und nicht mit der Bank Ihres Autohändlers geschlossen. Die ursprüngliche Kreditforderung kann also nicht einfach mit Ihrer Einlage mitwandern. Zumal ein Kontoguthaben ja auch in beliebig viele Kleinbeträge geteilt und auf verschiedene Konten überwiesen werden kann, während eine Kreditforderung nicht nach Gutdünken teilbar ist.

Also muss eine andere Lösung her, wobei folgende am einfachsten ist: Ihre Bank überträgt Vermögen in Form von Zentralbankguthaben an die andere Bank. Das sind Kontoguthaben, die Banken bei der Zentralbank haben. Damit sind sie ebenfalls Geld, allerdings ein ganz besonderes, nämlich Geld, das die Zentralbank schöpft. Wie bereits erwähnt, entsteht dieses Geld genauso wie jenes, das die Geschäftsbanken machen, also meistens durch Kredit. Und trotzdem hat es einen besonderen Status, weil die Zentralbank in der Regel einen außergewöhnlichen Ruf genießt. Ihr Geld wird von allen Banken gerne akzeptiert, über seine Werthaltigkeit muss man sich nämlich nicht lange Gedanken machen.

Wenn Ihre Bank nun also Ihre Überweisung auf das Konto des Fiat-Händlers bei einer anderen Bank ausführen will, muss sie sich erst einmal Zentralbankgeld beschaffen. Deshalb nimmt sie bei der Zentralbank einen Kredit auf, wobei ebenfalls neues Geld aus dem Nichts entsteht.

Dieses Mal passiert es allerdings in der Bilanz der Zentralbank. Diese sieht so aus, bevor Ihre Bank dort den Kredit aufnimmt:

Aktiva

Passiva

0

Kontoeinlage Ihrer Bank 0

Und danach so:

Aktiva

Passiva

Forderung an Ihre Bank 10.000

Kontoeinlage Ihrer Bank 10.000

Alles funktioniert hier also genauso, wie es funktioniert hat, als Sie den Kredit bei Ihrer Bank aufgenommen haben.

So weit, so gut. Verlassen wir jetzt die Bilanz der Zentralbank und schauen uns an, was sich durch den neuen Kredit in der Bilanz Ihrer Bank ändert. Denn auch dort müssen das neue Geld und die neue Schuld schließlich sichtbar werden.

Vor dem neuen Kredit sieht die Bilanz Ihrer Bank noch so aus wie vorhin:

Aktiva

Passiva

Forderung an Sie 10.000

Ihre Kontoeinlage 10.000

Doch nun bekommt die Bank einen Vermögenswert dazu:

Aktiva

Passiva

Forderung an Sie 10.000

Ihre Kontoeinlage 10.000

Kontoguthaben bei der Zentralbank 10.000

 

Sie sehen: Das, was in der Zentralbankbilanz auf der Passivseite steht, das neue Kontoguthaben Ihrer Bank nämlich, steht bei Ihrer Bank auf der gegenüberliegenden Seite, bei den Aktiva. Und das ist auch logisch, denn für Ihre Bank ist das neue Zentralbankguthaben ein Vermögenswert, über den sie verfügen kann.

Die Waage neigt sich aber jetzt nach links. Also muss zum Ausgleich wieder etwas rechts hinein. Für Ihre Bank steht dem neuen Guthaben bei der Zentralbank auch eine neue Schuld gegenüber, die Schuld nämlich, den bei der Zentralbank aufgenommenen Kredit wieder zu tilgen:

Aktiva

Passiva

Forderung an Sie 10.000

Ihre Kontoeinlage 10.000

Kontoguthaben bei der Zentralbank 10.000

Schulden bei der Zentralbank 10.000

Damit ist die Bilanz wieder ausgeglichen. Im Unterschied zu vorher liegen jetzt aber 20.000 Euro in jeder der beiden Schalen. Warum das Ganze nötig war, werden Sie gleich sehen. Denn erst jetzt hat Ihre Bank die Vorarbeit dafür geleistet, dass Sie die 10.000 Euro auf das Konto Ihres Autohändlers bei einer anderen Bank überweisen können.

Und das funktioniert so: Wenn Sie die Überweisung veranlassen, überträgt zunächst Ihre Bank ihr neues Guthaben, das sie nun bei der Zentralbank hat, auf das Zentralbankkonto der Bank Ihres Autohändlers, und zwar ebenfalls durch eine einfache Überweisung. Denn alle Banken haben bei der Zentralbank ein Konto, deshalb heißt sie ja auch Zentralbank, und die Bankleitzahlen sind nichts anderes als die jeweiligen Kontonummern.

