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Die Autorinnen/der Autor

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Prof. Dr. Christa Büker, Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin. 2010 bis 2015 Professorin für Pflegewissenschaft an der Hochschule München, seit 2015 an der Fachhochschule Bielefeld; jeweils Leitung grundständiger Bachelor-Pflegestudiengänge. Schwerpunkte in der Lehre: Ambulante Pflege, Multiprofessionelle Versorgungsgestaltung, Edukative Aktivitäten in der Pflege. Forschungsschwerpunkte im Bereich der Bildungsforschung (Entwicklung pflegebezogener Masterstudiengänge) und Versorgungsforschung (Familien mit einem pflegebedürftigen Kind, Case Management). Aktives Mitglied der Sektion Beraten, Informieren, Schulen (BIS) in der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e. V.

 

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Prof. Dr. Julia Lademann, seit 10 Jahren Professorin für Pflegewissenschaft, zunächst an der Hochschule München, seit 2013 an der Frankfurt University of Applied Sciences. An beiden Hochschulen Entwicklung und Leitung grundständiger Bachelor-Pflegestudiengänge. Die Schwerpunkte in Lehre und Forschung sind Professionalisierung und Akademisierung der Pflegeberufe, Pflege und Familie (pflegende Angehörige, ambulante Schwerstkrankenpflege), Gesundheitswissenschaften (Gesundheitsförderung und Prävention) sowie qualitative Gesundheits- und Pflegeforschung. Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e. V. (DGP) und Mitherausgeberin der Fachzeitschrift »Pflege & Gesellschaft«.

 

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Prof. Dr. Klaus Müller ist Krankenpfleger, Berufspädagoge und Gesundheitswissenschaftler. Nach einer Professur für Gesundheits- und Pflegewissenschaft an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld ist er seit 2015 Professor an der Frankfurt University of Applied Sciences mit dem Lehrgebiet »Pädagogische Aufgaben in der Pflege«. Er hat Forschungsvorhaben zur praktischen Pflegeausbildung, zur Hospiz-Geschichte, zum Wertschätzungserleben von Pflegepersonen sowie zur Evaluation von anwendungsbezogenen Projekten durchgeführt. Seine Arbeitsthemen sind Professionelle Sorge, Diversity Care, Beratung/Coaching sowie die Gestaltung von Bildungsprozessen. Er ist Sprecher der Sektion »Hochschulische Pflegeausbildung« der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e. V.

Christa Büker/Julia Lademann/Klaus Müller

Moderne Pflege heute

Beruf und Profession zeitgemäß verstehen und leben

1. Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Piktogramme

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Praxisbeispiel

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Zielsetzung

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Lernaufgaben

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Reflexionsaufgaben

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-032109-0

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-032110-6

epub:   ISBN 978-3-17-032111-3

mobi:   ISBN 978-3-17-032112-0

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Inhalt

 

  1. Vorwort der Reihenherausgeberinnen
  2. Einleitung
  3. 1 Pflegeberuf heute
  4. Christa Büker
  5. 1.1 Bedeutung des Pflegeberufs
  6. 1.2 Handlungsfelder und Aufgaben einer modernen Pflege
  7. 1.3 Gesellschaftliche Einflüsse auf den Pflegeberuf
  8. 1.3.1 Demografische Entwicklung
  9. 1.3.2 Multimorbidität und Pflegebedürftigkeit
  10. 1.3.3 Veränderung von Familienstrukturen
  11. 1.3.4 Konsequenzen für die pflegerische Versorgung
  12. 1.3.5 Gesellschaftlicher Auftrag der Pflege
  13. 1.4 Gesetzliche Rahmenbedingungen des Pflegeberufs
  14. 1.4.1 Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege – Krankenpflegegesetz
  15. 1.4.2 Gesetz über die Berufe in der Altenpflege – Altenpflegegesetz
  16. 1.4.3 Gesetz zur Reform der Pflegeberufe – Pflegeberufereformgesetz
  17. 1.5 Fazit
  18. Literatur
  19. 2 Entwicklung des Pflegeberufs
  20. Julia Lademann
  21. 2.1 Hintergrund: Historische Pflegeforschung
  22. 2.2 Pflegerische Tätigkeiten vom Altertum bis zur Neuzeit
  23. 2.2.1 Erste Hinweise auf Krankenpflege
  24. 2.2.2 Spirituell-Religiöse Prägungen
  25. 2.2.3 Klostergemeinschaften im Christentum
  26. 2.2.4 Pflege im 19. Jahrhundert: Entwicklung zum »Frauenberuf«
  27. 2.2.5 Pflege im Nationalsozialismus
  28. 2.3 Pflege als Ausbildungsberuf
  29. 2.3.1 Erste Ansätze zur Ausbildung in der Pflege
  30. 2.3.2 Beginn staatlicher Ausbildungsregelung
  31. 2.3.3 Pflegeberufegesetze nach 1945
  32. 2.4 Akademisierung in der Pflege
  33. 2.4.1 Entwicklung der Pflegewissenschaft
  34. 2.4.2 Beginn der hochschulischen Qualifizierung
  35. 2.5 Fazit
  36. Literatur
  37. 3 Berufsverständnis
  38. Klaus Müller
  39. 3.1 Was ist Pflege? – Definitionen
  40. 3.1.1 Definition des International Council of Nurses (ICN)
  41. 3.1.2 Definition des Verbandes der PflegedirektorInnen der Unikliniken (VPU)
  42. 3.1.3 Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
  43. 3.1.4 Definition des Royal College of Nursing (RCN)
  44. 3.2 Handlungskonzept und Haltung in der Pflege – das Konzept des »Caring«
  45. 3.2.1 »Caring« als existenzerhaltende Strategie
  46. 3.2.2 Charakteristika und Phasen von Sorgehandeln
  47. 3.2.3 Kernstrategien professionellen Sorgehandelns
  48. 3.2.4 Fürsorgliches Handeln als zentrales Handlungskonzept beruflicher Pflege
  49. 3.3 Verantwortung und Berufsethik
  50. 3.4 Fazit
  51. Literatur
  52. 4 Professionalisierung
  53. Julia Lademann
  54. 4.1 Hintergründe zur Professionalisierung
  55. 4.1.1 Theoretische Grundlagen
  56. 4.1.2 Professionalisierung der Pflege in Deutschland
  57. 4.2 Pflege im Kontext anderer Gesundheitsberufe
  58. 4.2.1 Zusammenarbeit im Gesundheitssystem: Definitionen, Chancen und Hürden
  59. 4.2.2 Interprofessionelle Teamarbeit: Voraussetzungen und Weiterentwicklung
  60. 4.3 Fazit
  61. Literatur
  62. 5 Pflegeorganisationen
  63. Christa Büker
  64. 5.1 Interessenvertretungen der Pflege
  65. 5.2 Internationale Pflegeorganisationen
  66. 5.2.1 International Council of Nurses
  67. 5.2.2 European Federation of Nurses Associations
  68. 5.2.3 Internationale Fachverbände
  69. 5.3 Pflegeorganisationen in Deutschland
  70. 5.3.1 Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe
  71. 5.3.2 Berufsverband für Kinderkrankenpflege Deutschland
  72. 5.3.3 Deutscher Berufsverband für Altenpflege
  73. 5.3.4 Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft
  74. 5.3.5 Deutscher Pflegerat
  75. 5.3.6 Deutscher Bildungsrat für Pflegeberufe
  76. 5.4 Berufliche Selbstverwaltung der Pflege
  77. 5.4.1 Wesen einer Berufskammer
  78. 5.4.2 Ziele und Aufgaben einer Pflegekammer
  79. 5.4.3 Pflegekammern in anderen Ländern
  80. 5.4.4 Entwicklung in Deutschland
  81. 5.5 Fazit
  82. Literatur
  83. 6 Perspektiven der akademischen Pflege
  84. Christa Büker
  85. 6.1 Entwicklung der Akademisierung der Pflege in Deutschland
  86. 6.2 Pflegeausbildung international
  87. 6.2.1 Pflegeausbildung in den USA
  88. 6.2.2 Pflegeausbildung in Europa
  89. 6.3 Qualifikationsmix in der Pflege
  90. 6.4 Einsatzfelder hochschulisch ausgebildeter Pflegender
  91. 6.5 Weiterqualifizierung auf Masterebene
  92. 6.5.1 Erweiterte Pflegepraxis – Advanced Nursing Practice
  93. 6.5.2 Wissenschaftliche Karrierewege
  94. 6.6 Fazit
  95. Literatur
  96. Register
  97. Anhang
  98. ICN-Ethikkodex für Pflegende 2012

