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STUTTGARTER
BIBELSTUDIEN 243

Begründet von Herbert Haag, Norbert Lohfink und Wilhelm Pesch Fortgeführt von Rudolf Kilian, Hans-Josef Klauck, Helmut Merklein und Erich Zenger

Herausgegeben von Christoph Dohmen und Michael Theobald

Franz Prosinger

Das eingepflanzte Wort
der Wahrheit

Struktur und Grundgedanke
des Jakobusbriefes

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© Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH, Stuttgart 2019

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Finken & Bumiller

Satz: SatzWeise, Bad Wünnenberg

Druck: Sowa Sp. z.o.o., Warschau

Printed in Poland

www.bibelwerk.de

ISBN 978-3-460-03434-1

eISBN 978-3-460-51077-7

Prof. Albert Vanhoye SJ
in Dankbarkeit gewidmet

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1.Ein Blick in die Geschichte der Exegese

1.1Status quaestionis

1.2Semantischer Einstieg

1.3Das Briefmodell

1.4Das rhetorische Modell

1.5Konzentrische Strukturen

1.6Ergebnis

2.Ein „erster“ Gang durch den Text

2.1Präskript und Einleitung

2.2Vorbereitung

2.3Die propositio oder Themenankündigung

2.4Die expositio des angegebenen Themas in 1,13–18

2.5Konsequenz und Applikation 1,19–27

2.62,1–14 als exemplum bzw. narratio

2.7Schnell zum Hören: die Werke und der Glaube in 2,14–26

2.8Langsam zum Reden: 3,1–12

2.9Langsam zum Zorn: die wahre Weisheit 3,13–18

2.10Paränese in 4,1 – 5,6

2.11peroratio und feierliche Konklusion in 5,7–11

2.12Das postscriptum in 5,12–20

3.Ergebnis

3.1Struktur

3.2Abschließende Beurteilung

4.Der Grundgedanke in der Perspektive der vorgeschlagenen Struktur

4.1Zur Methode

4.2Zweifache Geburt und vollkommenes Gesetz der Freiheit

4.2.1Der Übergang von der propositio zur explicatio

4.2.2Die zweifache Geburt

4.2.3Das Angesicht des Hervorgehens und das vollkommene Gesetz der Freiheit

4.2.4Anfechtung und Bewährung

4.2.5Freiheit und Verantwortung

4.2.6Die Gottesbeziehung im Jakobusbrief: Einsicht – Ergebung – Unterwerfung

4.2.7Jakobus im Licht von Jer 31 und Ez 36

4.3Wer wirkt das Werk? (2,14–26)

4.3.1Das exemplum in 2,1–13 und seine Verbindung zu Kap. 1

4.3.2Was heißt „glauben“ im Jakobusbrief?

4.3.3Glauben als Hören des Wortes

4.3.4Glauben und Werke in 2,14–26

4.3.5Konklusion

4.4Der vollkommene Mann: Zügeln der Zunge (3,1–12)

4.4.1Wer spricht das Wort?

4.4.2Theologie und Anthropologie

4.4.3Sprache und Vollkommenheit

4.5Die Sanftmut der Weisheit: „langsam zum Zorn“ (3,13–18)

4.5.1Begrenzung und Einordnung des Abschnitts

4.5.2„Langsam zum Zorn“ 1,19–21a

4.5.3Struktur des Textes

4.5.4Exegese der Verse

4.5.5Die Gottesgerechtigkeit

4.5.6Traditionsgeschichtlicher Hintergrund

4.6Die Paränese

4.6.1Sein und Haben in 4,1–3

4.6.2Gott, Seele und Welt in 4,4–5

4.6.3Demut und Hochmut in 4,6–12

4.6.4Die conditio Jacobaea in 4,13–17

4.6.5Ergebnis: die zwei Geburten im Licht der Paränese

4.7Die peroratio 5,7–11

4.8Das postscriptum

Nachwort

Arbeitsübersetzung

Literatur

Index der Bibelstellen

Glossar

Vorwort

Im Sommersemester des Jahres 1989 durfte ich bei Prof. Albert Vanhoye SJ am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom die Vorlesung über die Struktur und den Grundgedanken des Hebräerbriefes hören. Der methodische Zugang zum Text hat mich überzeugt. Anschließend betreute A. Vanhoye meine Lizentiatsarbeit zur Übersetzung des hypèr pollôn in Mk 14,241. Die Persönlichkeit des Exegeten in der Verbindung von nüchterner Wissenschaftlichkeit und gläubiger Ehrfurcht gegenüber dem biblischen Text hat mich beeindruckt und ich bin ihm zu großem Dank verpflichtet. Inzwischen wurde Albert Vanhoye zum Kardinal ernannt. Als ich dann zum ersten Mal als Dozent für Exegese den Jakobusbrief behandelte, analysierten wir den Text nach den methodischen Kriterien Vanhoyes und kam in den wesentlichen Punkten bereits zu dem hier dargelegten Ergebnis, damals noch ohne Kenntnis der Sekundärliteratur – der Kommentar von Hubert Frankemölle erschien erst Jahre später und die Monographie von M. Klein im Jahr 1995. Als ich im Jahr 2015 den Jakobusbrief wiederum behandelte, inzwischen als Dozent für Exegese am Seminario Mayor San José in Ayaviri (Region Puno/Peru), bestätigte sich mir die gefundene Struktur, außer dass das vierte Kapitel besser als Paränese verstanden wird, welche die drei Elemente in Jak 1,19, schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn, aufgreift und in kombinierter Weise anmahnt. Zuvor versuchte ich, in 4,1 – 5,6 die drei Elemente in einer zweiten Applikation auf drei Abschnitte zu verteilen.

Die erneute Beschäftigung mit dem Jakobusbrief führte zu verschiedenen Artikeln: 1. Das eingepflanzte Wort der Wahrheit. Struktur und Grundgedanke des Jakobusbriefes; El logos engendrado en el alma. Estructura y pensamientos fundamentales de la carta de Santiago; 2. Zweifache Geburt und vollkommenes Gesetz der Freiheit in Jak 1; 3. Wer wirkt das Werk? Zum Verhältnis von Werk und Glaube in Jak 2,14–26. Anstelle von weiteren Veröffentlichungen habe ich mich nun zu einer Monographie entschlossen, wobei die vorhandenen Artikel eingearbeitet wurden. Wiederholungen sollten zwar möglichst vermieden werden, aber es finden sich doch dieselben Argumente öfter, wenn auch jeweils für den verschiedenen Kontext neu formuliert. Was redundant erscheinen könnte, sollte dem jeweils neuen Nachvollzug dienen. Wer sich die Mühe macht, diesen wiederholten Argumentationsgang mitzugehen, wird sich – hoffentlich! – von der Kohärenz und dem Tiefgang des Jakobusbriefes überzeugen können.

