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Zum Buch

Erbschaft- und Schenkungsteuer

haben durch die Erbschaftsteuerreform 2009 weiter an Bedeutung gewonnen, hat doch der Gesetzgeber ein ganz neues Erbschaftsteuer- und Bewertungsregime geschaffen. Die neuen Regeln im materiellen und Verfahrensrecht sind sehr diffizil und haben Vermögensübertragungen für Berater und ihre Mandanten nicht einfacher gemacht. Auch der Bereich des Ertragsteuerrechts und die dortigen Auswirkungen sind verstärkt zu beachten. Die Finanzverwaltung hat endlich die Erbschaftsteuer-Richtlinien und -Hinweise an das neue Recht angepasst (ErbStR 2011/ErbStH 2011). Die Verfasser zeigen Wege, wie man richtig, d.h. steuerschonend und streitmindernd, schenkt und vererbt.

 

Zu den Autoren

Die Autoren, Dr. Rüdiger Fromm und Dr. Hans Vogt, sind seit mehr als 30 Jahren auf dem Gebiet des Wirtschafts- und Steuerrechts einschließlich des Internationalen Rechts beratend und gestaltend tätig. Sie haben zahlreiche Beiträge zu steuer- und wirtschaftsrechtlichen Fragen in Fachzeitschriften und Büchern veröffentlicht.

Inhalt

Vorwort zur 7. Auflage

Einleitung

1. Teil Die Schenkung

I. Begriff und Arten der Schenkung

1. Zum Schenkungsbegriff

2. Der zeitliche Ablauf von Versprechen und Vollzug

II. Die Rechtsfolgen der Schenkung

1. Die Haftung des Schenkers

2. Widerruf der Schenkung

3. Notbedarf und Verarmung des Schenkers

2. Teil Erbrecht

I. Darstellung des Erbsystems

1. Grundprinzipien der Verwandtenerbfolge

2. Ehegattenerbrecht

3. Pflichtteilsrecht

II. Nachfolgeregelung

1. Gestaltung der Nachfolgeregelung

2. Testament

3. Erbvertrag

4. Instrumente der Nachlassplanung

5. Erbverzicht/Pflichtteilsverzicht

6. Erbschein

7. Gesellschaftsrechtliche Nachfolgeregelungen

8. Vorweggenommene Erbfolge

III. Reaktionen der potentiellen Erben

1. Ausschlagung der Erbschaft

2. Nachlassbeschränkungen

3. Aufgebotsverfahren

3. Teil Die Schenkung im Steuerrecht

A. Schenkung und Schenkungsteuer

I. Zum Aufbau der folgenden Darstellung

II. Grundzüge des Schenkungsteuerrechts

III. Fallgruppen/Gestaltungsvorschläge

1. Grundstücksschenkungen

2. Schenkungen mit zeitlichem Abstand

3. Übernahme der Schenkungsteuer durch den Schenker

4. Der Abzug von Erwerbsnebenkosten

5. Schenkung über Umwege

6. Schenkungen an Kinder

7. Schenkungen an Ehegatten

8. Zur Abzugsfähigkeit von Schulden

B. Schenkung und sonstige Steuern

I. Schenkung und Einkommensteuer

II. Schenkung und Vermögensteuer

III. Schenkung und Grunderwerbsteuer

1. Allgemeines

2. Das Verhältnis von Schenkungsteuer und Grunderwerbsteuer

4. Teil Erbschaftsteuer

I. Persönliche Steuerpflicht

1. Unbeschränkte Steuerpflicht

2. Beschränkte Steuerpflicht

II. Erwerb von Todes wegen

1. Klassische Erwerbe

2. Surrogaterwerbe

3. Gesellschaftsrechtliche Erwerbe

4. Einkommensteuerliche Besonderheiten der Erbauseinandersetzung

III. Der Steuersatz als Bruchteil der Bemessungsgrundlage

1. Nachlassverbindlichkeiten

2. Steuerbefreite Gegenstände

3. Persönliche Steuerfreibeträge

4. Veränderungen durch bestimmte Einzelmaßnahmen

IV. Erklärung und Überwachung

Anhang

Anlage zu § 14 Abs. 1 BewG: Sterbetafel 2008/2010

Sachverzeichnis

Impressum

Vorwort zur 7. Auflage

Das Erbschaftsteuergesetz hat einen langen Weg hinter sich, auf dem es mehrfach an verfassungsrechtlichen Kautelen scheiterte:

Mit dem Steueränderungsgesetz 1992 führte der Gesetzgeber die Anknüpfung der erbschaftsteuerlichen Bewertungsregelungen an die Steuerbilanzwerte ein. Er setzte diesen Weg einer spezifischen „Steuerbewertung“ statt der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Bewertung mit gemeinem Wert fort im Jahressteuergesetz 1997.

Mit Vorlagebeschluss des II. Senats des BFH an das Bundesverfassungsgericht vom 22.5.2002 schilderte der BFH, wie leicht es doch immer noch trotz der Novellierung sei, Erbschaftsteuern einzusparen, wenn man nur das Steuergefälle zwischen der Steuerbewertung und der Verkehrswertbewertung gerade bei Unternehmensvermögen gegenüber Privatvermögen ausnutzte. Das Bundesverfassungsgericht hat dann bekanntlich am 7.11.2006 die Verfassungswidrigkeit „wegen gleichheitswidriger Ausgestaltung der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage“ festgestellt. Wir verweisen auf die Vorauflagen dieses Buches (einschließlich 5. Auflage), in denen wir uns mit den Ausnutzungsmöglichkeiten der Steuergefälle zwischen Verkehrsbewertung und Steuerbewertung ausführlich befasst haben.

In jenem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 7.11.2006 wurde der Gesetzgeber aufgefordert, eine verfassungsgemäße Neuregelung bis zum 31.12.2008 zu treffen.

In einem für einen Gesetzgebungsvorgang unsäglichen Wirrwarr kam dann endlich die Erbschaftsteuerreform 2009, die nötig wurde, um das Bewertungsgefälle abzuschaffen, indem einheitlich für alle Bewertungen auf den gemeinen Wert rekurriert wird.

Das dann endlich zustande gekommene Gesetz geht davon aus, Steuergerechtigkeit durch Schaffung der Bewertungsgleichheit zu erreichen, zur Vermeidung von Härten aber zum einen die Freibeträge zu erhöhen, zum anderen Verschonungsregelungen einzubauen, die ein „dem Gemeinwohl dienendes Vermögen angemessen begünstigen“ sollten (so Regierungsentwurf BT-Drucksache 16/7918 A1).