 

Vorwort der Reihenherausgeberinnen

 

 

Seit etwa zehn Jahren besteht in Deutschland im Rahmen von Modellvorhaben die Möglichkeit, eine Ausbildung in einem Pflegeberuf auf Hochschulniveau abzuschließen. Gleichzeitig kann ein akademischer Abschluss erworben werden. Seitdem haben sich an zahlreichen Studienorten sogenannte primärqualifizierende Studiengänge etabliert. In dem im Jahr 2017 verabschiedeten Pflegeberufereformgesetz wurde nun (ergänzend zur fachberuflichen Pflegeausbildung) eine bundesgesetzliche Grundlage für eine primärqualifizierende hochschulische Pflegeausbildung geschaffen. Damit ist die Option einer hochschulisch fundierten pflegerischen Qualifikation gemäß internationaler Gepflogenheiten auch für Deutschland gesetzlich festgeschrieben. Mit der Akademisierung der Erstausbildung soll einerseits den steigenden Anforderungen in der pflegerischen Versorgung entsprochen werden und andererseits die Attraktivität des Pflegeberufs erhöht werden.

Bislang liegt eine Lehrbuchreihe zur hochschulischen Erstausbildung in der Pflege in Deutschland nicht vor – diese Lücke wird nun geschlossen. Die Curricula der bisherigen Studiengänge sind recht heterogen. Dennoch gibt es eine Reihe an Themen, welche hochschulübergreifend gelehrt werden und im Rahmen dieser Buchreihe behandelt werden. Im Zentrum stehen Themenfelder, die von grundlegender Bedeutung für Studium und Beruf sind. Dazu zählen beispielsweise »Moderne Pflege heute«, »Beziehungsgestaltung in der Pflege«, »Evidenzbasierte Pflege«, »Pflegewissenschaft und -forschung«, »Edukative Aktivitäten in der Pflege«, »Gesundheitsförderung und Prävention in der Pflege« und »Rechtliche Grundlagen für Pflegeberufe«.

In der Buchreihe wird ein einheitliches didaktisches Konzept verfolgt. So zeichnen sich die einzelnen Bände durch eine enge Verknüpfung von Theorie, Empirie und pflegerischer Praxis aus. Hiermit wird deutlich, dass pflege- und bezugswissenschaftliche Theorien und Konzepte sowie aktuelles, evidenzbasiertes Wissen eine elementare Grundlage für pflegeberufliches Handeln bilden. Durch den deutlichen Praxisbezug der Bände soll das Ziel zur Vermittlung von Grundlagen zur Entwicklung einer wissenschaftsbasierten Pflegepraxis unterstützt werden.

Zielgruppe dieser Lehrbuchreihe sind in erster Linie Studierende, aber auch Lehrende primärqualifizierender Bachelorstudiengänge in der Pflege. Eine weitere Zielgruppe sind Studierende und Lehrende in berufsbegleitenden Bachelorstudiengängen für Pflegende mit abgeschlossener Berufsausbildung. Die Lehrbücher können zur Vor- und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen und Prüfungen sowie als Nachschlagewerke eingesetzt werden. Der Praxisbezug dient der Veranschaulichung und regt zur Reflexion eigener Erfahrungen in der pflegerischen Praxis an. Die relevanten und aktuellen Literaturhinweise führen zu einer weiteren vertieften Bearbeitung der dargestellten Themen.

Die Herausgeberinnen sind erfahrene Pflegepraktikerinnen und ausgewiesene Pflegewissenschaftlerinnen, die seit Beginn der Entwicklung grundständiger Pflegestudiengänge an deren Umsetzung und Weiterentwicklung an verschiedenen Studienstandorten maßgeblich mitwirken. Bei der Auswahl der Autoren und Autorinnen für die Einzelbände erfolgt ebenfalls eine Orientierung an diesen Kriterien. Als Herausgeberinnen einer ersten Lehrbuchreihe für primärqualifizierende Pflegestudiengänge ist es uns ein Anliegen, einen Beitrag zu einer innovativen Weiterentwicklung von Pflege und Pflegeberuf zu leisten.

