Cover

So nutzen Sie dieses Buch

Die folgenden Elemente erleichtern Ihnen die Orientierung im Buch:

Beispiele und Übungen

In diesem Buch finden Sie zahlreiche Beispiele und Übungen, die die Ausführungen illustrieren und vertiefen.

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Merke

Die Merkekästen enthalten wertvolle Tipps.

Auf den Punkt gebracht

Am Ende jedes Kapitels finden Sie eine kurze Zusammenfassung.

5Resilienz – stark für den Alltag

Resilienz verstehen

Wie schafft man das eigentlich? Erfolgreich mit Stress umzugehen, ausgeglichen zu sein, mit allen Menschen zurechtzukommen, auch wenn die sich wirklich danebenbenehmen. Diese Fragen hängen immer im Raum, wenn ich ein Resilienz-Seminar beginne. Die Teilnehmer wollen besser mit ihrem Leben klarkommen, sie möchten unverletzlich, schnell und effizient sein.

Allerdings sind neben der Überforderung mit dem eigenen Alltag auch große Zweifel erkennbar: Geht das wirklich? Kann man damit besser klarkommen, wenn man permanent Überstunden machen muss, die pubertierende Tochter einen übersieht, die x-te Umstrukturierung in der eigenen Abteilung ansteht?

Ja, das kann man, und in diesem Buch werde ich Ihnen die Wege zeigen, wie das geht. Allerdings ist die Lösung oft anders als erwartet. Zumindest in den Seminaren entsteht immer eine unglaubliche Erleichterung, wenn klar wird: Sie müssen gar nicht mehr leisten, nicht anders werden, nicht anders fühlen. Sie dürfen gestresst, Sie dürfen verletzt, Sie dürfen überfordert sein. Das alles gehört zum Menschsein dazu – und diese Menschlichkeit will Ihnen keiner nehmen. Wer möchte schon von Kollegen umgeben sein, die wie Roboter funktionieren?

Bei Resilienz geht es vielmehr um die Frage: Wie stehe ich das gut durch? Wie komme ich schnell wieder auf die Beine, wie komme ich ohne Schaden durch Stress, Ärger und Verletzungen?

6Bei resilienten Menschen spricht man von einer „Stehaufmännchenmentalität“. Sie fallen um, stehen aber schnell wieder auf. Es darf einen also durchaus mal umhauen, es darf einfach alles zu viel sein, man kann auch mal einen schlechten Tag haben. Es ist ganz natürlich, verletzt zu sein von einem doofen Spruch oder einem unfreundlichen Menschen. All das ändert sich bei guter Resilienz nicht. Was sich aber ändert, ist die Fähigkeit, das auszuhalten. Man kann das Leben mit all seinen Widrigkeiten akzeptieren und annehmen. Auch wenn es schwierig ist, gelingt es immer wieder, zur eigenen Lebensfreude zurückzufinden. Resilienz ist die Fähigkeit, auch durch einen schlechten Tag zu kommen – im Vertrauen darauf, dass es morgen wieder besser ist, im Wissen darum, wie man den nächsten Tag besser gestaltet. So kann man den nächsten Tag wieder aktiv und erfolgreich gestalten.

Der Begriff „Resilienz“ wurde von der amerikanischen Forscherin Emmy Werner geprägt. 1971 legte sie die Ergebnisse einer Studie vor, in der sie 700 Menschen von vor der Geburt bis zu ihrem 40. Lebensjahr beobachtet hatte. Dabei stellte sie fest, dass Kinder aus sehr prekären sozialen Verhältnissen, z. B. großer Armut, Flüchtlingsfamilien oder bei Suchtproblematik der Eltern, teilweise trotzdem als Erwachsene ein sehr stabiles Leben führten. Sie waren sowohl sozial als auch beruflich erfolgreich und gut integriert. In ihrer Studie benannte Werner dann sogenannte Resilienzfaktoren – das sind die Eigenschaften, die es Menschen ermöglichen, auch schwere, belastende Situationen erfolgreich zu bewältigen.

Diese Faktoren kennenzulernen lohnt sich, denn in weiteren Studien zeigte sich: Resilienz ist nicht angeboren, nicht genetisch vererbt, sondern man kann sie lernen. Allerdings bedeutet „lernen“ hier nicht „intellektuell verstehen“, sondern 7es bedeutet „trainieren“ – so wie ein Sportler seine Muskeln trainiert, ein Musiker sein Spiel auf dem Instrument, so können Sie auch trainieren, psychisch schnell wieder auf die Beine zu kommen, wenn Sie etwas erschüttert. Das gilt nicht nur für leichte Irritationen – auch wenn man es natürlich zuerst lernt, mit der grimmigen Chefin umzugehen oder dem nörgelnden Sohn. Auch in schweren Krisen kann man Resilienz zeigen, bei Krankheit, Trennung oder Kündigung. Die ursprüngliche Untersuchung hat sich ja sogar nur auf extrem schwierige Situationen bezogen.

