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Inhalt

Einleitung

Biographische Notizen über Dietrich Bonhoeffer in den Lebenserinnerungen von Susanne Dreß

Dietrich Bonhoeffers Persönlichkeit

Dietrich Bonhoeffers kulturelle Interessen

Musik

Theater

Literatur

Kunst

Gesellschaftliches Leben

Dietrich Bonhoeffer und die Religion

Glaubensgespräche

Gottesdienstbesuch

Gemeindearbeit

Seelsorge

Pfarrdienst in London

Dietrich Bonhoeffer und die Moral

Dietrich Bonhoeffer und die Politik

Krieg und Pazifismus

Nationalsozialismus

Dietrich Bonhoeffers Verhaftung

Dietrich Bonhoeffer im Gefängnis

Todesnachricht

Dietrich Bonhoeffers Vermächtnis

Sonstige Mitteilungen
über Dietrich Bonhoeffer

Schlussfolgerungen zu Dietrich Bonhoeffers Theologie aus den Lebenserinnerungen von Susanne Dreß

Anhang

Literaturverzeichnis

Endnoten

Es gibt erfülltes Leben
trotz vieler unerfüllter Wünsche.*

Dietrich Bonhoeffer

Einleitung

Dietrich Bonhoeffers Leben fand am 9. April 1945, in den letzten Tagen des 2. Weltkriegs, im KZ Flossenbürg ein jähes Ende. Sein Leben ist Fragment geblieben.1 Dennoch war es keineswegs ohne Wirkung – im Gegenteil: Noch heute, fünfundsiebzig Jahre nach seinem Tod, ist das Interesse an Leben und Werk von Bonhoeffer2 ungebrochen. Was immer an schriftlicher Hinterlassenschaft von ihm die Zeit überdauert hat, wird akribisch im Archiv der Staatsbibliothek in Berlin gesammelt und dokumentiert;3 ein großer Teil davon liegt in der sorgfältigen wissenschaftlichen Edition ‚Dietrich Bonhoeffer Werke‘ in insgesamt 17 Bänden vor.4 Neben der gewichtigen Biographie seines engen Freundes und Wegbegleiters Eberhard Bethge5 und dem kenntnisreichen Œuvre von Ferdinand Schlingensiepen6 ist noch umfangreiche weitere Sekundärliteratur zu Bonhoeffer erschienen.7 In letzter Zeit haben die beiden US-Amerikaner Eric Metaxas8 und Charles Marsh9 durch neue Veröffentlichungen von sich reden gemacht.

Was jedoch fehlt und von der großen ‚Bonhoeffer-Gemeinde‘ schmerzlich vermisst wird, ist eine Autobiographie Dietrich Bonhoeffers. Sein Lebenslauf war so abwechslungsreich und bedeutungsvoll, seine theologische Einsicht so mutig und tief und seine literarische Begabung so groß, dass ein solches Buch gewiss einen großen Gewinn bedeutet hätte. Leider war es aufgrund seines vorzeitigen und gewaltsamen Todes nicht möglich, dass Bonhoeffer seinen Lebenslauf für die Nachwelt festhielt – er hat sein Leben nicht aufgeschrieben, sondern aufgegeben.10 Jedoch wird diese Lücke in gewisser Weise gefüllt durch die Lebenserinnerungen seiner jüngsten Schwester Susanne, die nun endlich in gedruckter Form zugänglich sind.11

