William Shakespeare

Gesammelte Werke - Collected Works: Zweisprachige Ausgabe

(Deutsch-Englisch) / Bilingual edition (German-English)
Tragödien / Tragedies + Komödien / Comedies + Historiendramen / History Plays + Versdichtungen / Poetry: Hamlet + Romeo und Julia + König Lear + Ein Sommernachtstraum + Macbeth + Der Sturm + Othello + Julius Cäsar etc.
 
Übersetzer: Wolf Graf Baudissin, Friedrich Gundolf, Franz Dingelstedt, Ferdinand Freiligrath, Karl Kraus, Friedrich Gundolf, August Wilhelm von Schlegel, Karl Simrock, Dorothea Tieck, Ludwig Tieck, Christoph Martin Wieland, Max Josef Wolff
 
 
 
 
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2017 OK Publishing

 
ISBN 978-80-7583-363-1

Inhaltsverzeichnis - Table of Contents


TITUS ANDRONICUS (german) / TITUS ANDRONICUS (englisch)

ROMEO UND JULIA (german) / ROMEO AND JULIET (englisch)

JULIUS CÄSAR (german) / JULIUS CAESAR (englisch)

HAMLET, PRINZ VON DÄNEMARK (german) / HAMLET, PRINCE OF DENMARK (englisch)

TROILUS UND CRESSIDA (german) / TROILUS AND CRESSIDA (englisch)

OTHELLO, DER MOHR VON VENEDIG (german) / OTHELLO, THE MOOR OF VENICE (englisch)

KÖNIG LEAR (german) / KING LEAR (englisch)

TIMON VON ATHEN (german) / TIMON OF ATHENS (englisch)

MACBETH (german) / MACBETH (englisch)

ANTONIUS UND CLEOPATRA (german) / ANTONY AND CLEOPATRA (englisch)

CORIOLANUS (german) / CORIOLANUS (englisch)

CYMBELINE (german) / CYMBELINE (englisch)

KÖNIG JOHANN (german) / KING JOHN (englisch)

KÖNIG RICHARD II (german) / KING RICHARD II (englisch)

KÖNIG HEINRICH IV (german) / KING HENRY IV  (englisch)
DER ERSTE TEIL FIRST PART
DER ZWEITE TEIL / SECOND PART

KÖNIG HEINRICH V (german) / KING HENRY V (englisch)

KÖNIG HEINRICH VI  (german) / KING HENRY VI (englisch)
ERSTER TEIL / PART ONE
ZWEITER TEIL / PART TWO
DRITTER TEIL / PART THREE

RICHARD III (german) / RICHARD III (englisch)

KÖNIG HEINRICH VIII (german) / KING HENRY VIII (englisch)

DIE KOMÖDIE DER IRRUNGEN (german) / THE COMEDY OF ERRORS (englisch)

VERLORENE LIEBESMÜH (german) / LOVE’S LABOUR’S LOST (englisch)

DER WIDERSPENSTIGEN ZÄHMUNG (german) / THE TAMING OF THE SHREW (englisch)

ZWEI HERREN AUS VERONA (german) / THE TWO GENTLEMEN OF VERONA (englisch)

EIN SOMMERNACHTSTRAUM (german) / A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM (englisch)

DER KAUFMANN VON VENEDIG (german) / THE MERCHANT OF VENICE (englisch)

VIEL LÄRM UM NICHTS (german) / MUCH ADO ABOUT NOTHING (englisch)

WIE ES EUCH GEFÄLLT (german) / AS YOU LIKE IT (englisch)

DIE LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR (german) / THE MERRY WIVES OF WINDSOR (englisch)

WAS IHR WOLLT (german) / TWELFTH NIGHT OR, WHAT YOU WILL (englisch)

ENDE GUT, ALLES GUT (german) / ALL’S WELL THAT ENDS WELL (englisch)

MASS FÜR MASS (german) / MEASURE FOR MEASURE (englisch)

DAS WINTER-MÄHRCHEN (german) / THE WINTER’S TALE (englisch)

DER STURM (german) / THE TEMPEST (englisch)

VENUS UND ADONIS (german) / VENUS AND ADONIS (englisch)

154 SONETTE (german) / SONNETS (englisch)

SONETTE (german) / SONNETS (englisch)
Englisch

TITUS ANDRONICUS 

(german)

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

PERSONEN

ERSTER AUFZUG

ERSTE SZENE

ZWEITE SZENE

ZWEITER AUFZUG

ERSTE SZENE

ZWEITE SZENE

DRITTE SZENE

VIERTE SZENE

FÜNFTE SZENE

DRITTER AUFZUG

ERSTE SZENE

ZWEITE SZENE

VIERTER AUFZUG

ERSTE SZENE

ZWEITE SZENE

DRITTE SZENE

VIERTE SZENE

FÜNFTER AUFZUG

ERSTE SZENE

ZWEITE SZENE

DRITTE SZENE

Englisch

DRITTE SZENE

Inhaltsverzeichnis


Ein Gezelt mit Tischen und andern Sachen

Lucius und Marcus treten auf, Goten führen den Aaron als Gefangenen

Lucius.
Wohl, Oheim Marcus, da mein Vater heischt,
Daß ich gen Rom mich wende, folg ich dir.

Gote.
Wir stehn dir bei, es gehe, wie es will.

Lucius.
Oheim, verwahrt mir den grausamen Mohren,
Den wütgen Tiger, den verfluchten Teufel;
Laßt ihm nicht Nahrung reichen, fesselt ihn,
Bis er der Kaisrin gegenübersteht
Als Zeugnis ihres höchst verworfnen Wandels.
Dann sorgt, daß stark sei unser Hinterhalt;
Der Kaiser, fürcht ich, ist uns schlimm gesinnt.

Aaron.
Ein Teufel flüstre Flüche mir ins Ohr
Und helfe meiner Zung, hervorzusprühn
Die giftge Wut, die mir im Herzen schwillt. –

Lucius.
Hinweg, verruchter Hund! Ungläubger Sklav!
Ihr Herrn, helft unserm Ohm, ihn zu geleiten;

(Aaron wird von den Goten weggeführt. Man hört Trompeten blasen.)

Trompeten melden, daß der Kaiser naht.

Saturninus, Tamora, Tribunen und Gefolge treten auf.

Saturninus.
Was? Hat der Himmel mehr als eine Sonne?

Lucius.
Was frommt es dir, daß du dich Sonne nennst?