Auf den Punkt gebracht

Resilienz ist die Fähigkeit, belastende Situationen erfolgreich, d. h. ohne seelische Schäden zu überwinden.

Resilienz ist erlernbar.

Um richtig trainieren zu können, ist es natürlich wichtig zu wissen, was man überhaupt trainieren muss. Deswegen können Sie hier nun zunächst testen, wie es um Ihre eigene Resilienz steht. Sie können Ihre eigenen Stärken finden, Ihre resilienten Seiten besser kennenlernen und auch herausfinden, wo es sich lohnt, sich zu verbessern oder zu entwickeln.

Resilienz testen

Resilienz ist kein konstanter Faktor, den man ein für alle Mal messen kann. Es gibt Menschen, die im privaten Umfeld hoch resilient sind, Ehekrisen oder Kinderkrankheiten bestens verkraften, aber sobald etwas im Job schiefläuft, verlieren sie ihre Balance – oder anders herum.

8Manche Menschen sind auch in einigen Situationen sehr resilient, kommen heute blendend mit dem besserwisserischen Kollegen klar, am nächsten Tag dann aber gar nicht. Unsere Resilienzfähigkeit schwankt also.

Bei der Beantwortung der Fragen im folgenden Test kann es Ihnen ganz ähnlich gehen. Vielleicht sagen Sie: Das ist ganz unterschiedlich; es ist mal so oder so. Denken Sie nicht zu lange nach, sondern antworten Sie eher spontan, im Sinne von: Grundsätzlich gelingt mir das – oder: Es gelingt mir eher nicht.

Wenn Sie mögen, können Sie den Test auch auf eine bestimmte Situation beziehen. Wenn Sie z. B. zur Bewältigung einer Krankheit Ihre Resilienz aufbauen möchten, dann beantworten Sie die Fragen nur bezogen auf diese konkrete Situation. Manche Fragen passen dann nicht, die lassen Sie einfach weg – aber über die restlichen Fragen finden Sie sehr schnell heraus, in welchen Bereichen es sich für Sie lohnt zu arbeiten.

So gehen Sie vor: Tragen Sie bei jeder einzelnen Frage den Grad Ihrer Zustimmung ein. Dabei bedeutet 1: „Ich stimme gar nicht zu“. 10 bedeutet „Ich stimme voll zu“.

Resilienztest

1. Ich bin mir sicher, dass ich, egal was passiert, immer einen Halt finde, z. B. in meiner Familie oder meiner Gemeinde, in meinem Team …

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2.Neue Vorschläge und Ideen finde ich toll und lasse mich gern davon inspirieren.

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3. In meiner Firma/Familie bin ich eher die Gestalterin und Macherin.

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4. Ich verliere selten die Kontrolle über das, was in meinem Leben geschieht.

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5. Ich freue mich auf die kommenden Jahre. Ich bin mir sicher, dass sie viel Wertvolles für mich bereithalten. Zukunftssorgen habe ich wenig.

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6. Wenn jemand zu mir ungerecht ist, kann ich das schnell wieder vergessen. Wir machen ja alle Fehler, und ich kann nichts dafür, wenn andere sich schlecht benehmen.

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7. Wenn Dinge anders laufen, als ich das geplant habe, dann mache ich sie eben anders. Es fällt mir nicht schwer, mich umzustellen. Ich finde es normal, dass Dinge anders kommen, als man es sich vorgestellt hat.

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8. In Krisensituationen fällt es mir leicht, Pläne zu machen und neue Wege zu finden.

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9. 10Ich habe tiefes Vertrauen zu den Menschen, dass sie stets ihr Bestes geben und mein Bestes wollen.

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10. Wenn ich etwas nicht hinbekomme, finde ich leicht jemanden, der mir helfen kann.

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11. Ich kann mich nach anstrengenden Tagen oder schwierigen Phasen gut erholen.

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12. Auch wenn andere es anders sehen: Ich kann meine Position vertreten und mache, was mir wichtig ist.

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13. Kritik an mir finde ich bereichernd und hilfreich. Wenn ich damit nichts anfangen kann, vergesse ich sie einfach schnell wieder.