Die Arbeit konzentriert sich auf die Struktur und den Grundgedanken des Textes in ihrer Bezogenheit aufeinander. Daß Jakobus als biblischer Autor aus biblischen Quellen schöpft, vor allem aus der Weisheitsliteratur, wurde in den Kommentaren, vor allem dem von H. Frankemölle, bereits deutlich gemacht und wird in meiner Arbeit nur nebenbei erwähnt. In den Diskussionen um eine eventuelle Veröffentlichung ergab sich meines Erachtens, wie wichtig die Entscheidung für ein Briefmodell oder für eine rhetorische Struktur ist – trotz aller Zwischenformen, an die man denken könnte. Diesbezüglich lohnt sich der Blick in die Geschichte der Exegese (Teil I), um die hier gefundene Lösung noch klarer hervorzuheben (Teil II – IV). Nur wenn der gesamte Text, abgesehen von einem postscriptum in 5,12–20, ein deutlich angekündigtes Thema aus den Grundlagen der menschlichen Existenz expliziert, sind auch die in dieser Arbeit angeführten Hinweise auf den philosophischen Hintergrund der Argumentation berechtigt. Die Schlüsselworte des Textes werden mit Anführungszeichen aus der Arbeitsübersetzung zitiert und anstatt jeweils das griechische Äquivalent in Klammern zu setzen, ist dieses in einem Glossar am Ende des Buches zu finden.

Herrn Professor Michael Theobald danke ich für die wohlwollenden kritischen Anmerkungen, die mich veranlassten, manches klarer zu formulieren.

Meinem Freund Dr. Heinrich Storm verdanke ich das Korrekturlesen und viele wertvolle Anregungen.

1F. PROSINGER, Das Blut des Bundes – vergossen für viele? Zur Übersetzung und Interpretation des ‚hypèr pollôn‘ in Mk 14,24 (Siegburg 2007).

1.Ein Blick in die Geschichte der Exegese

1.1Status quaestionis

Nachdem F. Mußner das Zeugnis von Luther, Harnack und Dibelius über das völlige Fehlen einer Disposition im Jakobusbrief anführt und das Scheitern bisheriger Lösungsversuche aufzeigt, bekennt er, dass sein Kommentar keine gedankliche Einheit des Briefes sucht, „aus der Überzeugung heraus, dass es keine gibt“1. Der Verfasser des Briefes wolle den Leser zu einem Christentum der Tat anhalten, das genus litterale wird als paränetische Lehrschrift angegeben2.

Würde es stimmen, dass der Text ein Konglomerat, „eine formlose und bunte Sammlung von Didaskalien, Trostreden, Prophetien, Strafpredigten usw.“ (Harnack) ist, dass er „wirfft so vnordig eyns yns ander“, so dass „kein ordo noch methodus“ (Luther, WA 7,386 f.) zu erkennen sei, „dass er auf weite Strecken des gedanklichen Zusammenhangs völlig entbehrt“ (Dibelius), so müßte man auf ein Verständnis des Textes überhaupt verzichten und könnte höchstens versuchen, die vielen einzelnen disparaten Texte einer formgeschichtlichen Herkunft zuzuweisen. Ein wirklicher Text besteht entweder aus einem Kontext von Sätzen und lässt eine Textstruktur erkennen, oder es handelt sich um ein zufälliges Nebeneinander von verschiedenen Texten.

Viel hängt von einem ersten Vorverständnis bzw. von einem unvoreingenommenen Zugang ab. Da wohl niemand von uns den Jakobusbrief zum ersten Mal liest, ist ein geduldiges und selbstkritisches Hin- und Hergehen zwischen Vorverständnis und erneuter Begegnung mit dem Text notwendig. Zu achten ist auf das besondere Vokabular (semantisches Netz), die Regeln der antiken Rhetorik und die besondere Sprechsituation, die Hörer- bzw. Leserorientierung, also „den Sitz im Leben“. Ziel ist das Erkennen des Gesamtzusammenhangs als ein einheitlicher Text (ein „Gewebe“) in einer sinnvollen Struktur (einem „Gebäude“). A. Vanhoye nennt als methodologische Prinzipien zunächst eine vollkommene docilité gegenüber dem Text in seiner konkreten Form3. Was Jakobus als Bereitschaft bezeichnet, gegenüber dem Logos der Wahrheit „schnell zum Hören“ (1,19) zu sein, gilt auch von zwischenmenschlicher Kommunikation. „Kommunikation“ sucht die Übereinstimmung in einem munus, sei es von Gott oder einem anderen Menschen aufgegeben. Wo die Vergewisserung durch mündlichen Austausch nicht möglich ist, gilt es den vom Gegenüber formulierten Text bis in seine Einzelheiten ernst zu nehmen und die Gedanken des Autors auf Grund dieser seiner Formulierungen nachzuvollziehen. Das so ermittelte Ergebnis muss sich wiederholt mit allen Widerständigkeiten des Textes konfrontieren und an ihnen bestätigen. Sodann nennt Vanhoye die Berücksichtigung der Relation von Form und Inhalt. Der innere Ausdruck und der äußere Eindruck entsprechen einander wie Leib und Seele. Der Text ist nicht in erster Linie historisch oder psychologisch zu hinterfragen, sondern als bewusste Gestaltung des Autors zu erkennen, der seinen Einsichten eben diesen Ausdruck verliehen hat, worin sie transparent werden sollen. Es geht also nicht um ein geistloses und geisttötendes Kleben am Buchstaben (vgl. 2 Kor 3,6), sondern den Nachvollzug der exakten sprachlichen Differenzierung als Erschließen der geistigen Aussage. Schließlich wies Vanhoye auf die Notwendigkeit hin, angesichts der früheren Versuche von Exegeten die unterschiedlichen Kriterien für die Strukturierung und den Nachvollzug eines Textes miteinander zu kombinieren4.

1.2Semantischer Einstieg

Dass der Text des Jakobusbriefes nicht nur eine aphoristische Sentenzensammlung ist, ein Konglomerat von Weisheitssprüchen mit bloßen Stichwortverbindungen, zeigte H. Frankemölle in seinem Kommentar5. Der gehobene Sprachstil ist nicht von anderen Autoren übernommen, sondern zeichnet sich aus durch Individualität, eigene Wortschöpfungen (wie etwa apeírastos in 1,13, oder prosôpolêmptéô in 2,9), viele singuläre Ausdrücke (hápax legómena6) und ein besonderes Gespür für Alliterationen und Assonanzen. Der Autor weiß alle Register der Rhetorik zu ziehen und besondere Sätze durch metrischen Sprachrhythmus hervorzuheben (bis hin zu einem Hexameter in 1,17)7.