 

Christa Büker und Julia Lademann

Bielefeld und Frankfurt, im April 2018

 

Einleitung

 

 

Dieser erste Band einer Lehrbuchreihe zur akademischen Pflegeausbildung widmet sich dem Berufsbild der Pflege als moderner Gesundheitsberuf und deckt somit ein breites Spektrum an Themen ab. Zentrale Aspekte sind gesellschaftliche Bedeutung, Handlungsfelder und Rahmenbedingungen von Pflege sowie deren Geschichte und Entwicklung zum Beruf. Ebenfalls aufgegriffen werden relevante Hintergründe zur Bildung eines modernen Berufsverständnisses. Hierbei spielen Aspekte der Professionalisierung eine Rolle, ebenso wie Überlegungen zur Gestaltung einer adäquaten Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen. Schließlich werden sowohl die aktuelle Situation als auch der Entwicklungsbedarf der beruflichen Organisation und Selbstverwaltung vorgestellt und diskutiert sowie Perspektiven der akademischen Pflege aufgezeigt.

Damit werden Pflegestudierende in die Lage versetzt:

•  Den Pflegeberuf als einen modernen Gesundheitsberuf von hoher gesellschaftlicher Relevanz zu verstehen,

•  die Entwicklung des Pflegeberufs bis in die heutige Zeit nachzuvollziehen,

•  ein professionelles Verständnis von ihrem Beruf und eine professionelle Haltung im Bewusstsein ihrer Verantwortung zu entwickeln,

•  die Pflege als eigenständige wissenschaftliche Disziplin und gleichberechtigte Berufsgruppe im Kontext der anderen Gesundheitsberufe zu begreifen,

•  die Bedeutung einer berufsständischen Organisation zu erkennen und

•  Perspektiven für ihre eigene berufliche Entwicklung zu entdecken.

In dem vorliegenden Buch werden die Kapitel jeweils mit einem praktischen Beispiel eingeleitet, um die Bedeutung der dann dargelegten Aspekte zu veranschaulichen. Am Ende der Kapitel finden sich zunächst Lernfragen, welche sich auf die theoretischen und empirischen Inhalte beziehen. Die darauf folgenden Reflexionsfragen sind wiederum eher praxisbezogen und regen die Leserinnen und Leser zu einer vertieften Auseinandersetzung an: Mit dem erarbeiteten Basiswissen und eigenen Praxiserfahrungen wird zu einer weitergehenden argumentativen Bearbeitung der Themen angeregt.

Moderne Pflege heute bietet als erster Band der Lehrbuchreihe Bachelor Pflegestudium die wichtigsten Grundlagen zum Verständnis dieses gesellschaftlich bedeutsamen Gesundheitsberufes. Er dient vor allem dazu, sich als »Neuling« im Feld der Pflege einzufinden und schafft eine Basis, um eine professionelle berufliche Haltung zu entwickeln. Die Autorinnen und der Autor erachten hierfür sowohl pflegewissenschaftlich fundierte Inhalte als auch Aspekte, welche sich auf die Entwicklung der Pflege als Beruf und Profession beziehen, als grundlegend.

Das erste Kapitel widmet sich dem Bild des Pflegeberufs als ein innovativer, anspruchsvoller und unverzichtbarer Gesundheitsberuf. Es zeigt die Vielfalt der möglichen Handlungsfelder und Aufgabenbereiche für Pflegefachpersonen auf, thematisiert relevante gesellschaftliche Entwicklungen mit ihren Konsequenzen für die Pflege und beschäftigt sich mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen der Ausbildung in der Pflege, die derzeit einem tiefgreifenden Veränderungsprozess unterliegen und wesentlichen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung des Pflegeberufs haben werden.

Im zweiten Kapitel wird die Entstehung und Entwicklung des Pflegeberufs von den Anfängen bis in die heutige Zeit nachgezeichnet mit dem Ziel, im Wissen um die »Wurzeln« des Pflegeberufs ein vertieftes Verständnis für die derzeitige Situation der Pflege und die Wirkmächtigkeit traditioneller Vorstellungen zu entwickeln. In der Auseinandersetzung mit der beschämenden Rolle der Pflege in der Zeit des Nationalsozialismus werden grundsätzliche Fragen zum beruflichen Selbstverständnis und zur berufsspezifischen Verantwortung aufgeworfen, die auch heute noch von hoher Relevanz sind. Vervollständigt wird das Kapitel durch Ausführungen zur Entwicklung der staatlichen Ausbildungsregelung und die – zugegebenermaßen kurze – Geschichte der Pflegewissenschaft in Deutschland.

Das dritte Kapitel befasst sich mit der Klärung von grundlegenden Handlungskonzepten und der Entwicklung einer beruflichen Haltung in der Pflege. Pflegefachpersonen arbeiten mit Menschen und übernehmen Sorge für deren Wohlergehen und Gesundheit. Diese professionelle Sorge, konzeptionell als »Caring« gefasst, ist eingebettet in eine Pflegebeziehung, die von gegenseitiger Wahrnehmung und Vertrauen und damit einer Begegnung auf Augenhöhe geprägt ist. Caring als existenzerhaltende Strategie bedeutet eine hohe ethische Verantwortungsübernahme durch Pflegefachpersonen.

Eine Auseinandersetzung mit dem Stand der Professionalisierung der Pflege wird im vierten Kapitel vorgenommen. Dazu erfolgt zunächst einmal eine kritische Reflexion des Professionalisierungsbegriffs, seiner Merkmale und Kennzeichen sowie seiner Verwendung im Zusammenhang mit der Pflege. Anschließend wird dargelegt, unter welchem Verständnis von Professionalisierung diese für Pflege und Pflegeberuf zeitgemäß und sinnvoll sein kann. Im nächsten Schritt erfolgt eine Verortung der Pflege im Kontext anderer Gesundheitsprofessionen und im Hinblick auf die Gestaltung von interprofessioneller Zusammenarbeit.

