Massey, Sujata Zuflucht im Teehaus

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Übersetzung aus dem Amerikanischen von Sonja Hauser

ISBN 978-3-492-98340-2

 

© 1998 Sujata Massey

Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Zen Attitude«, Harper Collins, New York

© der deutschsprachichen Ausgabe: Kabel Verlag GmbH, München 2000, Piper Verlag GmbH, München 2002

© dieser Ausgabe: Piper Fahrenheit, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2017

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Tuzemka_shutterstock

Datenkonvertierung: abavo GmbH, Buchloe

 

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1

Ich hatte von Anfang an den Verdacht, daß mich Nana Mihoris tansu-Kommode zu viel kosten würde.

Der japanische Antiquitätenmarkt ist brutal. Es gibt kaum noch gute Sachen; selbst wenn man genug Geld hat, stehen die Chancen, ein tolles Stück zu finden, schlecht. Schon als ich den Auftrag annahm, hatte ich das Gefühl, daß es Ärger geben würde. Allerdings erwartete ich nicht, daß eine Kommode mich fast um alles bringen würde, was ich besaß.

Das erste, was ich verlor, war ein Urlaub. Hugh Glendinning, der Mann, bei dem ich am Valentinstag eingezogen war, hatte aufgehört, auf mich einzureden und mit den Tickets vor meiner Nase herumzufuchteln, und war einfach allein nach Thailand geflogen. Mir war nichts anderes geblieben als die Arbeit: hauptsächlich die Jagd nach einer antiken Holzkommode, die, davon war ich allmählich überzeugt, offenbar nur in der Einbildung meiner Kundin existierte. In den vergangenen zwei Wochen war ich von Tokio aus in nördliche Richtung nach Nigata und dann westlich nach Kyoto gefahren. Unterwegs war ich in eine Überschwemmung und einen Moskitoschwarm geraten, der sich an mir gütlich getan hatte. Mittlerweile war die Regenzeit vorbei, und die Juli-Hitze hatte begonnen, ohne daß ich die tansu-Kommode gefunden hätte.

Ich machte mir Gedanken über meine fehlgeschlagenen Versuche, während ich im dichten Stau auf dem Tomei Expressway stand. Es verstärkte meinen Ärger noch, daß die Leute in den Autos um mich herum alle auf dem Weg in die Ferien zu sein schienen. Die Väter saßen am Steuer, während die Mütter ihre mit aufgeblasenen Schwimmflügeln ausgestatteten Kinder mit irgend etwas fütterten. Ich spielte gerade mit dem Gedanken, mir ein Paar Schwimmflügel zu schnappen und mich nach Phuket treiben zu lassen, als mein Handy klingelte.

»Rei Shimura Antiquitäten«, meldete ich mich und versuchte dabei, das Handy nicht fallen zu lassen. Erst kürzlich hatte ich irgendwo gelesen, daß die Verwendung von Mobiltelefonen im Auto genauso gefährlich war wie Trunkenheit am Steuer. Bei meinen Koordinationsschwierigkeiten konnte ich das gut nachvollziehen.

»Rei-san, wo befinden Sie sich gerade?« hörte ich Nana Mihoris geduldige Stimme aus dem Apparat. In den vergangenen beiden Wochen hatten wir uns tagtäglich unterhalten, auch am Vortag. Da hatte ich sie aus der Gegend von Nana angerufen und ihr erklärt, ich werde wieder nach Hause fahren. Ich hatte eine ganze Menge Kommoden gesehen, die fast ihren Anforderungen entsprachen, aber sie wollte eine spezielle tansu, die sie in einem Buch entdeckt hatte. Alle meine Kunden wollten etwas, das sie in einem Buch entdeckt hatten.

»Soweit ich das beurteilen kann, befinde ich mich ganz in der Nähe der Izu-Halbinsel.« Ich versuchte zu entziffern, was auf einem Straßenschild weit, weit vor mir stand, und bedauerte es wieder einmal, daß ich noch längst nicht die etwa 1 500 bis 2 000 kanji oder piktographischen Zeichen lesen konnte, die man brauchte, um als des Lesens mächtiger Erwachsener zu gelten. Ich war als Kind einer amerikanischen Mutter und eines japanischen Vaters in San Francisco aufgewachsen. Das Sprechen fiel mir leicht, und mehr brauchte ich für meinen Job als selbständige Antiquitäteneinkäuferin normalerweise auch nicht.

»Es trifft sich gut, daß Sie sich noch außerhalb von Tokio befinden. Ich habe gerade von einem sehr netten Geschäft in Hita erfahren, das mit hochwertigen Antiquitäten aus dem ganzen Land handelt. Meine Freundin Mrs. Kita hat dort erst letzte Woche eine hübsche Kleiderkommode gefunden.«

»Ist Hita nicht in der Nähe von Hakone?« Die Gegend mit den heißen Quellen, von der sie sprach, lag weit abseits von meinem Weg.

»Rei-san, Sie haben so hart für mich gearbeitet – da möchte ich wirklich gern, daß Sie Ihre Provision erhalten. Aber nach den ganzen Mühen und Fahrten ist es wahrscheinlich eine Zumutung, wenn ich Sie bitte, dort vorbeizuschauen …«

»Aber nein. Wo ist der Laden?« Ich klemmte das Handy zwischen Kopf und Schulter und suchte nach einem Stift. Offen gestanden, brauchte ich das Geld unbedingt. Ich war erst vor fünf Monaten ins Geschäft eingestiegen, und die ausländischen Kunden, auf die ich gehofft hatte, hatten sich als ziemlich geizig erwiesen. Meine Tante Norie hatte mich erst vor kurzem Nana Mihori, der Frau des Leiters eines berühmten Zen-Tempels in Kamakura, einer pittoresken Stadt ungefähr eine Stunde südlich von Tokio, vorgestellt. Sie hatte Geld wie Heu und war für jede Menge Referenzen gut. Ich konnte sie nicht enttäuschen.

