Peter Güller

Welche EU?

Peter Güller

Welche EU?

Vielfalt in der Gemeinschaft
aus Schweizer Sicht

Inhaltsübersicht

Vorbemerkungen zu einigen unserer Eigenheiten

Wo steht Europa heute?

Die Schweiz auf Europa angewiesen

Vorstellungen über ein gemeinschaftliches Europa

Würdigung der Europäischen Union aus Schweizer Sicht

Diskussion wichtiger Politikfelder

Eine der Nachhaltigkeit verpflichtete Binnenmarktordnung

Kohärenz zwischen der Regional-, Währungs- und Finanzpolitik

Die EU als Vorreiterin in der Klima-, Umwelt- und Energiepolitik

Die transeuropäischen Netze neuen politischen Herausforderungen anpassen

10 Integrale Aussenpolitik

11 Politisch begleitete Globalisierung

12 Zusammenfassung und Folgerungen

Zeittafel

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Literatur

Abkürzungen und Spezifizierungen

Der Autor

Ausführliche Inhaltsübersicht

Vorbemerkungen zu einigen unserer Eigenheiten

Die Schweiz fühlt sich bedrängt. Nicht etwa, dass uns die EU den Beitritt nahelegt, aber sie erwartet da, wo Verträge mit ihr bestehen, dass wir ihre weitere Rechtsentwicklung weitgehend nachvollziehen. Wir ärgern uns, dass sie uns nicht als „Sonderfall“ begreift – als Demokratie, in welcher Selbstbestimmung und die direkte Ausübung der Volksrechte tief im Volk verwurzelt sind.

Natürlich sind wir der Gefühlslage und der kulturellen Verbundenheit nach Europäer, aber politisch? Wir sind gespalten: Die einen meiner Landsleute pochen auf Autonomie und wollen strikte ausserhalb des gemeinschaftlichen Europas bleiben. Andere sehen die Vorteile einer engen Beziehungsgestaltung zu diesem Europa, aber auch, dass wir in vielen Belangen von ihm abhängig sind, und so suchen sie den Weg der bilateralen Verträge. Dritte sind für einen Beitritt, da uns erst ein solcher das Mitentscheiden erlauben würde. Noch andere sehen in der EU ein gefährdetes Projekt und fragen sich besorgt, was ein Auseinanderbrechen für die Schweiz bedeuten würde.

Selbst wenn wir einsehen, dass es der Schweiz nur gut geht, wenn es auch Europa gut geht – die Verflechtungen sind in fast allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Belangen gross –, identifizieren sich nur wenige mit den Herausforderungen, vor denen das politische Europa heute steht. Und obwohl wir dank ausgezeichneter Schweizer Medien recht gut über die EU Bescheid wissen und über Verträge mit ihr abgestimmt haben, fehlt uns der konstruktive Geist für den Diskurs, was die höhere Ebene bieten soll und kann. Wir schauen zu, wie sich das überstaatliche Gebilde formiert, suchen Vorteile für uns abzuzweigen und üben – nicht immer fundiert und gerechtfertigt – Kritik. Nur aussenpolitisch und aussenwirtschaftlich engagierte Kreise machen sich konkretere Gedanken über die Zukunft der Union. Und es muss zu denken geben, wenn erst im Bedrohungsfall, wie nun bei der auch uns treffenden Flüchtlings- und Migrationswelle aus den nahöstlichen Kriegsgebieten und Afrika, verbreitet nach einer wirksamen europäischen Politik gerufen wird.

Persönlich möchte ich die Schweiz lieber mitbestimmend sehen, als von der EU in den „autonomen Nachvollzug“ gedrängt. Gerade in jüngster Zeit ist die Reformdiskussion in der Union wieder aktuell geworden. Wenn wir aber mitreden wollen, was zielen wir denn an? Vielleicht gibt es partikulare Anliegen – eine europäische Version der „sozialistischen Internationale“, ein weniger explizit deklariertes wirtschaftsliberales Pendant oder auch einen nationalistisch-rechtsradikalen Schulterschluss? Mich interessiert jedoch ein gemeinschaftliches Europa – ein Europa, das die verschiedenen politischen Interessen einbezieht und das sich angesichts der globalen Herausforderungen die Vorteile zusammenwirkender Länder mit all ihren Eigenheiten und individuellen Kräften nutzbar macht, gemeinsame Werte verteidigt und intern den Ausgleich zwischen stärkeren und schwächeren Mitgliedern sucht.

