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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

Epilog

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

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Nr. 2366

 

Unter dem Kristallgitter

 

Atlan als Geburtshelfer – auf der Welt des Konvergenten Denkers

 

Arndt Ellmer

 

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Auf den von Menschen besiedelten Planeten schreibt man das Jahr 1345 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – dies entspricht dem Jahr 4932 alter Zeitrechnung. Die Milchstraße ist von der Terminalen Kolonne TRAITOR besetzt, einer gigantischen Flotte der Chaotarchen.

Ihr Ziel ist, aus Welten der Galaxis einzelne »Kabinette« für einen Chaotender zu formen, eines der machtvollsten Instrumente des Chaos schlechthin: Dieser Chaotender soll einmal VULTAPHER heißen und das Territorium einer entstehenden Negasphäre sichern. Eine Negasphäre wiederum ist eine Brutstätte des Chaos, in der gewöhnliche Lebewesen keine Chance haben.

Die Galaktiker leisten verzweifelten Widerstand. Dazu gehört auch das Projekt, die alten Sonnentransmitter wieder instand zu setzen. Atlan, die Wissenschaftler der LFT und die Haluter kommen mit seiner Hilfe in eine seltsame Umgebung – sie landen UNTER DEM KRISTALLGITTER …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Den Arkoniden verschlägt es auf die geheimnisvolle Welt Anghur Al-Tare.

Kirkazon – Der Abenteurer sucht den Weg zum Berg des Konvergenten Denkers.

Elfah Komo – Ein Haluter macht eine seltene Entwicklung durch.

»Im Karussell des Universums mit all seinen wundervollen Erscheinungsformen sind wir körperlichen Einzelwesen nicht viel mehr als Kinder. Wir tappen mit großen Augen durch eine Welt voller Spielzeug. Wir erweisen uns als kreativ bis fantasievoll, und manchmal machen wir etwas kaputt …«

Hakon-Armins de Jong, Kosmologischer Diskurs, Antrittsvorlesung Universität Terrania, Sommersemester 1326 NGZ.

 

 

Prolog

 

In der Stahlwelt herrschte gespannte Ruhe. Der alte Haluter Cornor Lerz ließ es sich nicht nehmen, nach der Entmaterialisierung des Geschwaders in der Zentrale gemeinsam mit dem Zentralgehirn der Station, KHARAG, alle Möglichkeiten durchzurechnen.

Die Leuchtpfeilmarkierung im Riesenholo stand nach wie vor auf Orange, ein deutliches Zeichen, dass die Transmitterverbindung zwischen dem Kharag-Sonnendodekaeder und dem Nagigal-Trio weiterhin existierte.

Das KombiTrans-Geschwader hatte die Transmissionsstrecke folglich absolviert und hielt sich jetzt im Zielsystem auf. Damit war der erste Teil des Auftrags erfüllt.

1.

 

Ich erwachte schlagartig. Für eine Langstrecken-Transmission über mehr als 900.000 Lichtjahre war das ungewöhnlich und … alarmierend. Stechender Schmerz jagte durch meinen Kopf bis in den Nacken und die Schulterblätter. Instinktiv versuchte ich die Arme schützend vor den Kopf zu nehmen. Es ging nicht. Ein Prallfeld drückte mich unnachgiebig in den Kontursessel. Ich spürte einen Luftzug auf meinem Gesicht, hörte leise Geräusche in der Nähe.

Vorsichtig öffnete ich die Augen, blinzelte in den violetten Lichtschein, der auf meiner Nase und dem Schutzanzug tanzte. Links von mir ragte ein roter Koloss mit Säulenbeinen und vier Armen auf – Icho Tolot. Der Haluter stand noch an derselben Stelle wie vor Beginn der Entmaterialisierung im Kharag-Sonnendodekaeder. Er kommunizierte mit der Hyperinpotronik der HALLEY und benutzte ein akustisches Abschirmfeld. Seine Stimme – bei halutertypischer Lautstärke war sie ohne Weiteres dazu in der Lage, ein menschliches Wesen das Bewusstsein verlieren zu lassen – drang als dumpfes Murmeln an meine Ohren.

Ich beugte mich nach vorn, versuchte das violette Wabern mit meinen Blicken zu durchdringen. Weitere Bildschirme flammten auf; sie zeigten keineswegs das sternenarme stellare Umfeld, das bei einem Sprung Richtung Leerraum und Hangay zu erwarten gewesen war.