Hiernach wurden Gemeinwohlgründe zur Verschonung identifiziert, insbesondere für land- und forstwirtschaftliches Vermögen (das aus der Erbschaftsteuerreform 2009 nahezu unverändert herausging) und für Betriebsvermögen (bei dem der Gesetzgeber Arbeitgebern für Sicherung der Arbeitsplätze und Erhaltung des Unternehmens auf einen gewissen Zeitraum hohe Präferenzen einräumte). Nicht zuletzt wurde Grundvermögen, das von Wohnungsunternehmen gehalten wird, prädestiniert; zudem wurden – eher am Rande – eigengenutzte Familienheime bei der Weitervererbung oder -schenkung privilegiert.

Unter dem 5.10.2011 entschied nun der II. Senat des Bundesfinanzhofs wiederum, dass er Bedenken habe, ob die Betriebsvermögensprivilegien, die ja die ursprünglichen Privilegien zur Bewahrung der Steuergerechtigkeit ablösten, verfassungsgemäß seien, weil durch „bloße Wahl bestimmter Gestaltungen die Steuerfreiheit des Erwerbs von Vermögen gleich welcher Art und unabhängig von dessen Zusammensetzung und Bedeutung für das Gemeinwohl zu erreichen“ sei (Leitsatz BFH Az. II R 9/11).

In der Begründung schildert der BFH einige Fälle der Steuervermeidung, die wir auch in unserem Büchlein aufgreifen, da sie ja noch geltendes Recht sind, bis das Verfassungsgericht das Erbschaftsteuergesetz insgesamt verwirft (oder für weiterhin gültig erklärt).

So lassen sich z.B. Widersprüchlichkeiten bei Vermögenstransfers nachzeichnen, etwa wenn ein Wohnungsunternehmen 1000 Wohnungen hat, somit einen Gegenwert (pauschal) von rund 100 Mio. € repräsentiert, total begünstigt wird, wogegen ein gleichfalls der Vermietung an Wohnungsmieter gewidmeter Grundstücksbestand von nur 100 Wohnungen, der ceteris paribus nur einen Wert von 10 Mio. € repräsentiert, vollständig versteuert werden muss.

Mit bloßen Holdingstrukturen lassen sich Erbschaftsteuerfolgen gänzlich ausschließen; mit Gesellschaften unterschiedlicher Rechtsform lassen sich Großvermögen steuerfrei in die nächste Generation übertragen, wenn nur beachtet wird, dass sog. „gutes Vermögen“ mehr als die Hälfte des Verkehrswertes dieses Unternehmens ausmacht. Das bedeutet nichts anderes, als dass ein Geldvermögen, das immer als „gutes Vermögen“ zählt, problemlos von einer GmbH oder gewerblich geprägten Personengesellschaft ummantelt werden kann, um dann steuerfrei auf die nächste Generation übertragen zu werden (wobei dem Schenker nicht einmal verwehrt ist, danach das Geldvermögen unkompliziert wieder aus der Gesellschaft zur eigenen Wirtschaft herauszulösen).

Zwar müssen im privilegierten Nachfolgefall das Unternehmen selbst und seine Arbeitsplätze nachweislich gesichert sein, wenn das Unternehmen mehr als 20 Arbeitsplätze hat, indem die Lohnsummen zu Beginn des Vermögensanfalls regelmäßig auf fünf (bei so genannter Nulloption: sieben) Jahre nicht wesentlich gemindert werden dürfen; aber das lässt sich natürlich auch durch Aufteilung einer bislang einheitlichen Gesellschaft auf mehrere Schwester- oder Tochtergesellschaften relativ problemlos erreichen.

Diese leicht herstellbaren Voraussetzungen einer vollständigen Steuerverschonung bestimmter Steuergegenstände widersprechen der gleichheits- und zweckgerechten Ausgestaltung der geforderten Vergünstigungstatbestände, wie sie das Bundesverfassungsgericht unter dem 7.11.2006 gefordert hat, so dass der BFH jetzt den Bundesminister der Finanzen zu einem offenen Verfahren beigeladen hat, um zu prüfen, ob in den vorgeschilderten Umgehungsmöglichkeiten ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegen könne (der das neue Erbschaftsteuergesetz wieder kippt).

Man darf also feststellen, dass der Gesetzgeber immerhin seit dem ersten vorgenommenen Steueränderungsgesetz 1992 gut zwanzig Jahre benötigt hat, um dann möglicherweise festzustellen, dass es ihm immer noch nicht gelungen ist, ein verfassungsgerechtes Erbschaftsteuerrecht herzustellen.

Da man nicht weiß, was aus diesen neuerlichen Zweifeln des BFH erwachsen wird – verwirft das Bundesverfassungsgericht bei einem Vorlagebeschluss des II. Senates des BFH das neue Erbschaftsteuerrecht oder gibt es dem Gesetzgeber eine nochmalige Nachbesserungschance? –, sollten in jedem Fall jetzt, da die Steuerlücken noch existieren, beschleunigt Vermögens- und Unternehmensnachfolgevorgänge gestaltet werden, also auch bezogen auf privates Geldvermögen, Grundvermögen oder sonstiges Vermögen, das jederzeit durch Herstellung einer unternehmerischen Rechtsform zur Erlangung der Steuerfreiheit benutzt werden kann. Verwirft das Bundesverfassungsgericht, weil auch der dritte Anlauf des Gesetzgebers missglückt ist, das Gesetz, ohne eine Novellierung binnen vorgegebener Zeit zuzulassen, stellt es nur dessen Verfassungswidrigkeit fest, so kann die Zeit des Interims genutzt werden, schnellstmöglich steuerfreie Transfers zu gestalten. Die bereits unter Geltung des jetzigen Rechts gestalteten Schenkungsteuerfälle sollten deshalb in jedem Fall offen und widerrufbar geregelt werden, damit man die dann entstehende Steuervakanz ausnutzen kann; kommt es dagegen zu einer weiteren Novellierung des Erbschaftsteuerrechts, das voraussichtlich wesentliche Verschärfungen bringen wird, ist man auf der sicheren Seite der Steuerersparnis nach derzeitigem Recht.