Im Mittelpunkt des fünften Kapitels steht die Bedeutung berufsständischer Interessens- und Standesvertretungen. Mit dem Anliegen, für ein größeres berufspolitisches Interesse und Engagement der Pflegenden zu werben, werden nationale und internationale Pflegeorganisationen mit ihren jeweiligen Zielen und Aufgabenschwerpunkten vorgestellt. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Thema der pflegerischen Selbstverwaltung in Form von Landespflegekammern, die international längst eine Selbstverständlichkeit sind, hierzulande jedoch noch in den »Kinderschuhen« stecken.

Im sechsten Kapitel wird zunächst dem (mühsamen) Akademisierungsprozess der Pflege in Deutschland nachgegangen, seinen Besonderheiten im Vergleich zu anderen Ländern und den daraus resultierenden Folgen. Im Mittelpunkt stehen anschließend die Chancen, die sich mit einer akademischen Erstausbildung in der Pflege ergeben. Es werden Einsatzfelder hochschulisch ausgebildeter Pflegender aufgezeigt und die damit eng verbundene Frage nach dem optimalen Qualifikationsmix in der Pflege behandelt. Schließlich sollen die mit Abschluss eines Bachelorstudiums sich eröffnenden Möglichkeiten einer weiterführenden Qualifizierung auf Masterebene dargelegt werden, die neue Perspektiven eröffnen und zu einer weiteren Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs beitragen.

Um Pflege inhaltlich voranzubringen, ist eine professionelle Weiterentwicklung unabdingbar: Eine qualitativ gute Pflege erfordert eine beruflich gut aufgestellte Profession. Engagierte Pflegefachpersonen, die sich für beides einsetzen, werden in der Zukunft benötigt. Ein erster »Samen« hierfür wird in der Ausbildung gelegt – hierzu soll dieses Buch beitragen.

 

1          Pflegeberuf heute

Christa Büker

 

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Ziel dieses ersten Kapitels ist es, den Pflegeberuf als innovativen, anspruchsvollen und unverzichtbaren Gesundheitsberuf darzustellen. Es zeigt die Vielfalt eines häufig unterschätzten Berufs mit seinen verschiedenen Handlungsfeldern und Aufgabenbereichen, die in der Gesellschaft oftmals gar nicht bekannt und auch vielen Pflegenden nicht hinreichend bewusst sind. Thematisiert werden ferner die gesellschaftlichen Entwicklungen, die Einfluss auf die Pflege nehmen und die Konsequenzen, die sich daraus für die Profession ergeben. Schließlich werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Ausbildung in der Pflege thematisiert, die derzeit einem tiefgreifenden Veränderungsprozess unterliegen und wesentlichen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung des Pflegeberufs haben werden.

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Praxisbeispiel

Nadine Westermann1 befindet sich im vierten Semester ihres dualen Bachelorstudiums Gesundheits- und Krankenpflege. Die Koppelung von Ausbildung und Studium sowie der Wechsel von Theorie- und Praxisphasen gefallen ihr sehr gut. Die Arbeit mit kranken und hilfebedürftigen Menschen erlebt sie als ausgesprochen sinnhaft und verantwortungsvoll.

Die späteren Berufsaussichten und Karrierechancen waren ein wesentlicher Grund für Nadine, sich für eine akademische Ausbildung in der Pflege zu entscheiden. Verunsichert wurde sie jedoch in der Berufsfindungsphase durch negative Äußerungen von Mitschülerinnen und Mitschülern dem Pflegeberuf gegenüber. Von diesen wurde eine Tätigkeit in der Pflege als eher unattraktiv angesehen; man müsse früh aufstehen und häufig am Wochenende arbeiten, habe es vorwiegend mit alten Menschen zu tun und überhaupt sei die Arbeit doch eher »schmutzig«. Bestärkt durch ein Praktikum in einem Krankenhaus, bei dem sie den Pflegeberuf näher kennenlernen konnte, blieb Nadine Westermann jedoch ihrem Berufswunsch treu und hat bislang ihre Entscheidung nicht bereut. Allerdings muss sie in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis immer noch erklären, warum sie ausgerechnet diesen Beruf gewählt hat. Nadine stellt fest, dass es zahlreiche Vorurteile gegenüber dem Pflegeberuf gibt, die ihrer Ansicht nach vorwiegend auf Unwissenheit und überkommenen traditionellen Vorstellungen beruhen.

1.1       Bedeutung des Pflegeberufs

image Pflege als größte Berufsgruppe image

Von den mehr als 5 Millionen Beschäftigten im bundesdeutschen Gesundheitswesen stellt die professionelle Pflege mit schätzungsweise 1,2 bis 1,6 Millionen Beschäftigten mit Abstand die größte Berufsgruppe dar (Statistisches Bundesamt 2017a; Simon 2012). Zugleich ist sie auch die Berufsgruppe mit dem dichtesten Kontakt zu kranken und pflegebedürftigen Menschen. So ist beispielsweise in stationären Einrichtungen wie Krankenhäusern und Altenheimen, eine pflegerische Versorgung zu allen Tages- und Nachtzeiten rund um die Uhr sicherzustellen und die Pflegenden sind die primären Ansprechpartner für Patientenanliegen aller Art. Auch in anderen Bereichen, wie der ambulanten Pflege, findet sich eine hohe Kontakthäufigkeit durch eine oftmals tägliche oder sogar mehrmals tägliche Versorgung. Pflegerische Versorgung findet in allen Phasen des menschlichen Lebens statt. Pflegefachpersonen begleiten Patientinnen und Patienten quasi »von der Wiege bis zur Bahre«. Sie kümmern sich um Frühgeborene, Neugeborene, Kinder, Jugendliche, Erwachsene und alte Menschen.

image Ansehen des Pflegeberufs image

In der Öffentlichkeit genießt der Pflegeberuf ein hohes Ansehen, wie verschiedene Erhebungen zu den vertrauenswürdigsten Berufen zeigen. Sowohl in internationalen Umfragen wie »Trust in Professions« oder »European Trusted Brands« als auch in nationalen Erhebungen, wie die des Allensbacher Instituts für Demoskopie zum Berufsprestige, liegt die Pflege stets auf den vorderen Plätzen (image Tab. 1.1).

image Überholtes Bild von Pflege image

Trotz seines hohen Ansehens gibt es immer noch veraltete Vorstellungen über den Pflegeberuf. Das über Jahrhunderte kultivierte Bild der dienenden, aufopferungsvollen und selbstlosen Pflegerin (image Kap. 2) sitzt offensichtlich immer noch in vielen Köpfen. Dabei hat sich in den letzten Jahrzehnten eine erhebliche Veränderung des Berufsbildes vollzogen. Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, entwickelte sich die Pflege von einem traditionell geprägten Berufszuschnitt zu einem modernen Dienstleistungsberuf, der zahlreiche Perspektiven bietet.

