In »Nationale Renaissance« erklärt Finn Meurer, wie kritisch die jetzigen Entscheidungen für unser zukünftiges nationales Wohlbefinden sind. Deutschland gefährdet mit Wunschdenken, mangelnden Investitionen, stagnierender Produktivität und nicht nachhaltig finanzierten Gesundheits- und Sozialsystemen massiv den Wohlstand von morgen.

Wir brauchen Erneuerung: Frische Ideen und innovative Lösungen, um den Prozess des Niedergangs umzukehren und mit neuer Stärke in die Zukunft zu steuern. Kreativ und detailliert schlägt Meurer ein umfassendes Reformprogramm vor, welches wirtschaftliche, technologische und militärische Stärke wiederherstellen und Deutschland zu einer globalen Führungskraft in den Bereichen Bildung, Produktivität, Innovation und Wohlstand aufsteigen lassen soll.

Finn Meurer wurde am 26.12.1996 in Perpignan (Frankreich) geboren und ist dort die ersten fünf Jahre aufgewachsen. Von 2003-2004 lebte er in Hamburg, seitdem lebt er in der Nähe von Köln. Er ist Schüler an einem Gymnasium und bereitet sich auf seine Abschlussprüfungen vor.

https://medium.com/@finnmeurer

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2015 Finn Meurer

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

Zweite, leicht verbesserte Auflage

ISBN: 978-3-7386-9936-4

Inhalte

Vorwort

Finn Meurer wurde in Frankreich geboren und hat dort seine Kindheit verbracht. Heute lebt er in Deutschland und will demnächst seine Abschlussprüfungen an einem Gymnasium in Köln ablegen.

Er schreibt für die Generationen, die morgen und übermorgen das Erbe der heutigen deutschen Politik und Gesellschaft übernehmen werden und neu gestalten wollen. So ist seine Gesamtschau auf das jetzige Jahrhundert und bis zum Beginn des nächsten Jahrhunderts angelegt.

Hier schreibt kein versierter Politiker oder promovierter Wissenschaftler, sondern ein hochmotivierter Gymnasiast in aller Offenheit seine Sorgen über den aktuellen Weltzustand nieder und seine Ideen über die zukünftige Gestaltung Deutschlands, wenn er Kanzler wäre.

Die Themen sind nahezu allumfassend erwähnt, die Finn Meurer mit detaillierten Reformen einkreisen will. So bekennt er sich zu einer neuen Familienpolitik, die mehr Kinder einschließt, zu einer radikalen Steuerpolitik mit Einschränkung des Erbschaftsrechts, zu einer ebenso radikalen Verteidigungspolitik, die präventive militärische Strafen nicht ausschließt, obwohl letztere im Gegensatz zur heutigen deutschen und EU-Politik steht, nämlich keine Problemlösung mit militärischen Mitteln.

Ideenreiche Vorschläge für eine rundum zu erneuernde Schulpolitik und eine detailliert erläuterte neue Wirtschafts- und Sozialpolitik zeigen das Engagement eines mutigen Gymnasiasten, der mit diesem Buch auffordert, die Verantwortung von morgen zu sehen, anzunehmen und an deren zeitgemäßen Anpassung mitzuwirken.

Finn Meurer und sein erstes Buch wollen keine neue Lehre verkünden, sondern eine notwendige, die Gesellschaft umfassende Diskussion zugunsten der Zukunft Deutschlands in Europa einleiten.

Hans A. Barner, Kanzler Erster Klasse a. D.

im November 2014 (Botschaften Kabul, Colombo, Yangon)

1.

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Die Herausforderung sehen und überstehen

Das Überstehen von Herausforderungen ist Antriebskraft für weitere Erfolge. Das ist eine Regel - und Grundlage für die Handlungen von Staatsmännern aller großen Imperien und Nationen der Weltgeschichte.

Doch einige Politiker in Deutschland, die Kanzlerin miteingeschlossen, scheinen diese Regel nicht zu beachten. Deutschland ist die stärkste Nation in Europa und neben den Vereinigten Staaten, Russland und China eine der stärksten Mächte weltweit. Wir leben in endlosem Wohlstand. Wir sind Weltmarktführer in der Autobranche und im Maschinenbau. Wir sind eines der Länder mit dem höchsten Durchschnittseinkommen weltweit. Wir sind eines der Länder mit dem besten Gesundheits- und Sozialsystem der Welt. Wie kaum ein anderes Land haben wir die Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit, individueller Freiheit und Demokratie geschützt wie hier.

Doch die deutsche Gesellschaft, wie auch die Gesundheits- und Sozialsysteme, könnten aufgrund der nicht nachhaltigen Ressourcennutzung und der immer älter werdenden Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten kollabieren.

Denn wir geben zu viel Geld aus, wir benutzen zu viele fossile Energien. Wir haben kein aufgebautes Sicherheitsnetz gegen Spionage aus den USA, Russland oder China. Wir haben eine immer älter werdende Bevölkerung und leben immer länger, während zugleich das Renteneintrittsalter gesenkt wird und die falschen Anreize in der Familienpolitik gesetzt werden.

Ich beobachte mit Sorge, dass unsere Wirtschaft immer weniger wächst und immer mehr überreguliert wird. Wir setzen uns international zu wenig ein; unser Militär müsste dringend generalüberholt werden und bräuchte deutlich mehr Geld, um auf die wachsende globale Instabilität vorbereitet zu sein. Wir geben zu wenig Geld für Forschung & Entwicklung aus. Es gibt immer mehr Menschen auf der Erde, bei einer gleichzeitigen Verknappung von elementar wichtigen Rohstoffen wie Wasser, Kupfer und Öl.

Das zu ändern, sind große Herausforderungen. Doch die Kunst staatsmännischen Handelns endet nicht mit vermeintlich unüberbrückbaren Herausforderungen, sondern sie beginnt erst dort. Das Ziel staatsmännischen Handelns ist es, so viele verfügbare Kapazitäten zu aktivieren und Nationen an die Grenze der maximalmöglichen Machtausdehnung zu führen.

Überschreitet man diese Grenze, hat man verloren. Kommt man aber nicht an sie heran, hat man versagt.