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14. Ich bin im Großen und Ganzen zufrieden mit mir – ich finde, dass ich viele Stärken und gute Eigenschaften mitbringe.

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15. Fehler passieren, mir und anderen; jeder versucht sein Bestes. Ich kann mir und anderen gut verzeihen

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16. Ich kenne meine Bedürfnisse gut und die von anderen auch.

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17. 11Die Bedürfnisse anderer kann ich berücksichtigen, ohne mich dabei zu vergessen.

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18. Ich kenne meine Gefühle gut und kann deswegen auch bei anderen gut erkennen, wie sie sich fühlen.

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19. Ich habe Freude an meinem Leben und erinnere mich an viele schöne Momente.

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20. Es gelingt mir gut, andere von meinen Ideen zu überzeugen.

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21. Entscheidungen fallen mir leicht. Ich weiß genau, was ich will.

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22. Wenn etwas Schwieriges oder Neues auf mich zukommt, bleibe ich ganz gelassen – ich werde mich schon zurechtfinden; schließlich habe ich schon so manches mitgemacht.

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Auswertung

Die Auswertung dieses Tests ist etwas ungewöhnlich.

Versehen Sie die drei Antworten mit den höchsten Werten mit einem grünen Ausrufezeichen. Das sind die Bereiche, in denen Sie bereits Resilienz zeigen. Sollten auch diese Antworten nicht über sechs liegen, sind es die Bereiche, 12in denen Sie es am leichtesten haben, Ihre Resilienz auszubauen. Machen Sie sich Ihre Stärken sehr bewusst. Sie sind wichtig und nützlich – vielleicht sogar, um auch in anderen Bereichen Resilienz aufzubauen.

Übung: Meine Stärken in der Resilienz sind:

1.

2.

3.

Dann markieren Sie die Antworten mit den drei niedrigsten Werten mit einem roten Blitz. Vor allem bei Werten unter drei laufen Sie Gefahr, von Situationen überwältigt zu werden und sich nur langsam davon zu erholen.

Nun entscheiden Sie sich. Wählen Sie einen dieser Punkte aus, der Ihnen am meisten am Herzen liegt oder der am leichtesten zu bewältigen scheint. Entscheiden Sie sich spontan, ohne zu lange nachzudenken. Es ist wichtig, dass Sie nur einen nehmen. Es ist leichter, sich in nur einem Aspekt weiterzuentwickeln statt in ganz vielen gleichzeitig. Ein Schritt nach dem anderen – das ist eine schnelle und effektive Art, um neue Lebensmuster zu entwickeln!

Wenn Sie mögen, können Sie gleich beim Lesen dieses Buches anfangen und diesen einen Aspekt mit den einzelnen Übungen kontinuierlich weiterentwickeln. Wenn Sie sich dafür entscheiden, arbeiten Sie konsequent immer wieder mit den Fragestellungen zu diesem einen Thema. Passt ein Kapitel nicht dazu, können Sie es gerne überspringen. Fokussieren Sie das eine Thema, bis Sie damit zufrieden sind und wählen Sie dann das nächste. Natürlich werden Sie am 13Rande auch viel über weitere Themen lernen – aber erfolgreich trainiert haben Sie dann einen Punkt …

Übung: Meine Trainingsaufgabe

In diesem Bereich möchte ich Resilienz üben:


Sollten Sie in allen Bereichen durchschnittlich sein, also um die fünf liegen, dann empfehle ich Ihnen, den Test noch einmal bezogen auf eine spezifische Situation zu machen, wie bereits oben erklärt. Es ist immer leichter, die eigene Resilienz analysieren, wenn Sie sie auf eine bestimmte Situation beziehen. Sicherlich werden Sie dann auch stärkere Ausschläge in den Antworten haben.

14Faktoren der Resilienz

Resilienz individuell gestalten

Was hilft Menschen nun konkret dabei, Druck, Stress, Krisen zu überstehen? Sie werden in der Literatur dazu sehr unterschiedliche Antworten finden.

Im Folgenden stelle ich Ihnen ein System vor, das in der Orientierung für Männer und Frauen, für alle Alters- und Berufsgruppen anwendbar ist. Man kann aber nicht von der Hand weisen, dass Resilienz eine äußerst individuelle Kompetenz ist, die sehr stark von der Persönlichkeitsstruktur und den Erfahrungen abhängt. Vielleicht stellen Sie fest, dass ein gern genannter Resilienzfaktor – die soziale Einbindung – für Sie überhaupt keine Rolle spielt. Unter Umständen sind Sie ein Eigenbrötler und gerne für sich. Oder Sie hatten in den vergangenen Jahren reichlich und genug Menschen um sich herum und freuen sich nun über Zurückgezogenheit. Dann versuchen Sie bitte nicht zwanghaft, ein geselliger Mensch zu werden, um Resilienz zu entwickeln – das passt einfach nicht. Solange Sie zufrieden sind und gut klarkommen mit Ihrer Art, solange Sie Krisen erfolgreich bewältigen, gibt es keine Notwendigkeit, etwas zu verändern.