Tab. 1.1: Allensbacher Berufsprestige-Skala 2013 (IfD Allensbach 2013): Frage: »Hier sind einige Berufe aufgeschrieben. Können Sie bitte die fünf davon heraussuchen, die Sie am meisten schätzen, vor denen Sie am meisten Achtung haben?«

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Deutsche Bevölkerung ab 16 Jahrein Prozent

1.2       Handlungsfelder und Aufgaben einer modernen Pflege

Kaum ein Beruf ist derart vielfältig wie der Pflegeberuf. Pflegerische Aktivitäten finden in allen Bereichen der gesundheitlichen Versorgung statt: Im Kontext von Gesundheitsförderung und Prävention, in der Kuration und Rehabilitation sowie in der Langzeitversorgung und Palliativversorgung. Pflegefachpersonen sind in zahlreichen Settings tätig, wie die nachfolgende – keineswegs vollständige – Auflistung zeigt:

image Vielfalt der Arbeitsbereiche image

•  Akutkrankenhäuser und Fachkliniken

•  Rehabilitationseinrichtungen

•  Alten- und Pflegeheime

•  Hospize

•  Tageskliniken

•  Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen

•  Einrichtungen des Betreuten Wohnens

•  Ambulante Pflegedienste

•  Tages- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen

•  Wohngruppen für Menschen mit Intensivpflegebedarf

•  Arztpraxen und ambulante OP-Zentren

•  Krankenkassen

•  Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK)

•  Beratungsstellen (z. B. Pflegeberatungsstellen, Demenzberatungsstellen)

•  Patienten-Informations-Zentren

•  Schulen

•  Fachhochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen

•  Kommunen

•  Berufsgenossenschaften und Unfallkassen

•  Rettungsdienst

•  Humanitäre Organisationen der Katastrophen- und Krisenhilfe

•  Unternehmen der Gesundheitswirtschaft (Pharmazeutische Industrie, Medizinproduktehersteller, EDV-Unternehmen, Unternehmensberatungen etc.)

•  Kreuzfahrtschiffe

•  usw.

In einigen Settings gibt es noch verschiedene Abteilungen oder Bereiche. In Allgemeinkrankenhäusern können professionell Pflegende je nach Interesse an einem bestimmten Fachgebiet auf der Chirurgie, Orthopädie, Gynäkologie, Onkologie oder in einer anderen Abteilung arbeiten. Fachkliniken bieten Arbeitsmöglichkeiten nach ihrem jeweiligen Schwerpunkt, beispielsweise Gerontopsychiatrie, Suchtrehabilitation, Psychosomatik, Forensische Psychiatrie etc. Auch im teilstationären und ambulanten Bereich gibt es unterschiedliche Arbeitsfelder, beispielsweise in Gerontopsychiatrischen Tageskliniken, Institutsambulanzen und Fachpflegediensten für psychiatrische und gerontopsychiatrische Pflege. Bei Interesse für die Pflege von Palliativpatienten gibt es Einsatzmöglichkeiten in einem stationären Hospiz, einer Palliativstation eines Krankenhauses oder einem spezialisierten ambulanten Palliativdienst.

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So vielfältig wie die Arbeitsbereiche sind auch die Aufgabenfelder und Funktionen, die von Pflegefachpersonen ausgeübt werden können. Einen Überblick gibt die nachfolgende Abbildung (image Abb. 1.1) mit den anschließenden Erläuterungen. Zur vertiefenden Information über einzelne Arbeitsbereiche finden sich weiterführende Literaturhinweise am Ende des Kapitels.

Steuerung Pflegeprozess

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Den Kernbereich professionellen pflegerischen Handelns bildet der Pflegeprozess (Müller Staub & Alfaro-LeFevre 2013). Dabei gilt es, den individuellen

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Abb. 1.1: Aufgabenfelder und Funktionen der professionellen Pflege

Pflegebedarf eines Patienten zu erheben, seine Pflege zu planen, sie durchzuführen und zu evaluieren. Die schriftliche Fixierung der einzelnen Schritte des Pflegeprozesses erfolgt in der Pflegedokumentation. Der Pflegeprozess ist sowohl ein systematischer Regelkreis als auch ein Beziehungsprozess. Er ist Ergebnis eines Aushandlungsprozesses zwischen der Pflegefachperson, der pflegebedürftigen Person und ihren Bezugspersonen. Die Bedeutung des Pflegeprozesses zeigt sich darin, dass er seit 1985 im Krankenpflegegesetz verankert ist und im Pflegeberufereformgesetz – welches im Jahr 2020 in Kraft treten wird – die Gestaltung des Pflegeprozesses als vorbehaltliche Tätigkeit der Pflege festgeschrieben ist (image Kap. 1.4.3).

Primary Nursing

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Das aus den USA stammende Konzept des Primary Nursing weist einer Pflegeperson die Verantwortung für den gesamten Pflegeprozess eines Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung zu und versteht sich als »patientenorientierte, personengebundene Bezugspflege« (Deutsches Netzwerk Primary Nursing 2016, S. 3). Neben der Planung der Pflege übernimmt die Primary Nurse so viel direkte Pflege wie möglich. Selbst wenn sie nicht im Dienst ist, behält sie die pflegerische Gesamtverantwortung. Die sie vertretende Pflegeperson ist verpflichtet, sich an den vorgegebenen Pflegeplan zu halten. Zu den Zielen des Primary Nursing gehört nicht nur eine Verbesserung der Pflegequalität, sondern auch eine Erhöhung der Berufsmotivation durch die Ermöglichung eines eigenverantwortlichen Gestaltungsraums.

Allgemeine und spezielle Pflege

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Tätigkeiten der allgemeinen und speziellen Pflege bilden die Kernaufgaben professioneller Pflege. Zur allgemeinen Pflege gehören Tätigkeiten rund um die Aktivitäten des täglichen Lebens, wie Kommunikation, Körperpflege, Bewegung, Ernährung, Ausscheidung etc. Spezielle Pflegetätigkeiten sind beispielsweise die Medikamentenvergabe, der Verbandswechsel oder die Versorgung einer Ernährungssonde. Während allgemeine Pflegetätigkeiten in der Selbstverantwortung der Pflegenden liegen, gehören viele spezielle Pflegemaßnahmen in den Bereich der ärztlichen Anordnungsverantwortung und der pflegerischen Durchführungsverantwortung.