Eine Bemerkung sei erlaubt: Das Erbschaftsteuerrecht ist für die Bundesrepublik – abgesehen von dem Eigeninteresse der Länder gegenüber dem Bund – ohne große wirtschaftliche Bedeutung, jedenfalls nicht von einer Bedeutung, die den fast die Ertragsneutralität herstellenden Bürokratieaufwand rechtfertigt. Das Gesetz hat aus Eigenerkenntnis der Finanzverwaltung, die die Parameter erarbeitet hat, zunächst zu seinem Verständnis knapp 210 Seiten an „Anwendungserlassen“ benötigt, erhält jetzt (die hier schon berücksichtigten) rund 150 Seiten umfassenden Richtlinien nebst nochmals 150 Seiten an Hinweisen zur Rechtsanwendung; zudem ziehen zahlreiche Finanzbeamte als „authentische Interpretatoren“ übers Land, um zu erläutern, was nach dem Gesetz denn gewollt und wie es zu verstehen sei. Soviel zu der Anforderung, ein Gesetz solle „generelle abstrakte“ Regelungen enthalten, die aus sich heraus dem Bürger verständlich seien.

Das schon insoweit missglückte Gesetz ist ausschließlich politisch von Bedeutung, weil es das Bewusstsein schafft, gerade die reichen Erben müssen zum Gesamtwohl besondere Beiträge leisten, weil die Bevölkerung dies so erwartet.

Ob das aber wirklich ein Grund ist, Erbschaftsteuern zu erheben, mag dahinstehen:

Kein Grund ersichtlich ist jedenfalls für den Vermögenstransfer auf ein- und derselben Generationenebene von Eheleuten oder Lebenspartnern: Warum soll der Staat Erbschaftsteuern kassieren, wenn der eine Ehepartner verstirbt und der andere – in der Mehrzahl der Fälle nahezu gleichaltrige – Lebenspartner das gemeinsam genutzte Vermögen weiternutzt?

So ist beispielsweise in vielen Nachbarländern geregelt, dass ein Vermögenstransfer auf einer Generationen-Ebene keine Erbschaftsteuern auslöst.

Dass gewisse Gemeinwohlvergünstigungen für bestimmte Güterklassen vorgesehen werden, ist zur Gemeinwohlförderung sinnvoll und notwendig. Dass die Schenkung und Vererbung von Familienwohnheimen unter Ehegatten sowie zugunsten der Abkömmlinge begünstigt wird, ist richtig, hätte aber einfacher und großzügiger gelöst werden können.

Dass mittelständische Unternehmensnachfolgen begünstigt werden, ist sinnvoll, aber warum in dieser Kompliziertheit, die zur Umgehung anreizt, und warum mit dieser aufwändigen Überwachungsnotwendigkeit über Jahre?

Wir wollen mit diesem Büchlein Gestaltungsmöglichkeiten anregen, die selbstverständlich zugunsten des Steuerpflichtigen wirken, der sich damit allerdings uneingeschränkt im rechtlich zulässigen Raum bewegt.

Es soll helfen, die „Dummheit des Steuerpflichtigen“ aufzuheben, wie wir sie in der Einleitung zu unserem Büchlein zitiert haben.

Im Februar 2012

Rüdiger Fromm
Hans Vogt

Abkürzungsverzeichnis

a. a. O. 

am angegebenen Ort

Abs. 

Absatz

a. E. 

am Ende

AEBewAntBV 

Anwendungserlass zur Bewertung des Anteils- und Betriebsvermögens (§§ 11, 95-109, 199 ff. BewG) v. 17. 5. 2011 (BStBl. I S. 606)

AEBewFestV 

Anwendungserlass zur Feststellung von Grundbesitzwerten, von Anteilswerten und von Betriebsvermögenswerten v. 30. 3. 2009 (BStBl. I S. 546)

AEBewGrV 

Anwendungserlass zur Bewertung des Grundvermögens v. 5. 5. 2009 (BStBl. I S. 590)

AEBewLuF 

Anwendungserlass zur Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens v. 1. 4. 2009 (BStBl. I S. 552)

AEErbSt 

Anwendungserlass zu den geänderten Vorschriften des ErbStG v. 25. 6. 2009 (BStBl. I S. 713)

a. F.

alte(r) Fassung

AfA 

Absetzungen für Abnutzung

AO 

Abgabenordnung i. d. F. vom 1. 10. 2002 (BGBl. I 2002 S. 3866)

Az. 

Aktenzeichen

BauGB 

Baugesetzbuch i. d. F. vom 23. 9. 2004 (BGBl. I 2004 S. 2414)

BewG 

Bewertungsgesetz i. d. F. vom 1. 2. 1991 (BGBl. I 1991 S. 230)

BFH 

Bundesfinanzhof

BGB 

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl. I 

Bundesgesetzblatt Teil I

BGH 

Bundesgerichtshof

BMF 

Bundesminister(ium) der Finanzen

BSHG 

Bundessozialhilfegesetz, aufgehoben durch Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 21. 3. 2005 (BGBl. I 2005 S. 818)

BStBl. I 

Bundessteuerblatt Teil I

BStBl. II 

Bundessteuerblatt Teil II

BVerfG 

Bundesverfassungsgericht

DBA 

Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Doppelbesteuerungsabkommen)

DM 

Deutsche Mark

DStR 

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

€ 

Euro

Ebit 

Earnings before interest and taxes (wörtlich: Gewinn vor Zinsen und Steuern)

EFG 

Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift)

EigZulG 

Eigenheimzulagengesetz i. d. F. vom 26. 3. 1997 (BGBl. I 1997 S. 734) – EigZul abgeschafft durch Gesetz vom 22. 12. 2005 (BGBl. I 2005 S. 3680)

ErbSt-DBA 

Erbschaftsteuer-Doppelbesteuerungsabkommen

ErbStDV 

Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung vom 8. 9. 1998 (BGBl. I 1998 S. 2658)

ErbStG 

Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz i. d. F. vom 27. 2. 1997 (BGBl. I 1997 S. 378)

ErbStH 

(Amtliche) Erbschaftsteuer-Hinweise (Gleichlautender Ländererlass vom 19. 12. 2011, BStBl.  I 2011 Sondernr. 1 S. 117)

ErbStR 

Erbschaftsteuer-Richtlinie (R) vom 19. 12. 2011, BStBl. I 2011 Sondernr. 1 S. 2)

EStDV 

Einkommensteuer-Durchführungsverordnung i. d. F. vom 10. 5. 2000 (BGBl. I 2000 S. 717)

EStG 

Einkommensteuergesetz i. d. F. vom 9. 10. 2009 (BGBl. I 2009 S. 3366, ber. S. 3862)

EU 

Europäische Union

EWR 

Europäischer Wirtschaftsraum

f., ff. 

folgend, folgende

FG 

Finanzgericht

GbR 

Gesellschaft bürgerlichen Rechts

GmbH 

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbH & Co. GbR 

beschränkte Haftung gewährende Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit GmbH als Komplemmentärin, strukturiert wie eine Kommanditgesellschaft

GmbH & Co. KG 

Kommanditgesellschaft mit GmbH als Komplementärin

GrEStG 

Grunderwerbsteuergesetz i. d. F. vom 26. 2. 1997 (BGBl. I 1997 S. 418, ber. S. 1804)

H (B bzw. E) 

Einzelhinweise der Erbschaftsteuer-Hinweise

i. d. F. 

in der Fassung

i. S. d. 

im Sinne des

i. V. m. 

in Verbindung mit

JStG 

Jahressteuergesetz

KG 

Kommanditgesellschaft

KiSt 

Kirchensteuer

LPartG 

Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16. 2. 2001 (BGBl. I 2001 S. 266)

Mio. 