Frankemölle sieht in Jak 1,2–18 eine Einführung (Exordium), welche alle Themen bereits anschneidet und die Stichworte für den folgenden Text liefert. Auch wenn sich diese Sicht in der hier dargelegten Beurteilung nicht bestätigen wird, so weist doch die von Frankemölle in einer Tabelle von sechs Seiten angegebene Verteilung der Grundbegriffe auf den gesamten Text mit jeweiligen Schwerpunkten auf eine Gesamtdisposition8. Die Vermutung liegt nahe, dass in einem stilistisch und argumentativ so differenziert ausgearbeiteten Text nicht nur verschiedene Themen angesprochen werden, sondern ein Grundgedanke in fortlaufender Argumentation entfaltet wird. Dass die vielen Versuche, nach der negativen Beurteilung von Dibelius und Mußner doch eine Gesamtstruktur des Textes zu entdecken, bisher zu keinem überzeugenden Konsens führten, ist kein Grund zur Resignation, sondern Herausforderung zu vertiefter Auseinandersetzung9. Ähnlich wie A. Vanhoye die Struktur des Hebräerbriefes analysierte, nachdem er die bisherigen Versuche auf ihre positiven und negativen Aspekte analysiert hatte10, soll der folgende Einblick in die Literatur zur Struktur des Jakobusbriefes Wegweiser aufsuchen, die sich bewährt haben. Es geht nicht um eine Vollständigkeit, sondern um typische und lehrreiche Beispiele. Dabei können wir auf die Zusammenfassung der bisherigen Arbeiten zur literarischen Struktur des Jakobusbriefes von Taylor aus dem Jahr 2004 zurückgreifen11.

1.3Das Briefmodell

Das literarische Genus und die Textstruktur bedingen einander. Der uns vorliegende Text wird als „Jakobusbrief“ bezeichnet. Dies ergibt sich aus Jak 1,1, dem Präskript eines Briefes in der griechischen Form: Absender, Adressat und Gruß in einem einzigen Satz (so auch Apg 15,23; 23,26)12. Dennoch ist die Frage nach dem genus litterale damit noch nicht geklärt.

Die typische Briefsituation ist eine Kommunikation aus der geographischen Distanz. So erhält Paulus in Ephesus verschiedene Informationen aus der Kirche Gottes in Korinth und geht in einem Brief darauf ein. Die Aneinanderreihung der einzelnen Anliegen kann durchaus überlegt sein und es kann sogar ein den einzelnen Punkten gemeinsames Grundanliegen zum Ausdruck kommen, so dass wir nicht nur ein Konglomerat kasuistischer Einzelfälle vorfinden. Dennoch handelt es sich nicht um die Abhandlung eines einzigen Themas, sondern um das Eingehen auf verschiedene Ereignisse an einem bestimmten Ort.

Auch der Römerbrief ist eine Kommunikation aus der Distanz und will auf einen künftigen Besuch des Apostels vorbereiten. Aber hier geht es Paulus darum, „sein Evangelium“ schon im Voraus schriftlich und grundsätzlich zu erläutern. Das Corpus des Briefes enthält eine sorgfältig ausgearbeitete, nach den klassischen Regeln der Rhetorik gegliederte Abhandlung13. Anders der „Hebräerbrief“: durch ein kurzes postscriptum (día brachéôn) wird eine „Trostrede“ mit Grüßen im Stil des Apostels Paulus versandt (Hebr 13,22–25). Die Rede selbst stammt nicht vom Autor des Absenders, der auf den aus dem Gefängnis entlassenen Timotheus hinweist, wobei der Autor der versandten Rede zuletzt um das Gebet bat, doch bald freigelassen zu werden (Hebr 13,19.23, jeweils mit „rascher“ [táchion]). Die Rede selbst zeigt ansonsten keinerlei Briefsituation, erweist sich vielmehr als ein sorgfältig strukturierer Diskurs über das Priestertum Christi14. Man könnte auch eine Gedichtsammlung in einem Brief senden: „Lieber Freund, ich sende Dir meine jüngsten Gedichte: …“, und am Ende hinzufügen: „Alles Gute, Dein …“ – deshalb ist die Gedichtsammlung doch eine Gedichtsammlung und kein Brief.

So muss auch der Text des Jakobusbriefes noch auf sein literarisches Genus hin untersucht werden, ohne das Präskript außer acht zu lassen. Der Adressat sind die „zwölf Stämme in der Diaspora“. Dies könnte eine Anspielung auf die Diasporabriefe der jüdischen Tradition sein (Jer 29,1–23; Bar 6,1–72). Freilich finden wir dort die typische Situation der geographischen Distanz zu den Adressaten, den Verbannten in Babylon, die sich in einer vom Absender unterschiedenen Lage befinden. Eine andere Diasporasituation findet sich im Neuen Testament. Petrus schreibt an die „Fremdlinge“ oder „Zugereisten“ der Diaspora in Pontus, Galatien etc. (1 Petr 1,1), die doch in ihrer angestammten Heimat leben. Sie sind aber durch ihre Auserwählung den eigenen Landsleuten entfremdet und leben nun in der Fremde (1 Petr 1,17 paroikía 15): sie haben ihre patría, ihr Bürgerrecht, nicht mehr auf Erden, sondern im Himmel (Eph 3,15)16. Der Absender befindet sich in derselben existentiellen Lage wie die Adressaten und die Diasporasituation ist nicht geographisch bedingt.

Im Unterschied zum Ersten Petrusbrief nennt Jakobus nicht einzelne Länder oder Provinzen als Bestimmungsort, sondern die „zwölf Stämme in der Diaspora“. Damit wird auf das neue, von Gott auserwählte Gottesvolk gewiesen (vgl. Mt 19,28 par; Offb 7,5–8; 21,12). Ebenso wie im Ersten Petrusbrief ist die Auserwählung des Gottesvolkes aus den Völkern der Heiden die eigentliche Diasporasituation. Ob das Präskript des Jakobusbriefes eine fiktive oder eine wahre Briefsituation einleitet, muss zunächst offenbleiben.

Man hat darauf hingewiesen, dass Jak 5,7–20 die Ansprache beschließt (peroratio) und die typischen Elemente eines Briefschlusses enthält: Aufruf zur Bewährung, die Themen Krankheit, Tod und Leben, ein eschatologischer Ausblick und ein Hinweis auf das Schwören. Dabei räumt auch Frankemölle ein, dass der eigentlich gattungsgemäße Wunsch am Schluss des Briefes fehlt, und meint, diese gattungsgemäße Leerstelle sei sicherlich gewollt, da „für Jakobus … nicht die Gattung, sondern das Thema vorherrschend ist“17. Dennoch ist für Frankemölle der gesamte Text ein Brief: die Einführung (praescriptum) sei „ein ganz eindeutiges Eröffnungssignal für die literarische Gattung Brief“18. Da die Forschungsergebnisse zur hellenistischen Epistolographie ergeben, „dass der antike Brief keine einheitliche Struktur besaß“ (ebd.), kann nach Frankemölle ein Prolog 1,2–18 die Stichworte liefern, die im Verlauf des Briefes (in freier Reihenfolge) amplifiziert werden:

1,1Praescriptum

1,2–18 exordium

1,2

vielfältige Prüfung

 

1,3

Bewährung des Glaubens als Ziel

1,4

fundamentale These

 

Mangel an Gehorsam

>1,19–27 vollkommener

 

 

Gehorsam

 

Mangel an Ganzheit

>3,1–12 integre Person

1,5

Mangel an Weisheit

>3,13–18 vollkommene

 

 

Weisheit

1,6–8

Mangel an Glauben

>2,14–26 wahrer Glaube

1,9–11

Mangel reich-arm

>2,1–13 und

 

 

5,1–6 Solidarität arm – reich

1,12

eschatologische Vergeltung

 

1,13–15

Versuchung aus Begierde

>4,1–12 Demut vor Gott

1,16–18

Existenzbegründung in Gott

>durchgehende

 

 

Theozentrik

5,7–20 peroratio; Appell an Bewährung; Schlussgedanken: Krankheit, Leben, Tod

Man sieht, dass die Stichworte aus dem 1. Kapitel in freier Reihenfolge amplifiziert werden, eine durchgehende Einteilung liegt nicht vor19.