Das ist nicht das Nagigal-Trio!, hämmerte der Extrasinn Worte in mein Bewusstsein. Das Nagigal-Trio, unser Zieltransmitter, bestand den Aufzeichnungen zufolge aus drei großen blauen Sonnen. Das hier waren zwei Rote Zwerge.

Ein Fehlsprung also oder eine Fehlleitung. Und das, obwohl die Gegenstation seit dem 29. Oktober ihre Empfangsbereitschaft signalisiert hatte.

Genug Zeit für jemanden auf der anderen Seite, entsprechende Vorbereitungen zu treffen, du Narr!

Ach?, gab ich lautlos zur Antwort. Da wäre ich wirklich nicht darauf gekommen.

Ich rieb den schmerzenden Nacken und sah mich um. Ikarius Jopro, der ertrusische Emotionaut aus der legendären Baretus-Schule, bewegte sich schwach. Jarett Varasin, der terranische Kommandant der HALLEY, rührte sich hingegen noch nicht. Sein Kopf hing schief über der Schulter. Ein Großteil der Zentrale-Besatzung war noch bewusstlos, wurde aber bereits von einer Schar Medoroboter behandelt.

»Wir sind umzingelt, Atlanos!«, erklang die Stimme des Haluters, diesmal deutlicher lauter.

Das zentrale Hologramm zeigte eine Kugelschale aus 24 Planetoiden mit einem Durchmesser von 1,5 Millionen Kilometern an, in deren Zentrum das KombiTrans-Geschwader hing.

Die eigentliche Bedeutung von Tolots Worten erkannte ich erst nach einem Blick auf die Ortungsanzeigen. Nur drei der Himmelskörper zeigten keinerlei Aktivität. Von neunzehn hingegen reichten orangerote, fünfhundert Kilometer dicke Zapfstrahlen zu den zwei roten Sternen. Die beiden restlichen Planetoiden emittierten hingegen vergleichsweise wenig Energie, kaum mehr als ein Fünftel ihrer Nachbarn, wenn ich die Werte richtig las. Der Grund dafür interessierte mich angesichts der offensichtlichen Bedrohung wenig.

»Die Zapfstrahlen erzeugen Energiefelder unbekannter Konfiguration«, fuhr Tolot fort. »Sie bannen unsere Schiffe auf die Stelle.«

Die Stelle, das war eine Position oberhalb eines rot leuchtenden Energierings von etwa 10.000 Kilometern Durchmesser, in dessen Innerem violettes Licht wie Nebel wallte. Gleichzeitig erinnerte es an Kaskaden aus Wasser, das aus allen Richtungen einem gemeinsamen Kessel zuströmte.

Das violette Licht erzeugte gespenstische Schatten in der Kommandozentrale und auf unseren Gesichtern.

Ich erkannte jetzt, worum es sich handelte: einen Situationstransmitter der alten Lemurer.

»Die Anlage ist wohl mit der Transmitterzone zwischen den beiden Roten Zwergen gekoppelt«, spekulierte ich. »Sie hat uns abgefangen und hierher befördert.«

»In der Tat die wahrscheinlichste Annahme«, dröhnte Tolots Stimme durch den Raum.

Wir beide wussten auch ohne viele Worte, dass die interessante Frage nach dem Urheber der gegenwärtigen Vorgänge einen untergeordneten Stellenwert besaß. Zunächst einmal galt es, die Schiffe und die Tender aus der Umklammerung der Energiefelder zu befreien.

Ikarius Jopro erwachte mit einem lauten Seufzen. Ich sah, wie die dicken Muskelpakete des Ertrusers den Raumanzug spannten. Jopro riss die Augen auf, sah blitzschnell nach links und rechts, während der rechte Handschuh zur Hüfte griff, wo der handliche Kombistrahler hing.

»Keine unmittelbare Gefahr«, sagte ich in das Zischen der Injektionsspritzen hinein. Die Medos verabreichten den Anwesenden einen Medikamenten-Cocktail, der sie schneller wach werden ließ.

Der Feldring unterhalb des Geschwaders erlosch von einem Augenblick zum anderen. Es beruhigte mich keineswegs. Er konnte ebenso schnell wieder aktiviert werden. Lemurische Situationstransmitter erzeugten für das zu transportierende Objekt einen Halbraum-Durchgang an einen frei wählbaren Zielort, also ohne dabei auf eine Gegenstation angewiesen zu sein. Da der dem Linearflug vergleichbar ablaufende Transport nicht vom Transportobjekt selbst bewirkt wurde, sondern durch den Transmitter, redeten Fachleute gerne von einem »extern induzierten Vorgang«.

Die Hyperinpotronik meldete einen einzelnen Himmelskörper. Bisher hatten die Emissionen des Feldrings ihn überdeckt. Er besaß Ähnlichkeit mit dem Mars, eine staubige, unwirtliche und unbelebte Kugel, die auf einer ungewöhnlich exzentrischen – mutmaßlich künstlichen – Bahn um das Sonnenduo zog.

Ein Seufzen erklang.

Ich wandte den Kopf. Jarett Varasin hatte das Bewusstsein wiedererlangt. Auch die übrigen Terraner erwachten nach und nach.

Trim und Startac, die beiden Mutanten, brauchten am längsten. Die Transmission nahm ihre parapsychisch begabten und daher gegenüber fünfdimensionalen Vorgängen besonders sensiblen Gehirne am stärksten mit. Die Ertruser und Epsaler der Zentrale-Besatzung hingegen gingen bereits wieder ihrem Dienst nach.

»Haben wir Verletzte?«, fragte der Kommandant.

Die Hyperinpotronik verneinte. Vor dem Beginn der Transmission hatte sie alle notwendigen Vorbereitungen für einen solchen Fall getroffen. Keinem Besatzungsmitglied des KombiTrans-Geschwaders war auch nur ein Härchen gekrümmt worden.

»Maximale Beschleunigung einleiten«, sagte ich. Vielleicht konnten wir das Überraschungsmoment für uns nutzen.

»Fehlanzeige!« Ikarius Jopro schien schon damit gerechnet zu haben. »Wer immer uns aus der Spur gezogen hat, weiß, was er tut. Die Jungs da draußen sind verdammt gut.«

Lemurertechnik, ging es mir als Erstes durch den Kopf. Vage bekannt zwar, aber immer noch fremd und für jede Überraschung gut. Obwohl uns und die »Erste Menschheit« mehr als 50.000 Jahre trennten, war diese uns viele Jahrhunderte lang technologisch ebenbürtig gewesen und in einigen Teilbereichen sogar mehr als das. Es war für mein Dafürhalten durchaus wahrscheinlich, dass wir nach Benutzung des lemurischen Transmitters mit lemurischer Anfangtechnik konfrontiert wurden. Außer den Bestien – respektive Halutern – hatte es unserem Wissensstand zufolge keine Gegner der Lemurer gegeben. Und dass wir es mit einer halutischen Abfangvorrichtung zu tun hatten, durften wir mit Sicherheit ausschließen, denn die Haluter standen auf unserer Seite. Sie hätten von einer entsprechenden Station gewusst.

Du wirst mit dem Alter ein bisschen leichtfertig, meldete sich mein Extrasinn zu Wort. Du überschlägst 50.000 Jahre und gehst einfach davon aus, nichts und niemand habe sich in dieser Zeit im Universum getan. Es kann durchaus Wesen und Zivilisationen geben, die sich des lemurischen Erbes zumindest teilweise und von uns unbemerkt bemächtigt haben. Die Milchstraße ist groß und weit, was man natürlich vergisst, wenn man ständig in irgendwelchen anderen Galaxien unterwegs ist.

Schon gut, gab ich knurrig zurück. Aber irgendwo musste man anfangen, und es war einfach zu verlockend, hinter den Vorhang zu spähen, der die lemurischen Geheimnisse bisher trotz aller Wissensfortschritte noch immer vor unseren analytischen Blicken weitgehend verbarg. Wieder einmal wurde mir klar, wie wenig wir über die Erste Menschheit wussten, und das, obwohl wir mehrfach in die Vergangenheit gereist und auch in der Gegenwart mehrfach mit den Relikten der Lemurer konfrontiert worden waren.

»Aggregate herunterfahren!«, befahl soeben Icho Tolot. Ich sah sofort, was er meinte: Die 24 Planetoiden hatten sich in zusätzliche Schutzschirme gehüllt, ein deutliches Zeichen, dass sie unseren Fluchtversuch als Angriffsabsicht auslegten.

»Wir versuchen es anders«, sagte ich. »Hylmor, was ist mit der Funkanlage?«

»Einsatzbereit, Atlan.«

Ich bündelte die Daten meiner Hochrang-Bevollmächtigung zu einem ultrakurzen Impuls und schickte ihn an die Planetoiden und den Planeten.

Nichts geschah. Wir warteten fünf Minuten, dann zehn.

Das konnte zweierlei bedeuten: Entweder waren die Automaten dort drüben nicht mehr in einwandfreiem Zustand – oder es handelte es sich um Lebewesen, die für eine Entscheidung etwas länger brauchten.

Die in Omega Centauri verbliebenen Nachfahren der Lemurer besaßen nicht die Kenntnisse, um sich der alten Stationen zu bemächtigen. Eher noch traute ich es versprengten Einheiten der Terminalen Kolonne zu. Bisher hatten wir keine Hinweise gefunden, dass TRAITOR sich für den Sternhaufen interessierte.

Dennoch – ein Restrisiko blieb.

»Gefechtsbereitschaft herstellen!«, ordnete ich an.

Während wir warteten, rief ich die Daten der Medocenter ab. Alle Besatzungsmitglieder des Geschwaders waren wieder ansprechbar und wohlauf.

 

*

 

Auf den Bildschirmen verwandelten sich die Planetoiden in grobe Raster von Kugelform. Erst mit der Zeit erhielten sie filigrane Strukturen. Die Fesselfelder mutierten zu abstrakten Zahlenkolonnen-Darstellungen des Frequenzbands, während eine Zehnerreihe kleiner Monitoren Hyperamplituden abbildete und sie nach und nach miteinander zur Deckung brachte.

Die Positroniken des Geschwaders bildeten einen Rechenverbund und vermaßen die Natur der Energiefelder. Selbst nach mehr als 50.000 Jahren nötigten uns die Anlagen der alten Lemurer Achtung ab. Sie funktionierten, als seien sie regelmäßig gewartet worden.

»Zwei Stunden«, verkündete Viulus Shan-Onshan, unser Chefwissenschaftler. »Länger brauchen wir nicht, um die Felder zu neutralisieren.«

»Lass das bloß keinen Lemurer hören«, scherzte Kyrk TanLin, der Chefingenieur der Triebwerksabteilung. »Die sind imstande und verfolgen dich mit ihrem Zorn bis ans Ende deiner Tage.«

»Uns stehen vermutlich keine zwei Stunden zur Verfügung«, wandte ich mich an die Männer und Frauen.

Da nützte dann auch unsere technische Überlegenheit nichts, die wir spätestens genossen, seitdem die Hyperimpedanz erhöht war. Die Lemurertechnik war nicht darauf ausgerichtet gewesen, einem stärkeren hyperdimensionalen Widerstand entgegenzuarbeiten. Es grenzte daher an ein Wunder, dass die alten Sonnentransmitter und ihre Steueranlagen überhaupt funktionierten. Sie basierten auf überalterten Konstruktionsprinzipien, ließen sich mit den Mitteln terranischer Technik knacken und modulieren, ohne dass die Projektorstationen in den 24 Planetoiden etwas dagegen unternehmen konnten.

»Wie lange können wir unser Vorhaben vor den Automaten verheimlichen?«, fragte ich Shan-Onshan.

»So lange, wie wir tasten und vermessen, werden sie keinen Verdacht schöpfen. Kritisch wird es in dem Augenblick, in dem wir anfangen, die Struktur der Schirmfelder aufzulösen.«

»Versucht, diesen Zeitpunkt möglichst lange hinauszuzögern.«

Inzwischen hatten die Astronomen in den Observatorien des Geschwaders ihre stellaren Vermessungen beendet und warteten mit einer ersten Lageanalyse auf. Es bestätigte sich, was ich auf Grund der kurzen Bewusstlosigkeit von Anfang an vermutet hatte. Wir hatten nur eine kurze Strecke zurückgelegt. Die Anlagen der 24 Planetoiden hatten unsere Transmission beeinflusst und das Geschwader umgeleitet. Aus welchen Gründen auch immer verhinderte eine uns bisher unbekannte Instanz, dass wir unser Ziel am Nagigal-Trio erreichten.