Million

Mrd. 

Milliarde

n. F. 

neue(r) Fassung

Nr. 

Nummer

OFD 

Oberfinanzdirektion

OHG 

Offene Handelsgesellschaft

R (B bzw. E) 

Einzelrichtlinie der Erbschaftsteuer-Richtlinien

RFH 

Reichsfinanzhof

Rz. 

Randziffer

S. 

Seite

SGB 

Sozialgesetzbuch

SGB XII 

Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch, Sozialhilfe

sog. 

sogenannt

SolZ 

Solidaritätszuschlag

T€ 

Tausend Euro

vgl. 

vergleiche

VStG 

Vermögensteuergesetz i. d. F. vom 14. 11. 1990 (BGBl. I 1990 S. 2467) – obsolet

z. B. 

zum Beispiel

ZErb 

Zeitschrift für Steuer- und Erbrechtspraxis

ZEV 

Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge

Einleitung

Ein englischer Rechtsanwalt soll in der TIMES mit dem Slogan geworben haben: „Die Bezahlung der Erbschaftsteuer ist freiwillig. Bemessungsgrundlage ist die Dummheit“. So provokant und reißerisch, wie diese Anzeige im ersten Moment scheinen mag, ist sie gar nicht: Immerhin ist es – übrigens nicht nur – in Großbritannien möglich, die Erbschaftsteuer durch rechtzeitige Übertragung des Vermögens auf die nächste Generation zu vermeiden, denn freigebige Zuwendungen werden zunächst von der Besteuerung ausgenommen und bleiben es endgültig, wenn der Schenker sieben Jahre nach der Schenkung noch lebt.

Ganz so großzügig ist der deutsche Steuerfiskus nicht. Immerhin ist es aber auch hierzulande so, dass es bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer stärker als bei anderen Steuern in der Hand der Beteiligten selbst liegt, wie hoch die Steuerbelastung ausfällt. Entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen, ist das Anliegen dieses Buches. Außerdem werden die Regelungsinhalte der in Betracht kommenden Maßnahmen skizziert, damit der Testator erkennen kann, ob die von ihm gewünschte Gestaltung ihn sein Ziel auch erreichen lässt!

Zwang zum Handeln besteht für den Einzelnen hier umso mehr, als die Bedeutung der Erbschaft- und Schenkungsteuer ständig wächst. Zum einen sind die Vermögen der Bevölkerung auf mittlerweile über 5 Billionen € angewachsen, von denen jährlich ca. 125 Milliarden € (mit zunehmender Tendenz) durch Schenkung oder Erbschaft übertragen werden. Jetzt sind für die Bemessung der Erbschaft- und Schenkungsteuer die Verkehrswerte anzusetzen; insofern wirkt sich eine steuervermeidende Gestaltung künftig stärker aus als in der Vergangenheit, als die Schenkungsteuer sich noch an den teils realitätsfern niedrigen Steuerwerten orientierte: Wer also Gestaltungsmöglichkeiten nicht wahrnimmt, muss sich tatsächlich den Vorwurf gefallen lassen, er sei mit einer „Dummensteuer“ belegt worden.

Von der richtigen und zweckmäßigen Gestaltung hängt nicht nur die Belastung mit Erbschaft- und Schenkungsteuer ab: Schon Mitte des Jahres 1990 hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs Beschlüsse erlassen, nach denen die im Einzelfall gewählte – oder auch „nicht gewählte“ – Gestaltung des Erbfalles oder der Übertragung von Vermögen zu Lebzeiten erhebliche Auswirkungen bei der Einkommensteuer hat. Die seither produzierten neuen Steuergesetze haben durch gewollte, zunehmende „Gestaltungsfeindlichkeit“ die Problemlagen verschärft. Dies gilt insbesondere – aber durchaus nicht nur –, wenn zum Nachlass Betriebsvermögen gehört. Hierauf wird in diesem Buch besonders eingegangen.

Die Vorgehensweise ist dabei folgende: Thema und damit naturgemäß Schwerpunkt des Buches bilden die Gestaltungsmöglichkeiten zur Steueroptimierung, hier wiederum vorwiegend bezogen auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer (3. Teil und 4. Teil). Wie der Name dieser Steuer ausweist, knüpft sie nicht an Vermögensmehrung durch Leistung an (so dagegen die Ertragsteuern Einkommensteuer und Körperschaftsteuer), sondern an unentgeltlich erlangte Vermögenssteigerungen; sie berührt hierbei zwei zivilrechtliche Tatbestände, nämlich die Schenkung und den Erbfall. Beide Rechtsinstitute, geregelt im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), sollen daher eingangs kurz dargestellt werden und zwar zunächst das Recht der Schenkung (1. Teil), sodann das Erbrecht (2. Teil) und bei Letzterem auch der Sonderfall der sogenannten „vorweggenommenen Erbfolge“. Die „vorweggenommene Erbfolge“ ist zwar zivilrechtlich an und für sich Schenkung, im Hinblick auf ihre Zielsetzung jedoch – so auch ihr Name – dem Erbrecht näherstehend, stellt sie doch eine vom späteren Erblasser bereits zu seinen Lebzeiten vollzogene Übertragung maßgeblicher Vermögensbestandteile auf die späteren Erben dar, oft gegen Zusage lebenslanger Versorgungsleistungen. Hierbei wird gerade der Neuregelung der Rentenzusage in § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG besondere Bedeutung beizumessen sein. Bezogen auf den Erbfall werden die zivilrechtlichen Grundlagen nur gestreift, allerdings findet die Erbrechtsreform von 2009, betreffend die Verbesserung von bislang problematischen Normen (§§ 2306 und 2325 BGB), gebührende Berücksichtigung.