Sie müssen nicht alle Faktoren der Resilienz perfekt beherrschen, um resilient zu werden, sondern es gilt, mit den Punkten zu arbeiten, deren Verbesserung ihr Leben wirklich leichter macht. Welche das sind, können Sie durch den Test leicht herausfinden. Wenn Sie etwas sehr trifft und Sie lange brauchen, um sich davon zu erholen, dann ist das genau der Punkt, an dem Ihr eigenes Resilienz-Training ansetzt.

15Aber auch für die einzelnen Punkte gibt es keine Patentrezepte. Wenn Sie z. B. durch Bemerkungen anderer schnell verletzt sind, dann hilft es den einen, Schlagfertigkeit zu entwickeln – so fühlen sie sich stark und stabil. Andere möchten lieber lernen zu verstehen, welche Motivation hinter der Bemerkung steckt. Es hilft ihnen mehr, das Gegenüber zu verstehen, um die Situation gut zu verarbeiten. Es ist also wichtig, ganz individuell zu klären, was Ihnen in dieser Situation weiterhilft.

Auf den Punkt gebracht

Resilienz ist eine höchst individuelle Kompetenz. So sind auch die Faktoren der Resilienz äußerst individuell zu entwickeln. Einen eigenen Ansatz dafür zu finden, ist zentral.

Gleichzeitig werden Sie beobachten, dass jede Tugend, die Resilienz fördert, auch eine „Schwestertugend“ hat, wie es der Psychologe und Kommunikationswissenschaftler Schulz von Thun nennt. Denn jede Tugend kann ihre volle Kraft nur entfalten, wenn sie eine „Spannung zu einem positiven Gegenwert“ hat, so von Thun, sonst geht die Balance verloren. Wenn z. B. jemand die Tugend Sparsamkeit hat, dann braucht diese als Gegenwert die Großzügigkeit, sonst verkommt die Sparsamkeit zu Geiz. Großzügigkeit ohne Sparsamkeit dagegen endet in Verschwendung. So sind auch die Faktoren der Resilienz immer nur wirklich als Schwesterntugenden kraftvoll.

16Stabilität und Flexibilität

In Werten verwurzelt

Eine Pflanze, die einen Sturm überleben will, muss tief in der Erde verwurzelt sein. Diese Wurzeln geben Halt. Genauso braucht ein Mensch Wurzeln, wenn stürmische Zeiten aufziehen. Aber wie entwickelt ein Mensch Wurzeln? Oft werden „Wurzeln“ mit „Heimat“ verbunden („Ich habe meine Wurzeln in Berlin“), und tatsächlich ist da eine ganze Menge dran. Es lohnt sich aber, genauer hinzuschauen, was Heimat eigentlich ausmacht.

Heimat ist das, wo man sich auskennt, wo man vertraut ist mit den Menschen, deren Art zu sein und der Art, wie sie ihr Leben leben. Wir fühlen uns sicher und geborgen – die anderen ticken ähnlich wie wir. Diese Art der Ähnlichkeit entsteht durch eine ähnliche Weltanschauung. Natürlich gibt es auch Differenzen im Detail, aber spätestens wenn Sie einmal im Ausland waren, dann wissen Sie, was Heimat bedeutet – wie viele Alltagsrituale, Weltsichten Sie nämlich doch ganz unbewusst teilen mit denen zu Hause.

Tiefe, tragfähige Wurzeln entwickeln Menschen aus Werten, aus denen heraus Gemeinschaft und Miteinander definiert werden. Diese Verwurzelung in Werten ist bei Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt.

Schon die erste Studie von Emmy Werner zeigte, dass z. B. Menschen, die einer Glaubensgemeinschaft angehören, deutlich resilienter sind als Menschen ohne eine solche Anbindung. Der amerikanische Psychologieprofessor Glen Elder belegte in einer weiteren Studie, dass es besonders die Einbindung in eine Gemeinschaft ist, die Resilienz fördert. Also 17auch Menschen, die sehr engagiert sind – in einem sozialen Projekt, in der Politik o.