Was passiert bei dieser Überweisung? Im Prinzip das Gleiche, was bei Ihrer Bank passiert ist, als wir annahmen, der Autohändler habe sein Konto bei derselben Bank wie Sie. Schauen wir also wieder in die Bilanz der Zentralbank. Diese sah eben – nachdem Ihre Bank dort den Kredit aufgenommen hatte – so aus:

Aktiva

Passiva

Forderung an Ihre Bank 10.000

Einlage Ihrer Bank 10.000

Fügen wir nun das Konto hinzu, das die Bank des Autohändlers bei der Zentralbank hat:

Aktiva

Passiva

Forderung an Ihre Bank 10.000

Einlage Ihrer Bank 10.000

 

Einlage der Bank des Autohändlers 0

Nun überweist Ihre Bank das Guthaben, das sie bei der Zentralbank hat, auf das Konto der Bank Ihres Autohändlers:

Aktiva

Passiva

Forderung an Ihre Bank 10.000

Einlage Ihrer Bank 0

 

Einlage der Bank des Autohändlers 10.000

Dabei ist wieder nichts anderes passiert, als dass die Zentralbank in der Passiva-Schale auf beiden Konten jeweils eine Zahl geändert hat.

Die Bank des Autohändlers hat jetzt aber einen neuen Vermögenswert, nämlich das Zentralbankguthaben von 10.000 Euro. Werfen wir deshalb einen Blick in die Bilanz der Bank des Autohändlers. Sie sieht vor der Überweisung so aus (wir betrachten hier wieder nur den für uns wesentlichen Ausschnitt):

Aktiva

Passiva

0

Autohändlerkonto 0

Nachdem die Überweisung auf dem Konto bei der Zentralbank eingegangen ist, kommen die 10.000 Euro in die Aktiva-Schale der Bilanz:

Aktiva

Passiva

Kontoguthaben bei der Zentralbank 10.000

Autohändlerkonto 0

Allerdings ist das neue Guthaben kein Geschenk, wie Sie wissen, sondern die Bank hat es nur unter der Bedingung bekommen, dass sie dafür dem Autohändler ein entsprechendes Kontoguthaben einräumt. Mit anderen Worten: dass sie dafür in derselben Höhe eine Schuld gegenüber dem Autohändler übernimmt. Diese Schuld wird in die Passiva-Schale der Bilanz gelegt, womit die Bilanz ausgeglichen ist:

Aktiva

Passiva

Kontoguthaben bei der Zentralbank 10.000

Kontoeinlage Autohändler 10.000

Jetzt erst ist Ihre Überweisung abgeschlossen. Ihr Autohändler hat das Geld von Ihnen bekommen und Sie dürfen sich in Ihren neuen Wagen setzen. Davon, was hinter den Kulissen passiert ist, haben Sie nichts mitbekommen. Sie haben einfach nur ein Überweisungsformular ausgefüllt, sonst nichts.

Schauen wir uns noch kurz an, was dabei in der Bilanz Ihrer Bank passiert ist. Vor der Überweisung sah sie noch so aus:

Aktiva

Passiva

Forderung an Sie 10.000 Kontoguthaben bei der Zentralbank 10.000

Ihre Kontoeinlage 10.000 Schulden bei der Zentralbank 10.000

Nun bezahlen Sie das Auto per Überweisung. Die 10.000 Euro werden also von Ihrem Konto abgebucht. Aber anders als in dem Fall, in dem der Händler sein Konto auch bei Ihrer Bank hatte, verschwindet die Einlage bei Ihrer Bank jetzt vollständig. Und mit ihr verschwindet das Guthaben bei der Zentralbank, das ebenfalls zur Bank Ihres Autohändlers wandert:

Aktiva

Passiva

Forderung an Sie 10.000

Ihre Kontoeinlage 0

Kontoguthaben bei der Zentralbank 0

Schulden bei der Zentralbank 10.000

Damit ist auch hier die Überweisung abgeschlossen und die Bilanz Ihrer Bank ist wieder ausgeglichen. Folgendes hat sich jedoch geändert: Die Bank steht bei Ihnen nicht mehr in der Schuld (Ihre Kontoeinlage beträgt 0), sie hat aber nach wie vor die Forderung an Sie. Dieser Forderung stehen jetzt Schulden bei der Zentralbank gegenüber.