Von dort hatte man uns seit dem 29. Oktober ein permanentes Freizeichen gesendet. Inzwischen war ich mir nicht mehr sicher, ob das Signal tatsächlich von dort gekommen war oder nicht vielmehr von hier, aus dem System der Roten Zwerge.

»Wir befinden uns noch immer in Omega Centauri«, sagte Shan-Onshan, »allerdings weitab vom Zentrum.«

Es erklärte den stechenden Schmerz beim Erwachen. Er stammte von den hyperphysikalischen Einflüssen, denen wir während der Transmission offenbar ausgesetzt gewesen waren.

Der Haufen lässt uns nicht los, überlegte ich. Die Perfektion der alten Lemurer erschwert unsere Pläne.

Und die konnte man als durchaus hochtrabend bezeichnen. Schon vor dem Eintritt der erhöhten Hyperimpedanz waren Tolot und ich im Jahr 1327 NGZ hier gewesen, um den alten Kharag-Sonnentransmitter zu überprüfen und die Anlagen auf die neuen Verhältnisse vorzubereiten. In der Zeit nach 1340 NGZ war dann der endgültige Startschuss für das galaktische Transmitternetz gefallen – unter größter Geheimhaltung natürlich. Schon damals galt unser oberstes Ziel Hangay, denn dort würde in naher Zukunft eine Negasphäre entstehen, wenn wir nichts dagegen unternahmen.

Das Eintreffen der ersten Welle der Terminalen Kolonne TRAITOR hatte uns vor Augen geführt, wie dringend wir eine relativ schnelle Verbindung nach Hangay benötigten, eine, die nur ein paar Monate Zeit in Anspruch nahm statt Jahre oder Jahrzehnte.

Bekämpfe den Gegner dort, wo er es am wenigsten vermutet, in seinem eigenen Haus! Das hatten wir als Jünglinge in der Flottenakademie auf Iprasa gelernt. Und diese Aussage hatte sich mein ganzes Leben über immer wieder bestätigt, meistens zumindest.

Bezogen auf TRAITOR hieß es, wir mussten so schnell wie möglich nach Hangay, wo die SOL bisher allein auf sich gestellt war. Vielleicht konnten wir jene Vorgänge stören, die zur Erschaffung einer Negasphäre führten.

Und natürlich wollten wir alle Anstrengungen zu einer Retroversion unternehmen, wie ARCHETIM sie vor Äonen unter Aufopferung seiner eigenen Existenz durchgeführt hatte. Auch wenn wir bis heute nicht wussten, was konkret unter einer Retroversion zu verstehen war.

Ich starrte wieder auf die Bildschirme. Irgendwann fingen meine Augen an zu brennen und sonderten salziges Sekret ab, nicht nur durch das angestrengte Hinschauen. Es zeigte vor allem meine innere Erregung.

Die Rasterstrukturen verfeinerten sich immer weiter, die gewonnenen Datenmengen erreichten schnell den Terabyte-Bereich.

»Wir schaffen es in eineinhalb Stunden«, verkündete Shan-Onshan, als eine knappe Stunde vergangen war. Noch immer hing das Geschwader in den Fesselfeldern wie Insekten im Netz einer Spinne. Die fünfdimensionalen Energiehüllen schwankten hin und her, und die Schiffe schwankten mit.

Vermutlich war es ein Zeichen, dass die Energieversorgung in den Planetoiden unregelmäßig arbeitete. Wer immer uns zur Untätigkeit verdammte, ob Mensch oder Maschine, musste bald etwas unternehmen.

Erwarte nicht zu viel!, meinte der Extrasinn. Es gibt keine Garantie, dass die Anlagen noch kommunikationsfähig sind.

Und was schlägst du vor? Warten bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag?

Die erwartete Antwort auf meinen Funkspruch traf exakt nach einer Stunde ein. Die Signale kamen von der marsähnlichen Welt, kurz, bündig und unmissverständlich.

»Justierwelt Tellox Eins, Prüfstelle Tellox-Duo an fremden Verband«, erklang eine leicht angerostete Automatenstimme. »Eure Anwesenheit beweist, dass ihr mit fehlerhaften Daten versucht habt, den Sonnentransmitter des Kharag-Dodekaeders in Richtung eines ›Verbotenen Transmitters‹ zu benutzen. Ich gewähre euch drei cobol’