Ähnlich sieht M. Klein20 im ersten Kapitel zwei ganz allgemein formulierte Themenankündigungen (propositiones) (1,2–18 und 19–27), die dann in sieben Mahnreden, in einer argumentatio von 2,1 bis 5,6, entfaltet werden: 2,1–13 erste Mahnrede über das Ansehen der Person; 2,14–26 zweite Mahnrede über Glaube und Werke; 3,1–12 dritte Mahnrede über die Gefährlichkeit der Zunge; 3,13–18 vierte Mahnrede über wahre und falsche Weisheit; 4,1–12 fünfte Mahnrede über Kampf und Streit und ihre Ursache; 4,13 – 5,6: sechste und siebte (Doppel-) Mahnrede über das Streben nach Besitz. Es folgt eine peroratio 5,7–11 als Reprise des ersten Themas und ein Briefschluss 5,12–20. Klein selbst bestätigt: „Die Reihenfolge der einzelnen Mahnreden etwa erscheint weiterhin als willkürlich und lässt keinen kontinuierlichen Gedankenfortschritt erkennen“21. Damit fällt Klein in die Tradition von Dibelius zurück. Interessant ist dagegen seine Beobachtung der unterschiedlichen Adressaten in den verschiedenen Mahnreden: 1. Gesamtgemeinde; 2. Gegner der Gemeinde; 3. Gesamtgemeinde; 4. Gegner der Gemeinde; 5. Gesamtgemeinde; 6. und 7. soziale Gruppen innerhalb und außerhalb der Gemeinde22. Diese abwechselnde Anrede trifft bis 3,12 tatsächlich zu. Warum 3,13–18 dann aber als Folge der „schönen“ Abwechslung und anschließend 4,1–12 an die Gesamtgemeinde bzw. an die Gegner der Gemeinde gerichtet sein soll, ist nicht ersichtlich. Die Einteilung der Abschnitte ab 4,1 ist nicht mehr so eindeutig und wird von den Autoren unterschiedlich angegeben.

Festzuhalten ist, dass sich die Einteilung der Abschnitte 2,1–13; 2,14–26; 3,1–12 und 3,13–18 mit derjenigen bei Frankemölle deckt: sie ergibt sich aus inhaltlichen Gründen. Freilich hat diese „konzeptuelle Methode“23 den Nachteil, ohne den Leitfaden einer durch den Autor selbst angegebenen Struktur auf ein Vorverständnis zu rekurrieren, dessen Übereinstimmung mit der Intention des Autors nur vermutet werden kann. Die Beziehung auf Hinweise in 1,2–18 bzw. in 1,2–18 und 19–27 als Stichwortlieferant lässt eventuell Vorzugsgedanken des Autors erkennen, aber keine Disposition und spezifische Aussageabsicht. So schließt Frankemölle nur aus dem Wortfeld von 1,2 ff. das „klare Thema: Die angeredeten Christen sollen nicht gespalten/unbeständig sein, sondern vollkommen/ganz“24. Dagegen ist M. Klein der durchgehende Bezug auf das „vollkommene Werk“ (érgon téleion) in 1,4 aufgefallen, so dass er seiner Arbeit zum Jakobusbrief den Titel gab: „Ein vollkommenes Werk“ – allerdings mit dem Untertitel: „Vollkommenheit, Gesetz und Gericht als theologische Themen des Jakobusbriefes“. Dass mit 1,4 eine Linie eröffnet wird, die über 1,12 bis hin zu 5,11 verläuft, weist M. Klein unter „3.2.3 ‚Vollkommenheit‘ und ‚Vollendung‘ im weiteren Verlauf des Jakobusbriefes“ nach25. Dabei verweist der eschatologische Aspekt des „vollkommenen Werkes“ auf den „Lebenskranz“ (stéphanos tês zôês) in 1,12 voraus (3.2.3.1) und die Herrenvollendung (télos kyríou) ist darauf zurückbezogen (3.2.3.7): „Das télos kyríou würde dann auch dem stéphanos tês zôês von 1,12 genau entsprechen“26. Würde man diese Spur konsequenter verfolgen, könnte man ein bloßes Briefmodell mit einer Einleitung als bloßem Stichwortlieferanten zugunsten eines rhetorischen Modells überwinden.

Auch L. T. Johnson sieht im Ancor Bible Commentary des Jakobusbriefes aus dem Jahr 1996 nur allgemeine hellenistische Themen und Gemeinplätze (tópoi), wobei wiederum das Kapitel 1 der Schlüssel zur „Struktur“ sein soll. Insgesamt handelt demgemäß der Brief vom Gegensatz der Freundschaft zur Welt und zu Gott. Zwei Arten von Wirklichkeit und von Verhalten sind nach Johnson in 1,2–27 angegeben und werden in 2,1 – 5,18 in 7 Abschnitten mit 17 verschiedenen Begriffen ausgeführt. Nur in 2,1–26 erkennt Johnson eine Diatribe, die sich mit einem imaginären Gegner in rhetorischen Fragen auseinadersetzt27.

P. H. Davids sieht ebenfalls eine zweiteilige Einleitung (1,2–11 und 12–27): Prüfung, Weisheit, Reichtum; und: Prüfung, Rede, Tat. Nach einem Summarium und Übergang in 1,26–27 würden diese sehr allgemein gefassten Themen dann in freier Reihenfolge entfaltet: Reichtum in 2,1–16; Weisheit 3,1 – 4,12; Prüfung 4,13 – 5,6. Am Schluss folgt eine eschatologische Ermahnung (5,7–11) und der Briefschluss (5,12–20). Als Alternative wird angegeben: 2,1–26: Armut und Hochherzigkeit; 3,1 – 4,12: Sprache; 4,13 – 5,6: Reichtum; 5,6–20: Konklusion28.

T. Penner erkennt das Aufgreifen von 1,2–4 in 1,12. So lässt er nach dem Briefgruß die Eröffnung in 1,12 enden, worauf das Corpus des Briefes von 1,13 bis 4,5 folgt. Danach sieht er eine Konklusion von 4,6 – 5,12 und den Briefschluss 5,13–2029. Eigenartigerweise sah er nicht, dass die Linie von 1,2–4 über 1,12 in 5,11 einen Abschluss findet.

Über eine rein konzeptuelle Methode kommt der Kommentar von Blomberg/Kamell30 zu einer Einteilung, die sich ohne Beachtung rhetorischer Indizien einem rhetorischen Modell annähert. Nach den Eingangsgrüßen I (1,1) und einem Abschluß V (5,19–20) finden sich demnach 4 Abschnitte, welche dieselben drei Themen jeweils neu behandeln:

II (1,2–11) A 1,2–4 Prüfungen; B 1,5–8 Weisheit; C 1,9–11 Reiche – Arme.

