Minimalismus

13 Porträts

Tanja Heller

Copyright: © 2015 Tanja Heller

published by: epubli GmbH, Berlin

Covergestaltung: Franz & Späth Büro für Gestaltung

www.epubli.de

ISBN 978-3-7375-3583-0

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Begriffe

Postwachstumsökonomie

Eine Wirtschaft ohne sozial, ökologisch, ökonomisch und politisch schädliches Konsum- und Produktionswachstum. Klimaverträgliches CO2-Budget von 2,5 t/Jahr durch Verzicht auf Flugreisen und tierische Ernährung. Stattdessen Selbstversorgung, Gemeinschaftsgüter, Verlängerung der Nutzungsdauer durch Reparatur, Bankwechsel, regionales statt globales Wirtschaften.


Ökologischer Fußabdruck

Maßeinheit für alle Ressourcen eines Einzelnen, die für den Alltag benötigt werden sowie das Erdareal, um sie bereitzustellen.


Regiogeld

Zahlungsmittel, das in einer begrenzten Region akzeptiert wird zur Entwicklung eines ökologischen und fairen Handels und zur Stärkung der regionalen Wirtschaft. Die Währung ist zeitlich begrenzt gültig.

Raphael Fellmer l raphaelfellmer.de

4 Jahre Geld- und Konsumstreik

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Foto: Patrick Lipke


Ich lebe zusammen mit meiner Frau meinen Traum von einer Welt ohne Geld. Um mehr Bewusstsein für die Verantwortung zu schaffen, die wir alle für Hunger, Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung tragen. Als Familie wollen wir zeigen, dass ein nachhaltiger Lebensstil auch in Berlin mit zwei Kindern möglich ist. Deswegen ernähren wir uns rein pflanzlich von geretteten Lebensmitteln und versuchen gemeinsam, so wenig Ressourcen wie möglich zu verbrauchen. In den letzten Jahren konnten wir dank lieber Menschen, die ihr Haus oder ihre Wohnung mit uns teilten, kostenfrei wohnen und uns so bedingungslos in der Gesellschaft engagieren.


Warum Konsumstreik?

Unser Hauptaugenmerk des Konsumstreiks liegt bei dem praktischen Ansatz, Vorhandenes besser zu nutzen und Bewusstsein für die Zusammenhänge und die Verantwortung, die wir alle für diesen Planeten tragen, herzustellen. Dabei liegt es uns am Herzen aufzuzeigen, was wir alle schon heute für eine gerechtere und nachhaltigere Welt tun können. Außerdem wollen wir ein Umdenken und Handeln für ein schöneres Miteinander stiften, wo wir uns mit unseren Fähigkeiten und Ressourcen für eine Kultur des bedingungslosen Teilens und Schenkens einbringen.


Alles begann mit der Reise der Menschheit

Die wir 2010 per Anhalter und ohne Geld von Europa bis nach Mexiko auf dem Land- und Seeweg zurücklegten. Dank der Hilfe von tausenden von Menschen, die uns - egal wo wir hinkamen - ihr Vertrauen, ihr Essen und ihre Liebe schenkten, war die Reise überhaupt erst möglich. 32 000 km mit über 500 Fahrzeugen, die uns über Land und Wasser mitnahmen.


Die 15 Monate veränderten mein Leben

Ich spürte, ich konnte und wollte nicht mehr an der Überflussgesellschaft teilnehmen. Nicht mehr konsumieren, nicht mehr vor dem Leid von über einer Milliarde Mitmenschen, die tagtäglich an Hunger leiden, wegschauen. Ich beschloss schon bei der Atlantiküberquerung, auch nach der Reise den Geldstreik fortzusetzen, um das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit auf die Ungerechtigkeit, das Leid und die Umweltzerstörung zu lenken und gleichzeitig Lösungsmöglichkeiten zu finden, um mehr in Frieden und Einklang mit Menschen, Tieren und der Natur zu leben.


Das System funktioniert nur für uns

Wenn man sagt, dass das System, wie es heute ist, funktioniert, stimmt das eigentlich nicht, denn es funktioniert nur für uns. Wir sind die privilegierten 10, 15 Prozent in Europa und Nordamerika, die sich auf Kosten der Natur und anderer Menschen ein luxuriöses Leben "leisten". Wir glauben, wir können es ja bezahlen und somit ist es ja auch gerechtfertigt.