Mein Positionsbezug stützt sich ab auf den unserem Land eigenen Erfahrungsschatz mit der auf mehrere Ebenen verteilten und auf Konkordanz ausgerichteten, integrativen Politikgestaltung. Wegleitend sind aber auch meine Berufserfahrungen als Inhaber eines in der Schweiz, im europäischen Umfeld und in Süd- und Südostasien tätigen Planungsbüros. Immer wieder ging es darum, die Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppierungen und Gemeinden, Regionen, ja Staaten gegeneinander abzuwägen. Diesen Fokus illustriere ich in meiner Arbeit mit räumlich differenzierten Bildern Europas. Sie sollen die unterschiedlichen Konditionen und damit auch Betroffenheiten zeigen, die zu berücksichtigen sich die EU-Kohäsionspolitik verpflichtet. Angereichert werden diese persönlichen Eindrücke mit Meinungsäusserungen von europäisch denkenden Fachleuten, Politikern und Journalisten.

Viele Überlegungen sind auch auf Gespräche mit meinen Freunden zurückzuführen. Für diese, und namentlich für die Begleitung und Unterstützung durch meine Frau, sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Natürlich soll das gemeinschaftliche Europa hier nicht neu erfunden werden. Vielmehr geht es um eine Würdigung des von der EWG und ihren Nachfolgeorganisationen bisher Erreichten sowie um die beiden Fragen, inwiefern sich aus unserer Sicht Anpassungen als nötig erweisen könnten und wie sich diese im Vergleich mit den derzeitigen Reformüberlegungen der Union ausnehmen.

Einleitend sei auf die Frage eingetreten, wo Europa heute steht.

Wo steht Europa heute?

Errungenschaften

Für viele hat das gemeinschaftliche Europa auch heute noch als ein aus den Weltkriegen hervorgegangenes Friedensprojekt grösste Bedeutung. Das Zusammenwirken der ehemaligen Kriegsgegner – durch wessen Initiative es auch immer zustande gekommen ist – vermag zwar heutige Generationen nicht mehr so stark zu bewegen. Es ist zur Selbstverständlichkeit geworden (kg 60 ff.). Bei EU-internen Spannungen – und solche flackern aus ökonomischen und politischen Gründen nicht selten auf – wird dieses verbindende Moment aber doch immer wieder beschwört. 2012 erhielt die EU den Friedensnobelpreis für „über sechs Jahrzehnte Beitrag zur Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten“.

Für Gret Haller, ehemalige Botschafterin der Schweiz im Europarat, ist auch die das Nationale überdachende Rechtsstaatlichkeit mit Inhalten zu würdigen, die man in den Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wurzelnd sehen kann (hg2 10). Und die Gemeinschaft ist ein wichtiges Demokratieprojekt. Mit der Zeit wurden hier klar Fortschritte gemacht, und zwar teils weiter, als es bei einigen Mitgliedern der Fall ist. Die Begleitung ehemaliger Ostblockstaaten auf diesem Pfad kann sich als mühsam erweisen.

Eine weitere zentrale Errungenschaft ist natürlich der gemeinsame Binnenmarkt. Die Faktoren, welche die wirtschaftlichen Austauschbeziehungen hemmen können, wurden weitgehend abgebaut. Allerdings verlief die Entwicklung nicht gradlinig: Während das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in der EWG der sechs Gründerstaaten anfangs stärker zunahm als jenes der USA, änderte sich das ab den 1980er- und 1990er-Jahren. Ein Grund dafür dürfte in der Erweiterung der Gemeinschaft um weitere südeuropäische Staaten liegen. Zwar wiesen diese Niedriglohnländer verglichen mit den Hochlohnpartnern im Norden vorerst mehr Wachstum auf. Sie verloren dann aber zufolge der rasch zunehmenden Konkurrenz aus Asien an industrieller Substanz. Die Arbeitslosigkeit ist denn auch namentlich bei den Mittelmeeranrainern hoch (klj 35).