III(1,12–27) A 1,12–18 Prüfungen; B 1,19–26 Weisheit; C 1,27 „thesis“ [!].

IV (2,1 – 5,18) A 2,1–26 arm – reich; B 3,1 – 4,12 Weisheit und Reden; C 4,13 – 5,18 Versuchungen. Die thematischen Zuweisungen verdanken sich zwar oft eher der „schönen“ Parallele – etwa 1,19–26 als „Weisheit“ – aber die Unterabschnitte halten sich an die allgemein anerkannten Abgrenzungen.

Das Briefmodell erlaubt also eine relativ freie Aneinanderreihung von verschiedenen Themen, die dem Absender am Herzen liegen. Diese können durchaus von einem Grundanliegen und einer einheitlichen Sicht ausgehen, auch über mehrere Abschnitte hinweg eine rhetorische Struktur integrieren, sind aber nicht als eine durchgehende Abhandlung eines einzigen Themas konzipiert. Die unterschiedlichen Einteilungen durch die Vertreter des Briefmodells können bei dieser Konzeption hingenommen werden. Ob dies aber dem vorliegenden Text gerecht wird, muss sich allererst erweisen.

1.4Das rhetorische Modell

Einen ganz anderen Anspruch erhebt der Text, falls es sich um eine Rede nach den klassischen Regeln der antiken Rhetorik handelt31. Die Kunst der Rhetorik erlaubt dem Hörer bzw. Leser, dem Anliegen und Gedankengang des Rhetors zu folgen, ohne dass das Thema allzu plump und oberflächlich angekündigt wäre, etwa in dem Stil: „Ich behandle das folgende Thema …, und zwar in drei Abschnitten: erstens …, zweitens …, drittens … Ich beginne mit erstens: …“. Die kunstvolle Rede ist keine technisch nüchterne Anweisung. Die Rhetorik erlaubt durchaus Varianten und folgt nicht einem uniformierten Schema, aber es gibt Grundregeln und Indikatoren, die dem geübten Hörer einen sicheren Leitfaden bieten.

Grundsätzlich will der Redner in einem exordium die Aufmerksamkeit des Lesers, womöglich mit einer captatio benevolentiae, vom allgemeinen zu einem besonderen Thema lenken32. Es gilt die Regel: propositio versus finem exordii. Die propositio, den eigentlichen Themenvorschlag, herauszuhören ist von entscheidender Bedeutung. Ohne das Thema allzu platt anzukündigen, sollte die propositio ausreichend hervorgehoben sein. Dies kann durch eine besondere Alliteration geschehen, wie das keklêronómeken ónoma in Hebr 1,4 als Abschluss eines feierlichen Einleitungssatzes (1,1–4)33, oder durch das Wiederaufgreifen des zuletzt genannten Elementes, wie in Hebr 2,17–18 und 3,1–2: der barmherzige und glaubwürdige Hohepriester – der Hohepriester, glaubwürdig. Das zunächst genannte Adjektiv „barmherzig“ wird dann ab 4,15 dargelegt. Auch im Jakobusbrief werden wir diese Kunstform erkennen. Vanhoye nennt dies motcrochet oder parola gancio, also eine unmittelbar aufgegriffene Stichwortverbindung34.

Nach dem exordium mit der propositio kann eine narratio oder auch ein exemplum eingefügt werden, um den Sitz im Leben zu konkretisieren. Ansonsten folgt die expositio oder argumentatio. Vor allem in den biblischen Texten ist nach den grundsätzlichen Darlegungen auch jeweils eine exhortatio angefügt, um die praktischen Konsequenzen für den Hörer vor Augen zu führen bzw. ans Herz zu legen. Eine Rede will nicht nur informativ, sondern auch performativ sein. Der Wechsel von Indikativ und Imperativ ist ein wichtiges Strukturmerkmal35. Die Rede wird abgeschlossen durch eine peroratio, welche das Ergebnis noch einmal feierlich zusammenfasst. Ein klassisches Beispiel ist Hebr 13,20–21. Sollte ein postscriptum folgen, so gehört dies nicht mehr zur eigentlichen Rede.

Neben der propositio sind die Inklusionen ein wesentlicher Indikator für die Struktur der Rede. Beginn und Ende eines Abschnitts und damit eines Gedankengangs werden durch ein Stichwort oder eine Reihe von Stichworten markiert. Freilich ist nicht jede Wortwiederholung, und wäre es auch ein wichtiges Wort, eine Inklusion. So erwies sich die Wiederholung des „Wortes Gottes“ in Hebr 1,3 (rhêma) und 4,12 (lógos toû theoû) als Inklusion für einen ersten großen Abschnitts zum Thema „Wort Gottes“ als Irrtum. Ergänzend zu einer eventuellen Stichwortverbindung und Inklusion muss auch das typische Vokabular des jeweiligen Abschnitts untersucht werden. Die frühere konzeptuelle Methode, die sich direkt auf den Inhalt der einzelnen Sätze konzentrierte, soll durch die Berücksichtigung der formalen Struktur vor subjektiver Vereinnahmung bewahrt werden, aber auch die formalen Kriterien bedürfen der Bestätigung durch das Material des verwendeten Vokabulars. So kam Vanhoye nach einem Überblick über die bisherige Forschung mit ihren positiven Erkenntnissen und einseitigen Ergebnissen zur Methode der sich ergänzenden und bestätigenden Vielfalt der Kriterien36.

Schon lange vor dem vernichtenden Urteil von Dibelius über die Zusammenhanglosigkeit des Jakobusbriefes wurden einzelne Strukturmerkmale entdeckt. Bereits im Jahr 1850 wies E. Pfeiffer auf Jak 1,19, wo drei Elemente erwähnt werden, die in den folgenden Kapiteln entfaltet werden: „schnell zum Hören“ in 1,21 – 2,26, „langsam zum Reden“ in 3,1–12 und „langsam zum Zorn“ in 3,13 – 4,1237. Freilich beginnt der Text nicht in 1,19. Wenn der Hörer bzw. Leser nicht mit dem ersten Satz der Rede in das Thema eingeführt wird, so haben wir keine nachvollziehbare Struktur, sondern ein Puzzlespiel. Außerdem erfordert die genauere Analyse von 1,20–26 eine Differenzierung. Vor allem ist darauf hinzuweisen, dass das letztgenannte Element „langsam zum Zorn“ in klassischer Weise zunächst in 1,20 aufgegriffen wird. Aber eben dies zeigt, dass die genannten drei Elemente für die Struktur des Textes bedeutend sein können.

Mit mehr linguistischem Aufwand, aber einem noch ungenaueren Ergebnis sieht Ekstrom den Vers 1,19 in umgekehrter Reihenfolge aufgegriffen in zwei Teilen: 1,21 – 3,18 und 4,1–17. Demnach wären 1,1–18 und 5,1–20 ein Rahmen um 1,19 – 4,1738. R. Wall sieht nach einer allgemeinen Einleitung 1,2–4.5–8.9–11.12–15 und 16–18 in 1,19 das Programm für die gesamte Struktur und verteilt die drei Elemente ähnlich wie Pfeiffer auf die Abschnitte a 1,22 – 2,26; b 3,1–18; c 4,1 – 5,639.