Als ich mich von Nana Mihori verabschiedete, sah ich, daß die junge Frau und der junge Mann in dem Mitsubishi Carisma rechts von mir mein Telefongespräch mit Hilfe von Limonadendosen nachäfften. Ich formte die Lippen zu einem moshi-moshi, der üblichen Begrüßung am Telefon. Die jungen Leute gaben mir kichernd Antwort. Was sagten sie?

Abunai, verstand ich ein wenig zu spät, als etwas ziemlich Großes meinen Wagen schrammte. Vorsicht!

Ich ließ das Handy fallen und versuchte das Steuer wieder in den Griff zu bekommen, das sich wie wild drehte. Gleichzeitig stieg ich auf die Bremse und schaute in den Rückspiegel, in dem ich einen Transporter sah, dessen Fahrer mich an den schmalen Seitenstreifen winkte.

Wie es hatte passieren können, daß ich im praktisch stehenden Verkehr einen anderen Wagen rammte, war mir schleierhaft; ich war einfach ein richtiger Pechvogel. Die Reparaturkosten für den luxuriösen Toyota Windom bewegten sich wahrscheinlich in astronomischen Höhen. Außerdem war es nicht mal mein Wagen; er gehörte Hugh.

Benommen sah ich zu, wie der mit einem fröhlich-gelben Overall und dazu passender Mütze bekleidete Fahrer aus seinem Transporter stieg. Unter anderen Umständen hätte ich gegrinst.

Ich kletterte meinerseits aus dem Windom, wohl wissend, wie übel ich aussehen mußte: eine irgendwie japanisch wirkende Frau Ende Zwanzig mit kurzen Haaren, noch kürzeren Shorts und einem eingegangenen UC-Berkeley-T-Shirt. Ich eilte in meinen Flip-flop-Sandalen mit meinem japanischen Führerschein und Hughs Zulassung für den Wagen zu dem Mann.

Auch er hatte etwas in der Hand; eine kleine, ungeöffnete Dose Yodel-Wasser. Er reichte sie mir mit einer absurden Geste der Gastfreundschaft. Ich nahm die Dose und warf einen Blick auf den fröhlichen, englischsprachigen Slogan darauf: ERFRISCHT, WO IMMER SIE SIND! Aber nicht heute, dachte ich, denn ich spürte, daß mir das T-Shirt am Rücken zu kleben begann.

Zusammen betrachteten der Fahrer des Transporters und ich den Schaden. Der an seinem Wagen schien minimal zu sein. Es war lediglich ein bißchen von dem schwarzen Lack des Windom an seinem Kotflügel. Doch bei mir war das linke Rücklicht kaputt. Der Mann entfernte vorsichtig die restlichen Scherben, wickelte sie in ein Tuch und reichte sie mir.

»Domo sumimasen deshita.« Ich war überrascht über seine förmliche Entschuldigung, doch dann fiel mir wieder ein, daß nach japanischem Recht automatisch der Autofahrer, der dem anderen hineinfährt, Schuld hat.

»Es tut mir auch leid«, sagte ich. »Ich war abgelenkt.«

»Es ist ganz und gar meine Schuld. Sehen Sie doch bloß, was ich mit Ihrem schönen Wagen gemacht habe«, sagte der Mann mit gebrochener Stimme. Erst jetzt wurde mir klar, daß er sich wahrscheinlich Sorgen machte, weil er einen Unfall mit dem Firmenwagen gebaut hatte. Ich wollte ihm gerade versichern, daß ich nichts gegen ihn unternehmen würde, doch da hatte er bereits die Brieftasche in der Hand.

»Was ist mit dem Lack auf Ihrem Wagen? Sind Sie sicher, daß Sie in der Firma keinen Ärger kriegen?«

Er warf einen Blick auf seinen Kotflügel und schüttelte den Kopf. »Das ist normale Abnutzung. Es wird niemandem auffallen. Aber ich muß Ihnen eine Entschädigung zahlen. Eher fahre ich nicht weiter!«

Ich war abgelenkt gewesen, und er war auf meine Spur gekommen. Vermutlich waren wir beide schuld. Ich nahm das Geld, ohne es anzusehen, immer noch mit schlechtem Gewissen. »Wenn Sie mir Ihre Adresse geben, kann ich Ihnen eine Kopie der Rechnung schicken. Wenn die Reparatur weniger kosten sollte …«

»Bitte machen Sie sich nicht die Mühe!« Er war schon wieder eingestiegen. Da wir keine Namen und Adressen ausgetauscht hatten, konnte er sicher sein, daß die Sache kein Nachspiel haben würde. Ich versuchte mein ungutes Gefühl beiseite zu schieben, während ich an dem süßen Yodel-Wasser nippte und den Wagen wieder auf die Straße lenkte.

 

Zwei Stunden später war ich in Hita. Ich hatte zuvor in dem von Mrs. Mihori empfohlenen Laden angerufen und erfahren, daß Hita Fine Arts tatsächlich einige antike tansu-Kommoden auf Lager hatte. Der Antiquitätenhändler erklärte mir, er habe eine Kommode, die vermutlich aus Yahata, einer für ihre Holzarbeiten bekannten Stadt auf der Insel Sado, stammte, wo ich mich bereits erfolglos umgesehen hatte.

»Woher haben Sie das Stück?« fragte ich, ein wenig neidisch auf den Erfolg des Händlers.

»Ich habe eine gute Quelle. Im Moment können Sie sie noch kaufen, aber ich würde Ihnen raten, es sich nicht zu lange zu überlegen. Gestern war eine Kundin hier und hat mich gebeten, die Kommode für sie zu reservieren. Sie ist nicht wiedergekommen, deshalb habe ich gerade beschlossen, sie wieder zum Verkauf anzubieten.«

Wenn man so tut, als interessiere man sich nicht sonderlich für ein Stück, kann man manchmal einen Nachlaß heraushandeln. Aber ich hatte weder die Zeit noch die Energie für solche Spielchen. Also fuhr ich geradewegs in die Einkaufsgegend von Hita und stellte den Wagen im Parkverbot direkt vor Hita Fine Arts ab. Ich machte mir keine großen Gedanken über einen Strafzettel, weil ich ziemlich bald wissen würde, ob es sich lohnte, die tansu-Kommode zu kaufen oder nicht.

Allzu große Hoffnungen machte ich mir nicht. Der Laden sah ganz nach einer Touristenfalle aus; die Fassade war mit ihrem Rot-Gold einem Shintoschrein nachempfunden. Im Erdgeschoß wurden industriell gefertigte Fischbehälter aus Ton, grell vergoldete Wandschirme und kitschige Hochzeitskimonos aus Kunststoff angeboten, alles pseudojapanische Sachen, die vermutlich in China hergestellt worden waren.

Nana Mihori hatte gewollt, daß ich hierher kam. Daran versuchte ich mich zu erinnern, während ich auf die Verkaufstheke zusteuerte, über der ein Schild verkündete: WIR SPRECHEN ENGLISCH! WIR NEHMEN DOLLAR!

»Nao Sakai hat seine Möbel eine Treppe höher«, erklärte mir die Dame an der Theke, als ich sie nach dem Antiquitätenhändler fragte, mit dem ich telefoniert hatte. »Gleich hinter der T-Shirt-Abteilung, neben den Briefmarken.«

Das klang nicht so, als lege man in dem Laden sehr viel Wert auf Antiquitäten. Doch im oberen Stockwerk fand ich eine überraschend gute Auswahl an Sachen. Ich betrachtete eine wundervolle Küchen-tansu sowie ein paar kleinere Kommoden, die aussahen, als seien sie in Sendai und Yonezawa gefertigt worden.

Ein schlanker Mann mit schmalem Gesicht saß im Schneidersitz auf einem Rosenholztisch und telefonierte. Nachdem er einen Blick auf mich geworfen hatte, sagte er: »Wenn Sie ein neues T-Shirt wollen – die sind drüben beim Fenster.«

»Mein Name ist Rei Shimura. Ich habe Sie vorhin wegen der tansu-Kommode angerufen.« Dabei verschränkte ich die Arme vor meinem zerknitterten T-Shirt, ohne seinem Blick auszuweichen.

Sakai taxierte mich mit einem breiten Lächeln. »Shimurasan? Ich habe das Stück hinten für Sie bereitgestellt.«

Ich folgte ihm in einen düsteren Lagerraum voller Pappkartons. Ganz hinten sah ich eine dunkle Kommode mit handgetriebenen Schmuckangeln aus Eisen und Metallbeschlägen.

Mrs. Mihori hatte mir aufgezeichnet, was sie sich vorstellte; ich zog ihre Zeichnung heraus, um sie mit der Kommode zu vergleichen. Meine Kundin suchte nach einer kasane, einer Aussteuertruhe in zwei Teilen, mit jeweils zwei Schubladen, die sich aufeinanderstellen ließen, um mehr Eindruck zu machen. Mrs. Mihori wollte hochwertiges Paulownia-Holz, verziert mit Kranichen und Schildkröten, glücksbringenden Symbolen, die sich oft auf Möbeln aus Yahata befanden. Die Metallteile dieser Kommode waren dunkel, allerdings nicht zu dunkel, und poliert, was darauf hindeutete, daß sie nicht künstlich auf alt getrimmt worden waren. Auch die handgeschmiedeten Nägel mit den unregelmäßigen Köpfen sahen so aus, als stammten sie tatsächlich aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts.

»Sie kennen sich wirklich gut mit Möbeln aus«, sagte Mr. Sakai anerkennend, während ich die Schubladen herauszog, um sie mir genauer anzusehen. Die Einzelteile waren ordentlich miteinander verbunden, und sie hatten keine Löcher von Holzwürmern wie viele der tansu-Kommoden, die ich während meiner Einkaufsstreifzüge gefunden hatte. Diese wohlriechenden Zedernholzschubladen waren makellos und schienen erst vor kurzem abgeschmirgelt worden zu sein, was mich stutzig machte.

»Haben Sie diese Kommode restauriert?«

»Nein, natürlich nicht! Schließlich ist das hier ein kleines Geschäft, neh? Ich nehme die Sachen nur in Kommission und verkaufe sie so schnell wie möglich weiter.«

An der Kommode war kein Preisschild. Als habe er meine unausgesprochene Frage gehört, sagte Mr. Sakai: »Der alte Herr macht gerade schwere Zeiten durch, deshalb wird er sich zu einem vernünftigen Preis von der Kommode trennen. Er verlangt eineinhalb Millionen Yen.«

Das waren etwas mehr als zwölftausend Dollar, ein fairer Preis, der mir aber noch verhandelbar erschien. »Besteht die Möglichkeit, das Stück ein bißchen billiger zu bekommen?«

»Hmmmm. Kommen Sie aus Tokio?« Er musterte mich. Hoffentlich, so dachte ich, hatte meine Geschichte aufgrund meiner guten Adresse nicht an Glaubwürdigkeit verloren. »Ich könnte die Lieferkosten übernehmen.«

»Gut. Ich muß nur kurz meine Mutter anrufen.« Er brauchte nicht zu wissen, daß ich für eine Kundin kaufte, insbesondere deshalb, weil er die Lieferkosten übernahm. Er hatte nichts dagegen, obwohl er ein bißchen argwöhnisch dreinschaute, und ich lief hinaus, um das Autotelefon zu benutzen. Draußen vor der Tür stand ein junger Mann mit gegeltem Haar und limonenfarbenem Reyon-Anzug und musterte mein kaputtes Rücklicht. Die Menschen in Japan machen sich immer Gedanken über die Probleme der anderen, deswegen lächelte ich ihn an und verbeugte mich leicht in seine Richtung, um ihm zu sagen, daß ich bereits über den Schaden Bescheid wußte.

Ich ließ die Autotür offen, um ein bißchen Luft zu bekommen, während ich telefonierte. Nana Mihoris Haushälterin, Miss Tanaka, erklärte mir, die Hausherrin habe gerade Besuch. Ich verabschiedete mich und überlegte, ob ich die Kommode ohne ihre Erlaubnis kaufen sollte. Lieber nicht, dachte ich, da sie bereits zwei andere von mir aufgespürte tansu abgelehnt hatte.

Ich nahm Mrs. Mihoris Zeichnung noch einmal aus der Tasche. Es war eher unwahrscheinlich, daß ich noch einmal ein so schönes Stück aus Sado finden würde. Ich durfte mir die Kommode nicht durch die Lappen gehen lassen. Vielleicht konnte ich Nao Sakai dazu bringen, sie für mich zurückzustellen. Ich ging in den Laden zurück, wo Mr. Sakai sich mit einer neuen Kundin unterhielt, einer Frau über vierzig mit einer Seidenbluse und einem Seidenrock, die die Farbe von grünem Tee hatten. Von hinten sah sie ausgesprochen attraktiv aus, doch als sie sich umdrehte, entdeckte ich einen großen, schwarzen Leberfleck auf ihrem linken Nasenflügel.

»Das Problem ist nur, daß ich eine neue Interessentin habe«, sagte Mr. Sakai und deutete dabei auf mich.

»Aber ich kann Ihnen das Geld bar auf die Hand geben!«

Die Frau fuchtelte mit einer Handvoll Yen-Scheinen vor seiner Nase herum. Das war ausgesprochen schlechter Stil. Vermutlich war das die Kundin, die die Kommode für sich hatte zurückstellen lassen.

»Entschuldigung. Ich würde gern die Sache mit der tansu-Kommode regeln«, sagte ich.

»Sie spricht doch nicht von meiner tansu, oder?« Die Kundin musterte mich kühl.

»Nun, das ist jetzt eine ziemlich schwierige Situation«, entschuldigte sich Mr. Sakai.

»Ich kaufe die Kommode, wenn Sie mir die Chance geben, mich mit meiner Mutter in Verbindung zu setzen«, sagte ich, immer nervöser werdend. »In ein paar Stunden kann ich Ihnen definitiv Bescheid geben.«

Die Frau schnappte nach Luft, und Mr. Sakai schien bestürzt über meine Dreistigkeit. »Ich fürchte, das geht nicht.«

»Yahari hafu da«, murmelte die Frau Mr. Sakai zu. Der Satz bedeutete »weil sie ein Mischling ist« – was wohl heißen sollte, daß diese Tatsache meine Unhöflichkeit hinreichend erklärte.

»Ich kann die Kommode nicht länger reservieren. Derjenige, der bereit ist, sie zu kaufen, bekommt sie.« Mr. Sakai räusperte sich und sah die kleine Gruppe von Menschen an, die sich um uns versammelt hatte: zwei Verkäufer aus der Souvenirabteilung sowie ein paar Kauflustige.

Entschlossen holte ich meine Kreditkarte heraus.

»Da es ein Kommissionsauftrag ist, kann ich leider nur Bargeld annehmen.« Er betrachtete meine Kreditkarte mit einem Blick, als sei sie schmutzig.

Ein so großes Geschäft akzeptierte mit Sicherheit Kreditkarten, aber wahrscheinlich stellte Mr. Sakai sich stur, um niemandem einen Nachlaß geben zu müssen. Da ich dieses System schon kannte, hatte ich mehr Geld eingesteckt, als ich brauchte – etwa 2,2 Millionen Yen in mehreren Pocky-Pretzel-Dosen ganz unten in meinem Rucksack. Ich zuckte mit den Achseln und sagte: »Na schön, dann zahle ich eben bar.«

»Aber ich war zuerst da!« herrschte die Frau in Grün mich an.

»Eins Komma fünf Millionen. Ist da die Steuer schon dabei?« Ich begann, 10 000-Yen-Scheine abzuzählen, und hätte dabei gerne ein weniger großes Publikum gehabt.

»Ich zahle mehr als sie! Fünfzigtausend Yen mehr!« sagte die Frau.

Das konnte sie nicht machen. Das war nicht fair. Ich sah Mr. Sakai bittend an.

»Ich muß im Interesse meines Kunden arbeiten«, sagte er leise.

»Gut, dann zahle ich eine Million fünfhundertsechzigtausend.« Trotz der Klimaanlage lief mir der Schweiß in Strömen herunter.

»Eine Million siebenhunderttausend Yen.« Die Frau bedachte mich mit einem vernichtenden Blick.

»Eine Million achthunderttausend.« Wenn das hier eine Auktion sein sollte, würde ich weiterbieten.

Während Mr. Sakai noch nervös etwas murmelte, überbot mich die Frau abermals, diesmal mit eins Komma neun Millionen. Würde sie noch höher gehen? An ihrem Gesicht konnte ich die Antwort nicht ablesen. Meine Mittel waren nicht unbegrenzt, und ich konnte es mir nicht leisten, weiter bei diesem Spielchen mitzumachen.

»Ich gebe Ihnen zwei Millionen einhunderttausend«, sagte ich. Vielleicht konnte ich ihr mit einem letzten, deutlich höheren Gebot den Schneid abkaufen.

Die Frau sah aus, als sei sie nun nicht mehr bereit mitzuhalten. Doch dann sagte sie: »Zwei Millionen zweihunderttausend Yen.«

Da schüttelte ich den Kopf. Ich gab auf. Mit zitternden Fingern stopfte ich mein Geld wieder in die Pocky-Dosen und zog den Reißverschluß meines Rucksacks zu. Es war falsch, einen so viel höheren Preis als ursprünglich vereinbart zu zahlen; das wußte ich. Vor allem ohne Mrs. Mihoris Einverständnis.

Als ich an den Tongefäßen für die Fische vorbei in Richtung Ausgang marschierte, spürte ich etwas an meinem Rucksack zupfen. Jemand hatte mein Geld gesehen und wollte es sich unter den Nagel reißen. Als ich nach hinten ausholte, berührte ich weiche Haut. Nachdem ich mich umgedreht hatte, sah ich, daß ich eine junge Verkäuferin vom oberen Stockwerk niedergestreckt hatte.

»Miss!« keuchte sie. »Sie können die tansu-Kommode immer noch kaufen, das wollte ich Ihnen nur sagen …«

»Gomen nasai«, entschuldigte ich mich und half ihr wieder auf die Beine. Warum hatte ich mich nicht umgedreht, bevor ich ausholte? Zum Glück war sie nicht mit dem Kopf gegen eins der Tongefäße geknallt.

»Die andere Kundin hat nicht genug Geld. Ich soll Ihnen von Mr. Sakai sagen, daß Sie die tansu-Kommode für zwei Millionen einhunderttausend Yen haben können. Das war die Höhe Ihres letzten Gebots.« Die Lippen der jungen Frau zitterten, als wolle sie gleich zu weinen anfangen.

Mir war selbst zum Weinen zumute. Wenn das hier ein Auktionshaus gewesen wäre, hätte man die Frau gezwungen zu zahlen, dachte ich, während ich die Stufen wieder hinaufging.

»Im Moment habe ich nur zwei Millionen in meiner Handtasche, aber ich könnte zur Bank gehen.« Die Frau wühlte in ihrer Handtasche herum und warf mit Yen-Scheinen um sich, als handle es sich um gebrauchte Papiertaschentücher.

Mr. Sakai sah mich an. »Die Banken haben nicht mehr geöffnet. Ich muß mich wegen der Verwirrung entschuldigen, Shimura-san.«

Jetzt, da ich wußte, wieviel Geld meine Konkurrentin zur Verfügung hatte, hatte ich eine bessere Argumentationsbasis. »Ich kaufe die Kommode für zwei Millionen, alles inklusive, auch die Lieferung, wie vorher besprochen.«

»Ist das Ihr letztes Angebot?« Mr. Sakai schrieb bereits die Quittung.

»Ja, das ist mein letztes Angebot«, sagte ich, und die Kommode gehörte mir.

2

Als ich wieder vor dem Geschäft stand, wurde meine Freude beim Anblick des jungen Mannes von vorhin, der auf dem Kofferraumdeckel meines Wagens saß, ein wenig gedämpft.

»Das werden Sie richten lassen müssen, Onesan«, meinte er und deutete auf das Rücklicht. »Das Birnchen ist kaputt.«

Ich runzelte die Stirn. Er nannte mich »große Schwester«, eine leicht kokette Form der Anrede. Es war in Ordnung, wenn die Verkäufer auf dem Gemüsemarkt mich so ansprachen, aber wenn ein Fremder mich so nannte, gefiel mir das nicht. Obwohl er gar nicht so fremd war; irgendwie erinnerte er mich an jemanden, an wen, wußte ich allerdings nicht.

»Das lasse ich in Tokio reparieren«, sagte ich, nachdem ich zuerst einen Blick auf den dunkler werdenden Himmel und dann auf mein Rücklicht geworfen hatte, das schlechter aussah als erwartet. Die Entschuldigung des Transporterfahrers hatte mich abgelenkt.

»Heh? Sie können nicht mit einem Rücklicht nach Tokio fahren. In welches Viertel wollen Sie denn?«

»Nach Roppongi.« Ins Land der Ausländer und Gourmet-Pizza. Bevor Hugh Glendinning in mein Leben getreten war, hatte ich in einem bescheideneren und sehr viel japanischeren Viertel gewohnt.

Er stieß einen bewundernden Pfiff aus und fuhr sich mit der Hand über seine glänzend gegelten Haare. »Tolle Gegend. Früher war ich oft im Yoyogi Park, der ist nicht weit von …«

»Bei den Elvis-Tänzern?« Ich entspannte mich ein bißchen. Sonntags tanzten immer unzählige junge Männer mit Nietenhosen und schwarzen Lederjacken im Park zu Musik aus den fünfziger Jahren. Jetzt wußte ich, an wen der Typ mit den gegelten Haaren mich erinnerte – er sah aus wie ein japanischer Elvis.

»Die Stadtverwaltung hat die Tanzveranstaltungen im Park verboten. Jetzt gehe ich nicht mehr hin.« Er holte eine Visitenkarte aus seiner Jacke mit dem breiten Revers. »Ich heiße Jun Kuroi und arbeite für den Toyota-Händler in Hita. Als ich den Wagen gesehen habe, habe ich angehalten. Ich habe mich gefragt, ob er Ihnen gehört.«

»Nein«, sagte ich nach einem Blick auf seine Karte.

»Schade. Ich hätte Ihnen einen Leihwagen gegeben. Das gehört zu unserem Service.«

Die Visitenkarte sah echt aus – sie hatte das offizielle Toyota-Emblem –, also sagte ich: »Aber ich muß das Rücklicht reparieren lassen. Wieviel wird das kosten? Bis jetzt habe ich den Wagen noch nie zur Reparatur bringen müssen.«

»Diese Windoms sind einfach nicht kleinzukriegen, was? Ich fahre selber einen.« Er deutete auf ein silbrig glänzendes Modell mit dem Namen des Händlers über dem Nummernschild. »Ich würde sagen, die Reparatur kostet so um die viertausend Yen. Natürlich können Sie mit Kreditkarte zahlen …«

Das überzeugte mich. Ich stieg ein und fuhr ihm nach zu dem Händler, der in einem Gebäude aus Glas und Chrom voller hochglanzpolierter Wagen residierte.

»Hita ist wirklich eine tolle kleine Stadt«, sagte Jun und brachte mir einen Eiskaffee, während ich in der Lounge wartete. »Sie sollten die Zeit nutzen, wenn Sie schon mal hier sind. Warum schauen Sie nicht noch auf ein kurzes Bad bei den heißen Quellen vorbei, bevor Sie wieder zurück in die Stadt fahren? Ich würde Sie begleiten, wenn ich könnte, haha.«

»Ich bin beruflich hier«, sagte ich und erklärte ihm die Sache mit der tansu-Kommode.

»Wow, ich interessiere mich auch für alte Sachen. Genauer gesagt, für Platten aus den fünfziger Jahren, aber so was findet man nicht bei Hita Fine Arts. Was haben Sie denn ausgegeben?« fragte er mich und beugte sich auf seinem Ledersessel ein wenig zu mir vor.

Als ich es ihm erzählte, stieß er einen Pfiff aus. »Zwei Millionen Yen sind eine ganze Menge Geld! Aber Sie kennen sich ja offenbar aus. Wenn ich mir’s recht überlege … Sie fahren immer noch einen sechsundneunziger Windom. Bald kommen die neuen Modelle – ich könnte Ihnen einen hübschen Rabatt geben …«

»Nein, danke, der Wagen gehört nicht mir«, sagte ich. Autoverkäufer waren auf der ganzen Welt gleich. Nur die Sprache unterschied sich.

 

Ich war froh über mein neues Rücklicht, weil die Sonne bereits untergegangen war, als ich vor Roppongi Hills ankam, jenem riesigen, weißen Wolkenkratzer, den Hugh Glendinning sein Zuhause nannte. Ein offen herumliegender Koffer sagte mir, daß Hugh aus Thailand zurück war, obwohl er sich nicht in der Wohnung aufhielt. Das einzige, was auf mich wartete, war die neue tansu-Kommode, gut eingepackt in Karton und Plastikfolie. Während ich mir Jun Kurois Geplapper angehört und auf den Wagen gewartet hatte, war sie bereits von der Speditionsfirma in Tokio abgeliefert worden. Auf dem Anrufbeantworter befand sich eine Nachricht des Hausmeisters, der sich entschuldigte, die Leute von der Spedition ohne meine vorherige Erlaubnis in die Wohnung gelassen zu haben. Sie hatten keine Uniform getragen und ihn auch nicht gebeten, den Erhalt der Kommode zu quittieren – das hatte ihn ein wenig argwöhnisch gemacht.

Doch mir war nur wichtig, daß die Kommode gut angekommen war. Ich wickelte sie aus ihrer Verpackung und bewunderte sie. Ich kaufte nicht oft Antiquitäten in so gutem Zustand. Normalerweise erwarb ich angeschlagene Stücke, die niemand sonst wollte, auf Flohmärkten. Im Regelfall mußte ich sie nur mit ein bißchen Stahlwolle abreiben und mit Leinöl einlassen, damit sie wieder aussahen wie neu. Deshalb hatte sich Hughs sterile Junggesellenwohnung seit meinem Einzug sechs Monate zuvor durch meine Sammlung alter japanischer Möbel, Holzschnitte und Textilien ganz schön verändert. Alle paar Monate gaben wir eine Party für meine Kunden und seine Geschäftsfreunde, bei der wir die meisten Stücke verkauften, so daß ich mich wieder auf die Suche nach neuen machen konnte.

Die Kommode von der Insel Sado sah wunderbar aus. Ich wußte, daß sie Mrs. Mihori gefallen würde. Als ich sie schließlich telefonisch erreichte, bestätigte sie mich in meiner Entscheidung.

»Gott sei Dank haben Sie sie nicht dieser schrecklichen Frau überlassen. Und so, wie Sie mir die Kommode beschrieben haben, bin ich sicher, daß sie genau das richtige ist. Ihre Tante hat schon recht – Sie wirken tatsächlich Wunder.«

Ich hatte meine Eltern seit ungefähr drei Jahren nicht mehr gesehen, deswegen waren mein Onkel und meine Tante in Yokohama so etwas wie Ersatzeltern für mich geworden. Die Lebensweise der beiden Familien unterschied sich letztlich nicht wesentlich: Mein Vater, ein Psychiater, und meine Mutter, eine Innenarchitektin, hatten ein großes viktorianisches Stadthaus in San Francisco, während meine japanischen Verwandten in einem kleineren, modernen Haus wohnten, das ungefähr dreimal so viel wert war wie das meiner Eltern, weil es in Yokohama stand. Bei meiner Übersiedlung nach Japan hatte ich finanziell unabhängig sein wollen und deshalb das Angebot meiner Verwandten ausgeschlagen, bei ihnen unterzukommen. Statt dessen hatte ich drei Jahre in einer kleinen, ziemlich heruntergekommenen Wohnung gehaust. Dann war ich Hugh begegnet. Ganz recht war es mir nicht, mietfrei in seiner Wohnung zu wohnen, aber in Augenblicken wie diesem mußte ich doch zugeben, daß ein Marmorbad gar nicht so schlecht war.

Ich gönnte mir zwanzig Minuten und schlüpfte dann in meine yukata, einen japanischen Baumwollbademantel. Danach ging ich in die Küche, um das Geschenk für Hugh, eine hübsche Laterne mit Holzrahmen und zerrissenem Papier, weiter zu reparieren. Ich wußte schon, wodurch ich das Papier ersetzen würde.

Kurz nachdem ich mit meiner Arbeit fertig war, hörte ich einen Schlüssel in der Wohnungstür und ging nachsehen.

»Tadaima!« Hugh ließ seine Squash-Tasche fallen und begrüßte mich mit einem Glasgower Akzent, den ich ihm auch durch noch so intensive Bemühungen meinerseits nicht austreiben konnte. Ich fiel ihm lachend in die Arme.

»Mach dir nicht die Mühe, mich zu begrüßen«, murmelte er, nachdem wir uns wieder voneinander gelöst hatten. »Ist dir eigentlich klar, daß ich schon seit zwei Tagen wieder da bin? Ich habe gewartet und mir Sorgen gemacht und obendrein nicht mal einen Wagen gehabt. Ich mußte tatsächlich mit der U-Bahn zur Arbeit fahren.«

»Aber das tut dir nur gut«, neckte ich ihn. »Ich begreife gar nicht, wieso du so gern Auto fährst – mir persönlich würde es überhaupt nichts ausmachen, wenn ich deinen Wagen nie wieder von innen sehen müßte.«

»Für mich ist der Windom ein Zufluchtsort, die einzige Möglichkeit, von A nach B zu kommen, ohne von Tokios Millionen angestarrt zu werden.«

Vermutlich war es tatsächlich nicht sonderlich angenehm, dauernd angestarrt zu werden, aber ich hatte den Verdacht, daß Hughs Problem durch eine Tatsache noch verstärkt wurde: Er sah aus wie der junge Harrison Ford. Ich hingegen war ein Mischling und zog längst nicht so viel Aufmerksamkeit auf mich. Um das Thema zu wechseln, fragte ich ihn, ob er ein Glas Wein wolle.

»Wie wär’s mit einem Gläschen Single Malt? Bist du denn so lange weg gewesen, daß du meine geheiligten Rituale vergessen hast?«

»Für einen Scotch ist es zu warm. Wie war’s in Thailand?« Ich öffnete eine Packung warmer Sesamnudeln, die ich in dem Lebensmittelladen im selben Gebäude gekauft hatte, und reichte Hugh ein Paar Stäbchen. Wir machten uns mit einer Gier darüber her, daß es meine feinen japanischen Verwandten vermutlich gegraust hätte.

»Es war ein guter Arbeitsurlaub. Die neue Fabrik von Sendai wird termingerecht eröffnen. Die Zusammenarbeit mit den Thailändern ist angenehm, und sie sprechen besser Englisch als die meisten hier.«

»Du meinst besser als du?«

»Klar! Und die Mädels am Strand – die habe ich auch verstanden, ohne daß sie was gesagt haben.« Er zwinkerte mir zu und meinte: »Du hättest wirklich mitkommen sollen.«

»Was hast du denn in deiner Freizeit gemacht?« Zwar war das Ganze eine Geschäftsreise gewesen, aber der Gedanke an die vielen freien Stunden, die er vermutlich trotzdem gehabt hatte, behagte mir nicht.

»Komm her, ich zeig dir’s.« Er knöpfte sein Oxford-Hemd auf, und ich sah, daß seine muskulöse Brust und sein durchtrainierter Bauch ziemlich rot waren.

»Du bist am Strand eingeschlafen!«

»Tja, beim Lesen meiner Jura-Zeitschriften. Außerdem habe ich zu viel Singha-Bier getrunken und ein Geschenk für dich gekauft.« Er schob die leere Nudelpackung weg und reichte mir eine große Papiertüte.

Ich holte einen Ballen glänzender Rohseide in demselben Rotton heraus, den japanische Künstler für zeremonielle Lackmöbel verwendeten. Er würde wunderbar in die Wohnung passen. Ich gab ihm einen Kuß und sagte: »Du hast dich an meine Lieblingsfarbe erinnert. Jetzt kann ich tolle Kissen fürs Sofa machen!«

»Sofakissen? Der Stoff ist für ein Cocktailkleid. Was Enges mit einem Ausschnitt bis hier unten.«

»So gut kann ich nicht nähen. Ein Kleid schaffe ich nicht.«

»Dann gib’s einer Schneiderin. Wenn du dich beeilst, ist das Kleid bis zu unserer Party fertig.«

Das Fest am Wochenende hatte ich fast vergessen. Wir wußten bereits, wer kommen würde, und hatten auch schon die Catering-Firma beauftragt, aber viel mehr hatte ich bisher nicht gemacht. Plötzlich wollte ich keine große Party mehr; ich wollte lieber mit Hugh allein sein.