Marcus.
Roms Kaiser und du, Neffe, brecht nun ab;
In Ruhe muß der Streit verhandelt sein.
Das Mahl ist fertig, welches Titus sorglich
Geordnet hat zu ehrenwertem Zweck,
Für Frieden, Lieb und Bündnis, Rom zum Heil!
So tretet denn heran und nehmet Platz.

Saturninus.
So sei es, Marcus.

Hoboen. Eine Tafel wird gebracht; Titus, als Koch gekleidet, stellt die Speisen auf den Tisch; Lavinia folgt ihm verschleiert, und andre.

Titus.
Willkommen Herr! Willkommen Kaiserin! –
Willkommen tapfre Goten; willkommen Lucius!
Willkommen all! Ist gleich das Mahl gering,
Doch wirds den Hunger stillen. Wollt ihr essen?

Saturninus.
Weshalb in dieser Tracht, Andronicus?

Titus.
Um recht gewiß zu sein, daß nichts mißlang,
Eur Hoheit und die Kaisrin zu bewirten.

Tamora.
Wir sind Euch hoch verpflichtet, wackrer Titus.

Titus.
Kennt' Eure Majestät mein Herz, Ihr wärt's. –
Mein gnädger Kaiser, löst die Frage mir: –
Wars recht getan vom heftigen Virginius,
Sein Kind zu töten mit der eignen Hand,
Weil sie befleckt, entehrt, geschändet ward?

Saturninus.
Das wars, Andronicus.

Titus.
Eur Grund, erhabner Kaiser?

Saturninus.
Weil das Mädchen
Nicht überleben durfte solche Schmach
Und seinen Gram erneun durch ihre Nähe.

Titus.
Ein Grund, nachdrücklich, streng und voll Gehalt,
Ein Vorgang, Mahnung und gewichtge Bürgschaft
Für mich Unselgen, gleiche Tat zu tun:
Stirb, stirb, mein Kind, und deine Schmach mit dir,
Und mit der Schmach auch deines Vaters Gram!

(Er ersticht Lavinien.)

Saturninus.
Was tatst du, unnatürlicher Barbar?

Titus.
Ich schlug, um die mein Aug erblindet war.
Ich bin so leidvoll als Virginius einst
Und habe tausendmal mehr Grund als er
Zu solchem Mord; – und jetzt ist es vollbracht.

Saturninus.
Ward sie entehrt? Wer hat die Tat verübt?

Titus.
Wie, eßt Ihr nicht? Nehmt, Hoheit, wenns beliebt.

Tamora.
Wie kams, daß Vaterhand sie morden muß?

Titus.
Ich tat es nicht, es waren deine Söhne,
Die sie entehrt, die Zung ihr ausgeschnitten,
Durch die sie all dies bittre Leid erlitten.

Saturninus.
Vor uns erscheinen sollen sie sogleich!

Titus.
Nun wohl! hier sind sie schon, zerhackt zu Teig,
Von dem die Mutter lüstern hat genossen,
Verzehrend, was dem eignen Blut entsprossen.
's ist wahr! 's ist wahr! Bezeugs mein scharfer Dolch!

(Er ersticht Tamora.)

Saturninus.
Wahnwitzger, stirb! Nimm das für deinen Hohn!

(Ersticht den Titus)

Lucius.
Des Vaters blutig Ende rächt der Sohn;
Hier Lohn um Lohn, Mord für des Mörders Hohn! –

(Ersticht den Saturninus.)

Marcus (oben auf der Bühne).
Leidvolle Männer, Volk und Söhne Roms,
Getrennt durch Aufruhr, wie ein Vogelschwarm
Zerstreut durch Sturm und starken Wetterschlag,
O hört, wie ihr von neuem binden mögt
In eine Garbe dies zerstreute Korn,
In einen Körper die zerstückten Glieder,
Daß Rom sich nicht am eignen Gift vernichte,
Das Reich, dem mächtge Zepter sich geneigt,
– Ehrlosen ausgestoßnen Sündern gleich –
Nicht Mord, verzweifelnd, an sich selbst vollziehe!
Wenn meine Furchen, meines Alters Schnee
(Ehrwürdge Bürgen reifer Urteilskraft),
Euch nicht bewegen, meinem Wort zu traun,
Sprich du, Roms teurer Freund (gleich unserm Ahn,
Als er in Feierworten Kunde gab
Der liebekranken, leidgebeugten Dido
Vom Schicksal jener wilden Flammennacht,
Als Priams Troja sank durch Griechentrug)
Sag, welch ein Sinon unser Ohr berückt,
Wer uns das böse Werkzeug hergeführt,
Das unserm Troja, unserm hehren Rom
Die Bürgerwunde schlägt? –
Mein Herz ist nicht von Kiesel oder Stahl,
Noch find ich Worte für so bittern Gram,
Daß nicht in Tränen meine Red erstickt,
Und mir die Stimm bricht, wenn sie zumeist
Euch rühren sollt und euer Ohr gewinnen
Und eure Hilf und liebreich Mitgefühl. –
Hier ist ein Feldherr, ders erzählen mag,
Eur Herz wird weinen, hört ihr seine Rede.

Lucius.
Dann, meine edlen Hörer, sei euch kund:
Der schnöde Chiron und Demetrius,
Sie warens, die Bassianus mordeten,
Sie warens, die Lavinien frech entehrt;
Für ihre Tat fiel unsrer Brüder Haupt,
Ward Titus' Gram verhöhnt, ihm frech entwandt
Die gute Hand, die oft den Streit für Rom
Ausfocht und ihre Feinde sandt ins Grab;
Zuletzt ward ich im Zorn verbannt, man schloß
Die Tore mir und stieß mich weinend aus,
Mitleid zu suchen bei den Feinden Roms;
Mit meinen Tränen löscht ich ihren Haß,
In ihren offnen Armen fand ich Trost.
Und ich, den Rom verstieß, das sei euch kund,
Mit meinem Blut hab ich sein Wohl erkauft,
Von seinem Haupt gewandt der Feinde Schwert,
Auffangend ihren Stahl in meine Brust.
Ihr alle wißt, ich bin kein Prahler; nein,
Bezeugts, ihr Narben (ob ihr stumm auch seid),
Daß mein Bericht getreu und ohne Falsch.
Doch halt! Mich dünkt, ich schweifte schon vom Ziel,
Anpreisend mein geringes Tun; verzeiht,
Man rühmt sich selber, ist kein Freund uns nah.

Marcus.
Nun ists an mir, zu reden. Seht dies Kind,
Dies wars, das Tamora zur Welt gebracht;
Sein Vater jener gottvergeßne Mohr,
Hauptstifter und Begründer unsers Wehs.
Der Schurk ist lebend noch in Titus' Haus,
(Obgleich verdammt) zum Zeugnis, dies sei wahr.
Nun sprecht, ob Titus Grund zur Rache hatte
Für solche Kränkung, unaussprechlich, herb,
Weit mehr, als irgend wohl ein Mensch ertrüge!
Jetzt, da ihr alles wißt, was sagt ihr, Römer?
Ist hier zuviel geschehen, dann zeigt, worin,
Und von dem Platz, auf dem wir vor euch stehn,
Wolln wir, des Titus armer Überrest,
Häuptlings hinab uns werfen, Hand in Hand,
Am scharfen Stein zerschmetternd unser Hirn,
Und so vereint austilgen unsern Stamm.
Sprecht, Römer, sprecht: sagt ihr, es soll geschehn,
So sollt ihr Hand in Hand uns stürzen sehn.

Ämilius.
Komm, komm, du ehrenwerter Römergreis,
Führ unsern Kaiser freundlich bei der Hand,
Lucius, den Kaiser: denn mit Zuversicht
Erwart ich, was des Volkes Stimme spricht.

Alle.
Lucius, Glück auf, Roms kaiserlicher Herr!

Marcus.
Geh in des alten Titus leidvoll Haus
Und den ungläubgen Mohren schlepp hieher;
Ihm werd ein grauser, blutger Tod erkannt,
Als Strafe für sein höchst gottloses Tun.

Römer (verschiedene Stimmen).
Lucius. Glück auf. huldreicher Herrscher Roms! –

Lucius.
Dank, edle Römer! Meiner Herrschaft Streben
Sei, Rom nach soviel Leiden Trost zu geben.
Doch, werte Freund, ein Weilchen gönnt mir noch,
Denn schwere Pflicht erheischt Natur von mir.
Steht alle fern. – Du, Oheim, komm herab;
Laß uns dem Toten fromme Tränen weihn; –
Den kalten Lippen diesen heißen Kuß (küßt den Titus),
Dem blutgen Antlitz diesen Tau des Grams,
Des treuen Sohnes letzte Huldigung! –

Marcus.
Ja, Trän um Trän, und Liebeskuß für Kuß
Beut hier dein Bruder Marcus deinem Mund!
Und wär die Summe, die ich zahlen soll,
Unendlich, namenlos, doch zahlt ich sie.

Lucius.
Komm, Knabe, komm! komm her, wir lehren dich
In Tau zerschmelzen. Ach, er liebte dich!
Wie oft ließ er dich tanzen auf dem Knie,
Sang dich in Schlaf, sein liebend Herz dein Pfühl!
Wieviel Geschichten hat er dir erzählt,
Für deine Kindheit sinnreich ausgewählt!
Des sei gedenk, und als ein liebreich Kind
Geuß ein'ge Tropfen auch aus zartem Auge.
Mitleidig gab Natur uns dies Gebot,
Der Freund soll weinen um des Freundes Not!
Sag ihm Lebwohl, geleit ihn an sein Grab,
Tu ihm die Lieb, und scheide dann von ihm.

Knabe.
Großvater! ach, Großvater! Möcht ich doch
Für dich gestorben sein, und du noch lebend!
O Gott, vor Weinen kann ich ihm nichts sagen!
Ich stick in Tränen, öffn' ich meinen Mund. –

Aaron wird von einigen Römern hereingeführt.

Römer.
Traurige Androniker, hemmt euern Gram,
Sprecht diesem giftgen Bösewicht sein Recht,
Der jener schwarzen Frevel Stifter war.

Lucius.
Begrabt ihn bis zur Brust, daß er verhungre,
Da steh er dann und wüt und schrei um Brot;
Wer irgend Beistand ihm und Mitleid schenkt,
Der stirbt für solche Tat; dies unser Spruch.
Geht ihr, sorgt, daß er eingegraben werde.

Aaron.
Wut, warum schweigst du? Zorn, was bist du stumm?
Ich bin kein feiges Kind, noch mit Gebet
Bereu ich die Verbrechen, die ich tat;
Zehntausend, schlimmer noch, als ich vollbracht,
Möcht ich begehn, hätt ich die Freiheit nur;
Und tat ich je ein einzig gutes Werk,
Von ganzem Herzen wünsch ichs ungeschehn.

Lucius.
Tragt ein'ge jetzt den Kaiser mir hinweg
Und senkt ihn ein in seines Vaters Gruft.
Mein Vater und Lavinia solln demnächst
In unserm Monument bestattet ruhn.
Doch jener grimmen Wölfin Tamora
Gönnt keinen Grabbrauch, keinen Trauerflor,
Kein frommes Läuten, keinen Leichenzug,
Den Vögeln werft sie hin, dem Raubgetier.
Ihr Lebenslauf war viehisch, ohne Mitleid,
Und eben deshalb find auch sie kein Mitleid.
Vollzieht den Spruch an dem verdammten Mohren,
Dem frechen Stifter unsrer schweren Trübsal;
Mit Weisheit ordnen so den Staat wir dann,
Daß gleich Geschick ihn nimmer treffen kann.

(Alle gehn ab.)

Englisch

PERSONEN

Inhaltsverzeichnis


Saturninus
, Sohn des verstorbenen römischen Kaisers, späterhin selbst Kaiser

Bassianus, dessen Bruder, Liebhaber der Lavinia

Titus Andronicus, ein edler Römer und Heerführer wider die Goten

Marcus Andronicus, Volkstribun, des Titus Bruder

Lucius, Quintus, Marcius und Mutius, Söhne des Titus Andronicus

Der jüngere Lucius, Lucius' Sohn, Titus' Enkel

Publius, Sohn des Marcus Andronicus

Ämilius, römischer Patrizier

Alarbus, Chiron und Demetrius, Söhne der Tamora

Aaron, ein Mohr, Tamoras Geliebter

Ein Hauptmann

Ein Tribun

Ein Bote

Ein Bauer

Römer, Goten

Tamora, Königin der Goten

Lavinia, Tochter des Titus Andronicus

Eine Wärterin mit einem Mohrenkind

Senatoren, Tribunen, Verwandte des Titus, Gerichtsdiener, Kriegsleute und andres Gefolge

Die Szene: Rom und die umliegende Gegend

Englisch

ERSTER AUFZUG

Inhaltsverzeichnis

ERSTE SZENE

Inhaltsverzeichnis


Rom. Vor dem Kapitol

Trompetenstoß. Es erscheinen oben auf der Bühne Senatoren und Tribunen, wie zur Versammlung; dann von der einen Seite Saturninus mit seinem Gefolge, von der andern Bassianus mit dem seinigen. Trommeln und Fahnen

Saturninus.
Edle Patrizier, Schirmer meines Rechts,
Verteidigt meinen Anspruch mit dem Schwert;
Und ihr, Mitbürger, Freunde wert und treu,
Werbt mit den Waffen um mein erblich Recht.
Ich bin des' Erstgeborner, den zuletzt
Geschmückt Roms kaiserliches Diadem:
So folge mir des Vaters Würde nach.
Kränkt meinen Vorrang nicht durch diese Schmach.

Bassianus.
Römer, Gefährten, Fördrer meines Rechts!
Wenn je zuvor Bassianus, Cäsars Sohn,
Roms königlichem Auge wohlgefiel,
Besetzt den Zugang hier zum Kapitol
Und duldet nicht, daß Unwert dürfe nahn
Dem Kaisersitz, der Tugend stets geweiht,
Dem Recht, der Mäßigung, dem Edelmut.
Laßt Stimmenmehrheit das Verdienst erhöhn,
Und, Römer, kämpft für Freiheit eurer Wahl! –

Marcus Andronicus oben auf der Bühne, mit der Krone

Marcus.
Ihr Prinzen, die durch Anhang und Partein
Ehrgeizig strebt nach Herrschaft und Gewalt;
Es grüßt das römsche Volk, für das wir stehn
Mit unsern Freunden, durch einmütgen Ruf
Nach seinem Wahlrecht, als des Reiches Fürst
Andronicus, der Fromme zubenamt,
Für sein vielfach und groß Verdienst um Rom. –
Ein beßrer Krieger und ein größter Mann
Lebt nicht zu dieser Stund in unsrer Stadt;
Er ist zurückberufen vom Senat
Aus heißem Kampf mit den barbarschen Goten;
Er mit den Söhnen, unsrer Feinde Schreck,
Bezwang dies starke, kriegsgewohnte Volk.
Zehn Jahre sind es nun, seit er zuerst
Roms Sache führt', und strafte mit dem Schwert
Der Feinde Hochmut; fünfmal kehrt' er heim
Blutig, nach Rom, die tapfern Söhne führend
Auf Bahren aus dem Feld;
Und nun, zuletzt, geschmückt mit Ruhmstrophäen,
Zieht dieser wackre Titus heim gen Rom,
Andronicus, der edle Waffenheld.
Wir bitten euch, bei seines Namens Glanz,
Den ihr für würdig achtet eures Throns,
Und kraft des Kapitols und des Senats,
Den andachtsvoll zu ehren ihr bekennt:
Entfernt euch jetzt, entsagt der Übermacht,
Schickt heim die Freund', und wie's Bewerbern ziemt,
Verfolgt in Fried und Demut eur Gesuch.

Saturninus.
Wie schön spricht, mich zu sänftgen, der Tribun!

Bassianus.
Marcus Andronicus, ich trau so sehr
Auf deinen unbestechbar graden Sinn,
Dich und die Deinen ehr und lieb ich so,
Den edlen Bruder Titus, seine Söhne,
Und sie, der sich mein Sinn in Demut neigt,
Die reizende Lavinia, Zierde Roms
Daß ich heimsende meiner Treuen Schar
Und meinem Glück und unsers Volkes Gunst
Vertraun will zur Entscheidung mein Gesuch.

(Die Soldaten des Bassianus gehn ab.)

Saturninus.
Freunde, die so bereit mein Recht geschirmt,
Ich dank euch all'n, und all entlaß ich euch;
Und meines Vaterlandes Lieb und Gunst
Vertrau ich hier mich selbst und mein Gesuch. –
Rom, sei gerecht, und so gewogen mir,
Als ich mit vollem Zutraun neige dir;
Öffnet das Tor und laßt mich ein!

Bassianus.
Auch mich, Tribunen, mit bescheidnem Flehn!

(Alle gehn in das Senatsgebäude.)

Englisch

ZWEITE SZENE

Inhaltsverzeichnis


Daselbst

Ein Hauptmann tritt auf

Hauptmann.
Römer, macht Platz! Andronicus, der Held,
Der Tugend Schützer, stärkster Kämpfer Roms,
Sieger in allen Schlachten, die er focht,
Ist heimgekehrt, an Glück und Ehre reich
Von wo er unterwarf mit seinem Schwert
Die Feinde Roms und unters Joch sie führte.

Trommeln und Trompeten. Dann treten auf Mutius und Marcus; nach ihnen zwei Männer, die einen schwarzverhängten Sarg tragen; hierauf Quintus und Lucius. Dann folgt Titus Andronicus; nach ihm Tamora mit Alarbus, Chiron, Demetrius und andern gotischen Gefangenen, Soldaten und Gefolge. Der Sarg wird niedergesetzt und Titus spricht.

Titus.
Heil dir, o Rom! Siegprang im Trauerkleid!
Sieh, wie das Schiff, das ablud seine Fracht,
Mit teurer Ladung heim zum Hafen kehrt,
Wo es zuerst die Anker lichtete, –
So kommt Andronicus im Lorbeerkranz;
Mit Tränen grüßt er seine Heimat neu,
Mit Tränen wahrer Lust des Wiedersehns. –
Du großer Schirmherr dieses Kapitols,
Sieh gnädig auf des heilgen Opfers Brauch!
Von fünfundzwanzig tapfern Söhnen, Rom,
Hälfte der Zahl von König Priams Stamm,
Schau hier den armen Rest, lebend und tot! –
Mit Lieb empfange Rom euch Lebende;
Euch Toten, die zur letzten Ruhstatt gehn,
Schenk es ein Grab in ihrer Ahnen Gruft;
Hier gönnt der Got' erst Ruhe meinem Schwert.
Titus, unliebend, sorglos für dein Blut,
Was duldst du, daß noch grablos dein Geschlecht
Umschweben muß des Styx graunvollen Strand?
Geh, bette sie bei ihren Brüdern hin! –

(Das Grab wird geöffnet.)

Dort grüßt euch schweigend, wie's der Toten Brauch;
Schlaft friedlich, die ihr starbt fürs Vaterland!
O meiner Kinder heiliges Gewölb,
Geliebtes Wohnhaus echten Edelsinns,
Wie manchen Sohn hast du mir schon entrafft
Und hältst ihn ewig hier in finstrer Haft! –

Lucius.
Gib der gefangnen Goten stolzesten,
Daß wir, die Glieder stümmelnd, seinen Leib
Ad manes fratrum opfern in der Glut,
Vor diesem irdschen Kerker ihres Staubs! –
Auf daß nicht ungesühnt ihr Schatten sei,
Noch uns bedräu auf Erden ihr Gespenst!

Titus.
Ich geb ihn euch, der Feinde trefflichsten:
Den Erstgebornen dieser Königin. –

Tamora.
Halt, römsche Brüder! Gnadenreicher Held,
Siegreicher Titus, sieh die Tränenflut,
Die einer Mutter Gram dem Sohne weint!
Und waren deine Söhn je teuer dir,
Ach denk, nicht minder seis der meine mir! –
Genügt dirs nicht, daß man nach Rom uns führte,
Als deines Einzugs und Triumphes Schmuck,
Gefangne dir und deinem Römerjoch?
Mußt du den Sohn noch schlachten auf dem Markt,
Weil er fürs Vaterland mit Mut gekämpft?
Oh, dünkt der Streit für König und für Volk
Euch fromme Pflicht, so ist er's diesem auch:
Titus, beflecke nicht dein Grab mit Blut;
Und willst du der Natur der Götter nahn,
Nah ihnen denn, indem du Gnade übst,
Denn Gnädigsein gibt echten Adel kund.
O schone, Titus, meinen ältsten Sohn! –

Titus.
Füg ins Geschick dich, Fürstin, und verzeih. –
Hier stehn die Brüder derer, die dein Volk
Lebend und tot sah; den Erschlagnen heischt
Ein Totenopfer frommes Pflichtgefühl;
Dem ist dein Sohn bestimmt; sein Tod versöhnt
Der heimgegangenen Schatten Klageruf.

Lucius.
Hinweg mit ihm! Ein Feuer zündet schnell;
Auf einem Holzstoß laßt uns mit dem Schwert
Die Glieder ihm zerhaun, bis sie verbrannt.

(Mutius, Marcius, Quintus und Lucius gehn mit Alarbus ab.)

Tamora.
O grausam gottverhaßte Frömmigkeit! –

Chiron.
War Szythien halb so blutig je gesinnt?

Demetrius.
Vergleiche Szythien nicht dem stolzen Rom!
Alarbus geht zur Ruh, wir leben noch
Und zittern vor des Titus zorngem Blick.
So faßt Euch, Mutter, aber hofft zugleich,
Derselbe Gott, der Trojas Königin
Gelegenheit zu bittrer Rache gab,
An Thraziens Wütrich in dem eignen Zelt –
Gönnt Tamora, der Gotenkönigin,
(Wenn Goten Goten, Ihr die Königin! –)
Daß sie die Blutschuld tilgt an ihrem Feind.

Lucius, Quintus, Marcius und Mutius kommen zurück.

Lucius.
Seht, Herr und Vater, treu befolgten wir
Den römschen Brauch; Alarbus ward zerstückt,
Sein Eingeweide nährt die Opferglut,
Daß Dampf, dem Weihrauch gleich, die Luft durchwürzt.
Nun fehlt nur noch, die Brüder zu bestatten,
Und hier in Rom der laute Freundesgruß.

Titus.
Also geschah es, und Andronicus
Sagt ihrem Geist sein letztes Lebewohl.

(Trompetenstoß, die Särge werden in die Gruft gestellt.)

Schlaft, meine Söhne, hier in Fried und Ruhm!
Roms mutigste Verteidger, ruht allhier,
Geschirmt vor Leid und Wechsel dieser Welt!
Hier lauert kein Verrat, hier schwillt kein Neid,
Wächst kein verhaßter Zwist, kein Sturm für euch,
Kein Lärm: nur Schweigen und ein ewger Schlaf;
In Fried und Ruhm liegt, meine Söhne, hier! –

Lavinia tritt auf.

Lavinia.
In Fried und Ruhm, Held, Titus, lebt noch lang!
Mein großer Herr und Vater, lebt geehrt!
An diesem Grab bring ich der Tränen Zoll
Den Brüdern dar als letzte Huldigung,
Und weine kniend dir zu Füßen auch
Der Freude Tränen, weil du heimgekehrt.
O segne mich mit deiner Siegerhand,
Die Besten Roms erfreun sich ihrer Tat.

Titus.
O gütges Rom, das liebreich aufbewahrt
Die Stärkung meines Alters, mir zum Trost!
Lavinia, überleb als Preis der Tugend
Den Vater in des Nachruhms ewger Jugend!

Marcus Andronicus, Saturninus, Bassianus und andre treten auf.

Marcus.
Lang lebe Titus, mein geliebter Bruder,
Als hohen Triumphator grüßt ihn Rom.

Titus.
Dank, mein Tribun, mein edler Bruder Marcus.

Marcus.
Willkommen, Neffen, aus glorreicher Schlacht,
Ihr, die noch lebt, und ihr, die schlaft in Ruhm!
Ihr Tapfern, die für eures Landes Wohl
Das Schwert gezückt – eur Los ist völlig gleich!
Doch sichrern Glanz beut dieser Leichenpomp,
Der das erreicht, was Solon Glück genannt,
Und das Geschick im Bett des Ruhms besiegt. –
Titus Andronicus, das römsche Volk
(Des Freund du warst von je nach strengem Recht)
Schickt dir durch mich, als Anwalt und Tribun,
Dies weiße Kleid von unbeflecktem Glanz,
Und nennt für dieses Reiches Kaiserwahl
Dich nebst den Söhnen unsres letzten Herrn.
Sei Candidatus dann, und leg es an,
Und hilf zum Haupte dem hauptlosen Rom.

Titus.
Ein beßres Haupt gebührt so edlem Leib
Als meins, das längst von Schwäch und Alter wankt.
Wie trüg ich dies Gewand euch zur Bescher?
Ihr wähltet heut mit lautem Beifall mich,
Und morgen gäb ich Kron und Leben auf
Und schafft euch allen neue Sorg und Not!
Ich war dein Krieger, Rom, an vierzig Jahr
Und führte meines Volkes Macht mit Glück,
Legt einundzwanzig tapfre Söhn' ins Grab;
Im Kampf erhöht zu Rittern, fielen sie
In tapfrer Feldschlacht für des Landes Wohl.
Gebt einen Ehrenstab mir altem Mann,
Kein Zepter reicht mir, das der Welt gebeut;
Eur letzter Kaiser führt' es grad und fest.

Marcus.
Du wirst die Herrschaft, Titus, haben, fordern! –

Saturninus.
Ehrsüchtiger Tribun, wie weißt du das?

Titus.
Geduld, Prinz Saturnin.

Saturninus.
Rom, schaff mir Recht! –
Patrizier, zieht eur Schwert und steckts nicht ein,
Bis Saturninus Kaiser ward in Rom!
Andronicus, zur Hölle fahre hin,
Eh du des Volkes Herzen mir entziehst!

Lucius.
Du stolzer Saturnin! du störst das Wohl,
Das Titus hochgesinnt dir zugedacht.

Titus.
Sei ruhig, Prinz, dir lenk ich wieder zu
Des Volkes Gunst, daß sie den Willen wandeln.

Bassianus.
Andronicus, nicht schmeichl' ich jemals dir,
Doch ehr ich dich, und will es bis zum Tod.
Stärkst du mit deinen Freunden meine Macht,
Werd ich höchst dankbar sein, und Dank erscheint
Dem edlen Mann als ehrenwerter Lohn.

Titus.
Ihr, Römer, und ihr Volkstribunen hier,
Ich bitt um eure Stimm und gültge Wahl:
Schenkt ihr sie freundlich dem Andronicus?

Marcus.
Dem trefflichen Andronicus zuliebe
Und feiernd seine Heimkehr hier in Rom,
Wird den das Volk annehmen, den er nennt.

Titus.
Habt Dank, Tribunen. So ersuch ich euch,
Daß ihr erwählt des Kaisers ältsten Sohn,
Prinz Saturnin; des Tugend, hoff ich, Rom
Bestrahlen wird, wie Titans Licht die Welt,
Und Recht und Sitte reifen hier im Staat.
Drum, wenn ihr wählen wollt nach meinem Rat,
Krönt ihn und ruft: Lang lebe Saturnin!

Marcus.
Mit Ruf und Beifallszeichen aller Art,
Patrizier und Plebejer, grüßen wir
Prinz Saturnin als Roms erhabnen Herrn
Und jubeln: Heil dem Kaiser Saturnin! –

(Ein langer Trompetenstoß, während die oben Versammelten herabsteigen.)

Saturninus.
Titus Andronicus, für diese Gunst,
Betreffend unsre Wahl am heutgen Tag,
Erteil ich dir den Dank, den du verdient,
Und will durch Taten lohnen deine Huld.
Und jetzt zum Anfang, Titus, zu erhöhn
Dein ehrenwert Geschlecht und eignen Ruhm:
Nenn ich Lavinia meine Kaiserin,
Roms edle Herrin, Herrin meiner Brust,
Mir anvermählt im heilgen Pantheon.
Nun Titus, sag, gefällt dir dieses Wort?

Titus.
Es freut mich, würdger Fürst, und im Gemahl
Bin ich durch Eure Gnade hoch geehrt.
Und hier, im Auge Roms, dem Saturnin,
Dem König und Gebieter unsers Staats,
Der weiten Welt Regenten, weih ich nun
Schwert, Siegeswagen und Gefangene
Wohl würdge Gaben Roms erhabnem Herrn.
So nimm sie denn als schuldigen Tribut,
Die Ruhmstrophä'n, zu Füßen dir gelegt.

Saturninus.
Dank, edler Titus, Vater meines Glücks. –
Wie stolz ich sei auf dich und dein Geschenk,
Erfahre Rom; und wenn ich je vergaß
So unbegrenzter Dienste kleinsten Teil,
Dann, Rom, vergiß die Treue gegen mich.

Titus (zu Tamora).
Dem Kaiser, Fürstin, seid Ihr jetzt Gefangne,
Der, Eures Rangs und Standes eingedenk,
Euch und den Dienern mild begegnen wird.

Saturninus.
Welch reizend Weib! Ihr kann der Preis nicht fehlen;
Hätt ich zu wählen noch, sie würd ich wählen. –
Verscheucht der Stirne Wolken, schöne Frau;
Warf Kriegesglück auch Euer Glück herab,
Doch kommt Ihr nicht nach Rom zu Spott und Schmach,
Und königlich sollt Ihr gehalten sein.
Traut meinem Wort, laßt nicht Melancholie
Den Mut Euch dämpfen; der Euch tröstet, hebt
Wohl höher Euch als auf den Gotenthron. –
Lavinia, Euch mißfällt nicht, was ich sprach?

Lavinia.
O nein, mein Fürst; dein adliges Gemüte
Bürgt mir für deines Herzens wahre Güte.

Saturninus.
Dank, Jungfrau. Römer, laßt uns also gehn;
Frei ohne Lösung geb ich die Gefangnen. –
Trompet und Trommel künden meine Wahl! –

Bassianus (Lavinien fassend).
Titus, vergönnt, die Jungfrau nenn ich mein!

Titus.
Wie, Prinz? Sprecht Ihr im Ernste dieses Wort?

Bassianus.
Ja, edler Titus, und bin fest gewillt,
Auf meinem Recht und Anspruch zu bestehn.

(Man sieht den Kaiser in stummem Spiel freundlich tun mit Tamora.)

Marcus.
Suum cuique, spricht des Römers Recht,
Nach Recht verlangt der Prinz, was ihm gebührt.

Lucius.
Er wirds und solls, solange Lucius lebt!

Titus.
Verräter fort! Wo ist des Kaisers Wacht?
Verrat, mein Fürst; Lavinia wird entführt.

Saturninus.
Entführt? Wer wagt es?

Bassianus.
Der, nach Recht und Fug
Die Braut verteidgend, sie von hinnen trug.

(Marcus und Bassianus mit Lavinien ab.)

Mutius.
Helft ihm, ihr Brüder, ungekränkt entfliehn!
Mit meinem Schwert beschütz ich dieses Tor.

(Lucius, Quintus und Marcius ab.)

Titus.
Folgt nur, mein Fürst, ich führ sie bald zurück.

Mutius.
Halt ein, o Vater!

Titus.
Frecher Knabe, fort!
Sperrst mir in Rom den Weg? (Titus ersticht den Mutius.)

Mutius.
Hilf, Lucius, hilf! –

(Lucius kommt zurück.)