Technikintensive Versorgung

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Vor dem Hintergrund des medizinisch-technischen Fortschritts steigt seit Jahren die Anzahl von Patientinnen und Patienten mit intensivpflegerischem Versorgungsbedarf. Handlungsfelder für Pflegefachpersonen in diesem Bereich finden sich inzwischen nicht mehr nur auf Intensivstationen, sondern immer häufiger im ambulanten Bereich, z. B. in der häuslichen Intensivpflege oder in Wohngemeinschaften für Menschen mit Beatmungsbedarf. International bekannte häusliche Versorgungskonzepte wie High-Tech Home Care oder Hospital-at-Home werden allmählich auch in Deutschland bekannt (Lehmann & Ewers 2016; Lademann 2007) und bedürfen einer hochspezialisierten Expertise professionell Pflegender.

Edukative Aktivitäten

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Die Information, Anleitung, Schulung und Beratung von Patientinnen und Patienten hat in den letzten Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung gewonnen. Edukative Aktivitäten gehören mittlerweile zum Aufgabenspektrum aller Gesundheitsberufe und sind auch im Krankenpflegegesetz verankert. Demzufolge soll die Ausbildung unter anderem dazu befähigen, Beratung, Anleitung und Unterstützung von zu pflegenden Menschen und ihrer Bezugspersonen in der individuellen Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit eigenverantwortlich auszuführen (KrPflG § 3, Abs. 2, Nr. 1c). In nahezu allen pflegerischen Settings bietet die tägliche Praxis unzählige Anknüpfungspunkte für edukative Aktivitäten. Pflegefachpersonen beantworten Fragen von Patienten, vermitteln Informationen, geben Erklärungen oder konkrete Anleitung. Im ambulanten Bereich führen sie häusliche Einzelschulungen durch oder bieten Kurse für pflegende Angehörige an.

Tätigkeit in Funktionsdienstbereichen

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In vielen Funktionsdienstbereichen von Krankenhäusern und Kliniken sind Pflegefachpersonen beschäftigt, die an ärztlichen Untersuchungen und therapeutischen Maßnahmen beteiligt sind. Typische Funktionsdienstbereiche sind die Zentrale Aufnahme, OP, Anästhesie, Endoskopie, Herzkatheterlabor etc. Die Arbeit dort unterscheidet sich wesentlich von der pflegerischen Tätigkeit auf den Stationen. Die Pflegefachpersonen sind für die Assistenz des Arztes sowie für die Begleitung, Unterstützung und Versorgung der Patienten bei Untersuchungen und Eingriffen zuständig. Sie benötigen ein hohes spezialisiertes Wissen im jeweiligen Bereich.

Versorgungssteuerung und Prozessmanagement

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Vor dem Hintergrund der zunehmenden Ökonomisierung der gesundheitlichen Versorgung und der steigenden Bedeutung von Qualitätsmanagement kommt einer reibungslosen Steuerung von Patienten durch das Versorgungssystem eine immer größere Bedeutung zu. Auch hier sind es häufig Pflegefachpersonen, die mit dieser Aufgabe betraut sind. Ein typisches Tätigkeitsfeld ist das Überleitungs- bzw. Entlassungsmanagement von Krankenhäusern und Rehakliniken, das einen sicheren Übergang der Patienten von der stationären in die häusliche Versorgung gewährleisten soll. Andere Pflegende sind mit der Optimierung von Prozessabläufen im Krankenhaus betraut, kümmern sich um das Belegungsmanagement oder die OP-Planung. Im ambulanten Bereich steuern professionell Pflegende als Koordinatoren die Versorgung von Palliativpatienten.

Case Management

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Als Case Manager kümmern sich professionell Pflegende um einzelne Patienten mit langwierigen Krankheitsverläufen und komplexen Problemlagen, die mit den herkömmlichen Gesundheitsangeboten nicht hinreichend versorgt werden können (Ewers 2011). Sie begleiten die Betroffenen über einen längeren Zeitraum und über die Grenzen von Versorgungssektoren (ambulant – stationär) hinweg. Zu ihren Aufgaben gehört die Organisation, Steuerung und Überwachung der individuellen Versorgung, jeweils in enger Abstimmung mit dem Klienten. Case Manager arbeiten unter anderem in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, bei Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und in Pflegeberatungsstellen.

Pflegeexperten

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Viele Patienten weisen gesundheitliche Problemlagen auf, für deren Versorgung Experten benötigt werden, die über spezifisches, pflegewissenschaftlich fundiertes Fachwissen verfügen. In der Pflege gibt es eine Vielzahl an Spezialisierungen, z. B. für die Bereiche Intensivpflege, Palliative Care oder psychiatrische Fachkrankenpflege. In vielen Einrichtungen gibt es inzwischen Pflegefachpersonen, die u. a. als Wundexperten, Kontinenzberater, Breast Care Nurses, Parkinson Nurses oder Pain Nurses tätig sind. In anderen Ländern wird für diese Spezialisierungen in der Regel ein ANP-Masterstudium (Advanced Nursing Practice = erweiterte pflegerische Praxis) benötigt (image Kap. 6.5.1). In Deutschland werden bislang zumeist Fachweiterbildungen angeboten, inzwischen gibt es jedoch auch hierzulande erste ANP-Masterstudiengänge. Die Absolventinnen und Absolventen zeichnen sich aus durch ein hohes Expertenwissen, die Fähigkeit zur Entscheidungsfindung bei komplexen Sachverhalten sowie eine hohe Handlungsautonomie.

Qualitätsmanagement

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Qualitätsmanagement spielt in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens heutzutage eine wichtige Rolle. Hintergrund sind die ständig wachsenden gesetzlichen Anforderungen an die Qualität der Patientenversorgung, der zunehmende Kostendruck sowie die Konkurrenzsituation auf dem Markt (Geraedts & Selbmann 2011). Vielfach sind Pflegefachpersonen mit Aufgaben des Qualitätsmanagements betraut, wie beispielsweise der Entwicklung und Einführung von Standards, der Überprüfung von Prozessabläufen, der Erarbeitung von Qualitätsmanagementhandbüchern, der Durchführung von internen Qualitätsaudits oder der Vorbereitung von externen Qualitätsprüfungen (z. B. Zertifizierungen).