ZWANZIG 500ER FÜR EINEN 500ER

Manch einer meint ja, nur Bares sei Wahres, und deshalb sprechen wir jetzt noch über eine weitere Möglichkeit, wie Sie Ihren Fiat 500 bezahlen können, und zwar mit Bargeld. Ihre Bank muss Ihnen für Ihre Kontoeinlage ja nicht nur jederzeit eine Überweisung ermöglichen, sondern sie verpflichtet sich auch, Ihnen dafür jederzeit Banknoten auszuhändigen, sofern Sie es wünschen.

Landläufig sprechen wir von „Geld abheben“, aber dahinter steckt mehr, denn das Geld muss auch umgetauscht werden: vom Geld Ihrer Bank in Geld der Notenbank. Auf Ihrem Konto befindet sich nämlich nur Geld, das Ihre Bank hergestellt hat, für das also nur sie verantwortlich ist. Bargeld in Form von Geldscheinen darf aber nur die Zentralbank ausgeben, weshalb sie auch Notenbank genannt wird. (Münzen lassen wir mal außen vor, die darf bei uns nur der Bund ausgeben.) Bargeld ist also nicht nur wegen seiner Erscheinungsform ein anderes Geld als die Einlagen auf den Bankkonten, sondern vor allem auch wegen seiner Herkunft.

Was muss geschehen, damit Sie Ihre Kontoeinlage in Banknoten umtauschen können? Zuerst sollten wir uns anschauen, wie Bargeld überhaupt geschaffen wird. Dabei meinen wir nicht den Vorgang des Bedruckens von Papierschnipseln. Dieser findet schon statt, bevor das Papier zu Geld wird. Richtiges Geld wird erst dann daraus, wenn die Notenbank das bedruckte Papier als „Banknotenumlauf“ in ihre Bilanz einbucht und in Verkehr bringt.

Also gilt hier ebenfalls: Erst die bilanzielle Erfassung macht Banknoten zu gültigem Geld. Darin unterscheiden sich die Scheine nicht von der papierlosen Variante. Und wie bei dieser ist auch beim Papiergeld der Kredit die hauptsächliche Entstehungsursache.

Wir zeigen das wieder anhand der Zentralbankbilanz und Ihres Autokaufs. Wenn Sie dem Fiat-Händler nämlich Scheine in die Hand drücken wollen, muss sich Ihre Bank diese erst besorgen. Dies macht sie auf die gleiche Weise, wie sie sich vorher das Kontoguthaben bei der Zentralbank beschafft hat.

Vor der Transaktion sieht die Zentralbankbilanz im maßgeblichen Ausschnitt so aus:

Aktiva

Passiva

0

0

Nun wendet sich Ihre Bank an die Zentralbank und nimmt dort einen Kredit von 10.000 Euro auf. Sie lässt sich das Geld aber nicht als Kontoeinlage gutschreiben, sondern in Form von Banknoten auszahlen. Dann sieht die Zentralbankbilanz nach der Transaktion so aus:

Aktiva

Passiva

Forderung an Ihre Bank 10.000

Banknotenumlauf 10.000

Rechts sind in der Passiva-Schale der Zentralbankbilanz 10.000 Euro Bargeld entstanden, die es vorher nicht gab. Ihre Bank hat die Scheine zwar in Empfang genommen, aber sie können ihr – anders als eine Kontoeinlage – nicht eindeutig zugerechnet werden, weil das Bargeld in der Regel weitergereicht wird. Eindeutig zurechenbar ist nur die entsprechende Kreditforderung an Ihre Bank, die die Zentralbank als Vermögenswert auf der linken Seite ihrer Bilanz einbucht.

Nun kommen Sie und Ihr Autokauf ins Spiel. Die Bilanz Ihrer Bank sah nach Ihrer Kreditaufnahme und vor der Geldscheinbeschaffung noch so aus:

Aktiva

Passiva

Forderung an Sie 10.000

Ihre Kontoeinlage 10.000

Jetzt kommt das bei der Notenbank beschaffte Bargeld dazu:

Aktiva

Passiva

Forderung an Sie 10.000

Ihre Kontoeinlage 10.000

Bargeldbestand 10.000

Schulden bei der Zentralbank 10.000

Links sind bei den Aktiva die Banknoten als Bargeldbestand hinzugekommen. Auch hier sehen Sie wieder, dass das, was für die Zentralbank eine Schuld ist – die 10.000 Euro Banknotenumlauf –, für den Besitzer einen Vermögenswert darstellt. Umgekehrt ist jetzt die neue Kreditforderung der Zentralbank bei Ihrer Bank rechts bei den Schulden zu finden.