Mein größtes Engagement gilt der Lebensmittelrettung

Noch immer schenke ich neben Vorträgen, Medienauftritten und Interviews einen Großteil meiner Zeit und Energie für das Ende der Verschwendung von Ressourcen - und das besonders bei Esswaren. Denn die Hälfte aller Nahrungsgüter wird weggeworfen. Mein Wirken als legaler Foodsaver begann im Frühjahr 2012 mit der Kooperation mit einer Filiale der Bio Company. Im Sommer 2013 ist daraus die wohl professionellste, effektivste und dezentralisierteste Lebensmittelrettungs-Plattform in Europa entstanden.


Foodsharing wurde eine richtige Bewegung

Bei der sich über 9000 Menschen engagieren. Dank der tausenden Helfer konnten bereits eine Million Kilo Nahrungsmittel bei rund 1000 Betrieben vor der Vernichtung bewahrt werden. All das ist vor allem dem Einsatz von 20 Hauptengagierten, die das Ganze überhaupt erst ermöglicht haben, zu verdanken. Derzeit arbeiten wir an der Internationalisierung, damit die Plattform "open source" gehen kann und das ausgeklügelte Konzept dahinter zukünftig weltweit kostenfrei zur Verfügung steht.


Das Internet schafft eine Kultur des Teilens

Wir basteln gerade an einem noch viel umfangreicheren Projekt des Teilens, sich Einbringens und alle möglichen Ressourcen Sparens. Wir entwickeln das Konzept für eine kostenfreie, transparente, nutzerInnenfreundliche und allumfassende, demokratische, aber unbürokratische Social-Community-Plattform, auf der Gegenstände, Fähigkeiten, Räumlichkeiten und alles andere, was es sonst noch zu verschenken gibt, empfangen oder geteilt werden können.


Gegen Überfluss und Verschwendung

Außerdem wird es möglich sein, jegliche Projekte und Veranstaltungen kostenfrei umzusetzen, indem Menschen sich vernetzen können und auf vorhandenes Wissen, Begabungen, Materialien und Dienstleistungen zugreifen zu können. So können Repair-Cafes, Essens-Fair-Teiler, Konzerte, Theater und alles,was sich sonst gemeinschaftlich organisieren lässt, mit Leichtigkeit von der Idee zur Realität werden.


Gemeinsam träumen ist der Beginn der Realität

Obwohl es noch viele Löcher in unserer Überflussgesellschaft zu stopfen gibt, werden wir dennoch zusammen mit Freunden und Gleichgesinnten im Süden von Europa ein veganes Ökodorf gründen und uns zukünftig größtenteils selbst versorgen.


Unser Traum heißt Eotopia

Ein Ort, an dem Menschen sich gegenseitig unterstützen und ein Mit- und Füreinander harmonisch mit der Natur gelebt wird. Dabei wird das bedingungslose Schenken und Empfangen – die Kultur des Teilens, sowie des gegenseitigen Respekts, Grundpfeiler dieses (geld)freien Raumes werden. Das Interesse von über 800 Menschen, die Eotopia aufbauen und darin leben wollen, lässt unseren Traum von einer geldfreien Welt immer realer werden und wird schon in den nächsten Jahren zu einer Vielzahl von ähnlichen Lebensgemeinschaften führen.

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Foto: Stephan Benz

Über dieses Buch

Immer mehr Menschen befreien sich von Besitz und Prestige und vereinfachen ihr Leben. Sie entrümpeln ihre Wohnungen und reduzieren ihren Konsum auf das Nötigste, um mehr persönliche Freiheit zu gewinnen. Minimalismus ist zum neuen Lifestyle geworden. Zu den Vorreitern gehören Blogger aus den USA wie Kelly Sutton mit "The Cult of Less" (der Kult des Weniger). Auch in Deutschland hat sich der Trend vor allem durch Blogs verbreitet. Aus zahlreichen Interviews ist dieses Buch entstanden - 13 Porträts von Menschen, die sich für "Weniger ist mehr" entschieden haben und zufriedener sind als zuvor.


Über Tanja Heller

www.texterin-mit-biss.de