cover

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)

Die flexible Führungskraft

Strategien in einer grenzenlosen Arbeitswelt

Autoren
Josephine Hofmann, Carsten Schmidt, Valerie Wienken, Petra Bonnet

| Verlag Bertelsmann Stiftung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet unter http://dnb.dnb.de abrufbar.

Inhalt

Vorwort Prof. Dr. Wilhelm Bauer, Fraunhofer-Institut IAO

Vorwort Liz Mohn, Bertelsmann Stiftung

1 Anlass und Ausgangspunkt der Studie.

1 .1 Die Flexibilisierung von Arbeit: ein Megatrend der Arbeitswelt.

1 .2 Grenzen der Grenzenlosigkeit?.

1 .3 »Lähmschicht« Führungsebene?.

2 Das Projekt, seine Ziele und seine Partner.

2 .1 Projektziele.

2 .2 Projektpartner.

2 .3 Grundlegende Annahmen.

3 Die Führungskräfte stellen sich vor.

3 .1 Das sind wir: Die befragten Führungskräfte stellen sich vor.

3 .2 So geht es uns, so führen wir: Führungsalltag und Führungsstil.

3 .2 .1 Kommunikationsformen.

3 .2 .2 Führungsstil.

3 .2 .3 Führungsalltag.

4 Bestandsaufnahme.

4 .1 Wie grenzenlos ist die Arbeitswelt?.

4 .2 Wie wirkt die grenzenlose Arbeitswelt?.

4 .3 Welche Rahmenbedingungen finden Führungskräfte vor?.

4 .4 Flexibilität ist ein Muss – stimmt das?.

4 .5 Welche Gelingensfaktoren zeigen sich?.

4 .6 Wann gelingen flexible Arbeitsformen besonders gut?.

5 Fazit auf Basis der Annahmen.

6 Umsetzungsbeispiele.

6 .1 Flexible Arbeit im Service-Center: das Siesta-Modell.

6 .2 Fallweise mobile Arbeit in einem Finanzdienstleistungskonzern.

6 .3 Mobile Arbeit – eine weitreichende Betriebsvereinbarung.

6 .4 Führung in Teilzeit.

6 .5 Flexibilität pur: Führung von Servicemitarbeitern in der grenzenlosen Arbeitswelt.

6 .6 Dezentrale Flexibilisierungsgestaltung.

6 .7 Flexible Führung eines bundesweiten Teams in Teilzeit.

6 .8 Neue Betriebsvereinbarung »Alternierende Telearbeit«.

6 .9 Qualitätssicherung durch Bindung.

7 Wie können Unternehmen die Ergebnisse der Studie produktiv nutzen?.

7 .1 Vermittlung von Flexibilisierungskompetenzen.

7 .2 Systematische Entwicklung der Unternehmenskultur.

8 Führen in der grenzenlosen Arbeitswelt.

8 .1 Führung in flexiblen Arbeitsformen ist anders.

8 .2 Die Projektergebnisse vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen über die Führung der Zukunft.

9 Struktur der Erhebung.

9 .1 Forschungsdesign.

9 .2 Teilnehmer.

9 .2 .1 Daten zur Zusammensetzung des Teilnehmerkreises.

9 .2 .2 Quantitative Befragung.

9 .2 .3 Qualitative Befragung.

9 .3 Harmonisierung der Daten.

9 .4 Ablauf des Projekts.

10 Literatur.

11 Die Autorinnen und der Autor.

12 Abstract.

Vorwort

Die digitale Transformation unserer Wirtschaft ist eines der derzeit wichtigsten Gestaltungsfelder für Unternehmen und Gesellschaft. Ihre Auswirkungen auf die Arbeitsund Lebenswelt sind erheblich. Eine ihrer bereits stark spürbaren Facetten ist die zunehmende Flexibilisierung und Entgrenzung von Arbeit – als Mittel zur Bindung und zur Motivation der Mitarbeiter, zur Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität, als Option zur Gestaltung einer anpassungsfähigen und immer mobileren Arbeitsorganisation. IT-seitig ist heute sehr viel möglich – doch diese Flexibilisierung muss zu Arbeitsabläufen, der gelebten Unternehmenskultur, den Tätigkeiten und den Mitarbeitern passen. Eine sinnvoll skalierte und gesundheitlich wie leistungsseitig verantwortliche Realisierung flexibler Arbeitsformen hängt maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung durch Führungskräfte gemeinsam mit deren Mitarbeitern ab.

Nicht selten aber gelten Führungskräfte als »Lähmschicht« in der Realisierung dieser Arbeitsformen – ohne oder gar gegen sie geht es aber nicht. Mit Hilfe der Bertelsmann Stiftung und zehn teilnehmenden Unternehmen mit insgesamt 2.500 Führungskräften konnten wir einen sehr breiten und aktuellen Einblick in den Führungsalltag, konkrete Erfahrungen im Umgang mit flexibel arbeitenden Mitarbeitern, strukturelle Rahmenbedingungen, offene Wünsche und optimierbare Kompetenzbereiche gewinnen. Wir legen damit auch ein aktuelles Schlaglicht auf die Praxis flexibler Arbeitsformen in deutschen Unternehmen vor.