Nun hat Ihre Bank alle Vorbereitungen dafür getroffen, dass Sie Ihre Kontoeinlage in Geldscheine umtauschen können. Sie gehen zum Schalter und lassen sich die 10.000 Euro auszahlen. In der Bilanz Ihrer Bank passiert dabei Folgendes: Aus der linken Schale verschwindet das Bargeld (das haben nun Sie und nicht mehr die Bank), dafür verschwindet aber auch rechts Ihre Kontoeinlage, denn wenn Sie die 10.000 Euro in bar haben, haben sie logischerweise kein Kontoguthaben mehr.

Aktiva

Passiva

Forderung an Sie 10.000

Ihre Kontoeinlage 0

Bargeldbestand 0

Schulden bei der Zentralbank 10.000

Beide Waagschalen sind damit auch wieder leichter geworden. Das Endergebnis ist im Übrigen dasselbe wie nach Ihrer Überweisung: Bei Ihrer Bank bleibt die Kreditforderung an Sie, der Schulden bei der Zentralbank gegenüberstehen.

Für Sie ist es nun ein Leichtes, mit 20 druckfrischen 500er-Scheinen in der Tasche Ihren Fiat 500 zu bezahlen. Sie sollten aber nicht vergessen, sich vom Händler eine Quittung geben zu lassen.

Fassen wir noch einmal zusammen: Sie haben miterlebt, wie Geld entsteht, sowohl bei einer Geschäftsbank als auch bei einer Zentralbank. Sie haben gesehen, dass Buchgeld (das sind die Kontoeinlagen) und Bargeld auf die gleiche Art und Weise zur Welt kommen, und zwar meistens per Kredit.

Außerdem haben Sie miterlebt, wie mit Geld, das aus dem Nichts geschaffen wurde, sofort reale Waren bezahlt werden können. Dies gilt nicht nur für Verbraucher wie in unserem Beispiel, sondern es gilt genauso für Unternehmen, die ebenfalls Bankkredite aufnehmen, um mit dem so geschaffenen Geld ihre Produktion zu finanzieren. Die häufigste Zahlungsart ist inzwischen die per Überweisung.

Wichtig ist auch die Konsequenz, die sich aus all dem ergibt: Jede Bank gibt im Endeffekt ihr eigenes Geld heraus, für das nur sie geradesteht. Bank A haftet also nur für das von ihr produzierte Geld, Bank B tut das Gleiche nur für ihres und auch die Zentralbank steht nur für jenes Geld gerade, welches sie selbst herausgegeben hat. In diesem Punkt unterscheidet sich das Geld also, obwohl es nach außen hin so erscheint, als ob Geld gleich Geld wäre.

In der Praxis führt dies dazu, dass bei jeder Überweisung von Bank zu Bank ein Umtausch vom Geld der einen in Geld der anderen Bank stattfindet. Und bei jeder Bargeldabhebung tauscht man das Geld der betreffenden Bank in Geld der Zentralbank ein.

Normalerweise spielen diese Unterschiede zwar keine Rolle, sie werden aber plötzlich wichtig, sobald eine Bank in Schwierigkeiten gerät. Dann weiß man es nämlich sehr zu schätzen, wenn man deren Geld nicht sein Eigen nennt.

MYTHOS UND WAHRHEIT

„WOHER STAMMT NUR DER ABERGLAUBE, DASS DIE WAHRHEIT SICH SELBER BAHN BRECHE?“

Ernst Bloch, deutscher Philosoph

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Teile des Buches haben die Form eines Gespräches zwischen uns beiden Autoren. Wir meinen, dass dies der Vermittlung der Inhalte an den betreffenden Stellen förderlich ist. An dieser Stelle beginnen wir damit.