Projektmanagement

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Für die systematische Einführung neuer Konzepte oder Ideen eignet sich die Methode des Projektmanagements (BGW 2016). Dabei arbeitet ein interdisziplinär zusammengesetztes Team innerhalb eines begrenzten Zeitraums und mit festgelegten Mitteln an einem geplanten Vorhaben. In vielen Gesundheitseinrichtungen engagieren sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Projekten, die zur Weiterentwicklung der Pflege und Versorgung beitragen. Sie sind beispielsweise beteiligt an der Implementierung von evidenzbasiertem Wissen in die Praxis, der Einführung von Expertenstandards, der Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus oder der Sturzprävention in Pflegeheimen.

Lehr- und Leitungsfunktionen

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Bei entsprechender Neigung, mehrjähriger Berufserfahrung sowie einer passenden Qualifizierung (pädagogisch ausgerichtetes Studium oder Managementstudium) können Pflegefachfrauen und -männer auch in Lehr- und Führungspositionen tätig werden. Als Lehrende arbeiten sie schwerpunktmäßig an Berufsfachschulen bzw. Krankenpflegeschulen oder sind in den Praxiseinsätzen der Auszubildenden und Studierenden für die Praxisanleitung zuständig. Typische Leitungsfunktionen sind Stationsleitung, Abteilungsleitung, Pflegedienstleitung oder Heimleitung. Unter Umständen bietet sich die Möglichkeit, zunächst eine stellvertretende Leitungsfunktion auszuüben, um so einen Einstieg in das anspruchsvolle Aufgabenfeld zu finden. Immer häufiger fungieren Pflegefachpersonen zudem als Leitung multidisziplinärer Teams, wenn es z. B. um die Durchführung von Projekten geht.

Gesundheitsförderung und Prävention

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Handlungsfelder für Pflegefachpersonen im Bereich von Gesundheitsförderung und Prävention sind in Deutschland bislang noch wenig entwickelt. Dies liegt in der traditionellen Vorstellung begründet, dass Pflege sich in erster Linie auf die Unterstützung von Menschen mit Funktionseinschränkungen, Behinderungen und chronischen Erkrankungen und die Bewältigung ihrer Alltagsaktivitäten konzentriert (Hurrelmann & Horn 2011, S. 727). Gesundheit zu erhalten und zu fördern wird hingegen weniger als pflegerische Aufgabe betrachtet. Ganz anders sieht es im internationalen Raum aus. Hier gehören Gesundheitsförderung und Prävention bereits seit langer Zeit zum Selbstverständnis der Pflege (Hasseler & Meyer 2006). Einige dieser Handlungsfelder werden allmählich auch in Deutschland übernommen, wie beispielsweise die Schulgesundheitspflege (School Health Nursing), die Tätigkeit von Pflegenden in der kommunalen Gesundheitsförderung (Community Health Nursing und Public Health Nursing), die betriebliche Gesundheitsförderung oder die Durchführung von Präventionskursen durch Pflegefachpersonen.

Unterstützung von Familien

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Die Familie als Zielgruppe pflegerischer Aktivitäten steht in Deutschland erst seit wenigen Jahren im Fokus. Während in anderen Ländern die sogenannte Familiengesundheitspflege (Family Health Nursing) längst etabliert ist, findet das Konzept hierzulande eher zögerlich Verbreitung. Im Mittelpunkt der ausgesprochen eigenverantwortlichen Tätigkeit stehen die Beratung sowie die Stärkung und Förderung der Gesundheitskompetenz von Familien. So unterstützen Familiengesundheitspflegende beispielsweise Angehörige, die sich zu Hause um ein pflegebedürftiges Familienmitglied kümmern oder sie begleiten junge Familien in prekären Lebenssituationen.

Beteiligung an der Pflegeforschung

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Im Verlauf einer akademischen Ausbildung eignen sich die Studierenden Grundlagenwissen über Forschung an. Sie werden vertraut mit verschiedenen Forschungsdesigns und Forschungsmethoden und erwerben die Kompetenz, Studien zu lesen, kritisch zu analysieren und für die Praxis aufzubereiten. Auf diese Weise können Bachelorabsolventinnen zum Theorie-Praxis-Transfer und zur Anwendung von Forschungserkenntnissen beitragen (Mayer 2014). Mit einer Weiterqualifizierung auf Masterebene oder einer Zusatzqualifikation zur Study Nurse können sie zudem als wissenschaftliche Assistenz an Forschungsprojekten mitarbeiten.

Interprofessionelle Zusammenarbeit

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Viele Patienten weisen komplexe gesundheitliche Problem- und Bedarfslagen auf, die eine Zusammenarbeit verschiedener Professionen und Institutionen erfordern (Ewers 2012). Keine Berufsgruppe oder Einrichtung allein ist in der Lage, eine umfassende Versorgung zu leisten. Dazu bedarf es oftmals interprofessioneller Teams, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Ärzteschaft, der Pflege, der Therapieberufe, der Sozialen Arbeit etc. Außerdem müssen ambulante und stationäre Versorgungseinrichtungen eng zusammenarbeiten, um die für das bundesdeutsche Gesundheitssystem typischen Schnittstellenprobleme zwischen den verschiedenen Sektoren zu überwinden. Interprofessionelle Zusammenarbeit findet zum Beispiel in der Rehabilitation, beim Entlassungs- und Case Management oder bei der Entwicklung Klinischer Pfade statt. Häufig übernimmt dabei die Berufsgruppe der Pflegenden eine prominente Rolle, indem sie die Zusammenarbeit verantwortlich koordiniert und steuert. Wichtig sind die Bereitschaft und Fähigkeit aller Beteiligten zu einer Teamarbeit, die gleichberechtigt und auf Augenhöhe stattfindet.