Lucius.
Ihr tut nicht recht, mein Vater; schlimmer noch,
Ihr schlugt den Sohn im ungerechten Streit! –

Titus.
Nein, weder du noch er sind Söhne mir;
Kein Sohn von mir entehrte mich so sehr! –
Verräter, schaff Lavinia deinem Kaiser.

Lucius.
Tot, wenn Ihr wollt, doch nimmer als sein Weib,
Die eines andern längst verlobte Braut! –

Saturninus.
Nein, Titus, nein! der Kaiser braucht sie nicht;
Nicht sie, noch dich, noch einen eures Stamms. –
Dem könnt ich traun, der einmal mich verhöhnt;
Dir nicht, noch deinen falschen, stolzen Söhnen;
Ihr alle seid im Bunde mir zur Schmach.
War keiner sonst in Rom zum Ziel des Spotts,
Als Saturnin? Recht wohl, Andronicus,
Stimmt dieses Tun zu deinem Prahlerwort,
Daß ich von deiner Hand das Reich erfleht! –

Titus.
Entsetzlich! Solchen Vorwurf sprichst du aus?

Saturninus.
Nur zu! Laß dies leichtfertge Weib nur ziehn
Mit jenem, der sein Schwert für sie geschwenkt!
Ein tapfrer Eidam wird dir so zuteil,
Mit deiner Söhne zügellosem Troß
Unfug zu treiben im Gebiet von Rom! –

Titus.
Wie Stacheln trifft dies Wort mein wundes Herz!

Saturninus.
Drum, holde Tamora, der Goten Fürstin,
Die gleich der stolzen Phöbe unter Nymphen
Weit überstrahlt die schönsten Römerfraun: –
Wenn dich so schnell getroffne Wahl vergnügt,
Wähl ich dich, Tamora, als meine Braut
Und grüße dich als Kaiserin von Rom.
Sprich, Gotenfürstin, lobst du meine Wahl?
Dann schwör ich dir, bei allen Göttern Roms,
Weil Priester und geweihtes Wasser nah,
Die Fackel flammt, und jeder heilge Brauch
Für Hymenäus' Feier steht bereit:
Ich will nicht wiedersehn die Straßen Roms
Noch des Palastes Schwelle, führ ich nicht
Als anverlobte Braut dich heim von hier.

Tamora.
Und vor des Himmels Antlitz schwör ich Rom,
Wenn Saturnin die Gotenfürstin krönt,
Dann wird sie seiner Wünsche Sklavin sein
Und seiner Jugend Pflegerin und Mutter.

Saturninus.
Hinauf zum Pantheon, schönes Weib! Ihr Herrn,
Folgt euerm Kaiser und der holden Braut,
Die mir der Himmel selber zugesandt,
Des Ratschluß ihr ein beßres Glück verhängt:
Alldort vollziehn wir der Vermählung Brauch.

(Alle gehn ab, außer Titus.)

Titus (allein).
Mich rief er nicht, zu folgen dieser Braut!
Titus, wann wandeltest du einsam je,
Also entehrt und überhäuft von Schmach? –

Marcus Andronicus, Lucius, Quintus und Marcius treten auf.

Marcus.
O Titus, sieh, o sieh den bösen Lohn!
Um schnöden Zwist schlugst du den edlen Sohn!

Titus.
Nein, törichter Tribun, nicht wars mein Sohn,
Noch du, noch diese Stifter jener Tat,
Die unserm ganzen Stamm zur Schmach gereicht! –
Unwürdger Bruder! Und unwürdge Söhne! –

Lucius.
Doch wolln wir ihn bestatten, wie sichs ziemt;
Laßt Mutius ruhn in seiner Brüder Grab.

Titus.
Verräter, nein! Nicht hier in diesem Grab!
Fünfhundert Jahre stand dies Monument,
Das ich mit reichem Schmuck mir neu erbaut;
Hier ruhn in Ehren tapfre Krieger nur
Und Diener Roms, kein schnöd im Zank Erschlagner.
Begrabt ihn, wo ihr wollt, hier weigr' ichs euch.

Marcus.
Mein Bruder, dies ist gottvergeßner Sinn;
Für meinen Neffen Mutius spricht sein Tun,
Er ruh im Grab mit seinen Brüdern.

Die Söhne des Titus.
Das soll er, oder alle folgen ihm!

Titus.
Er soll? Wer war der Schurke, der so sprach?

Quintus.
Ders allenthalb behauptet, außer hier.

Titus.
Was? willst du ihn bestatten, mir zum Trotz?

Marcus.
Nein, edler Titus, doch von dir erflehn
Verzeihung deinem Mutius und ein Grab! –

Titus.
Marcus, feindselig trafst auch du mein Haupt,
Kränkst meine Ehre gleich den Knaben hier.
Ihr alle habt als Feinde mich verletzt;
Stört mich hinfort nicht mehr, entfernt euch jetzt.

Lucius.
Er ist nicht bei sich selbst, so laßt uns gehn.

Quintus.
Nicht ich, bis Mutius hier bestattet ruht.

(Der Bruder und die Söhne knien.)

Marcus.
Bruder! denn mit dem Namen fleht Natur! –

Quintus.
Vater! auch in dem Namen ruft Natur.

Titus.
Schweig, wenn ich auf die andern hören soll!

Marcus.
Erhabner Held, mehr denn mein halbes Ich...

Lucius.
O Vater! Unser aller Seel und Mark –

Marcus.
Hier in der Tugend Wohnsitz, Bruder, laß
Dem edlen Neffen mich ein Grab erflehn,
Der für die Ehr und für Lavinien starb! –
Du bist ein Römer, sei denn kein Barbar;
Die Griechen, ausgesöhnt, begruben Ajax,
Der sich entleibt; Laertes' kluger Sohn
Sprach mildgesinnt für seine Totenfeier;
Drum weigre Mutius hier den Eintritt nicht
Dem, der dein Liebling war.

Titus.
Marcus, steh auf. –
Das ist der trübste Tag, den ich erlebt,
Entehrt von meinen Söhnen hier in Rom! –
Begrabt ihn denn; der nächste sei ich ihm.

(Sie legen die Leiche in das Grab.)

Lucius.
Hier ruh mit deinen Freunden, süßer Mutius,
Bis wir dein Grab geziert mit Kriegstrophäen!

Alle (kniend). Nicht einer wein um unsern edlen Mutius;
Wer für die Tugend starb, der lebt in Ruhm.

Marcus.
Bruder – so trübe Schwermut zu zerstreun –
Wie hat die schlaue Gotenkönigin
So schleunig sich den Weg gebahnt in Rom?