Gemäss dem Kommissionsbericht Der Binnenmarkt und das Europa von morgen aus dem Jahr 1997 „trat der erhoffte und vor der Einführung des Binnenmarktes vorausgesagte ökonomische Prozess, durch den es zu Wachstum und Beschäftigung kommen sollte, nicht im erwarteten Mass ein“. Die weltweite Rezession anfangs des Jahrzehnts hat verhindert, dass sich die Hoffnungen der Politiker und die Berechnungen der Theoretiker bewahrheiteten. Die schleppende Umsetzung des Binnenmarktprogramms durch die Mitgliedstaaten, die Integration Ostdeutschlands und die Osterweiterung der Union hat die Dämpfung noch gefördert. War der Anteil des BIP pro Kopf am EU-Durchschnitt in Portugal 1995 mit 65 % am niedrigsten, so trug zehn Jahre später Bulgarien mit 47 % das Schlusslicht (klj 265 ff. und KfW 3). Immerhin führte die Personenfreizügigkeit bei den osteuropäischen EU-Mitgliedern dazu, dass zufolge der Abwanderung in wirtschaftsstärkere Länder, namentlich Deutschland, die Arbeitslosenquote relativ tief ist. Faktisch gehört die EU aber zu den Regionen mit dem weltweit höchsten Pro-Kopf-Einkommen und der gleichmässigsten Einkommensverteilung; dies speziell im Vergleich mit den USA. Doch auch in der Union nimmt die Ungleichheit seit den 1980er-Jahren zu (pt 429).

Gerade auf diesem Hintergrund ist ein wichtiges Kennzeichen der EU, dass sie sich vertraglich dem Ziel einer sozialen Marktwirtschaft mit Vollbeschäftigung, sozialem Fortschritt und einem hohen Mass an Umweltschutz verpflichtet hat und dass es diesem Ziel mehr als aussereuropäische westliche Staaten nachlebt. Damit soll der Unternehmerwettbewerb auf einem hohen, nachhaltigen Niveau zum Spielen kommen. Diese weite Sicht bringt die Union auch in ihrer Aussenwirtschaftspolitik zur Geltung.

Positionssuche in einer sich rasch wandelnden Welt

Eher durchzogen sind die Erfolge der EU in der Aussenpolitik. Europa prägt die Welt nicht mehr so deutlich wie noch vor den Weltkriegen. Wirtschaftlich zwar stark, hat es sich heute mit mehreren geopolitischen Machtblöcken auseinanderzusetzen, die ihre Interessen handelspolitisch, im Wettstreit um die Rohstoffe und wissenschaftlich-technische Vormacht, durch die Übernahme angestammter europäischer Firmen, militärisch oder durch Attacken auf die Informations- und Steuerungssysteme verfolgen. Zudem steht es einer wirtschaftsschwachen und von Bürgerkriegen gebeutelten dritten Welt gegenüber – speziell einem wenig stabilen Afrika, von wo es durch Migration bedrängt wird. Als Modell für regionale Friedensschlüsse hat die EU bisher kaum Nachahmer gefunden.

Terrorismus, hybride (verdeckte) Kriegsführung und Gewalt sind weltweit zu ständigen militärischen und polizeilichen Herausforderungen geworden, was nach neuen Abwehrdispositiven ruft. Offene Gesellschaften stehen vor immer grösseren Herausforderungen. Die Vermengung ethnischer, religiöser und gesellschaftspolitischer Konfliktherde mit Einflussnahmen der Machtblöcke hat zudem zu einer weltpolitischen Komplexität geführt, die aussenpolitische Positionsbezüge und ein vermittelndes Handeln Europas erschwert (mhp).