Wie die bisherigen Ausführungen zeigen, bietet der Pflegeberuf vielfältige Spezialisierungsmöglichkeiten und Karrierechancen. Wie in anderen Berufsfeldern auch, erfordern sie in aller Regel die Absolvierung entsprechender Qualifizierungsmaßnahmen in Form von Weiterbildungen oder Studiengängen. Nicht zuletzt bieten sich auch Karrieremöglichkeiten in der Wissenschaft. Nach Absolvierung eines Bachelor- und Masterstudiums kann eine Promotion angeschlossen werden, die den Weg in die Forschung und Lehre an einer Fachhochschule oder Universität ebnet (image Kap. 6.5.2).

1.3       Gesellschaftliche Einflüsse auf den Pflegeberuf

image Entwicklungen der letzten Jahrzehnte image

Die derzeitige und zukünftige gesellschaftliche Bedeutung des Pflegeberufs hängt eng mit verschiedenen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte in der Gesellschaft zusammen. Als wesentliche Faktoren sind hier zu nennen: Die demografische Entwicklung, die Entwicklung von Multimorbidität und Zunahme von Pflegebedürftigkeit sowie die Veränderung von Familienstrukturen. Diese sollen nachfolgend aufgezeigt werden, um daraus die gesellschaftliche Bedeutung des Pflegeberufs und entsprechende Konsequenzen für die Zukunft abzuleiten.

1.3.1     Demografische Entwicklung

image Veränderungen der Bevölkerungsstruktur image

In den letzten Jahrzehnten haben sich in Deutschland in der Bevölkerungsstruktur tiefgreifende Veränderungen vollzogen, die häufig als »demografischer Wandel« bezeichnet werden. Dieser Wandel ist dadurch gekennzeichnet, dass aufgrund der höheren Lebenserwartung der Anteil älterer Menschen ansteigt, während gleichzeitig der Anteil der jüngeren Menschen sinkt, da immer weniger Kinder geboren werden. Die Alterspyramide (image Abb. 1.2) lässt diesen Trend sehr gut erkennen. Insbesondere die immer besseren Lebensbedingungen haben den Anstieg der Lebenserwartung bewirkt. Heute beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt für männliche Neugeborene 78 Jahre, für weibliche Neugeborene 83 Jahre (Statistisches Bundesamt 2016).

Ein erheblicher Teil der Bevölkerung in Deutschland ist bereits im höheren Lebensalter, wie die nachfolgende Abbildung zeigt (image Abb. 1.3). Momentan ist jede vierte Person älter als 60 Jahre, im Jahr 2050 wird es jede dritte Person sein. Auch der Anteil der hochaltrigen Menschen, d. h. der über 80-Jährigen, wird in den nächsten Jahren deutlich steigen (image Abb. 1.4).

image Längeres Leben in Gesundheit oder Krankheit? image

In der Wissenschaft gibt es seit Jahren eine anhaltende Diskussion darüber, ob der Zugewinn an Lebensjahren für die meisten Menschen mit einem Altern bei weitgehender Gesundheit oder überwiegend mit Krankheit und Pflegebedarf einhergeht (Kuhlmey & Blüher 2011; SVR 2009). Sind die Menschen länger gesund oder länger krank? Und welche Auswirkungen hat dies auf die Entwicklung der Gesundheitsausgaben? Zwei Thesen zu den Auswirkungen der demografischen Entwicklung stehen sich dabei gegenüber: Die Kompressionsthese und die Medikalisierungsthese.

image Kompressionsthese image

•  Die Kompressionsthese geht davon aus, dass immer mehr Menschen relativ gesund alt werden und der Eintritt chronischer Krankheiten sich hinausschiebt. Gründe dafür liegen in den allgemein verbesserten Lebensbedingungen, dem medizinischen Fortschritt sowie in dem eigenen Bemühen vieler älterer Menschen, sich gesund und fit zu halten. Erst als Hochaltrige treten sie in eine Phase ausgeprägter Multimorbidität ein und weisen lediglich in den letzten Lebensjahren einen vermehrten Bedarf an Versorgungsleistungen auf, sodass sich auf der Ausgabenseite nicht viel ändern wird.

image Medikalisierungsthese image

•  Im Gegensatz dazu sind die Anhänger der Medikalisierungsthese (auch Expansionsthese genannt) deutlich skeptischer. Dieser These zufolge steigt mit dem Alter das Auftreten chronischer Krankheit und Multimorbidität kontinuierlich an. Die zahlenmäßige Zunahme älterer Menschen und ein verlängertes Leben führen damit zu einer erheblichen Erhöhung der Versorgungsausgaben, denn Leistungen werden länger und in steigendem Ausmaß angenommen.

Bislang fehlt es an eindeutigen wissenschaftlichen Beweisen sowohl für die Kompressionsthese als auch für die Medikalisierungsthese. Vielmehr gibt es Hinweise darauf, dass weitere Faktoren, wie die soziale Schicht, Bildung und Einkommen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit haben (Statistisches Bundesamt 2016a).

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Abb. 1.2: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland 2015 (BiB 2016)

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Abb. 1.3: Anteil der Personen ab 60 Jahre an der Gesamtbevölkerung in % (Statistisches Bundesamt 2016a, S. 15)

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Abb. 1.4: Anteil der Personen ab 80 Jahre in der Gesamtbevölkerung in % (Statistisches Bundesamt 2016a, S. 15)

1.3.2     Multimorbidität und Pflegebedürftigkeit

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Mit zunehmendem Lebensalter, insbesondere nach dem 80. Lebensjahr, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Erkrankungen und Mehrfacherkrankungen (Multimorbidität). Insbesondere chronische Erkrankungen dominieren das Krankheitsspektrum im Alter (RKI 2015). Bei den körperlichen Erkrankungen sind dies Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen, chronische Lungenerkrankungen, Muskel-Skelett-Erkrankungen und Diabetes mellitus. Häufige psychische Krankheiten im Alter sind dementielle Erkrankungen und Depressionen. Durch die Abnahme der körperlichen und kognitiven Leistungsfähigkeit kommt es zu Einschränkungen bei der Bewältigung des Alltags. Dies bedeutet nicht nur einen Verlust an Lebensqualität und Selbstbestimmung, sondern unter Umständen das Eintreten von Hilfe- und Pflegebedürftigkeit.

Derzeit gelten etwa 2,9 Millionen Menschen als pflegebedürftig (Statistisches Bundesamt 2017b). Im Pflegeversicherungsgesetz ist definiert, wer als pflegebedürftig einzustufen ist: