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Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

Epilog

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2459

 

Komplex Astrovent

 

Auf der Hundertsonnenwelt – das Zentrum der kybernetischen Konspiration

 

Wim Vandemaan

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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Die Lage für Perry Rhodan und die Menschheit ist verzweifelt: Eine gigantische Raumflotte, die Terminale Kolonne TRAITOR, hat die Planeten der Milchstraße besetzt. Sie wirkt im Auftrag der Chaotarchen, und ihr Ziel ist kompromisslose Ausbeutung. Die Milchstraße mit all ihren Sonnen und Planeten soll als Ressource genutzt werden, um die Existenz einer Negasphäre abzusichern. Dieses kosmische Gebilde entsteht in der nahen Galaxis Hangay – ein Ort, an dem gewöhnliche Lebewesen nicht existieren können und herkömmliche Naturgesetze enden.

Mit verzweifelten Aktionen gelingt es den Menschen auf Terra und den Planeten des Sonnensystems, dem Zugriff der Terminalen Kolonne standzuhalten. Sie verschanzen sich hinter dem TERRANOVA-Schirm und versuchen, die Terminale Kolonne zumindest zu stören.

Die Rückkehr des tot geglaubten Roi Danton aus den Fängen TRAITORS eröffnet der Menschheit neue Möglichkeiten, zumal er in seinem Gefolge rund 1800 Mikro-Bestien hat, die sich gegen die Terminale Kolonne stellen. Eine gewagte Expedition des als Dantyren maskierten Danton erbringt den Hinweis auf einen geheimnisvollen Ort – auch bekannt als KOMPLEX ASTROVENT …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Roi Danton – Dem Terraner gehen statt eines Lichtes gleich hundert Sonnen auf.

Goran Frownie und Ero Ustinoth – Zwei TLD-Agenten an Bord eines Traitanks.

Ecktim – Der Kalbaron empfängt einen seltsamen Gast.

Gessounin und Zaubilski – Zwei Posbis.

Kirmizz – Der Chaotender-Pilot fühlt sich ausspioniert.

Prolog

Ferne Vergangenheit:

2414 n.Chr. – Terrania

 

Die weißen Segel auf dem Goshun-See lagen schräg in der Brise. Sie glitten über das Wasser wie ausgelöste Mosaiksteine.

Die Wetterkontrolle hatte leichten Regen über die Stadt verhängt.

Der Junge spielte dennoch im Garten. Der Geruch von frisch gemähtem Gras mischte sich mit dem Duft des Regens. Der Gartenrobot zeterte irgendetwas von sträflichem Leichtsinn und Erkältung.

»Große Gefahr, große Gefahr!«, krähte der Junge und ahmte dabei die Stimme des Roboters nach: »Schnupfen! Heiserkeit! Tod und Verderben! Untergang des Solaren Imperiums!«

Er merkte, dass der Roboter seine Aufmerksamkeit von ihm abgewandt hatte.

»Sir?«, fragte die Maschine.

Der Junge drehte sich um. Sein Vater war unbemerkt hinter ihn getreten.

»Hi«, sagte sein Vater. »Wieder Streit mit der Maschine?«

»Wenn sie doch auf Streit programmiert ist!«, rief er. »Und auf Kinderhass!«

Sein Vater lachte. »Ja«, sagte er gedehnt. »Immer kämpfen wir gegen Tyrannen. Aber am schlimmsten sind die Tyrannen, die uns wohlwollen, nicht wahr?«

»Der Kasten will nicht mein Wohl, er will mich nur kontrollieren«, sagte er und trat nach dem Roboter.

Der Roboter wich mit einem eleganten Schwenk seines Prallfeldes zur Seite aus. Der Tritt ging ins Leere.

Der Schwung riss den Jungen von den Beinen. Er landete auf seinem Hinterteil.

Sein Vater lachte. Der Sohn merkte, dass ihm Tränen der Wut in die Augen stiegen. »Lach nicht!«, verlangte er.

»Es regnet heftiger«, sagte sein Vater. »Sollen wir nicht hineingehen? Come on«, fügte er in der Sprache hinzu, die Mutter nur unzureichend verstand.

»Not yet!«, protestierte er. Aber dass er Englisch sprach, war schon ein kleines Zugeständnis. Ein Friedensangebot.

Sein Vater nickte. »Ein paar Bälle, ja?«, fragte er den Jungen.

»Ein paar Bälle – das ist ja der Klassiker!«, sagte der Junge altklug. Aber er war sofort eifrig bei der Sache und lief los zu dem kleinen Kiosk, in dem er seine Sachen deponiert hatte.

»Sir!«, protestierte der Roboter. »Es regnet nun wirklich energisch!«

»Halt die Klappe!«, sagte der Vater.

»Jawohl, Großadministrator«, sagte die Maschine.

Der Junge kam mit dem Ball zurück, dem Handschuh und dem Schläger. Er warf seinem Vater den Aluminiumschläger zu. Dann ging er in Position, zog die Kappe aus der Hosentasche, setzte sie auf und zog sie tief in die Stirn, als müsste er in eine tief stehende Sonne blicken. Er steckte die Linke in den Handschuh. Er wog den Ball in der Hand. Das weiße Leder fühlte sich glitschig an und schwer.

Er holte aus und rief: »Fertig?«

»Wirf!«, rief sein Vater.

Er warf.

In diesem Moment nahm der Regen an Heftigkeit zu. Der Roboter stieg mahnend hoch in die Luft und positionierte sich zwischen Vater und Sohn.

»Michael«, sprach die Maschine ihn an. »Wenn dein Vater so unvernünftig ist, bei diesem Wetter im Garten zu spielen, nimm bitte wenigstens du Vernunft an und sag ihm, er möge sich in den Schutz der Wohnung begeben.«

»He«, rief sein Vater der Maschine zu. »Stell dich gefälligst nicht gegen mich, ja? Und jetzt lass uns in Ruhe!«

Der Junge warf. Sein Vater erwischte den Ball, aber nicht richtig. Der Ball jagte in einem lachhaften Winkel hoch in die Luft, traf den Roboter am Rumpf, prallte von dort ab und landete in der ausgestreckten Hand des Jungen.

»Hast du das gesehen?«, fragte er seinen Vater.

Perry Rhodan lachte. »Die Maschinen sind auf deiner Seite!«

»Aha«, sagte der Junge und grinste. »Gut zu wissen.«

 

*

 

Zweieinhalbtausend Jahre später und 311.625 Lichtjahre von der Erde entfernt: die Hundertsonnenwelt …

1.

Über der Ebene von Sinsiri

 

Lustlos schleppte sich Gessounin die Felsrampe hinauf. Mehr Lust, wies er das bionische Areal seiner Individualstruktur an.

Lust war eine exzellente Emotion, eine Art goldenes Rauschen. Merkwürdigerweise lieferte das Plasma-Ich, das den bionischen Teil seines Selbst ausmachte, gerade dieses Gefühl nicht immer sehr zuverlässig. Dabei war es als mentaler Treibstoff fast unüberbietbar.

Immerhin sickerte ein Klick Lust in Gessounins Komplexbewusstsein ein. Er bewegte sich schneller, beschwingter. Spaßeshalber berechnete er die Geschwindigkeit, die er erreichen müsste, wenn er vom Endpunkt der Rampe aus abheben und das Fragment erreichen wollte, das knapp 7000 Meter über der Ebene hing wie eingefroren.

Konnte der bloße mechanische Schwung ihn bis dorthin befördern?

Unmöglich, dachte er belustigt.

Gessounin gönnte sich einen meditativen Blick auf das Fragment, ohne seine Laufgeschwindigkeit zu bremsen.

Das Fragment war die BOX-80961. Das Schiff würde, wenn man all seine Aufbauten, Türme, Brücken und Galerien einebnete und das Material, aus dem diese aufragenden Teile bestanden, in seine Canyons, Höhlen und Semitunnel gösse, exakt einen Würfel mit der Kantenlänge von 2000 Metern ausfüllen.

Aber warum hätte man das tun sollen? Die Gala der geometrischen Formen, ihre bis ins Feinste austarierte Balance strahlte in einer Schönheit, als hätte man die endlose Reihe der Primzahlen zum Leuchten gebracht bis ins letzte Glied.

Gessounin bebte vor Begeisterung und hätte beinahe dem Plasmakommandanten des Schiffes eine Grußbotschaft geschickt, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, aber er hielt an sich.

Er genoss die Hochstimmung noch, die seinen bionischen Teil wie einen Resonanzkörper flutete, als er ein Signal mit Zaubilskis Kennung empfing.

Gessounin! Hättest du die Güte, deinen wracken Leib näher heranzuschleppen?

Aber ja, Zaubilski, signalisierte er zurück.

Mittels seines bionischen Areals und der akustischen Aggregate produzierte er eine Art Seufzen, wie er es hin und wieder bei rein biologischen Wesen vernommen hatte. Bei Terranern beispielsweise oder bei den Gurrads in der Kryptischen Stadt.

Seufzen erleichterte.

Die Rampe war annähernd sieben Kilometer lang und stieg bis auf eine Höhe von etwa tausend Metern an. Gessounin erreichte den Endpunkt, bremste und blickte hinab auf die Ebene von Sinsiri. Der Regen der letzten Tage hatte die Wasserwälder aufgebauscht, blaugrün wischten ihre Fangkronen durch die Luft und sammelten Faffol-Flaum ein. Tief im Süden zog sich das Band der Hundertsonnen und spannte sich wie ein Lichtbogen von einem Ende des Horizontes zum anderen.

Zaubilski hatte sich direkt am Endpunkt der Rampe platziert, neben ihm saß Myduman und sättigte sich. Der Matten-Willy schlürfte und schleckte sein Essen aus der Schale, eine Mischung aus Holzbrei und Absinth.

Auf einem kegelförmigen Basthügel hielten einige Tapthao-Insekten eine Fortpflanzungskonferenz ab. Die älteren Tiere, die schon Moos angesetzt hatten, organisierten den Gen-Austausch der jüngeren. Gerade hatte eines der Insekten seine Pflicht getan, löste sich aus dem Verband, rollte sich zusammen und kullerte unter dünnem Pfeifen den Basthügel hinab.

Gessounin und Zaubilski schalteten um auf akustische Kommunikation. Diese bediente sich einer Kunstsprache, einer Melange aus Archäo-Unithisch, Terraenglisch und Spiff. Zwar neigte sich die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Signalfunk von Kolonnen-Seite abgehört wurde, gegen null, und den akustischen Plaudereien zweier Posbis würden die Abhörroutinen der Kolonne wohl kaum ihre Aufmerksamkeit widmen, aber sie wollten keinerlei Risiko eingehen.

»Ich habe ein wenig mit dem Plasmakommandanten von BOX-80961 geplaudert«, erzählte Zaubilski.

»Ach«, sagte Gessounin. Er spürte ein leichtes emotionales Kribbeln.

Myduman schlürfte ungerührt weiter.

»Wir haben ein wenig gespielt, Hallal Fer.«

»Du hast gewonnen?«

»Mach dich nicht lächerlich«, trompetete Zaubilski. »Er ist eine Hyperinpotronik! Ich habe verloren, aber es hat ihn satte sieben Sekunden gekostet, bis er mich bei Hallal Tepp hatte.«

»Sieben Sekunden? Der Plasmakommandant muss reichlich desolat gewesen sein. Oder er hat nur mit einem winzigen Bruchteil seiner Kapazität gespielt.«

»Weder noch. Das ganze Spiel war natürlich nur ein Datenschild.«

»Natürlich.« Und natürlich erzählte ihm Zaubilski diese ganze Geschichte nicht, weil es um eine Partie Hallal Tepp ging. »Und?«, fragte er.

»In der Deckung des Schildes haben wir uns über die Terminale Kolonne unterhalten.«

Worüber sonst, dachte Gessounin, äußerte sich aber nicht dazu. Myduman schlürfte und rülpste dezent.

»Willst du nicht wissen, was der Plasmakommandant denkt?«, fragte Zaubilski. Er holte mit seinem Teleskoparm aus und ließ ihn krachend auf Gessounin niederfahren. »Komm schon! Willst du’s wissen? Ja? Ja?«

Was soll der Kommandant der BOX schon denken?, fragte sich Gessounin.

Seit die Terminale Kolonne die Hundertsonnenwelt kassiert hatte, die Zentralwelt der posbischen Zivilisation, war sie ins Zentrum der Gedankengänge aller ihrer Fragmente gerückt, der individuellen und bodengebundenen Privatwesen ebenso wie die der großartigen raumflugfähigen Fragmente. Selbst das Zentralplasma befasste sich mit kaum einem anderen Thema: die Terminale Kolonne TRAITOR – ihr Zahlenwert, ihre Strategie, ihre inter- und transuniversale Wertigkeit, ihre spirituelle Bedeutung. TRAITOR hatte nicht nur den realen Raum besetzt, sondern mehr noch den mentalen Kosmos der führenden kybernetischen Kultur dieser Galaxis.

Ferner Donner knisterte hinter den Au-Bergen. Wind kam auf und wehte den Faffol-Flaum aus der Reichweite der Fangkronen.

Gessounin fragte: »Was sagt der Plasmakommandant?«

»Der Kommandant von BOX-80961 berichtet, er habe einen flüchtigen Kontakt zur Supratronik einer Kolonnen-Einheit genossen.«

Gessounin spürte, wie Erregung in ihm aufflammte.

»Du hattest also recht«, fuhr Zaubilski fort. »Die Wahrscheinlichkeit hat die Grenze zur Faktizität genau in dem von dir prophezeiten Zeitfenster überschritten.«

Gessounin seufzte. Recht hatte er oft in diesen Dingen, häufiger, als ihm lieb war. Manchmal war ihm, als ob sich die Essenz seines Wesens in einem Meer neuer Möglichkeiten verlöre.

»Du hattest recht«, wiederholte Zaubilski. »Ein Kontakt mit einer Supratronik!«

Die Nachricht bleib erstaunlich genug. In der Regel schwiegen die terminalen Denkmaschinen nach außen und verrichteten ihre Arbeit in unvorstellbar engen Takten, selbstversunken, der Sache ergeben wie ein leidenschaftlicher Liebhaber.

»Wahrscheinlich ist diese Supratronik ein Spion«, mutmaßte Gessounin.

»Ohne jeden Zweifel«, gab Zaubilski ihm recht. »Natürlich hat sich der Plasmakommandant gebührend abgekapselt, aber er hat doch einen Reflex des Supratronik-Bewusstseins speichern können.«

»Klingt spannend. Und? Was hat der Plasmakommandant gesagt?«

»Der Plasmakommandant sortiert die Bilder noch, deren er habhaft geworden ist. Er sieht Tendenzen, Reste von Mustern …«

»Ist irgendetwas darunter, was unseren Plan fördern könnte?«, fragte Gessounin. Sein bionischer Teil mischte Sorge ein.

»Satt«, sagte Myduman und rülpste noch einmal.

Dann tat er, als sähe er Gessounin erst jetzt.

»Schatz!«, quiekte er, richtete sich auf und schwappte gegen Gessounin. »Was für eine Wonne, dich zu fühlen!«

»Der Plasmakommandant meint, der Kontakt ließe sich ausbauen«, sagte Zaubilski. »Ob es an der Zeit ist, das Zentralplasma zu unterrichten?«

Gessounin strich dem Matten-Willy über die Haut und lauschte. In sich hinein. In die gestaltlose Ferne, wo sich die Schatten der Dinge und die Schlieren ihrer Möglichkeiten vermengten und manchmal, wie in einem entlegenen Gewitter, ein stilles Licht aufblitzte. Gessounin glitt dahin über das mentale Land, suchte nach Spuren und Zeichen. Und er fand sie. »Ja«, sagte er. »Es ist Zeit.«

»Es wird sicher ein amüsantes Gespräch«, sagte Zaubilski fröhlich. »Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass du dem Zentralplasma nicht geheuer bist.«

»Gessounin ist ein wahrer Schatz«, flüsterte der Matten-Willy bedeutungsschwanger.

»Nicht geheuer«, wiederholte Zaubilski.

Wem bin ich schon geheuer?, dachte Gessounin mit mildem Spott. Wem, wenn ich schon mir selbst nicht mehr geheuer bin?

»Immerhin – es ist also eingefädelt«, sagte Zaubilski. »Es läuft, wie du es vorausgesehen hast.«

»Ja«, sagte Gessounin. »Die kybernetische Konspiration hat begonnen.«

»Die Zeit der Kolonne läuft ab.«

»Wie optimistisch du sein kannst«, sagte Gessounin. Versonnen warf er einen Blick auf das Treiben der Tapthao-Insekten. Die Fortpflanzungskonferenz war anscheinend beendet. Die nächste Generation konnte im Basthügel deponiert und von der Wärme der zweihundert Sonnen ausgebrütet werden.

Die Tapthao kalkulierten das immerwährende Licht in ihre Fortpflanzungsplanungen ein.

Auch die Tapthao schmieden ihre Pläne. Vielleicht erscheinen unsere Pläne den großen Intelligenzen so schlicht und leicht durchschaubar wie uns die Pläne dieser Insekten.

Ein scheppernder Schlag Zaubilskis holte ihn in die Wirklichkeit zurück. »Also los!«, sagte er aufmunternd.

Gessounin seufzte leise. Dann setzte er sich in Bewegung.

2.

Dämon im Leerraum

 

Wie ein Skalpell schnitt der scharfkantige Diskus seine Passage in den Einstein-Raum. Im Licht der fernen Milchstraße schimmerte die Haut des scheibenförmigen Flugkörpers. Das Schiff strahlte etwas Unmenschliches aus, etwas Zeitloses und Weithergekommenes.