Anfang und Schluß sind bei E. Baasland40 besser integriert: 1,2–15 exordium; 1,16–18 transitio; 1, 19–27 propositio; 2,1 – 5,6 argumentatio und confirmatio; 5,7–20 peroratio. Auch er sieht in den drei Elementen in 1,19 das eigentliche Thema der Rede. Freilich ist einzuwenden, dass diesem Vers nicht nur eine Einleitung vorausgeht, sondern eine sehr differenzierte Darlegung grundsätzlicher Zusammenhänge (1,13–18). Jedenfalls ist mehreren Exegeten die Aufzählung der drei Elemente in 1,19 als Strukturmerkmal aufgefallen.

Eine detailliertere Analyse finden wir schon im Jahr 1904 bei Cladder41: er sieht in 3,17 die zentrale Aussage, dass die „reine Weisheit“ friedfertig, voll Barmherzigkeit und unparteiisch ist (a’, b’, c’). Dies würde als Inklusion die „reine Religion“ in 1,27 aufgreifen, auch dort mit drei Aspekten (a, b, c): die Zunge zügeln, die Waisen besuchen und sich unbefleckt bewahren vor der Welt. Dazwischen stünden die entsprechenden Ausführungen im Corpus der Rede (CBA):

a1,26 die Zunge zügeln

b1,27 Waisen besuchen

c1,27 unbefleckt von der Welt

A3,1–12 die Zunge zügeln

B2,14–26 Werke der Barmherzigkeit

C2,1–11 unparteiisch

a’3,17 friedfertig

b’3,17 voll Barmherzigkeit

c’3,17 unparteiisch

Aber auch hier setzt die Analyse nicht am Beginn der Rede ein. 1,1–8 wäre nur eine allgemein gefasste Einleitung, die mit den Themen Gebet und Ausdauer dem Schluss in 5,7–20 entsprächen. 1,9–25 würde die Einleitung fortsetzen, wobei in den Versen 19–25 Programm und Struktur angeben wäre. Eine Inklusion von „reiner Religion“ und „reiner Weisheit“ in 1,26–27 und 3,17 wäre dem Hörer bzw. Erstleser ohne besondere Textanalyse wohl kaum aufgefallen. 2,14–26 behandelt nicht eigentlich die Werke der Barmherzigkeit, sondern das Verhältnis von Glaube und Werken. Ab 3,13 überschneiden sich bei Cladder die Arrangements mit einer neuen Einheit 3,13 – 4,8. Auch hier entsteht eher der Eindruck eines Puzzlespiels als eines durchgehenden Leitfadens. Ab 4,13 bis 5,6 würde sich Jakobus dann gegen diejenigen wenden, welche die Entscheidung von 1,9–25 ablehnten42. Die Gefahr, eine Inklusion zu „entdecken“ und dann den Rest wie in ein Prokrustesbett einzupassen, wird offenkundig.

Der schon erwähnte T. Penner fixiert sich zusammen mit L. Alonso-Schökel auf eine Inklusion durch das seltene Wort antitássetai in 4,7 und 5,6. Die Quelle dieses Wortes fände sich in Spr 3,34 und die dortige Aussage wäre entfaltet in der doppelten Aussage in 4,7–10: Gott gibt dem Demütigen Gnade; und in 4,13 – 5,6: Gott widersteht dem Hochmütigen43. Aber dass der Autor das Wort antitássetai in 5,6 noch einmal aufgreift, bedeutet noch nicht eine markierende Inklusion von 4,7 bis 5,6. Zudem weist das Vokabular und der besondere Gedanke auf verschiedene Einheiten innerhalb der Abschnitte von 4,1–12 und 4,13 – 5,6. Ob 4,13–17 und 5,1–6 einen oder zwei Abschnitte bilden, muss noch genauer analysiert werden.

M. E. Taylor bietet in seiner Zusammenfassung der Studien zur Struktur einen eigenen Vorschlag44, den er dann im Jahr 2006 in einer Monographie ausführte45. Auf der Suche nach Inklusionen entdeckt er die Beziehung von 1,2–4 zu 1,12 und von 1,12 zu 1,25. Die zentrale propositio sieht er in 1,12. Allerdings hat Taylor nicht die doch sehr klare Beziehung zu 5,11 gesehen. Dagegen sieht auch er mit Alonso-Schökel und Penner eine Inklusion von 4,6 zu 5,6. Für Taylor ist 1,2–25 eine allgemeine Einleitung mit eschatologischer Orientierung. Diese zweifelhafte Qualifizierung erlaubt ihm eine Parallelsetzung zu 5,7–20 als umfassende Inklusion. Interessant ist seine Bezeichnung von 2,1–16 als „opening essay“, was einer narratio entspricht. Der somit eingegrenzte zentrale Text 2,14 – 5,6 wird auch hier in einer Art von kompliziertem Puzzlespiel in sich überschneidende Abschnitte zugeordnet, die dem ursprünglichen Hörer bzw. Leser ohne eine Analyse am Computer sicher nicht auffallen konnte. Demnach stünde 2,13–14 parallel mit 4,11–12 und 4,6 mit 5,6 als sich überlappende Inklusionen rund um Zitate aus dem Alten Testament. Aus der Erkenntnis einer propositio in 1,12 wurde kein Gewinn gezogen: diese stünde mitten in einer allgemeinen Einleitung 1,2–25 und die Entfaltung des angegebenen Themas wird nicht einsichtig gemacht. Zwar greift die Seligpreisung in 1,25 diejenige von 1,12 auf, aber die sich an die Themenankündigung anschließende Darlegung in 1,13–18 mit der Stichwortverbindung „Versuchung“ wurde von Taylor nicht als solche erkannt.

Eine beeindruckende Struktur nach den Gesetzen der antiken Rhetorik schlägt W. H. Wuellner vor46. Er definiert die Abschnitte der Rede auf Grund der Medienwahl, der Gattungswahl, der Argumentationswahl, der sprachlichen und stilistischen Wirkmittel. In 1,2–12 sieht er das exordium mit einer narratio. Dem entspräche am Ende eine peroratio von 5,7–20. Die argumentatio reicht von 1,13 bis 5,6 in sechs Abschnitten, abgegrenzt nach Sprechsituation, Textwahl und Länge: 1,13–27; 2,1–13; 2,14–26; 3,1–18; 4,1–12; 4,13 – 5,6.

So ergibt sich folgende Übersicht:

I.

Einleitender Redeabschnitt 1,1–12

 

A.Briefpräskript 1,1

 

B.exordium 1,2–4

 

C.narratio 1,5–11

 

D.zusammenfassende propositio 1,12

II.

argumentatio 1,13 – 5,6

 

A.1,13–27 (negativ 1,13–16; 1,17–27 positiv)

 

B.2,1–13 (negativ 2,1–7; 2,8–13 positiv)

 

C.2,14–26 (Beispiel, Anwendung, Verbindung zu 1,19–27)

 

D.3,1–18 (negativ 3,1–12; positiv 3,13–18)

 

E.4,1–12 (negativ 4,1–4; positiv 4,5–12)

 

F.4,13 – 5,6 (Gutes/Böses tun 4,13–17; Beziehung zwischen Gott und Gläubigen als Basis für 5,1–6)

III.

