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Fachbereich

PHILOSOPHIE

Philosophische Anthropologie

Teil 5:

TÄTIGSEIN UND ARBEIT

Von Prof. Dr. Michael Bordt SJ

Meine Damen und Herren,

herzlich willkommen zu unserer fünften Vorlesung in der Reihe ‚Einführung in die philosophische Anthropologie’, in der wir danach fragen, was eigentlich der Mensch ist, was das Wesen des Menschen ausmacht.

Wir hatten diese Frage präzisiert, als die Frage danach, was eigentlich das gelungene Leben des Menschen ist und wir haben in der letzten, der vierten Vorlesung die Liebe, die tiefen persönlichen Beziehungen als ein konstitutiven Bestandteil des gelungenen Lebens herausgearbeitet. Die Frage ob unser Leben gelingt oder nicht hängt ganz wesentlich davon ab, was für Beziehungen wir haben, ob unsere Beziehungen nur oberflächlich sind oder ob es tatsächlich Menschen gibt, die wir lieben, weil wir sie als Menschen, so wie sie sind bejahen und mögen und ob auch wir als die Menschen die wir sind geliebt werden.

Heute möchte ich auf einen zweiten Aspekt des gelungenen Lebens eingehen, nämlich den der Arbeit. Einen großen Teil der Zeit unseres Lebens verbringen wir mit arbeiten oder tätig sein und die Frage ob unser Leben gelingt oder nicht, ob wir zufrieden sind mit unserem Leben oder nicht hängt ganz wesentlich davon ab, ob wir mit den Tätigkeiten, mit der Arbeit, die wir ausüben zufrieden sind. Einen Großteil unseres Lebens verbringen wir ja tatsächlich damit, zu arbeiten.

Wenn wir so über Arbeit sprechen wie ich das eben getan habe, dann steckt der Teufel schon ein wenig im Detail und wir müssen uns in einem ersten Schritt darüber klar werden, was denn überhaupt als Arbeit gelten soll. Normalerweise ist es so, dass wir dann von Arbeit sprechen, wenn wir Lohnarbeit, wenn wir Erwerbsarbeit meinen: Arbeit ist das, was wir tun, um damit Geld zu verdienen. Wenn wir in einer politischen Diskussion das Recht auf Arbeit einklagen wollen, dann meinen wir damit, dass wir ein Recht haben, tätig zu sein und durch diese Tätigkeit Geld zu verdienen. Diese Tätigkeiten können unterschiedlich sein. Das drückt sich auch darin aus, dass man nicht nur von Lohn- oder Erwerbsarbeit spricht. Manche Menschen bekommen für das, was sie machen ein Honorar, andere eine Vergütung und da sieht man schon am begrifflichen Gebrauch, dass die Arten der Tätigkeiten unterschiedlich sind.

Aber eines ist auch klar: Wenn Arbeit dasselbe wie Lohnarbeit oder Erwerbsarbeit ist, dann Arbeiten viele Menschen nicht. Zum Beispiel Mütter, oder Hausfrauen, die arbeiten nicht, denn sie bekommen für das, was sie tun ja nichts bezahlt. Oder jemand, der sich ehrenamtlich engagiert arbeitet nach dieser Definition auch nicht. Schüler arbeiten nicht, Studenten arbeiten nicht, es sei denn, und das ist eben interessant, sie haben Jobs und finanzieren mit diesen dann ihr Leben als Student, obwohl ja diese Jobs eigentlich gar nichts mit dem zu tun haben müssen, was sie studieren. Wir gebrauchen das Wort Arbeit oft in diesem sehr engen Sinn, in dem Arbeit identisch mit Lohnarbeit ist.

Ein Ziel meiner Vorlesung wird darin bestehen, diesen engen Begriff der Arbeit durch einen erweiterten Begriff der Arbeit zu ersetzen, und zwar um einen, in dem es um Tätigkeiten geht, die das Leben des Menschen gelingen lassen, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten solche sind, mit denen Geld erworben wird, also unabhängig davon, ob es sich um Lohn- oder Erwerbsarbeit handelt.