Dabei waren Menschen an Bord, aber sie kannten das Alter des Schiffes nicht, wussten nicht, wann oder auf welcher Werft es gebaut worden war. Sie wussten nicht einmal, in welchem Universum diese Werft gearbeitet hatte.

Roi Danton saß im Kommandantensessel der runden Hauptzentrale des Traitanks. Der Sessel war auf seinen Dual-Kokon zugeschnitten und so eingerichtet, dass ihm eine halbwegs schmerzarme Haltung möglich war. Einige maskierte Liga-Agenten saßen an den formenergetisch projizierten Terminals.

Wenige Meter vor dem Kommandantensessel und im Mittelpunkt der Zentrale erhob sich eine zylindrische Holoprojektion. Sie durchmaß acht Meter und erstreckte sich bis zur Decke des Raumes. Danton betrachtete das Bild der Milchstraße, die unfassbar detaillierte Darstellung des milliardenfachen Sternengewimmels. Für einen Moment glaubte er, keine bloße Abbildung vor sich zu haben, sondern eine miniaturisierte Galaxis.

Etwa 300.000 Jahre war das Licht von der Sterneninsel in diese Einöde unterwegs gewesen. Könnte man die Erde sehen und ihr Bild hinreichend vergrößern – man würde den Homo erectus bei der Herstellung von Steinwerkzeugen beobachten können, bei der Jagd mit Fichtenholzspeeren und Wurfhölzern. Sehen, wie er den Kopf in den Nacken legt und in den Nachthimmel schaut. In die Sterne. Und sich fragt …

»Wäre es ein Problem, die Kantine des Schiffes mit der Zubereitung von terranischem Gemüsegulasch zu betrauen?«, unterbrach ein schlangengesichtiger Mor’Daer Roi Dantons Gedankengang.

Danton musterte das über zwei Meter große, breitschultrige Wesen mit dem von dichtem Haar umstandenen Schädel, das in einer Art archaischer Ritterrüstung vor ihm stand. »Wozu?«, fragte er zurück. »Die Kolonnen-Nahrung ist sättigend und gut bekömmlich. Jedenfalls nicht schädlich. Ich habe sie lange genug überlebt.«

»Du hast sie überlebt? Das klingt ja verlockend.« Der Mor’Daer ließ ein grollendes Lachen hören. »Dennoch wäre etwas heimatverbundenere Kost der Moral unserer Leute zuträglich – psychologisch betrachtet.«

Längst hatte Danton die Individualmerkmale der Kokonmaske erkannt. Es war Oberstleutnant Goran Frownie vom Terranischen Liga-Dienst, bei der Mannschaft berühmt für seine absolute Humorlosigkeit. Im Fall eines Feindkontaktes sollte er die Rolle eines Mor’Daer spielen: Kalbaron Frownie.

»Du machst mir Angst, Goran«, bekannte Danton.

Goran Frownie legte die Kokonmaske ab und strich sich über das blonde Haar. »Das war nicht meine Absicht. Ich wollte nur Sitz und Funktion der Maske testen. Du hast mich herbestellt?«

Danton nickte. Goran Frownie war als Xeno-Technologe für die fortschreitende funktionelle Übernahme der Registereinheit 1.199.188 zuständig. Bevor sie mit dem gekaperten Traitank direkt vor der Hundertsonnenwelt auftauchten und mit der dortigen Wachflotte TRAITORS konfrontiert wurden, wollte Danton sichergehen, dass ihnen aus dem Schiff keinerlei Gefahr mehr drohte.

Sichergehen, dass uns das Schiff nicht in den Rücken fällt.

Die Techniker der LEIF ERIKSSON II hatten phantastische Arbeit geleistet. Drei Decks unterhalb der Hauptzentrale befand sich die neue Ausweichzentrale, von der aus die terranische Besatzung den Traitank steuerte. Sie war mit 20 Metern Durchmesser und acht Metern Höhe ebenso groß wie das Original, aber anders als der ursprüngliche Leitstand ausgerüstet mit vertrauter Technik, mit Armaturen und Monitoren, die das Datenmaterial in menschlicher Sprache und menschlichen Maßen präsentierten. Geliefert wurden die Daten von dem Kantorschen Ultra-Messwerk, das in einem Hangar des Traitanks installiert stand.

Eine von den Technikern der LEIF ERIKSSON II eingebaute Biopositronik unterstützte die Mannschaft bei der Handhabung des Kolonnen-Schiffes.