Abschließender Redeabschnitt 5,7–20

 

A.5,7–12 negativ

 

B.5,13–20 positiv47

Auch hier bestätigt sich die Beurteilung von 1,12 als propositio, hervorgehoben durch die aufgreifende Inklusion zu 1,4. Aber auch Wuellner hat nicht gesehen, dass diese Linie von 1,4 über 1,12 in 5,11 zu einem feierlichen Abschluss kommt. Die drei in 1,19 angegebenen Elemente hat Wuellner nur in 2,14–26 wiederentdeckt. Hier sollte man die Idee Pfeiffers aufgreifen, um nicht nur sechs Abschnitte aneinanderzureihen, sondern als konsequente Applikation zu gliedern.

Zuletzt sei noch die linguistische Textanalyse von Oda Wischmeyer vorgestellt48. Sie sieht nach der salutatio „an eine fiktive, besser literarische Leserschaft“, „eine durchgehende Rede an die ‚Brüder‘ im paränetischen Imperativ der 2. Person Plural, in die begründende und erläuternde längere und kürzere Aussagesätze bzw. Satzfolgen eingeschaltet sind“49. Folglich werden die imperativischen Anreden als „Obertext“, die indikativischen Begründungen als „Untertext“ bezeichnet. Insgesamt handelte es sich nach Wischmeyer um eine „literarische Ansprache oder Mahnrede, in der die 2. Person Plural leitend ist“50.

Nach dieser Analyse ist das Fazit einleuchtend, dass „der Verfasser von 1,2 an eine Rede, nicht einen Brief schreibt“51. Allerdings sollte der stilistische Rahmen nicht mit dem Inhalt verwechselt werden. Logischer wäre es ja, wenn der Imperativ aus dem Indikativ folgen würde und nicht umgekehrt. Dass sich dann am Ende insgesamt eine „Mahnrede“ ergibt – wie auch beim sogenannten Hebräerbrief, der im postscriptum als „Trostrede“ bezeichnet wird (lógos tês paraklêseôs Hebr 13,22) – widerspricht nicht der grundlegenden Bedeutung der lehrmäßigen Ausführungen. Auch den Hebräerbrief wollte man einzig auf Grund des Kriteriums des wechselnden genus litterale von exhortatio und expositio strukturieren. Vanhoye referiert die Vorschläge von Gyllenberg und Büchsel52. Er bemerkt dazu kritisch, dass zum Beispiel trotz des einleitenden Imperativs in 3,1 „Beginnt nun zu betrachten!“ der Abschnitt 3,1–6 eine lehrmäßige expositio darstellt und dass das ganze Kapitel 11, die Vorbilder des Glaubens, trotz fehlender Imperative ein exhortatio sein kann. So sollte auch die Analyse von O. Wischmeyer kritisch hinterfragt werden. Nach ihr ist 1,2–6a eine imperativische Rede, nur 1,6b wäre eine Begründung. Dieses hat zwar ein begründendes „denn“ (gár), ist aber eigentlich nur eine mahnende Erinnerung. Dagegen enthält doch 1,3–4 nach dem überraschenden Imperativ in 1,2 „erachtet als jegliche Freude!“ eine grundsätzliche Aussage, die es zu erkennen gilt („erkennend, dass …“, gignôskontes hóti), und die bereits einen besonderen Inhalt vorstellt, den der Autor auch erläutern sollte.

So müssten auch die in einer Tabelle53 als „Imperativische Rede dominierend“ aufgezählten Teile differenziert werden: unter diesem Titel folgt nach 1,2–4 ebenfalls 1,5–8 als Obersatz, worin 6b als Begründung und Vers 8 als Lehrsatz untergeordnet sind. Auch wenn man hier nicht eigentlich von einem Lehrsatz sprechen kann, so zeigt sich doch, dass die besonderen Qualifikationen innerhalb einer Mahnrede „seelisch gespalten“ (dípsychos) und „bestandlos“ (akatástatos) in den folgenden Ausführungen eine wichtige Rolle spielen. Immerhin hat Wischmeyer deutlich hervorgehoben, dass 1,12 nach der Mahnrede von 1,9–11 ein „Eigener Lehrsatz (Makarismus)“ ist. Dennoch wird auch dieser Satz unter die „deutlich selbständigen Subtexte, entweder im Satzumfang oder als kürzere oder längere Argumentation“ eingereiht54. Die folgenden eingehenden Analysen von 1,13–15 und 1,16–18 werden ganz zu Unrecht als „von imperativischer Rede dominiert“ subsummiert, mit der Bemerkung: „darin 13b ff. Begründung der Lehre“ und „darin 17 f. Lehrsätze“. Der eingeschobene Imperativ in Vers 16 kann mit dem Imperativ „bedenkt!“ in Hebr 3,1 verglichen werden: er mahnt zur Aufmerksamkeit auf die Darlegungen einer besonderen Lehre (expositio). Die Einleitung mit „Brüder“ in 1,16–18 und 1,19–21, wozu es heißt „darin 17 f. Lehrsätze“ und „darin 20 Lehrsatz“ erweist diese Lehrsätze durchaus nicht als von imperativischer Rede dominiert. Freilich handelt es sich ab Vers 19 deutlich um eine praktische Konsequenz („es sei aber jeder Mensch …“, aber die besondere Lehre der Geburt aus dem eingepflanzten Logos wird in den Versen 21.23.25 in geradezu philosophischen Gedanken weiter entfaltet. Die weiteren Ausführungen in 2,14–17 und 18–26 werden in der Tabelle dann doch als „selbständige Argumentation mit Lehrsatz (V. 17)“ anerkannt, obwohl „mit ‚Brüder‘ eingeleitet“; und: „selbständige Argumentation mit Lehrsätzen (V. 24.26)“. Die Ausführungen in 2,14–26 sind ja tatsächlich von solch theologiegeschichtlicher Brisanz, dass die Qualifizierung des ganzen Textes als „literarische Ansprache oder Mahnrede, in der die 2. Person Plural leitend ist“55 nicht überzeugt. Die differenzierte Analyse der Kapitel 3 und 4 mit ihrem stark appellativem Charakter widerspricht dem nicht. Immerhin finden sich auch dort tiefgreifende Aussagen über das Wesen der Weisheit (3,17) und die Einwohnung des Gottesgeistes in der Seele (4,5). Den Makarismus in 5,11 mit denselben Stichworten wie in 1,12 hat Wischmeyer übersehen bzw. als einen mit „Brüder“ eingeleiteten Text 5,7–11 als „Untertext“ subsummiert. Auch hier zeigt sich, dass ein einziges Kriterium, die Unterscheidung von Imperativ und Indikativ, nicht genügt, um die Struktur des Textes zu markieren.