Erklärung der führenden Vertreter von 27 Mitgliedstaaten und des Europäischen Rates, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission:

„Die EU steht vor nie dagewesenen Herausforderungen auf globaler und nationaler Ebene – regionalen Konflikten, Terrorismus, wachsendem Migrationsdruck, Protektionismus sowie sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten. Gemeinsam sind wir entschlossen, die Herausforderungen einer sich rasch wandelnden Welt anzugehen und unseren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit und neue Chancen zu bieten. Wir werden die Union durch noch mehr Einheit und Solidarität untereinander und die Achtung gemeinsamer Regeln stärker und widerstandsfähiger machen. Einheit ist zugleich eine Notwendigkeit und unsere freie Entscheidung. Einzeln würden wir durch die globale Dynamik an den Rand gedrängt. Zusammenhalt gibt uns die beste Chance, auf diese Dynamik Einfluss zu nehmen und unsere gemeinsamen Interessen und Werte zu verteidigen.“

Rom, 25. März 2017.

Die Wirtschaft befindet sich global in einem Strukturwandel, der sich in die grossen historischen Phasen der Industrialisierung und Dienstleistungsentwicklung einreiht. Mit der Digitalisierung und Roboterisierung verschmelzen diese beiden Sektoren. Der Erstere wird steuerungstechnologisch durchdrungen und der Letztere erfährt in Form der Informatik neuen Schub. Der Einfluss auf die Arbeitswelt ist noch nicht genau absehbar, wie es auch unsicher ist, welche Rolle die verschiedenen Weltregionen bei diesen Neuerungen als Gewinner oder Verlierer einnehmen werden.

In der Folge der Spekulationsblase auf den amerikanischen Immobilienmärkten und der Ausweitung der Finanzproduktepalette in immer risikohaltigere Bereiche ist es ab 2007 zu einer globalen Finanzkrise gekommen. Die durchgeschüttelten Finanzmärkte konnten nicht auf Selbstregulierung vertrauen und die Erholung der europäischen Länder gedieh unterschiedlich weit. Auf diesem Hintergrund und einer vielfach als voreilig beurteilten Einführung des Euros entstand dann auch die Schulden-, Banken- und Wirtschaftskrise in Griechenland.

Die politische Gestaltungskraft der Staaten hat mit der hohen Mobilität von Kapital und Menschen abgenommen. Weil weltweit agierende Konzerngesellschaften für ihre Aktivitäten Orte mit kleiner Regelungsdichte und geringen Gestehungskosten wählen können, entsteht international ein „Wettlauf nach unten“: Die Staaten versuchen, ihre Standortqualität durch tiefe arbeitsrechtliche und ökologische Standards und Unternehmenssteuern zu verbessern. Dabei stellen sich aber Fragen um die gesellschaftliche Verantwortung der Regierungen und Unternehmen wie auch um die Steuergerechtigkeit. Steuerpflichtige können in einer offenen Wirtschaft insbesondere bei den Kapitaleinkommen viel schlechter erfasst werden als die weniger mobile Bevölkerung und Arbeitnehmerschaft (kc 191 ff.).

Weit herum wächst im Volk der Widerstand gegenüber einem schrankenlosen interkontinentalen Freihandel und einem Investitionsschutz, der anstatt einer staatlichen oder überstaatlichen Rechtsprechung privater Schiedsgerichtsbarkeit untersteht. Eine Weltordnung, die diesen Namen verdienen würde, fehlt. Von einer „Durcheinanderwelt“ ist die Rede, von einer Krise der Marktwirtschaft und einer Krise der Demokratie sowie von einer Dominanz der Interessen über die Werte (vk 17 ff.).