„Manche Leser, Raimund, mögen es vermutlich immer noch nicht glauben, dass eine Bank, die Geld ‚verleiht‘, dieses Geld im Moment der Kreditvergabe erst macht, also ‚schöpft‘. Im Alltagsbewusstsein nimmt man doch an, man könne nur etwas verleihen, das man auch hat.“

„Beim Geld muss man das Alltagsbewusstsein eben über Bord werfen. Wir haben ja Schritt für Schritt gezeigt, was beim Geldmachen in einer Bankbilanz passiert.“

„Das Problem ist nur, dass man einer Bank beim Geldschöpfen in der Praxis nie so über die Schulter schauen und in die Bilanz gucken kann, wie wir es dargestellt haben. All die Dinge passieren schließlich im Verborgenen.“

„Deshalb haben wir sie ja ans Licht geholt.“

„Trotzdem könnte ich mir vorstellen, dass es noch Zweifler gibt, zumal man tatsächlich oft genug die Version hört, Banken verliehen nur das Geld weiter, das sie von anderen Kunden anvertraut bekommen. Dann würden sie also nur etwas Bestehendes weiterreichen und nichts selbst machen.“

„Diese Version kenne ich. Aber wer – bitteschön – macht das Geld dann? Und wie wird es gemacht?“

„Keine Ahnung! Dazu schweigen sich die Leute, die das behaupten, immer aus.“

„Richtig. Das Geld ist in den Argumenten dieser Leute immer schon da. Aber wo es herkommt, sagen sie nicht. Lass es uns doch einfach mal durchspielen: Nehmen wir an, du legst einen größeren Geldbetrag bei meiner Bank an, sagen wir als Tagesgeld. Dann wäre dein Geld doch das, was die Bank – nach dieser Version – an mich weiterverleihen könnte. Richtig?“

„Richtig.“

„Und wenn sie es weiterverleiht, müsste das Geld dann auf meinem Konto sein. Richtig?“

„Richtig.“

„Auf deinem Konto dürfte es dann aber nicht mehr sein.“

„Wieso?“

„Wenn sie es doch an mich weiterverliehen hat, kann es doch nicht mehr bei dir sein. Wir können doch nicht beide zur selben Zeit dasselbe Geld haben!“

„Da hast du eigentlich recht.“

„Siehst du, das ist in der Realität aber nicht der Fall. Das Geld bleibt natürlich auf deinem Tagesgeldkonto und du kannst weiterhin täglich darüber verfügen.“

„Stimmt.“

„Stell dir mal vor, du bekämst folgende Mitteilung von deiner Bank: ‚Sehr geehrter Herr Voglmaier, wir haben das Guthaben auf Ihrem Tagesgeldkonto vorübergehend an Herrn Brichta verliehen. Deshalb liegt Ihr Kontostand jetzt bei null. Bitte gedulden Sie sich, bis das Geld zurückkommt. Wir werden Sie rechtzeitig darüber informieren.‘“

„Ich würde auf die Barrikaden gehen, wenn ich so einen Schrieb bekäme!“

„Genau. Und jeder andere würde das auch tun. Daran siehst du, dass das Geld, welches ich mit dem Kredit bekäme, zusätzlich zum bereits bestehenden Geld geschaffen wird. Niemand bekäme es vorher von seinem Konto abgezogen.“

„Das klingt plausibel. Umso erstaunlicher ist es, wie verbreitet dieser Aberglaube immer noch ist. In einem Internet-Forum bin ich zum Beispiel auf folgenden Beitrag gestoßen:“

„‚Börsenexperte‘ Brichta hat leider wenig Ahnung vom System. Ganz so einfach ist es nämlich dann doch nicht mit der Geldschöpfung. Banken können natürlich nur Geld verleihen, das ihnen zuvor jemand als Eigenkapital oder Fremdkapital zur Verfügung gestellt hat. Einfach auf Knopfdruck Geld in die Bilanz zaubern darf sie natürlich nicht. Das steht selbstverständlich unter Strafe.

Herr Brichta übernimmt die Argumentation diverser Internetfilmchen, die sich vor allem durch eine Unkenntnis der Materie auszeichnen. Mit seinem Artikel schürt er nur grundlose Angst gegenüber dem Bankenwesen.

Verstehen Sie mich nicht falsch, natürlich muss man unser Geldsystem hinterfragen und wissenschaftlicher Untersuchung unterziehen, was ja auch schon seit jeher getan wird, aber Herr Brichta verbreitet in seiner Unkenntnis hier nur zusätzliche Panik in einer ohnehin angespannten Lage.

Wer Genaueres wissen will, kann sich z. B. hier informieren:

http://www.bundesbank.de/bildu.....stufe2.php

Martin P. – 8. Oktober 2008, 17:19“