1.5Konzentrische Strukturen

Konzentrische Strukturen existieren in biblischen Büchern, vor allem im Hebräerbrief und im Buch der Weisheit Salomos56. Nach deren Entdeckung gab es aber auch eine Mode, immer mehr solcher Strukturen zu aufzuspüren. Wenn man innerhalb eines Textes zwei parallel geformte Sätze vorfindet, besteht die Gefahr, in den dazwischenliegenden Versen Parallelen zu suchen, um sie künstlich in das Prokrustesbett einer vermuteten konzentrischen Struktur hineinzuzwängen. Dann wird die Suche nach Parallelen zur Sucht nach dem Motto: „wer sucht, der findet“57. Eine wirkliche konzentrische Struktur ist keine künstliche Spielerei oder l’art pour l’art als bloße Ästhetik. Sie dient der Argumentation, die in logischen Schritten auf eine zentrale Aussage zielt und von dort aus dieselben Schritte in umgekehrter Reihenfolge wieder behandelt, also den jeweils voraufgehenden Schritt wiederum aufgreift. Bei drei Schritten und einem Zentrum wäre dies: a – b – c – d – c’ – b’– a’. In der Philosophie wäre a – b – c die Reduktion auf die zentrale Einsicht d, und aus dieser heraus c’– b’– a’ die Deduktion, welche Schritt für Schritt die vorläufigen Argumente aus der begründenden Einsicht ableitet und erhellt.

G. H. Guthrie entdeckte eine chiastische Struktur58: der Einleitung im ersten Kapitel entspräche der Schluss von 5,7–20. Die inkludierende Reihe einer doppelten Einleitung führt demnach von 1,2–4 über 1,12 zu 1,25. Dabei übersieht er die einander gegenüberstehende negative und positive Geburt in 1,14–15 und 1,17–18 und konstatiert nur eine negative Reihe: Täuschung in der Versuchung 1,13–16; Täuschung im rechten Leben 1,17–25; Täuschung im religiösen Leben 1,26–27. Den zentralen Text sieht Guthrie in folgender Konzentrik59:

A2,1–11 gegen das königliche Gesetz im Urteil gegen Arme

B2,12–13 Reden und Tun gerichtet nach dem Gesetz der Freiheit

C2,14–26 Falsches Handeln gegen Arme

D3,1–12 Falsches Reden gegeneinander allgemein

E3,13–18 rechte und weltliche Weisheit

D’4,1–5 Falsches Reden und Tun in der Praxis

C’4,6–10 Ruf zu Demut und Reue

B’4,11–12 Das Gesetz erfüllen, nicht richten

A’4,13 – 5,6 doppelter Ruf an den arroganten Reichen

Dass hier gewaltsam einzelne Abschnitte in eine konzentrische Struktur gezwungen werden, zeigt allein die Bezeichnung des Abschnitts 2,14–26 als „falsches Handeln gegen Arme“: tatsächlich geht es um die Analyse des Verhältnisses von Glauben und Werke, nebenbei erläutert an einem Beispiel Rahabs für tätige Nächstenliebe.

Auch die konzentrische Struktur nach Crotty60 erscheint als ein Beispiel für das schon erwähnte Proskrustesbett:

1,1 Überschrift (chaírein / cháran)
1,2–15 Prolegomenon:

Versuchung (apokyei/apékysen) und Sünde (hamartía / thánatos)

Einleitung 1,16–18

Konklusion 5,19–20

Irrtum und Sünde

Irrtum und Sünde

(Link: Wort der Wahrheit, eingepflanzt)

(Seele vom Tod retten)

I 1,19–27 Praktische Rede

VII 5,12–18 Praktische Rede

der Gläubigen

der Gläubigen

(Gesetz der Freiheit)

(Richter, Gericht)

II 2,1–26 Werke für

VI 4,11 – 5,11 Werke für

die anderen

die anderen

(ptaiô in 2,10; 3,2)

(antitássetai – antístête)

III 3,1–18 positive

V 4,4–10 negative

Vorbilder

Vorbilder

IV 4,1–3 Die menschliche Person als Zentrum des Kampfes

In der von Crotty vorgeschlagenen konzentrischen Struktur ist kein argumentativer Leitfaden zu erkennen. Er geht von einer Gesamtinklusion zwischen 1,16–18 und 5,19–20 aus. Dies ist für ihn von „pivotal importance“61. Auch er beginnt seine Analyse nicht in Vers 1,1 f. Die Verse 1,16–18 stehen innerhalb einer aufeinander bezogenen Argumentation der zwei Geburten, der zum Tod (1,13–15) und der zum Leben (1,16–18). Mit Vers 16 beginnt also nur ein kleiner Teilabschnitt, keineswegs das eigentliche Corpus der Rede. Dass 5,19–20 Grundgedanken aus dem ersten Kapitel noch einmal zusammenfasst, ist richtig, aber es handelt sich nach der deutlichen Inklusion in 5,11 nur um ein postscriptum. Die zweite Annahme, die Crotty nach eigenem Geständnis voraussetzt, ist, dass die Begierde (epithymía) in 1,15 die rabbinische Lehre vom bösen Trieb aufgreife62. Aus diesem Grundthema ergäbe sich der Fokus auf die anthropologische Aussage in 4,1–3 als dem Zentrum des ganzen Textes. Dagegen zielt, wie noch eingehender gezeigt werden soll, die strikte Argumentation von 1,13–18 auf eine Geburt aus dem eingepflanzten Logos und dem sich daraus ergebenden Hören bzw. Gehorsam, die der eher manichäisch orientierten Lehre vom bösen Trieb als anthropologischer Voraussetzung widerstreitet. Nach Crotty gelangt zum vollkommenen Werk, wer den bösen Trieb beherrscht, während nach Jakobus das vollkommene Werk als Geschenk von oben das Werk des Herrn ist, das er in demjenigen wirkt, der das eingepflanzte Wort in Gefügigkeit annimmt (1,21). Die Einsicht in den personalen Ursprung der eigenen Existenz in Jak 1,21.23.25 wäre nach Crotty nur ein Beispiel von „self-viewing“ und „self-inclination“ und das betrachtende Schauen des Antlitzes seines Ursprungs, des personalen Hervorgehens unserer Existenz, nur eine „enigmatic mirror parabel“63. Dem eingepflanzten Wort (1,21) misst Crotty zwar eine zentrale Bedeutung bei, aber es ist für ihn nur das gepredigte Evangelium, so dass auch das „Einpflanzen“ im Zusammenhang mit der Geburt aus dem Wort der Wahrheit (1,18) nur eine Parabel wäre.

Die einzelnen Gegenüberstellungen der angeblich konzentrischen Parallelen sind zum Teil erzwungen. 1,19–27 wird als „Religion der Tat“ zum Abschnitt 5,12–18 mit dem Schwurgebot und dem Bittgebet parallel gesetzt. Der Abschnitt 2,1–26 soll 4,11 – 5,11 entsprechen, unter einem sehr allgemeinen Gesichtspunkt: das glaubensentsprechende Verhalten und die Beziehung von Armen und Reichen64. Dass 2,14–26 eine stringente Argumentation in Form einer diatribe darstellt65, wird nicht berücksichtigt. Dagegen entdeckt Crotty in diesem Kapitel wiederum eine konzentrische Struktur:

A 2,1–4 Glaube und Diskriminierung

B 2,5–11 Nächstenliebe als Gesetz

C 2,12–13 eschatologisches Gericht nach dem Erbarmen