Nationen und Reiche konnten in der Weltgeschichte nur erfolgreich sein, wenn sie hinter ihren Werten standen und ihre Bürger in die Pflicht genommen haben. Bevor man über Lösungen für Herausforderungen sprechen kann, müssen wir uns zuerst an unsere Werte erinnern.

Eine Hingabe zu Liberaler Demokratie

Francis Fukuyama, der berühmte Politikprofessor aus Harvard, verkündete mit dem Zusammenbruch der bis dahin bestehenden, rivalisierenden Weltordnungen das »Ende der Geschichte«. Die liberalen Demokratien triumphierten über den Zerfall der kommunistischen Diktaturen. US-Präsident George H.W. Bush erklärte nun den »Aufstieg einer neuen internationalen Ordnung«, in der »Nationen zusammenarbeiten« würden, um »nicht das Gesetz des Dschungels« Einzug finden zu lassen.

Das Time Magazine titelte »Buildung a New World« und zeigte die Präsidenten Amerikas und Russlands.

Doch Francis Fukuyama hatte Unrecht, und die Vision des Präsidenten wurde unrealistisch. Viel mehr scheinen neue Akteure in der Welt die freie Welt, also Amerika und Westeuropa, zu überholen. Russland und China, sowie andere nicht freiheitlich-demokratische Staaten wie Iran und Nordkorea bauen ihre Macht in der Welt zielstrebig aus, genauso kampfbereite, ideologisierte Gruppen.

China ist keine liberale Demokratie. Und genau das ist eine Möglichkeit für Chinas Regierung, Kapazitäten schneller und ohne ethische Bedenken auszunutzen. China ist damit effizienter. Wenn wir aber nicht aufpassen, geben wir selber unsere liberale Demokratie auf und landen in den selben Vorposten der Tyrannei, wo die meisten Menschen in der Welt heute leben müssen.

Das Vertrauen auf Ökonomische Freiheit

Um den kommenden Herausforderungen richtig entgegenkommen zu können, müssen wir uns wieder auf freie Marktwirtschaft zurückbesinnen. Seit der globalen Finanzkrise von 2007 bis 2009 haben unsere Politiker neue Töne angeschlagen. Immer häufiger sprechen sie von höheren Steuern, mehr Regulierungen und einer Mäßigung des Kapitalismus. Das wirkt sich auch auf die Bevölkerung und besonders auf Verlierer der Krise aus.

Antikapitalistische Gruppen formieren sich und versuchen, Amerika und Westeuropa immer mehr in sozialistische Wohlfahrtsstaaten zu verwandeln. Anti-Banken- und Anti-Konzern-Ressentiments sind in den letzten Jahren immer weiter in erschreckender Art und Weise gewachsen. Es werden die »Armen«, die »Opfer« und die »Kritiker«, oder einfach gesagt die Erfolgslosen, gefeiert, während die Leute, die erfolgreich sind, attackiert werden.

Um in Zukunft bestehen zu können, müssen wir nicht nur wieder eine Hingabe zu liberaler Demokratie als unsere Pflicht ansehen, sondern auch unser Vertrauen auf freie Märkte und Erfolg. Denn freie Märkte und nicht die Attackierung, sondern der Lob von Erfolg, haben die westliche Weltordnung zum überlegenen Führer in Technologie, Innovation, Wohlstand und Entwicklung gemacht. Nach dem Fall der Mauer war der Westen sicher und wohlhabend, während Produkte aus dem Ostblock weltweit verspottet worden sind.

Sozialismus, Überbürokratisierung und Wohlfahrtsmentalität, gepaart mit kommunistischer Diktatur, haben den Ostblock in den Bankrott getrieben. Doch in letzter Zeit kommen wir mit der wachsenden Anti-Banken-, Anti-Konzern-, Anti-Chefs- und Anti-Wirtschafts-Mentalität den Übeln, die den Ostblock so schwach gemacht haben, immer näher. Daher müssen wir uns wieder auf ökonomische Freiheit und Lob von Erfolg zurückbesinnen.

Die Anerkennung von Kultur

In seinem magistralen Werk The Wealth and Poverty of Nations kommt Geschichtsprofessor David Landes aus Harvard zum Schluss, dass »Kultur den entscheidenden Unterschied« ausmacht (»culture makes all the difference«), ob eine Nation erfolgreich ist oder nicht. Die amerikanische und westeuropäische Zivilisation war in den letzten fünfhundert Jahren wegen ihrer Kultur und Mentalität überlegen.

Warum waren die westlichen Zivilisationen erfolgreicher als andere, warum sind sie höher entwickelt? Wegen der Kultur im Sinne der Mentalität. David Landes erklärt anhand von vier Punkten, was die kulturelle Überlegenheit dieser Zivilisationen ausgemacht hat, und warum sie immer erfolgreicher waren als andere:

1. Protestantische Arbeitsethik: Einer der wichtigsten Begriffe, der die Superiorität westlicher Zivilisationen erklärt. Ursprünglich wurde der Begriff vom Soziologen Max Weber in den 1920er Jahren geschöpft. Er bezeichnet die Vorstellung, dass Arbeit der Mittelpunkt im Leben ist, und dass sich die Freizeit um die Arbeit dreht. Die protestantische Arbeitsethik verwies die Menschen zudem auf Bewährung vor allem im weltlichen Leben und vermittelte individuelle Anreize, Geld zu vermehren.

2. Der Glaube an endlosem Fortschritt und lineare Kulturvorstellung: Während Kulturen außerhalb des Westens an ein Ende glaubten, wollten die westlichen Zivilisationen immer entdecken, was hinter dem Horizont ist und teilten die Ansicht, dass es kein Ende gibt. Man sollte nur an unsere Überzeugung vom endlosen Wirtschaftswachstum denken.

3. Die Idee einer Beherrschung der Natur: Kulturen und Zivilisationen wie indigene Populationen in Afrika oder Lateinamerika lebten immer im Einklang mit der Natur, während westliche Zivilisationen diese immer beherrschen wollte. Dies wird etwa durch die Kriege der USA und Frankreichs oder die Gentechnologie, wo der Mensch die Natur beherrschen will, deutlich.

4. Die Entfaltung der Märkte: Die Entfaltung der Märkte und die daraus resultierende stetige Erhöhung des Pro-Kopf-Outputs hat dem Westen zu einer wirtschaftlichen Superiorität verholfen.