Die in den Erläuterungen angesprochenen Gesetze, Richtlinien mit amtlichen Hinweisen und weiteren Verwaltungsanweisungen sind allgemein zugänglich. Die Gesetze sind z. B. abgedruckt im dtv-Band Nr. 5765 „Steuergesetze“ sowie in der Beck’schen Loseblattsammlung „Steuergesetze“, die Richtlinien und Hinweise in der Beck’schen Loseblattsammlung „Steuerrichtlinien“, Erlasse (BMF-Schreiben, Ländererlasse, OFD-Verfügungen) in der Beck’schen Loseblattsammlung „Steuererlasse“, außerdem sind speziell die einschlägigen Gesetze und Richtlinien, betreffend das Bewertungsrecht und Erbschaftsteuerrecht, auch die neuen Erbschaftsteuer-Richtlinien und -Hinweise, zusammengefasst in der dtv-Ausgabe Nr. 5547 „Erbschaftsteuerrecht“ abgedruckt. Ihr Abdruck im vorliegenden Beratungsbuch ist daher entbehrlich, würde auch den Rahmen der Darstellung sprengen und zur Praxisuntauglichkeit unseres Ratgebers führen. Die neuen Erbschaftsteuer-Richtlinien und -Hinweise sind bereits berücksichtigt.

Wegen der wachsenden internationalen Verflechtung wurden auch Aspekte des internationalen Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts in die Darstellung miteinbezogen. Inwieweit künftig im Rahmen der Europäischen Union eine Harmonisierung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts erfolgen wird, bleibt abzuwarten. Wegen der teilweise schon im Grundsatz unterschiedlichen systematischen Ansatzpunkte in den verschiedenen Mitgliedsstaaten ist insoweit jedenfalls mit kurzfristigen Ergebnissen nicht zu rechnen. Immerhin ist in den Aufgabenbereich der „Ratsgruppe Steuerharmonisierung“ der Europäischen Union auch die Erbschaft- und Schenkungsteuer mit aufgenommen worden.

Rüdiger Fromm
Hans Vogt

1. Teil

Die Schenkung

1

Schätzungen zufolge beläuft sich der durchschnittliche Wert einer Erbschaft heute bereits auf mehr als 200.000 €. Die Tendenz ist klar steigend. Die genannte Durchschnittszahl sagt jedoch wenig über die Rechtswirklichkeit aus: Nach einer aktuellen Veröffentlichung des Deutschen Instituts für Altersvorsorge ist etwa jeder zwanzigste Nachlass überschuldet. Weitere rund 50 % der Nachlässe bewegen sich in einer Größenordnung bis 80.000 € und nur knapp die Hälfte übersteigt diesen Wert. Dabei gibt es ein breites Mittelfeld und eine „Spitzengruppe“ von 2 % der Nachlässe, deren Wert zusammen aber über ein Viertel des gesamten in Deutschland zur Vererbung kommenden Vermögens ausmacht. Naturgemäß nicht mehr im Nachlass enthalten sind die Teile des Vermögens, die zu Lebzeiten im Wege der „vorweggenommenen Erbfolge“ übertragen wurden. Die dabei und in Erbfällen entstehenden Steuern, insbesondere also die Erbschaft- und Schenkungsteuer und deren Minimierung, sind Thema dieses Buches. Lediglich soweit es zum Verständnis der steuerlichen Ausführungen dient oder sonst erfahrungsgemäß von allgemeinem Interesse ist, soll auf den entsprechenden zivilrechtlichen Hintergrund eingegangen werden, nämlich auf die Bestimmungen zur Schenkung (§§ 516–534 BGB) sowie auf das im 5. Buch des BGB (§§ 1922–2385) geregelte Erbrecht. Wie alleine schon die Zahl der einschlägigen Paragraphen belegt, ist das Erbrecht eine sehr umfangreiche und komplexe Materie und als solche Gegenstand zahlreicher eigenständiger Darstellungen (Zum Erbrecht vgl. zum Beispiel den in dieser Reihe erschienenen Beck-Rechtsberater im dtv Nr. 5061, Erbrecht von A–Z von Karl Winkler). Deutlich „übersichtlicher“ sind die im BGB enthaltenen Bestimmungen zum Recht der Schenkung. Indessen sind auch diese in der Praxis von nicht unerheblicher Bedeutung. Der Reihenfolge im BGB entsprechend, sollen den steuerlichen Ausführungen zunächst einige Grundzüge des Rechts der Schenkung und sodann des Erbrechts vorangestellt werden.

I.  Begriff und Arten der Schenkung

1.  Zum Schenkungsbegriff

2

Was sich hinter dem Begriff „Schenkung“ verbirgt, scheint jedermann zu wissen: Wenn die Oma dem Enkel zum Geburtstag ein Handy überreicht, wenn die Eltern ihrer Tochter 20.000 € zum Hausbau zuschießen oder der Verlobte seiner Braut einen Brillantring verehrt, sind dies Schenkungen.

Indessen wird der Leser in folgenden Fällen durchaus schon ins Grübeln geraten: Liegen auch Schenkungen vor, wenn Alfred seinem Bekannten Thomas ein zinsfreies Darlehen über 10.000 € einräumt oder ihm sein Wochenendhaus für einen Monat zur kostenlosen Nutzung überlässt? Nach wohl überwiegender Ansicht sind dies keine Schenkungen, da die Zuwendung nicht aus dem Vermögen des Darlehensgläubigers bzw. Eigentümers stammt. Wie ist es, wenn Simone ihrer Freundin Carmen einen gebrauchten DVD-Player, bei deren Verkauf sie sonst noch 100 € erlösen würde, für einen „Freundschaftspreis“ von 25 € überlässt? Hier liegt der Sonderfall einer sogenannten „gemischten Schenkung“ vor. Ist es schließlich eine Schenkung, wenn Franz zugunsten seines Freundes Harry den Ankauf einer Eigentumswohnung unterlässt, damit dieser sie kaufen kann? Ist die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses eine Schenkung?

Alle vorstehenden Beispiele (in den letzten Fällen liegt übrigens gemäß der ausdrücklichen Regelung des § 517 BGB keine Schenkung vor) sollten lediglich verdeutlichen, dass die Frage, was denn nun Schenkung sei, nicht immer so einfach zu beantworten ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Indessen soll der Begriff der Schenkung hier nicht näher untersucht werden, zumal der Begriff im schenkungsteuerlichen Sinn zwar weitgehend, keinesfalls aber vollkommen identisch ist mit dem Begriff der zivilrechtlichen Schenkung. Das Unterlassen einer näheren Begriffserklärung ist auch unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, daß der ganz überwiegende Teil der im praktischen Leben vorkommenden (und auch später zu behandelnden) Schenkungen tatsächlich zu der „unproblematischen Sorte“ gehört, an die man beim Begriff der „Schenkung“ spontan und typischerweise denkt und zu der die ganz am Anfang genannten Beispiele rechnen.

2.  Der zeitliche Ablauf von Versprechen und Vollzug

3

Jurastudent Frank, der ein knappes Jahr zuvor zum Abitur von seinem Vater eine wertvolle goldene Uhr geschenkt erhielt, stößt in der Vorlesung „Schuldrecht“ auf § 518 Abs. 1 BGB und liest dort folgendes: „Zur Gültigkeit eines Vertrages, durch den eine Leistung schenkweise versprochen wird, ist die notarielle Beurkundung des Versprechens erforderlich“. Da Frank in einer anderen Vorlesung gehört hat, dass Verträge, bei denen die vom Gesetz geforderte Form nicht eingehalten wurde, nichtig sind, fürchtet er nun, sein Vater könne gegebenenfalls irgendwann einmal die Uhr zurückfordern.

Die Sorge ist – Sie werden es schon ahnen – unberechtigt: Liest Frank nämlich auch den zweiten Absatz von § 518 BGB, so wird er erleichtert folgenden Text zur Kenntnis nehmen: „Der Mangel der Form wird durch die Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt“. Da ihm im Beispielsfall die goldene Uhr von dem Vater bereits übergeben worden ist, dieser als Schenker also die entsprechende Leistung zweifelsfrei „bewirkt“ hatte, ist die Sache so anzusehen, als sei das seinerzeitige Schenkungsversprechen, das möglicherweise der eigentlichen Schenkung vorausging, notariell beurkundet worden. Frank darf die Uhr also behalten.

a)  Das Schenkungsversprechen

4

Gleichwohl kommen wir nochmals auf den § 518 Abs. 1 BGB zurück, nämlich die Bestimmung, dass zur Gültigkeit eines Schenkungsversprechens dessen notarielle Beurkundung erforderlich ist.

BEISPIEL:

Willi und Hubert haben sich gerade an der Theke von Huberts Stammkneipe kennengelernt. Zu vorgerückter Stunde – wir unterstellen: trotzdem noch im Zustand voller Geschäftsfähigkeit – verspricht Willi, dem ihm sehr sympathischen Hubert beim nächsten Zusammentreffen eine wertvolle alte Tabakdose aus seiner entsprechenden Sammlung zu schenken. Am anderen Morgen tut Willi die ganze Sache leid und er möchte die Tabakdose doch nicht weggeben. Hubert beruft sich auf den Grundsatz „Versprochen ist versprochen“ sowie darauf, dass sowohl der Wirt als auch vier weitere Stammgäste das Versprechen bezeugen könnten.

Hier hat Willi Glück gehabt: Da die Schenkung nicht beurkundet wurde und die Schenkung auch noch nicht bewirkt wurde (er hat die Tabakdose Hubert ja gerade noch nicht ausgehändigt), ist das Schenkungsversprechen mangels notarieller Beurkundung unwirksam. Willi braucht die Dose also nicht herzugeben. Im übrigen belegt der vorliegende Fall deutlich den Sinn und Zweck, der hinter der Formvorschrift des § 518 Abs. 1 BGB steht: Diese Bestimmung soll nämlich vor Übereilung und vor unbedachten und aus einer spontanen Laune heraus entstandenen Verpflichtungen schützen, insbesondere vor großzügigen Versprechungen, die dem Betreffenden später leid tun.

Auch die „Heilungsvorschrift“ des § 518 Abs. 2 BGB, wonach der Formmangel mit Bewirkung der entsprechenden Leistung geheilt wird, erklärt sich aus dieser Motivation: Wenn jemand eine Schenkung nicht nur verspricht, sondern sie tatsächlich vollzieht, dann soll es – so der Gesetzgeber – in Gottes Namen dabei bleiben, denn die tatsächliche Hingabe einer Sache als Geschenk erfordert schon die Überwindung einer größeren psychischen Hemmschwelle als das so leicht dahingesagte Versprechen. Daher die Regelung des § 518 Abs. 2 BGB, verkürzt beschreibbar mit „weg ist weg!“.

b)  Die sogenannte Handschenkung

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In der Praxis fallen – insbesondere bei kleineren Geschenken – Schenkungsversprechen und Schenkungsvollzug meist zusammen. Man spricht dann von einer sogenannten „Handschenkung“. Diese ist in § 516 Abs. 1 BGB geregelt. Da hier sogleich die Hingabe des entsprechenden Vermögensgegenstandes erfolgt, bedarf es insoweit ebenfalls keiner besonderen Formvorschrift. Auch die Handschenkung (typisch: Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenk) ist damit formlos gültig.

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   (einstweilen frei)

II.  Die Rechtsfolgen der Schenkung

1.  Die Haftung des Schenkers

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Hierzu ein kurzes

BEISPIEL:

Onkel Paul schenkt seinem Neffen Hugo zu dessen Abitur seinen gebrauchten Kleinwagen, weil er sich ohnehin ein neues Fahrzeug kaufen wollte.

Kurze Zeit später ruft der Neffe an: Auf dem Weg zur Universität sei sein Auto wegen eines Getriebeschadens liegengeblieben. Der Wagen sei mittlerweile zur Werkstatt geschleppt worden (Abschleppkosten: 80 €). In der Werkstatt habe man ihm berichtet, der Getriebeschaden sei auf unsachgerechtes Schalten zurückzuführen und eine Reparatur werde voraussichtlich etwa 400 € kosten. Der Neffe stellt sich auf den Standpunkt, da der Onkel schließlich das Getriebe „heruntergewirtschaftet“ habe, sei es nicht mehr als gerecht, wenn er auch den Schaden (Abschleppkosten und Reparatur) ersetze.

Hier liegt der Neffe falsch: Er muss sich vielmehr an den Grundsatz halten, dass man einem geschenkten Gaul nicht ins Maul oder: einem geschenkten Auto nicht unter die Kühlerhaube schaut. Auch der Gesetzgeber ist dieser Ansicht: In § 524 Abs. 1 BGB hat er nämlich geregelt, dass der Schenker nur für solche Sachmängel haftet, die er dem Beschenkten arglistig verschwiegen hat. Dies aber war vorliegend nicht der Fall. Der Neffe muss die Abschleppkosten und die Reparatur selbst bezahlen.

2.  Widerruf der Schenkung

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Fahren wir fort im vorausgegangenen

BEISPIEL:

Der Onkel ärgert sich doch sehr über den Anruf des Neffen und dessen von ihm so empfundene Unverschämtheit.

Er ruft seinen Rechtsanwalt an und fragt ihn, ob er von dem undankbaren Neffen nicht sogar das Auto zurückverlangen könne. Hierzu habe er große Lust.

Angesprochen ist hier der Widerruf der Schenkung wegen groben Undankes. In § 530 BGB ist nämlich geregelt, dass eine Schenkung dann widerrufen werden kann, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undankes schuldig macht. Wie der Begriff „grober“ Undank aussagt, muss das Fehlverhalten objektiv eine gewisse Schwere aufweisen und subjektiv eine tadelnswerte Gesinnung offenbaren, die einen Mangel an Dankbarkeit erkennen lässt. Dies ist durch eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles festzustellen. Vorliegend ist zwar eine Undankbarkeit durchaus zu erkennen; es dürfte jedoch an der erforderlichen Schwere (Grobheit) des Undankes fehlen. Indessen sind die Grenzen hier fließend. Nimmt man etwa an, der Neffe hätte den Onkel am Telefon gleichzeitig beschimpft und beleidigt, so wäre durchaus ein Widerruf in Erwägung zu ziehen und als Folge eine Rückforderung des geschenkten Gegenstandes. Will der Onkel widerrufen, so muss er sich hier allerdings spätestens innerhalb eines Jahres nach dem fraglichen Vorfall (Telefonanruf) entscheiden. Ist nämlich seit seiner Kenntnis von dem möglichen Widerrufsgrund mehr als ein Jahr verstrichen, ist der Widerruf nicht mehr zulässig.

Die Berufung auf den „groben Undank“ kommt in der Praxis nicht so selten vor, wie man an und für sich vermuten möchte.

Besonders häufig sind die Fälle, in denen Eltern ihren Kindern Zuwendungen gemacht haben (etwa im Zusammenhang mit einem Hausbau oder auch sonst) und in denen die Eltern sich im Alter von den Kindern vernachlässigt fühlen. Auch hier ist es stets eine Frage des Einzelfalles, wann die Schwelle zum „groben“ Undank überschritten ist. Tatsächlich vorgekommen ist der im nachstehenden Beispiel geschilderte Fall.

BEISPIEL:

Weil er damit rechnete, dass die bis dahin relativ günstige Bewertung seines Einfamilienhauses bei der Erbschaftsteuer sich verschlechtern werde, übertrug Franz Lehmann Anfang Dezember 2007 das von ihm und seiner Frau Franziska bewohnte Einfamilienhaus auf den Sohn Markus. Dabei behielt er sich zu seinen Gunsten und zugunsten seiner Ehefrau für den Fall, dass er vor ihr versterben sollte, den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch vor. Abgesehen davon, dass der Sohn nunmehr als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde, änderte sich „nach außen hin“ für die Eheleute Franz und Franziska Lehmann, die „ihr“ Haus weiterhin bewohnten, nichts. Eine Änderung der familiären Beziehungen trat jedoch ein, als Markus Anfang 2008 seine Eltern besuchte und seinen Vater, der die Tür öffnete, mit dem scherzhaft gemeinten Satz „Na, wie gefällt es Euch in meinem Haus?“ begrüßte. Die Senioren empfanden dies als Unverschämtheit, brachen gar für einige Wochen jeden Kontakt mit ihrem Sohn ab und überlegten, ob sie die Hausschenkung wegen „groben Undanks“ rückgängig machen könnten.

Zur Rückübertragung oder zu einem Rechtsstreit über die Rückübertragung ist es dann zum Glück im konkreten Fall nicht gekommen, weil die Beteiligten sich aussprachen und schließlich wieder vertrugen. Wahrscheinlich wäre der Vater, hätte er vor Gericht gehen müssen, mit seinem Rückforderungsanspruch auch nicht durchgedrungen, weil es an der erforderlichen Schwere der Verfehlung (§ 530 BGB) gefehlt hätte.

Liegen Fälle vor, in denen eine solche „schwere Verfehlung“ tatsächlich vorgekommen ist (zum Beispiel schwere Körperverletzung des Schenkers oder dergleichen durch den Beschenkten), so kommt in einem denkbaren Rückforderungsprozess wegen groben Undanks in der Praxis oft der Einwand (für Juristen: Genau genommen ist es eine „Einrede“), der Schenker habe dem Beschenkten verziehen. Hier muss der, der eine solche Verzeihung behauptet, also der Beschenkte, deren Vorliegen beweisen. Ein schlichter Versöhnungsversuch reicht jedenfalls nicht aus, ebenso nicht eine Entschuldigung, falls diese nicht tatsächlich dergestalt angenommen wurde, dass man von einer tatsächlichen „Verzeihung“ sprechen kann.

Interessant ist, was im Falle des Todes des Schenkers oder Beschenkten im Hinblick auf das Widerrufsrecht gilt.

BEISPIEL:

In Abänderung des vorgenannten Beispielsfalles kam es zu einer Eskalation, die in bösen Beleidigungen und massiven körperlichen Tätlichkeiten durch den Sohn endete, so dass ein Widerrufsgrund gegeben war. Den Vater regte das Ganze so auf, dass er im Sommer 2008 verstarb. Seine zur Alleinerbin eingesetzte Ehefrau war über die ganze Entwicklung so empört, dass sie gegenüber dem Sohn die Schenkung widerrief und Rückübertragung des Einfamilienhauses forderte.

Hier ist § 530 Abs. 2 BGB einschlägig. Danach steht dem Erben des Schenkers das Recht des Widerrufs nur dann zu, wenn der Beschenkte vorsätzlich und widerrechtlich den Schenker getötet oder ihn am Widerruf gehindert hat. Vorliegend ist keine dieser Voraussetzungen gegeben, es sei denn (was in der Praxis aber kaum nachweisbar sein wird), der Sohn hätte durch sein Verhalten geradezu darauf abgezielt, den herzschwachen Vater in den Tod zu treiben.

Von vorstehendem Fall ist jedoch der zu unterscheiden, dass der Vater bereits den Widerruf erklärt hatte und im Anschluss daran gestorben war. In diesem Falle sind die Rechte aus dem bereits erklärten Widerruf auf seine Ehefrau als Alleinerbin übergegangen. Diese kann nunmehr die Rückzahlung von dem Sohn verlangen und notfalls einklagen.

Wie ist es aber, wenn der Beschenkte verstirbt?

BEISPIEL:

In weiterer Abänderung des Falles verstirbt nicht der Vater, sondern der Sohn Markus hat im Herbst 2008 einen tödlichen Motorradunfall. Franz Lehmann erklärt nunmehr gegenüber dessen Erbin, nämlich seiner Schwiegertochter, den Widerruf der Schenkung und verlangt von ihr die Rückübertragung des Hausgrundstücks.