So viel sei verraten: Die »Lähmschicht« ist nicht in dieser Allgemeinheit bestätigbar, im Gegenteil. Die erhofften Vorteile der Arbeitsformen lassen sich umfänglich realisieren. Aber es besteht durchaus Gestaltungsbedarf, um diese Arbeitsformen in Zukunft noch besser und in einem vernünftigen Ausmaß und einer produktiven Ausgestaltung realisieren zu können. Konkrete Führungsarbeit wird sich weiterentwickeln müssen, um diesen Herausforderungen zu entsprechen. Die vorliegende Studie versteht sich auch als Sprachrohr der Führungskräfte, die hierfür einen sehr wesentlichen Beitrag leisten.

Wir danken der Bertelsmann Stiftung und den beteiligten Unternehmen für ihre aktive Mitarbeit und den Erfahrungsschatz, den wir mit dieser Publikation mit ihnen teilen dürfen.

Prof. Dr. Wilhelm Bauer

Leiter des Fraunhofer-Instituts IAO

1 Anlass und Ausgangspunkt der Studie

1.1 Die Flexibilisierung von Arbeit: ein Megatrend der Arbeitswelt

Die Flexibilisierung der Arbeitswelt ist einer der wesentlichsten Trends, die in zunehmendem Maße den Alltag von Millionen Berufstätiger prägen. Aktuelle empirische Erhebungen verdeutlichen die Bandbreite von Flexibilisierungsformen wie auch ihrer Motive. Auf der einen Seite stehen die Vorteile für Arbeitnehmer: die Berücksichtigung individueller Lebensentwürfe, die bessere Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf, die Vermeidung von Wegezeiten und eine höhere Attraktivität der Arbeitsplatzausstattung. Auf der anderen Seite ist die Flexibilisierung von Arbeit aus unternehmerischer Perspektive ein wesentliches Mittel, um Produktion und Dienstleistung an kurzfristig veränderte Marktbedingungen anzupassen.

Dabei können Flexibilisierungsformen im Wesentlichen anhand dreier Achsen festgemacht werden.

Als Referenzpunkt, von dem aus die Flexibilisierungsrichtungen erläutert und mit ihren Treibern und Wirkungen dargestellt werden, dient das »klassische« Unternehmen: Hier erbringen die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung typischerweise an einem fixen Ort in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis in Vollzeit und realisieren damit (neben eingesetzten anderen Produktionsmitteln) die betriebliche Wertschöpfung. Dies war und ist immer noch der Normalfall.

Drei Achsen der Flexibilisierung

Dieser Normalfall der Arbeitsweise in Unternehmen wandelt sich zunehmend entlang von drei Achsen. Diese Veränderungen prägen sich in spezifischen Kombinationen aus und verstärken sich in der Realisierung durchaus auch wechselseitig.

Das folgende Bild zeigt diese drei Achsen und ordnet beispielhafte Flexibilisierungsformen ein. Die Anordnung auf der Achse in der Linearität kann dabei jedoch nicht mit einer grundsätzlichen »Zunahme« der Flexibilisierung gleichgesetzt werden.

Abb. 1: Flexibilisierungsachsen und -formen

Achse 1: Virtualisierung von Prozessen der Zusammenarbeit

Die Flexibilisierung des Arbeitsortes, von dem aus der Arbeitsleistende seine Arbeit erbringen oder in ein Netzwerk einbringen kann, steht hier im Vordergrund. Wesentlich ist, dass die räumliche Entfernung bzw. die fehlende örtliche Integration nicht negativ spürbar wird, also die volle Arbeits- und Kooperationsfähigkeit erhalten bleibt und sich hierdurch wesentlich leichter Distanzen überwinden lassen – »als ob der Mitarbeiter physisch vor Ort« wäre. Damit werden auf unkomplizierte Weise neue Möglichkeiten z. B. einer internationalen Zusammenarbeit oder Expertenintegration realisierbar.

Möglich gemacht wird dies primär durch die zunehmende Digitalisierung von Arbeitsdokumenten und Informationen sowie durch die großen Fortschritte bei der Kommunikation durch Video- und Audiokonferenzen, integrierte Anwendungen zur Telefonie oder auch soziale Netzwerke. Diese Flexibilisierungsformen eignen sich damit vor allem für Wissensarbeit, da hier keine Bindung der Arbeitserbringung etwa an eine Produktionsmaschine gegeben ist. Wichtigste Arbeitsmittel sind der (vernetzte) Computer sowie das Wissen und die Erfahrung der Wissensarbeiter selbst. Wirtschaftliche Treiber der Entwicklung sind die zunehmende Globalisierung und Vernetzung der Wirtschaft.

Typische Ausprägungen:

Mehr oder minder regelmäßige Arbeit von daheim oder unterwegs aus (Teleheimarbeit, fallweise mobile Arbeit, mobile Arbeit)

Zusammenarbeit in einem virtuellen Team oder einer virtuellen Arbeitsgruppe über mehrere Standorte hinweg (die gerade in der Projektwirtschaft auch Unternehmensgrenzen überschreiten kann)

Virtualisierte Zusammenarbeit ganzer Unternehmen, die sich dem Kunden gegenüber als eine gemeinsame Unternehmensidentität mit ebensolchem Leistungsportfolio präsentieren und als virtuelle Einheit beauftragt werden