Genau diese vier Punkte sind letztlich der entscheidende Grund, warum der westliche Kultur- und Zivilisationsraum über eine wirtschaftliche, militärische und technologische Superiorität verfügte.

Die Bereitstellung von Bildung und Möglichkeiten

In den USA und Westeuropa haben junge Menschen den bestmöglichen Zugang zu Bildung und außergewöhnlich hohe Chancen, sozial aufzusteigen - verglichen mit dem Rest der Welt. Nirgendwo sonst gibt es so viele Patente und Innovationen wie in Amerika oder Westeuropa. Das war bisher einer der Pfeiler unserer Stärke.

Doch in den letzten Jahren scheint Bildung immer unwichtiger zu werden. Man ruht sich aus, während harte Konkurrenz aus Fernost uns zu überholen beginnt. In Amerika und Westeuropa finden immer mehr junge Menschen keinen Arbeitsplatz, und die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg wird immer mehr erschwert. Der Wert der Bildung ist ein unverzichtbarer Grundpfeiler für unsere Stärke, und wir müssen uns wieder zurückbesinnen auf die Bereitstellung guter Bildung und individueller Möglichkeiten.

Der Kampf für das Gute

Wie keine andere Region der Welt kämpfen Amerika und Westeuropa für das Gute in der Welt. Wir, auf beiden Seiten des Atlantiks, haben uns immer für Menschen- und Frauenrechte und die Verbesserung der Lebensstandards in den unterentwickelten Ländern eingesetzt. Unsere Entwicklungshilfen und unsere sozialen Projekte helfen denjenigen, die sich nicht selbst helfen können oder von anderen gewaltsam unterdrückt werden. Immer da, wo große Katastrophen eintreten, helfen wir wie kein anderer mit Lebensmitteln, Medikamenten und Gütern. Wir setzen uns dafür ein, dass jedes Kind in Entwicklungsländern zur Schule gehen und gegen Krankheiten geimpft werden kann. Wie kaum ein anderer haben wir Mittel gegen Infektionskrankheiten wie AIDS bereitgestellt. Der Kampf für das Gute und für Gerechtigkeit ist Teil unserer DNA.

Doch auch hier scheinen Amerika und Westeuropa nachzulassen. Wir denken zu sehr an uns selbst, als an das menschliche Leid. Während wir noch vor einigen Jahren gegen das Böse, gegen brutale Tyranneien wie Serbien, Nordkorea, die Taliban in Afghanistan und Saddam Hussein in Irak vorgegangen sind, zögern wir immer öfter. Dabei muss man manchmal auch mit militärischen Mitteln gegen das Böse ankämpfen. Wir schauen mittlerweile nur noch zu, wenn unschuldige Menschen wie in Nigeria oder Syrien unterdrückt werden. Gleichzeitig senken wir unsere Etats in den Bereichen Entwicklungshilfe und Militär. Doch wenn wir das weiter zulassen, werden repressive Länder wie Russland oder China versuchen, die Weltherrschaft an sich zu reißen, während Amerika und Westeuropa als Ursprung von liberaler Demokratie und von Menschenrechten untergehen. Wir haben eine moralische Verantwortung, dies zu verhindern, und müssen daher wieder zu den Grundsätzen des zivilen und militärischen Kampfes gegen das Schlechte zurückfinden.

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Den Herausforderungen der nächsten Jahre können wir also nur richtig begegnen, wenn wir uns nicht auf den Früchten unserer Arbeit ausruhen, sondern indem wir uns auf die fünf Grundpfeiler unserer Stärke zurückbesinnen:

  1. Eine Hingabe zu Liberaler Demokratie
  2. Das Vertrauen auf Ökonomische Freiheit
  3. Die Anerkennung von Kultur
  4. Die Bereitstellung von Bildung und Möglichkeiten
  5. Der Kampf für das Gute

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir uns den Herausforderungen stellen können und in neue Zeiten von Sicherheit und Wohlstand eintauchen können.

2.

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Der Wohlstand und Armut der Nationen

Es ist für die meisten Deutschen unvorstellbar, dass wir irgendwann von einer anderen Nation überholt werden könnten. Doch wie erwähnt, fangen wir an, uns auf den Früchten unserer Arbeit auszuruhen, und den Anfang vom möglichen Ende einzuleiten. Ein Blick in die Weltgeschichte zeigt, warum die jetzigen Zeiten so kritisch sind für unser nationales Wohlbefinden, und woran die erfolgreichsten Nationen gescheitert sind.

Geschichte, ein gnadenloser Lehrer

Geschichte ist ein gnadenloser Lehrer. Die größten Nationen und Mächte der Weltgeschichte waren immer dann besonders stolz und selbstbewusst, als sie den Zenit ihrer Macht und Stärke erreicht hatten. Allzu oft waren dies genau die historischen Gegebenheiten, die das Ende eingeleitet haben.

China als einst große Zivilisation

Versetzen wir uns in das Jahr 1405, in die chinesische Hafenstadt Liujia. Die Bürger der Stadt sehen die bis dato größte Flotte der Welt:

»Sie umfasst 317 Schiffe - 182 Jahre später wird die spanische Armada gerade 132 Schiffe zählen. In der Mitte der Flotte segeln 62 neunmastige „Schatzschiffe“. Es sind die größten jemals aus Holz gebauten Schiffe der Welt. Sie sind bis zu 135 Meter lang und 55 Meter breit; die drei „Nuss-Schalen“, mit denen Kolumbus 1492 nach China-Indien aufbrechen und in Amerika landen sollte, maßen zusammen gerade 66 Meter und hätten zweimal in ein einziges dieser Schiffe hineingepasst.«1

China war die unangefochtene Weltmacht in dieser Zeit. Es war wirtschaftlich, militärisch und technologisch anderen Nationen um Jahrhunderten voraus und hatte einen ungeheuren Produktivitätsvorsprung.2

So erfanden die Chinesen beispielsweise das Papier (2. Jhd. v. Chr.), den Buchdruck (8. Jhd.), den Magnetkompass (4. Jhd. v. Chr.), das Schießpulver (9. Jhd.), den Eisernen Pflug (6. Jhd. v. Chr.), stellten Stahl her (5. Jhd.) und bauten Kanonen und Antischiffraketen (13. Jhd.) – all das Jahrhunderte vor den Europäern.3

Doch anstatt zur Supermacht aufzusteigen, wurde China im 19. und 20. Jahrhundert zu einer versklavten, nahezu bedeutungslosen Nation. Außenpolitisch wurde es kolonialisiert und musste vertragliche Bindungen eingehen, die es zutiefst demütigten. Jedes Land nahm sich einen Teil von China; ganz gleich ob Japan, ob Frankreich, ob Amerika, ob Großbritannien, ob Russland oder Deutschland: China blieb von keinem verschont.

Innenpolitisch herrschte Chaos. Selbsternannte Missionare und Herrscher stürzten das Land in die schlimmsten Aufstände der Weltgeschichte. Alleine der Taiping-Aufstand kostete etwa 20 Millionen Menschenleben.

Dagegen wurde Japan die ultimativ überlegene Macht im Pazifikraum und in Ostasien. Im Gegensatz zu China verfügte es über eine industrialisierte und moderne Wirtschaft, und darüber hinaus über ein schlagkräftiges Militär. Japan war im 20. Jahrhundert die erste Macht Ostasiens, obwohl es noch im

5. Jahrhundert chinesische Systeme übernommen hatte.

Während China aufgrund seiner ideologisierten Moral des Konfuzianismus zunächst die Erforschung fremder Welten einstellte, und anschließend alles Ausländische, darunter auch die Technologie des Auslandes, ablehnte und sich so isolierte, ging Japan einen anderen Weg und verwarf seine Traditionen zugunsten einer westlichen Kultur und setzte auf Öffnung statt auf Isolation. Das markanteste Beispiel für diese Adaption und einer neuen Flexibilisierung stellte die Meiji-Restauration dar. Japan erforschte neue Technologien aus dem Ausland und setzte auf Öffnung statt Isolation. Es übernahm die westliche Kultur und wurde zum Führer in Ostasien in den Bereichen Produktivität und Technologie. Schnell wurde es eine industrialisierte, marktwirtschaftliche Macht, die zudem eine militärische Überlegenheit forcierte.

Der Fall der Sowjetunion

Dasselbe Beispiel liefert die ehemalige Sowjetunion: Versetzen wir uns ins Russland der 1920er Jahre. Nach dem Ersten Weltkrieg war Russland von wirtschaftlicher und politischer Instabilität geprägt. Es war am Ende, und eine kleine Gruppe übernahm in Russland die Macht; die Sowjetunion war geboren.

In den ersten Jahrzehnten wurde die Sowjetunion immer stärker; sie wurde neben den Vereinigten Staaten eine der beiden Supermächte. Der erste Mensch im Weltraum war kein Amerikaner; es war der Russe Juri Gagarin.

Zu Beginn der 1980er Jahre begann ein neues Wettrüsten zwischen den beiden Supermächten. Während Amerika die Ressourcen und die Technologie hatte, um aufzurüsten, begann in der Sowjetunion der Zerfall.

Während die Sowjetunion Investitionen in Forschung und Technologie nicht mehr finanzieren konnten, entwickelten die USA leistungsfähige Produkte und Waffensysteme zu einem deutlich günstigeren Preis. Die USA hatten sich nicht isoliert, sondern waren unideologisch und offen und flexibel für Neues. Die USA schufen durch ihre Flexibilität eine produktive Kultur, und konnten Politik für die Zukunft machen, anstatt mit ideologischen Färbungen des Tages zu kämpfen.

Das Scheitern der größten Mächte der Menschheit hatte nahezu immer die gleichen Ursachen; ganz gleich, ob es das Britische Imperium, das Osmanische Reich, der Fall Spaniens und der Niederlanden waren, oder der von China und der Sowjetunion - alle scheiterten aus denselben Gründen.

Warum Nationen scheitern, während andere erfolgreich sind

Das Rezept erfolgreicher Staaten ist - wie die Geschichte belegt:

Der Drang nach Erforschung und Interesse an neuen Technologien

Offenheit statt Isolation

Flexibilität und Adaption neuer Gegebenheiten und langfristig orientierte Politik statt einer Tagespolitik, durch die sich Gesellschaften auf den Früchten ihrer Arbeit ausruhten

Die Anerkennung einer produktiven Kultur und damit verbunden eine Aufgabe von Traditionalismus und Ideologie

Militärische Überlegenheit

China befindet sich deshalb wieder auf der Überholspur, weil es sich nun an dieses Rezept hält.

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  1. Während die Sowjetunion kaum noch in Forschung und Technologie investierte, ließ China seine junge Generation an ausländischen Universitäten studieren und importierte westliche Technologien.
  2. Das sowjetische System der Planwirtschaft basierte auf Isolation, während China die Fehler der Planwirtschaft anerkannte und gegenüber der Außenwelt auf Öffnung setzte.
  3. Während die Sowjetunion sich keine Gedanken mehr darum machte, ob die alten Methoden langfristig funktionieren würden, passte sich China den besseren Methoden an und betrieb eine Politik für die nächsten Jahrzehnte.
  4. Die Sowjetunion blieb stark ideologisiert, während China in den 1980er Jahren seine Ideologie zumindest in ökonomischer Hinsicht ablegte.
  5. Die Sowjetunion war dann wegen den vier vorangegangen Gründen auch nicht mehr militärisch stark, während in China neue Kapazitäten für militärische Überlegenheit entdeckt und somit eine starke Machtausdehnung möglich wurden.

Das hat die Volksrepublik einem Mann zu verdanken: Deng Xiaoping, Führer der Volksrepublik China von 1979-1991, war ein Realpolitiker und verstand es somit, die irreparablen Fehler der Planwirtschaft zu beseitigen und Formen der Marktwirtschaft einzuführen.

Unter seiner Regierung wurde der ideologische Gedanke des Sozialismus, der ein hohes Maß an sozialen Leistungen implizierte, beibehalten, die Fehler des wirtschaftspolitischen realen Sozialismus beseitigt. Dieser Pragmatismus ist in jedem Fall dafür mitverantwortlich, dass China heutzutage diesen gewaltigen Wirtschaftsboom erlebt.

Nach 150 Jahren der Inferiorität, der wirtschaftlichen Stagnation und der politischen Selbstzerteilung, wird China im Jahr 2020 voraussichtlich die stärkste Wirtschaftsmacht der Welt sein. Die alte Struktur des Kommunismus wird in China keine Rolle mehr spielen, nur ein stets anhaltender Machtausbau und eine zukunftsorientierte Politik.


1 Konrad Seitz: China - Eine Weltmacht kehrt zurück. München, 2006 (fünfte Auflage), S. 15

2 Ebd., S. 23

3 Ebd., S. 28ff

3.

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Die Bildung einer Neuen Weltordnung und das Streben nach Weltherrschaft

Business und Interessen wiegen schwerer als Moral oder Global Governance. Statt der »neuen internationalen Ordnung«, von der George H. W. Bush und sein sowjetischer Gegenpart Mikhail Gorbatschow sprachen, erleben wir eine neue Weltordnung, in der Weltmächte und einzelne regionale Akteure konkurrieren.

Jeder von ihnen versucht, und muss versuchen, so viel Macht wie möglich zu akkumulieren und seine nationalen Interessen durchzusetzen. Andernfalls entsteht ein Machtvakuum, das von einer anderen Nation gestopft wird.

Ich vertrete im Allgemeinen die Ansicht, dass die Politik eines Landes auf dem nationalen Interesse und auf maximal mögliche Ausweitung der Macht basieren muss. Nationen und Mächte befinden sich in einem permanenten Kampf untereinander. Daher ist maximale Machtausweitung, die auch militärische Mittel miteinschließt, eine unverhandelbare Konsequenz und eine Notwendigkeit zur Verteidigung der Sicherheit und des Wohlstands Deutschlands. Die am weitesten entwickelte Nation oder Macht der Erde ist folglich auch die mit dem meisten bestimmenden Einfluss auf das Weltgeschehen, da sie die stärkste Wirtschaft, das stärkste Militär, die beste Medizin und verallgemeinert gesagt die neueste Technologie hat.

Wie schon in Kapitel eins erwähnt, macht es aber einen Unterschied, ob diese stärkste Wirtschafts- und Militärmacht eine liberale Demokratie wie Amerika und Westeuropa oder eine Diktatur ist. Daher muss auch Deutschland seine Militärmacht stark ausbauen. Es ist der alte Kampf des Guten gegen das Böse. Wir wissen, dass das Böse triumphiert, wenn die Guten sich zurückziehen und sich nicht mehr verteidigen. Genau deswegen ist der Ausbau unseres Militärs nicht verhandelbar, bevor tyrannische Staaten wie Russland oder China mit ihren Militärs die Welt unterjochen könnten.

Je effizienter die entstandene Zivilisation oder Nation gestaltet wird, umso stärker, größer und höher kann sie sein. Eine Rechtfertigung für die Durchsetzung eigener Interessen hindert Mächte dabei, stärker zu sein als andere. Thomas Hobbes hatte bereits im 17. Jahrhundert ausführlich in seinem magistralen Werk Leviathan or the Matter, Forme and Power of a Commonwealth Ecclesiastical and Civil die fundamentale Bedeutung des Commonwealth und der Souveränität beschrieben. Damit eine Nation oder ein Imperium überlebensfähig sein kann, muss ein übergeordneter Souverän - die Administration und die Exekutive - ein Bestrafungssystem einführen. Souveränität ist ein fundamentales Prinzip für Selbsterhaltung und Fortexistenz.

Ein weiterer fundamentaler Aspekt von Machtpolitik ist Geostrategie. Geostrategie und Machtpolitik korrespondieren untrennbar miteinander. Zbigniew Brzeziński, früherer Nationaler Sicherheitsberater der USA, definiert den Terminus »Geostrategischer Akteur« wie folgt:

»Geostrategische Akteure sind jene Staaten, die die Kapazität und den nationalen Willen besitzen, über ihre Grenzen hinaus Macht oder Einfluss auszuüben, um den geopolitischen Status quo in einem Amerikas Interessen berührenden Ausmaß zu verändern. Sie sind in geopolitischer Hinsicht potentiell und/oder tendenziell unberechenbar. Aus welchem Grund immer - ob im Streben nach nationaler Größe, zur Verwirklichung einer Ideologie, aus religiösem Sendungsbewusstsein oder um wirtschaftlicher Erweiterung willen - trachten einige Staaten tatsächlich nach regionaler Vorherrschaft oder nach Weltrang. Sie sind von tiefverwurzelten und vielschichtigen Motiven getrieben, die sich, um mit Robert Browning zu sprechen, am besten so erklären lassen: ... der Mensch soll nach mehr streben, als er erreichen kann, denn wozu gibt es einen Himmel?«4

Brzeziński, ein Vertreter von Politik basierend auf dem nationalen Interesse, nennt in seinem Buch The Grand Chessboard. American Primary and Its Geostrategic Imperatives einige Länder, die Geostrategische Akteure sind und das nationale Interesse der Vereinigten Staaten tangieren. Ihnen solle man besondere Beachtung schenken. Unter den fünf »Geostrategischen Hauptakteuren« außerhalb der Vereinigten Staaten nennt er Frankreich, Deutschland, Russland, China und Indien5.

Alles ist letztlich immer auch eine Nullsummenkalkulation. Was dabei zählt, ist, die größtmögliche Macht zu haben um zu überleben, was sowohl für Individuen, als auch für Nationen gelten muss. Kritiker verweisen gerne auf globale Kriege, die sich durch ein solches Denken ergeben könnten.

Diese Argumentation wäre überzeugender, wenn nicht jedes Jahr auf der Welt an die hundert Millionen Menschen geboren würden. Im Zweiten Weltkrieg starben fünfzig Millionen Menschen. Im Vergleich zu den heutigen Menschenmassen erscheint diese Anzahl wie eine lästige Mücke. Es gibt gar keine andere Möglichkeit, als Nullsummenkalkulationen zu akzeptieren. Häufig in der Geschichte hat extreme Gewaltanwendung und die Anwendung der Hard Powers Frieden konsolidiert. Jedes Imperium - ganz gleich ob Nationen oder Konzerne -, jede Machtstruktur birgt Risiken und verursacht zwangsläufig Kollateralschäden. Machtausübung und Ordnungspolitik sind die notwendigen Mittel, um für eine Nation Sicherheit und Wohlstand gewährleisten zu können und sich somit vor Bedrohungen verteidigen zu können.