Titus.
Ich weiß nicht, Marcus, weiß nur, daß es ist;
Ob plangemäß, ob nicht, das frag den Himmel.
Doch ist sie nicht verpflichtet jenem Mann,
Der so weit her zum Glück sie hat geführt?
Ja, und sie gibt ihm einst auch edlen Lohn! –

Trompetenstoß. Von der einen Seite kommen der Kaiser, Tamora, Chiron, Demetrius und Aaron, der Mohr; von der andern Bassianus und Lavinia mit Gefolge.

Saturninus.
Bassianus, Ihr gewannt im Spiel den Preis;
Gott schenk Euch Freud an Eurer schmucken Braut!

Bassianus.
Und Euch an Eurer, Herr; mehr sag ich nicht,
Noch wünsch ich minder; und so lebt nun wohl!

Saturninus.
Verräter! Gilt Gesetz, gilt meine Macht,
Du und dein Anhang büßen diesen Raub.

Bassianus.
Raub nennt Ihr, Herr, nahm ich mein Eigentum,
Die mir verlobte Braut, und jetzt mein Weib? –
Doch laßt entscheiden unser römsches Recht;
Besitz ich doch nun schon, was mir gehört.

Saturninus.
Vortrefflich, Herr! Ihr seid sehr kurz mit uns;
Doch, leb ich, sind wir ganz so scharf mit Euch.

Bassianus.
Herr, was ich tat, muß ich, so gut ichs kann,
Vertreten, kostets auch das Leben mir.
Nur dies noch sag ich deiner Majestät –
Bei allen Pflichten für mein Vaterland,
Den würdgen Mann, den edlen Titus hier,
An Ehr und Namen hast du ihn gekränkt!
Denn nur um dir Lavinien zu befrein,
Erschlug er selber ja den jüngsten Sohn
Aus edlem Eifer und von Zorn erfüllt,
Weil Einspruch hemmte, was er frei geschenkt;
Drum nimm ihn auf zu Gnaden, Saturnin,
Der sich in allem Tun durchaus bewährt
Als Freund und Vater gegen dich und Rom.

Titus.
Prinz Bassianus, sei mein Anwalt nicht;
Du bists und jene dort, die mich entehrt;
Rom und der ewge Himmel richten mich,
Wie treu ich ehrt' und liebte Saturnin!

Tamora.
Mein edler Herr, wenn je dein fürstlich Aug
Mit Wohlgefallen blickt' auf Tamora,
So höre jetzt mein unparteiisch Wort,
Und, Liebster, alles, was geschehn, vergib.

Saturninus.
Was? Offenbar mißhandelt und entehrt,
Soll ich die Kränkung dulden ungerecht?

Tamora.
Nicht also, Herr! Das wolln die Götter nicht,
Daß ich dich zu entehren sollte flehn.
Nein, meine Ehre setz ich dir zum Pfand,
Den wackern Titus find ich ohne Schuld!
Sein unverstellter Zorn spricht seinen Schmerz,
Drum mir zuliebe sieh ihn gnädig an;
Nicht bring ein Wahn dich um den tapfern Freund,
Noch trüb ein finstrer Blick sein edles Herz. –
(Beiseite.) Nimm Rat an, mein Gemahl; gib endlich nach,
Verbirg nur alle Kränkung, allen Gram.
Du bist erst neu gepflanzt auf deinen Thron;
Deshalb, damit nicht Roms Senat und Volk
Nach beßrer Einsicht Titus' Anhang mehrt
Und von dir abfällt deines Undanks halb
(Den Rom als schwere Sünde stets gehaßt),
Gib nach den Bitten, laß die Sorge mir:
Ich will sie all ermorden, find ich Zeit,
Vertilgen ihren Stamm und ganz Geschlecht,
Den wütgen Vater und die falschen Söhne,
Die ich um meines Kindes Leben bat;
Dann sehn sie, was es sei, wenn Königinnen
Im Staube knien und Gnade nicht gewinnen. –
(Laut.) Komm, teurer Kaiser, komm, Andronicus –
Heb auf den guten Greis, tröst ihm sein Herz,
Das hinwelkt in dem Sturme deines Zorns.

Saturninus.
Auf, Titus! Meine Kaisrin hat gesiegt.

Titus.
Dank deiner Hoheit, gnädger Fürst, und ihr.
Dein Wort, dein Blick beleben mich aufs neu.

Tamora.
Titus, ich bin jetzt einverleibt in Rom,
Als Römerin nun glücklich anerkannt,
Und muß dem Kaiser raten für sein Wohl.
Heut sterbe jeder Groll, Andronicus; –
Und sei's mein schönster Ruhm, du tapfrer Held,
Daß ich mit dir die Freunde heut versöhnt. –
Was Euch betrifft, Prinz Bassian, so bürgt
Mein Wort und Pfand dem Kaiser, unserm Herrn,
Daß Ihr, nachgiebig, milder Euch betragt. –
Getrost, ihr Herrn! – Auch Ihr, Lavinia –
Folgt meinem Rat, und reuig auf den Knien
Erfleht Verzeihn von Seiner Majestät.

Lucius.
Wir tuns und schwören hier vor Seiner Hoheit,
Daß wir in guter Absicht nur gestrebt,
Für unsrer Schwester Ehr und unsre Pflicht.

Marcus.
Das gleiche hier verbürg ich auf mein Wort.

Saturninus.
Hinweg und schweigt; belästigt uns nicht mehr.

Tamora.
Nein, gütger Fürst, wir müssen Freunde sein;
Marcus und seine Neffen knien vor dir,
Schlags mir nicht ab; Geliebter, schau dich um.

Saturninus.
Marcus, für deinen Bruder und dich selbst
Und meiner holden Tamora zu Gunst
Verzeih ich dieser jungen Männer Schuld.
Steht auf!
Lavinia, flohst du gleich mich als 'nen Knecht,
Fand ich doch Gunst und schwur den höchsten Eid,
Ich schied als Junggesell nicht vom Altar.
Kommt, hat der Palast für zwei Bräute Raum,
Lavinia, mit den Deinen sei mein Gast. –
Heut sei ein Tag der Liebe, Tamora.

Titus.
Und morgen, wenn es meinem Herrn gefällt,
Mit mir zu jagen Panthertier und Hirsch,
Mit Horn und Hund bring ich den Morgengruß.

Saturninus.
Titus, so sei es, und wir danken dir. (Alle ab.)

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