Hier ist der Fall eindeutig: Gemäß § 532 Satz 2 BGB ist der Widerruf nach dem Tod des Beschenkten nicht mehr zulässig. Dies ohne Wenn und Aber. Hatte allerdings der Vater gegenüber seinem Sohn der Widerruf bereits erklärt, geht die im Falle des begründeten Widerrufs gegebene Verpflichtung zur Rückübertragung des Hauses als Nachlassverbindlichkeit auf die Schwiegertochter über. Diese muss das Wohnhaus dann auf ihren Schwiegervater zurück übertragen.

3.  Notbedarf und Verarmung des Schenkers

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Altruismus soll den Schenker nicht in Not bringen. Diesen Grundsatz weisen schon die Protokolle zum BGB aus.

Gegen eine solche Not schützt den Schenker vor dem Schenkungsvollzug § 519 BGB und nach dem Schenkungsvollzug § 528 BGB.

BEISPIEL:

Der vermögende Witwer Andreas Schwarz hat seiner Freundin zu deren 25. Geburtstag eine Eigentumswohnung in der City von München versprochen. Herr Schwarz hatte sein Vermögen – bis auf die Eigentumswohnung – im Wesentlichen in Aktien angelegt und die Aktienkäufe zu einem Großteil auch noch fremdfinanziert.

Einige Wochen vor dem Geburtstag der Freundin kommt es zu einem Einbruch an der Aktienbörse und Schwarz muss, um die Finanzierungsschulden zu tilgen, praktisch alle Aktien verkaufen und verliert so fast sein gesamtes Vermögen. Die Freundin stellt sich auf den Standpunkt, geschenkt sei geschenkt und sie könne schließlich nichts dafür, dass Schwarz sein gesamtes Vermögen verloren habe. Sie besteht deshalb auf der Erfüllung des – notariell beurkundeten – Schenkungsversprechens.

Hier hilft § 519 BGB: Müsste Schwarz die Eigentumswohnung trotz des Verlustes fast seines gesamten Vermögens gleichwohl auf seine Freundin übertragen, würde sein angemessener Unterhalt gefährdet. Er kann deshalb die Erfüllung der Schenkung verweigern. Er bleibt somit Eigentümer der Eigentumswohnung.

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Variieren wir aber nun das vorstehende

BEISPIEL:

Nehmen wir an, erst zwei Monate, nachdem die Eigentumswohnung bereits auf seine Freundin umgeschrieben worden war, sei der Börsenkrach passiert und Schwarz habe in der geschilderten Weise sein Vermögen verloren.

Kann er dann die Wohnung eventuell sogar zurückfordern?

Immerhin hat in diesem Falle die Beschenkte den Gegenstand ja schon erhalten und sich im Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Erwerbs entsprechend eingerichtet. Die Rückforderung einer bereits vollzogenen Schenkung (§ 528 BGB) unterliegt daher einigen weiteren Einschränkungen.

Zunächst ist erforderlich, dass der Notbedarf nicht nur droht (wie bei § 519 BGB), sondern bereits eingetreten ist. Dies wird man hier bejahen können. Im Grunde genommen besteht daher das Rückforderungsrecht. Allerdings hat der Beschenkte die Möglichkeit, die Rückgabe dadurch abzuwenden, dass er erklärt, dem Schenker den für seinen Unterhalt erforderlichen Betrag zu zahlen. Ob dies im konkreten Fall in Betracht kommen könnte, ist Tatfrage und soll hier nicht näher geprüft werden.

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Die Unterschiede zwischen der Verweigerung des Vollzugs einer Schenkung und der Rückforderung einer bereits erfolgten Schenkung zeigen sich auch an folgendem

BEISPIEL:

Nehmen wir an, Schwarz habe sein Vermögen nicht durch einen Börsenkrach verloren, sondern, nachdem er die Eigentumswohnung verschenkt hat, beim Roulette verspielt.

Hier greift nun § 529 BGB, wonach der Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes ausgeschlossen ist, wenn der Schenker seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat.

Dies wird man dann, wenn jemand sein nicht unerhebliches Vermögen gänzlich im Casino verspielt, bejahen müssen. Ist also die Wohnung schon verschenkt, verbleibt es dabei. Hätte – um dies klarstellend anzufügen – Schwarz die Wohnung noch nicht übertragen gehabt, als er sein Vermögen verspielte, wäre sie ihm verblieben.

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Wie lange aber muss der Beschenkte fürchten, der Schenker könne das Geschenk wegen Bedürftigkeit zurückverlangen? Hier ist § 529 BGB Abs. 1 letzter Halbsatz einschlägig: Danach kann er die Herausgabe des Geschenkes verweigern, wenn zur Zeit des Eintritts der Bedürftigkeit seit der Leistung des geschenkten Gegenstandes mindestens zehn Jahre verstrichen sind. Erst dann gehört dem Beschenkten – mindestens sofern er sich nicht irgendwann doch noch „grob undankbar“ zeigt – das Geschenk endgültig.

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Das Rückforderungsrecht des Schenkers hat in den letzten Jahren eine verstärkte Bedeutung erlangt im Sozialhilferecht: Hierzu muss man wissen:

Grundsätzlich ist es so, dass es im Belieben des Schenkers selbst steht, ob er, wenn er verarmt, das weggeschenkte Vermögen zurückverlangt. Macht der Schenker den Rückforderungsanspruch nicht geltend, kann auch niemand anderer darauf zurückgreifen. Damit konnte man leben, bis durch das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) im Jahre 1991 ein gesetzlicher Anspruch auf staatliche und damit steuerfinanzierte Leistungen zu Gunsten Bedürftiger geschaffen wurde. Mittlerweile sind die entsprechenden Vorschriften übernommen worden in das Zwölfte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII). Mit diesen Leistungen tritt der Sozialhilfeträger in der Praxis meist in Vorlage. Will er sich schadlos halten, so kann es nicht im Belieben des Schenkers stehen, der sein Vermögen freiwillig weggeben hat, ob er dies bei einer späteren Verarmung zurückfordert. Deshalb ordnet § 93 SGB XII die Möglichkeit an, dass der Träger der Sozialhilfe verwertbare Ansprüche des Hilfeempfängers durch Verwaltungsakt auf sich überleitet. Zu diesen überleitbaren Ansprüchen zählt auch der Anspruch gemäß § 528 BGB, nämlich auf Rückgabe des Geschenks oder auf „Zahlung des für den Unterhalt erforderlichen Betrages“ (§ 528 Abs. 1 Satz 2 BGB), ohne dass dies davon abhängt, dass der Schenker selbst diesen Anspruch geltend macht.

Auch wenn der Sozialhilfeträger Ansprüche des Schenkers gegen den Beschenkten auf sich überleitet, gilt die Zehn-Jahres-Frist