Viele Idealisten glauben tatsächlich immer noch an die schöne, heile Welt und an Fukuyamas Idee des »Endes der Geschichte«, verbunden damit George H.W. Bushs Vision einer »neuen internationalen Ordnung«, und besonders daran, dass das Informationszeitalter kein Nullsummenspiel mehr wäre, und noch viel mehr, gar keines sein kann.

Dies betonte auch Barack Obama in seiner Rede vor den Vereinten Nationen im September 2009:

»In an era when our destiny is shared, power is no longer a zerosum game. No one nation can or should try to dominate another nation. No world order that elavates one nation or group of people over another will succed. No balance of power among nations will hold. The traditional division between nations of the south and north makes no sense in an interconnected world. Nor do alignments of nations rooted in the clevages of a long gone Cold War.«

Futuristen und Progressivisten glauben, dass durch technischen Fortschritt eine neue internationale Ordnung des Friedens aufgebaut werden könne. Sie glauben, das Zeitalter des nationalen Interesses sei vorbei. Ich muss diese Personen leider enttäuschen; die Welt war immer ein anarchischer Ort, und eine neue Weltordnung konnte immer nur durch das Machtstreben einzelner Individuen und einzelner Nationen errichtet werden. Mit technologischem Fortschritt entsteht kein Frieden.

Denn würde es einen Punkt geben, an dem es durch diesen Fortschritt Frieden geben würde, so müsste man sich fragen, welche Eigenschaften er hätte. Wir haben seit Jahrtausenden technologischen Fortschritt, aber in den letzten 100 Jahren sind so viele Menschen durch Technologie umgekommen wie noch nie zuvor. Der Krieg gehört zu unseren Urtrieben. Herrscht zu lange Frieden, geht eine Gesellschaft zugrunde, da sie nicht mehr weiß, wie man sich zu verteidigen hat.

Die Menschen in einer pazifistischen Nation werden lethargisch, und ihr natürlicher destruktiver, dionysischer Charakter muss anders ausgelebt werden. Er kann aber nur partiell ausgelebt werden, etwa mit Hilfe einiger Technologiederivate.

Deswegen wird das 21. Jahrhundert wohl wieder ein Jahrhundert des Nationalismus sein, im Sinne einer neuen Weltordnung der konkurrierenden Nationen, basierend auf den nationalen Interessen der Länder. In The Diplomat Magazine kommt Zachary Keck auf eine ähnliche Sicht der Dinge:

»[T]he 21st century is almost certain to be the Pacific Century, with important roles being played by crucial rising powers outside of Asia including Brazil, Turkey, and possibly Iran. And in Asia and amongst many of the rising powers outside of it, nationalism is the most important ideotional factor. [...] For this reason alone, the 21st century will likely be another age of nationalism, not religion. [...] The bottom line is that the wars in the Middle East and Africa today are being fought over national power, not on behalf of religion as may have been the case in certain eras of histories like the crusades.«6

Es gibt dabei fünf Strategien, um maximale Machtakkumulation zu erreichen und so eine ganz eigene Weltordnung aufzubauen. Die erste habe ich schon im ersten Kapitel beschrieben. Es ist die amerikanisch-westeuropäische Strategie, die auf einer Hingabe zu liberaler Demokratie, freier Wirtschaft, westlicher Kultur, Bildung und den Kampf für das Gute basiert. Unsere Strategie ist dabei die einzige von fünf Strategien, die auf Freiheit, Demokratie und Menschenrechten basiert. Die einzige. Denken Sie einen Moment darüber nach, was das bedeutet. Denn die vier anderen Strategien sind nicht sehr menschenfreundlich. Sie sind von vornherein auf Unterdrückung ausgelegt.

Die Kraft des Russischen Bärens

Das internationale System ist definiert durch Machtausdehnung. Macht ist essentiell, um eine Weltordnung zu errichten, wo Menschen eine neue Stufe von Integrität und Kultur erreichen können. Die antiken Imperien wie Babylon, Persien, das alte Ägypten, das alte Griechenland oder das Römische Imperium waren solche Weltordnungen, in denen eine neue Stufe von Zivilisation errichtet worden ist. Es waren Mächte, die von einem überlegenen Militär und einer stärkeren Wirtschaftsleistung als die »barbarischen Völker« geprägt und genau deswegen erfolgreicher waren.

Heute würde man Macht zwar ebenfalls mit militärischer oder ökonomischer Stärke verbinden, doch die Nuancen haben sich verändert. Um der Superior, der Souverän sein zu können, muss man die bestehenden Dependenzen gegenüber anderen Mächten verringern, besonders gegenüber geopolitischen Feinden. Einer dieser potenziellen geopolitischen Gegenspieler ist Russland, und der russische Bär brüllt wieder.

Russland ist neben den USA eine der stärksten Weltmächte. Im Gegensatz zu unseren Werten von liberaler Demokratie, freier Marktwirtschaft, Bildung, Kultur und Menschenrechten ist Russland historisch immer auf die Strategie einer ständigen Expansion in alle Richtungen hin angewiesen gewesen. Seit Beginn ihrer Existenz im späten Mittelalter war Russland eine Nation, deren Außenpolitik immer auf territorialer und ökonomischer Expansion basierte, in alle Richtungen hin:

»Ob unter Iwan IV., Peter I. oder Katharina II., unter Stalin, Chruschtschow oder Breschnew: trotz mancher Rückschläge ist der russische Drang zur Expansion nie wirklich erloschen.«7

Begründet wurde dieser Expansionismus nicht durch Moral, sondern aus Aspekten der Selbsterhaltung heraus. Russland hat immer eine lange Grenze mit verschiedensten feindlich gesinnten Staaten, Völkern und Religionen gehabt. Dadurch war und ist es sehr verwundbar gewesen. Die Maxime der russischen Herrscher war und ist immer gewesen: »Herrsche, oder werde beherrscht.«

Außerdem betrachtete sich Moskau historisch allzu oft als das »dritte Rom«. Auf das römische Imperium folgten demnach Byzanz und Moskau. Für Russland gab es immer nur expansionistische Absichten: eine Interessen- und Machtpolitik, um zum einen die Nachbarn in eine wirtschaftliche und militärische Abhängigkeit zu bringen, zum anderen, um das dritte Rom aufzubauen.

Gegenwärtig hat Russland eine sehr unsichere Grenze. Im Westen hat es mit Finnland alleine schon historisch betrachtet keinen Freund. Weißrussland ist ein Land, welches mit Russland durch Spannungen, nicht durch Kooperation verbunden ist. Die Ukraine ist mit der NATO indirekt verbündet und Russland feindlich gesinnt. Im westlichen Süden Russlands liegt der Kaukasus. Georgien ist ebenfalls mit der NATO verbündet; andere Interessenkonflikte mündeten in den georgisch-russischen Krieg von 2008. Zudem gibt es im Kaukasus viele Separatisten und Islamisten, die Russland gefährden. An der mittleren Südgrenze liegen Kasachstan und andere zentralasiatische Länder, die mit Russland zwar gut zusammenarbeiten, aber selber nicht sicher sind. Hier kämpften das Britische Empire und das Russische Reich im 19. Jahrhundert um die Vorherrschaft, es war die Zeit des Great Games. Weiter im Osten liegt die mehr als 3000 Kilometer lange Grenze zu China, das auch historisch betrachtet zumeist ein Gegenspieler Russlands gewesen ist; zwar gibt es heute eine starke Partnerschaft zwischen diesen Weltmächten, doch die weitere Entwicklung lässt sich nur schwer vorhersagen. Am Pazifik ist Japan eine Nation in unmittelbarer Nachbarschaft zu Russland. Auch hier gab es historisch große Kriege zwischen diesen beiden Mächten. An der Beringstraße trennt die Weltmacht Russland und die Weltmacht USA nur 85 Kilometer. Und auch im hohen Norden gibt es Streitigkeiten mit Kanada um Ölfelder. Welche Möglichkeiten, außer dem Expansionismus und Abschreckung durch Nuklearwaffen, hat die Kontinentalmacht Russland denn sonst, um nicht unterzugehen? Expansionismus ist hier keine Frage, sondern ein »unüberwindbares Schicksal«8.

Wie schon zu Zeiten des Russischen Reiches und der Sowjetunion, wird Russland im 21. Jahrhundert stark werden. Wladimir Putin weiß, dass Russland sowohl militärisch als auch ökonomisch enormes Gewicht hat. Doch um den russischen Expansionismus voranzutreiben, muss er sich anderer Mittel bedienen. Zu diesem Zweck soll ab dem Jahr 2015 die Eurasische Union gegründet werden, eine Freihandelszone aus Russland und seinen angrenzenden Staaten, wie etwa Kasachstan oder Weißrussland. Des Weiteren ist geplant, bis 2022 eine Währungsunion zu bilden. Dies stellt für Deutschland eine potenzielle Gefahr dar, und die frühere US-Außenministerin Hillary Clinton spricht völlig korrekt von einer »Sowjetunion 2.0«:

»It's not going to be called that [USSR]. It's going to be called customs union, it will be called Eurasian Union and all of that," she said, referring to Russian-led efforts for greater regional integration. "But let's make no mistake about it. We know what the goal is and we are trying to figure out effective ways to slow down or prevent it.«9

Wladimir Putin wird es nicht Sowjetunion 2.0 nennen, aber genau das baut der frühere KGB-Chef auf: Eine neue Sowjetunion, die verharmlosend »Freihandelszone« heißen wird. Doch früher hatte er seine wahren Absichten schon einmal implizit verraten:

»Der Zusammenbruch der Sowjetunion war die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts.«10

Der frühere Nationale Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten, Geostratege und Professor, Zbigniew Brzezinski, warnt ausdrücklich vor Putin und seinen brutalen Sätzen:

»Überlegen Sie einfach mal, was das bedeutet. Im Ersten Weltkrieg starben Millionen, im Zweiten Weltkrieg starben Millionen und Abermillionen, dazu noch der Holocaust. Dann der Kalte Krieg, die Möglichkeit eines nuklearen Desasters für die gesamte Menschheit. Aber für ihn hat all das nicht dieselbe Bedeutung wie das Verschwinden eines Staates, für den er als Geheimdienstler, als KGB-Agent, gearbeitet hat. Er will die Sowjetunion wiederaufbauen. Und die Ukraine ist der Preis dafür. Wenn er die Ukraine kriegt, dann kann er dieses Vorhaben wirklich angehen.«11

Dass Russland immer Vertreter reinster Interessen- und Machtpolitik gewesen ist, zeigt sich in seiner Geschichte. Ganz gleich, ob es die Eroberung der Khanate Kasan und Astrachen im 16. Jahrhundert, der Anschluss der Ukraine im 17. Jahrhundert, der Große Nordische Krieg des 18. Jahrhunderts, das Great Game des 19. Jahrhunderts, der Hitler-Stalin-Pakt, die Sowjetunion und der Afghanistankrieg des 20. Jahrhunderts oder der Russisch-Georgische Krieg von 2008 und der völkerrechtswidrige Einmarsch auf der Krim 2014 waren, Russland behielt seine expansionistische Interessen- und Machtpolitik kontinuierlich bei, und es wird sie auch im Informationszeitalter beibehalten.

Darüber hinaus versucht es, seine Nachbarstaaten von russischer Energie abhängig zu machen. Russland ist einer der größten Öl- und Gasexporteure der Welt. Auch wir in Westeuropa sind stark abhängig von russischer Energie, was eine Gefahr für die Nationale Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bedeutet. Wir müssen daher, was die Energieversorgung angeht, dringend diversifizieren und den Verbrauch reduzieren.

Darüber hinaus würde ein Sieg der russischen Weltordnung zu einem System mit einigen wenigen Oligarchen, denen mehrere Millionen Bürger gegenüberstehen, deren Rechte immer mehr eingeschränkt werden, führen.

Der Drache steigt wieder auf und spuckt sein Feuer

China verfolgt eine ähnliche Strategie wie das autokratische Russland. Genau wie in Russland gibt es in China kaum Menschenrechte. Doch China hat das System von freier Wirtschaft übernommen und macht uns damit zusätzliche Konkurrenz, die immer härter wird.