Als Folge der Globalisierung und des technologischen Wandels sowie teils problematischer wirtschafts- und finanzpolitischer Entscheide auf verschiedenen Ebenen herrscht in Europas Süden und teils auch Osten eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Sie lässt sich nur langsam abbauen. Auch gut Ausgebildete finden im Wirtschaftsleben nicht immer einen gebührenden Platz. Das ist einerseits für sie dramatisch, andererseits belastet es die Sozialwerke – die Basis zur Vorsorge für eine rasch alternde Bevölkerung wird schmal.

Abb. 1: Verbreitung der Risiken aus der Globalisierung und dem technologischen Wandel.
Dunkelste Tönung = Alle vier Risikofaktoren* sind im Spiel. (Hier nicht repräsentiert: Die Nicht-EU-Länder Schweiz, Norwegen, Island und die Westbalkanstaaten.)

Quelle: EU-Kommission, 7. Kohäsionsbericht. Karte 1.5. © European Union 2018

Des Weiteren sind das Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern und die starke Bevölkerungsentwicklung in vielen Drittweltstaaten Faktoren, die zusammen mit dem hohen westlichen Anspruchsniveau an Komfort und Energie den Ressourcenverzehr und die Umweltbelastung in bisher unbekannter Weise vorantreiben. Die Weltgemeinschaft als Ganzes ist herausgefordert. Europa sollte darauf ausgerichtete ordnungspolitische Anstösse vermitteln und sich in einer technologischen Vorreiterrolle sehen.

Angespannte interne Befindlichkeit

Innerhalb Europas gibt es heftige Auseinandersetzungen zwischen neoliberalen Wirtschaftskreisen, sozial- und umweltverantwortlichen Stimmen, von der Globalisierung und Modernisierung Überfahrenen, die in nationalistischen Bewegungen Widerstand leisten, und gewaltbereiten Verlierern (ehm 129 ff.). Für die einen ist unverfälschter Wettbewerb der übergeordnete Bezugsrahmen, an den sich gesellschaftliche Regeln und Standards anpassen müssen und innerhalb dessen Länder und Regierungen um die Präsenz und Aktivität von Unternehmen konkurrieren (hj 274). Die andern beklagen im Zusammenhang mit technologischen Entwicklungen und der Globalisierung neben dem Verlust von Arbeitsplätzen die Entwertung einstmals solider Qualifikationen des Mittelstandes, die Blockade der traditionellen Wege zum sozialen Aufstieg, Lohndruck, Konkurrenz durch hochmotivierte Einwanderer und das Verblassen lokaler und nationaler Gewissheiten und Identitäten. Die EU wurde in mancher Hinsicht zu einer Projektionsfläche für den Missmut (rap, kg 21 ff.).

Die Finanz- und Bankenkrise löste dann Spannungen auch unter den EU-Mitgliedern aus. Die Ansichten über ihre Behandlung klaffen auseinander. Zwischen dem Norden und dem Süden bestehen ordnungspolitische Gräben. Ähnliches zeigt sich zwischen dem Zentrum und Staaten an der Ostgrenze in der Flüchtlingspolitik. Die EU hat bisher zu wenig auf die unterschiedlichen wirtschaftlichen Betroffenheiten, Sensitivitäten und sozialen Verhältnisse reagiert. Das Resultat: Politische Abwehrbewegungen werden populistisch genutzt und leisten Nationalismen Vorschub. Die liberale Grundordnung und der Zusammenhalt der Union werden von innen her gefährdet.

Hierzulande gibt es ähnliche Auseinandersetzungen. Sie finden jedoch zwischen etablierten politischen Lagern statt. Sprachrohre sind für quasi jedermann bereit, und die Stimmungen des Volkes lassen sich nicht nur bei Wahlen, sondern auch Sachvorlagen verfolgen. Vielen fehlt aber die Einsicht, dass Eigeninteressen immer auch dem Interesse an einem Ganzen gelten müssen. In der EU-Frage besteht seit Jahren eine unergiebige Pattsituation. Die Journalisten Markus Mugglin und Daniel Binswanger prangern die europäische Verwirrung der Schweiz und die Zerstörung der Konsenskultur durch die zunehmende politische Polarisierung an (mm2 und bid 182).