Über die Person von Susanne, geborene Bonhoeffer, verheiratete Dreß, über die Entstehung ihres Manuskripts und dessen weitere Geschichte bis hin zur Veröffentlichung und über die besondere Qualität und Bedeutung dieses Textes gibt die Einleitung zu ihren Lebenserinnerungen ausführlich Rechenschaft,12 sodass dies hier nicht wiederholt werden soll. Zweifellos hat die Autobiographie von Susanne Dreß ihren eigenen Wert. Aber natürlich interessieren sich viele Leser auch besonders dafür, was in ihrem Text über Dietrich Bonhoeffer (Neues) zu erfahren ist. Und das ist eine ganze Menge: Dietrich scheint unter den vielen Geschwistern der zehnköpfigen Familie derjenige gewesen zu sein, der Susanne am nächsten stand und mit dem sie vieles verband – nicht zuletzt die Leidenschaft für den christlichen Glauben, der in der Familie Bonhoeffer ansonsten eher zurückhaltend gepflegt wurde. Die vier Töchter waren hoch gebildet und hatten vielseitige Begabungen; sie heirateten jedoch alle früh und schlossen (anders als ihre Mutter!) keine Berufsausbildung ab. Die Söhne und Schwiegersöhne folgten den Fußspuren des verehrten Vaters und wurden Naturwissenschaftler oder Juristen – nur Dietrich, der jüngste Sohn, wich von diesem vorgezeichneten Weg ab und wurde Theologe. Susanne heiratete einen Studienfreund von Dietrich (nicht ohne dessen Zutun13) und war Zeit ihres Lebens als Pfarrfrau äußerst aktiv. So führte sie in gewisser Weise das Vermächtnis von Dietrich Bonhoeffer fort.14 Und in ihren Lebenserinnerungen – womit sie sich nachträglich den großen Traum erfüllte, der sie schon seit Kindertagen bewegt hatte, nämlich Schriftstellerin zu werden15 – finden sich zahlreiche Bezüge auf Dietrich. Auf den 825 Druckseiten ihres Werkes wird er mehr als 150 Mal erwähnt, sodass dieser Text eine unschätzbare Fundgrube für die Bonhoeffer-Forschung bietet, an der in Zukunft kein Biograph mehr vorbeigehen sollte.

Die Hinweise auf Dietrich Bonhoeffer stehen freilich im Zusammenhang mit den Schilderungen aller anderen Familienmitglieder und sind über das gesamte Werk verstreut. Deshalb sollen sie hier systematisch zusammengestellt werden. Es werden alle Belege im Text (nicht in den Anmerkungen) mit einer namentlichen Erwähnung von Dietrich Bonhoeffer ausgewertet (mit der Ausnahme von fünf Stellen, wo sein Name lediglich in einer Aufzählung vorkommt16). Dabei folge ich im Wesentlichen der Reihenfolge im Text, woraus sich eine gewisse chronologische Abfolge ergibt. Außerdem werden verwandte Themen zusammengefasst, sodass neben der chronologischen Ordnung auch eine systematische entsteht. Auf diese Weise wird deutlich, dass die Nachrichten über Dietrich in Susannes Werk (entsprechend der Text-Gattung Biographie) in der Hauptsache biographischer Natur sind; wir erfahren kaum direkt etwas über das theologische Denken Bonhoeffers. Jedoch stehen Glaube und Leben in engem Zusammenhang, und gerade die persönliche Glaubwürdigkeit Bonhoeffers (der für seine Überzeugungen mit dem Preis seines Lebens bezahlt hat), ist der Grund dafür, dass er noch heute für viele Menschen Orientierung bietet – Theologen und ‚Laien‘ gleichermaßen. Insofern soll im Folgenden gezeigt werden, dass wir aus Susannes Lebenserinnerungen vieles über Persönlichkeit und Charakter von Dietrich Bonhoeffer entnehmen können, und dass sich daraus auch indirekt Schlussfolgerungen über seine Theologie ziehen lassen.

Weiterhin wird deutlich, dass wir durch die Aufzeichnungen von Susanne kaum einen ‚anderen‘ Bonhoeffer kennenlernen als denjenigen, dessen Bild sich in den vergangen Jahrzehnten etabliert hat. Dieser Befund ist nicht überraschend. Eberhard Bethge (der bedeutendste Biograph Dietrich Bonhoeffers) gehörte durch seine Heirat mit Susannes Cousine Renate Schleicher zur Bonhoeffer-Familie und hatte somit Teil an einer gemeinsamen Überlieferungskultur. Aber auch wenn es in Susannes Lebenserinnerungen keine Skandal-Enthüllungen über den ‚wahren‘ Dietrich Bonhoeffer gibt, sondern sich das bereits bekannte Wissen insgesamt bestätigt, so wird es doch wesentlich vertieft: Die Schilderungen von Susanne sind so plastisch, anschaulich und lebendig, dass aus dem Bild sozusagen ein 3-D-Hologramm oder sogar ein Film wird – ja, dass man das Gefühl hat, selbst mit am Esstisch der Familie Bonhoeffer zu sitzen. In diesem Sinne: Viel Vergnügen bei einer Entdeckungsreise zu Dietrich Bonhoeffer in den Lebenserinnerungen von Susanne Dreß!

Biographische Notizen über Dietrich Bonhoeffer in den Lebenserinnerungen von Susanne Dreß