Innerhalb von nur 40 Jahren hat es das »Reich der Mitte« geschafft, von einer nahezu unbedeutenden, schwachen und am ökonomischen Kollaps angelangten Nation zur stärksten Wirtschaftsmacht der Erde aufzusteigen. China ist eine gewaltige Macht geworden. Und seine Führer wissen ganz genau, dass nur der Erfolg hat, der seine Macht ausdehnt - auch in militärischer Hinsicht.

Viele Staatsmänner der alten Garde glauben, China werde nicht militärisch aufrüsten und danach streben, eine der führenden Weltmächte zu werden. So wünschte es sich auch Deng Xiaoping, der Mann, der China in den 1980er Jahren grundlegend reformierte und es zur stärksten Wirtschaftsmacht machte. Er lehnte die Idee einer chinesischen Vorherrschaft grundsätzlich ab, und gab bei seinem Rückzug aus dem politischen Leben seinen Nachfolgern einen Rat aus 24 Schriftzeichen:

»Beobachtet mit kühlem Kopf; reagiert gelassen; bleibt standhaft, verbergt unsere Fähigkeiten und wartet ab, bis unsere Zeit gekommen ist; seid zurückhaltend und versucht niemals die Führung zu übernehmen.«

Doch es gibt einen Wandel in der Politik, und es wäre auch naiv zu glauben, dass China nicht nach einer militärischen Vorherrschaft strebe. China gibt mittlerweile fast 100 Milliarden Dollar für die Verteidigung aus, was in den letzten 15 Jahren einen Anstieg um etwa 200% ausmacht. China trachtet sehr wohl nicht nur nach wirtschaftlicher, sondern auch nach militärischer und technologischer Vorherrschaft.

Nun gibt es naive Deutsche, die sich für eine Senkung oder gar Abschaffung des deutschen Verteidigungsetats einsetzen. Sie behaupten zudem, dass China ein den Deutschen freundlich gesinntes Land sei und es niemals zu einen Krieg kommen werde.

Diese Leute sollen einmal die rosarote Brille abnehmen und der Realität ins Gesicht schauen: Wer glaubt, Nationen oder gar Weltmächte würden kleinere Akteure aufgrund einer angeblichen ethisch-moralischen Standhaftigkeit verschonen, lebt in derselben Wunschwelt wie Fukuyama oder Obama.

China ist genau wie jede andere Nation und Weltmacht ein potenziell feindlicher Gegenspieler und könnte uns an vielen Fronten überholen. China hat die größten Devisenreserven der Welt und kauft alle Rohstoffe der Welt auf, um sie lagern zu können, während sie für andere knapp werden. Gezielt baut es auch eine strategische Verteidigung auf und sein Militär aus.

In den vergangen Jahrhunderten ist China durch westliche Mächte, auch durch Deutschland, gedemütigt worden. Jetzt kehrt der Drache wieder zurück, um eine starke wirtschaftliche und militärische Weltmacht zu werden.

Die Gefahr durch Islamismus

Eine vierte Strategie wird von radikalen Muslimen vertreten. Es gibt weltweit etwa eine Milliarde Muslime. Und es gibt mehrere Millionen Islamisten weltweit. Der frühere indonesische Präsident Abdurrahman Wahid geht von weltweit 200 Millionen Islamisten aus. Ihr Ziel ist es, ein weltweites Kalifat zu erschaffen, wo kein Platz ist für liberale Demokratie, freie Wirtschaft oder Bildung. Politik und Glaube sind dagegen eins. Nicht alle wollen dieses Ziel durch Überredungskünste erreichen.

Und die islamistischen Gruppen breiten sich immer weiter aus. In Palästina ist es die Hamas, in Afghanistan und Pakistan sind es die Taliban. In Irak ist es der IS. In Nigeria ist es Boko Haram. Global ist es Al-Quaida. Der Iran ist per Gesetz ein islamistischer Staat, und Syrien ist mit ihm verbündet. Immer mehr Staaten werden islamistisch. Des weiteren versucht der Iran, Nuklearwaffen zu entwickeln.

So steht die transatlantische Gemeinschaft vor einem großen Problem: Auf der einen Seite sind auch westliche Interventionen für den Aufstieg des Islamismus verantwortlich. Auf der anderen Seite würde ein Truppenabzug der NATO in den Augen der Fundamentalisten als eine Schwäche interpretiert werden, und die Gefahr von Terroranschlägen wäre umso größer. Ein starke, aktive Rolle der USA und Westeuropas wird von der amerikanischen und westeuropäischen Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt. Ein anderer Ansatz würde heißen, dass wir aus der Region abziehen und auch Israel seinem eigenen Schicksal überließen. Besonders die Tea-Party-Aktivisten in den USA und der linke Block in Europa fordern eine isolationistische Außenpolitik, das heißt ohne Interventionen und Kriege. Diese Ansätze sind schlecht durchdacht, naiv, infantil und gefährlich. Die Weltwirtschaft ist auf die Energie aus dem Nahen und Mittleren Osten angewiesen, und Spannungen, die durch eine isolationistische Außenpolitik entstehen würden, hätten die Auswirkung, dass die Energiepreise in der Welt dramatisch hochschellen würden.

Daher müssen wir aktiv gegen den Islamismus vorgehen. An einer aktiven Verteidigung führt kein Weg vorbei.

Grenzüberschreitender Terrorismus und Anarchismus

Es gibt eine fünfte Strategie, die gleich alle anderen vier Strategien auf einmal zu Fall bringen will. Es sind grenzüberschreitender Terrorismus und weltweit wachsender Anarchismus. Ihr Ziel ist die Schaffung einer Weltunordnung und eines »globalen Zusammenbruchs« des »Systems«. Sie wollen Recht und Gesetz durch Chaos beseitigen. Sie wollen die Menschheit in Angst und Schrecken versetzen, damit ihre persönlichen Ziele durchgesetzt werden.

Eine Vorstufe zu diesem Terrorismus ist der Anarchismus. Anarchisten wollen Staaten abschaffen, indem sie Regierungen handlungsunfähig machen.