»Ich hab eine Kleinigkeit für dich«, sagte ich und führte ihn zu seinem Geschenk im Wohnzimmer. Ich hatte den Holzrahmen mit hauchdünnem, orangefarbenem Zeitungspapier bespannt, so daß die Kerze in der Mitte rosiges Licht in den Raum warf.

Hugh sagte eine ganze Weile nichts. Dann brach er in schallendes Gelächter aus. »Du hast die Lampe mit meiner Financial Times bespannt! Mein Gott, Rei, was Lustigeres habe ich selten gesehen!«

»Ich dachte, sie ist genau das richtige für dein Büro – eine perfekte Mischung aus Ost und West. Bis nächste Woche kann ich sie auf Strom umgerüstet haben.«

»Halt, halt. Du setzt mich schon genug unter Strom.« Er ließ die Jalousien herunter.

Ich konnte es gar nicht glauben, daß ihm die neue tansu-Kommode noch nicht aufgefallen war, also deutete ich darauf, und er bekam große Augen.

»Wo hast du denn die gefunden?«

Ich erzählte ihm von meinem anstrengenden Tag und dem kaputten Rücklicht. Er tat den Unfall mit einer Handbewegung ab, löste den Blick aber nicht von der Kommode.

»Die ist ja toll. Könnten wir sie eine Weile behalten? Wieviel hat sie gekostet?« Er stellte seine Lampe auf das Beistelltischchen und ließ dann die Hände bewundernd über das Holz der Kommode gleiten.

»Freut mich, daß sie dir gefällt, aber ich muß sie morgen Mrs. Mihori geben. Sie hat zwei Millionen Yen gekostet, das ist viel zu teuer für uns.«

»Für dich vielleicht, Schatz. Aber mir gefällt sie besser als alles, was du bis jetzt gekauft hast. Was glaubst du, wieviel Gewicht sie aushält?«

»Ein paar hundert Pfund schon, würde ich sagen. Der Rahmen ist aus einem der härtesten Hölzer, die man hier im Land bekommen kann. Er hält schon seit dem frühen neunzehnten Jahrhundert.«

»Gut.« Er hob mich auf die Kommode. »Die Vorstellung, ein bißchen Spaß auf dem teuren Ding zu haben, turnt mich total an. Und dich?«

»Aber die Kommode gehört Mrs. Mihori«, widersprach ich halbherzig.

»Sie gehört dir, solange sie dir nicht deine Auslagen erstattet hat, inklusive Reisekosten und Finderlohn.« Hugh schob mir den Bademantel von den Schultern und breitete ihn wie eine Decke über die Kommode. »Außerdem bin ich abergläubisch. Alles, was in diese Wohnung kommt, muß in irgendeiner Form eingeweiht werden.«

Das überzeugte mich. Nach sechs Monaten waren wir beide immer noch unersättlich. Hugh war spontan und einfallsreich in der Liebe. Die Leidenschaft überkam ihn nicht nur im Bad oder auf dem chinesischen Teppich im Eßzimmer, sondern auch im Aufzug von Roppongi Hills. Es war einfach alles zu schön, um wahr zu sein, dachte ich, lehnte mich zurück und schmolz dahin wie das Wachs der Kerze in der Laterne.

»Paß auf meinen Sonnenbrand auf«, murmelte er, als ich die Hände nach ihm ausstreckte.

»Aber du hast nicht überall einen Sonnenbrand, oder?« fragte ich.

»Nein, nicht überall. O ja, mach das noch mal.«

Hugh zog meine Hüften zur Kante der Kommode. »Vergiß nicht«, keuchte ich.

»Ich soll nicht vergessen, daß ich dich liebe?« flüsterte er zurück.

»Du weißt schon …«

»Komm, laß uns ein Baby machen. Das wäre doch toll.«

»Sei vernünftig!«

»Das Kondom ist eine überflüssige Barriere«, brummte er und zog sich zurück. »Wenn du dir solche Sorgen machst, ein Kind zu kriegen, solltest du einfach die Pille nehmen.«

»Ich hasse Chemie.« Auch mir war inzwischen nicht mehr nach Sex zumute. »Ich weiß, ich weiß, du mit deinen gesunden Sachen. Warte, ich hol was.«

Er suchte im Badezimmer herum, als das Telefon klingelte.

»Achte einfach nicht darauf«, sagte ich und lauschte auf das, was ich englisch und japanisch auf Band gesprochen hatte: daß der Anrufer seine Nachricht bitte mit Uhrzeit und Datum hinterlassen möge. Nach dem Piepston meldete sich eine Stimme, die genau wie die von Hugh klang. Ich sah ihn an, und er stieß einen Schreckensschrei aus.

»Das ist Angus. Mein Gott, was für ein Tag!« Er hastete in die Küche ans Telefon.

Ich setzte mich auf und lauschte. Hugh hat drei Schwestern und einen Bruder, besagten Angus, dessentwegen er sich die meisten Gedanken machte. Das Nesthäkchen der Familie – Angus war mittlerweile zwanzig – war von mehreren britischen Internaten geflogen, bevor er sich auf eine dreijährige Reise durch Europa und Asien machte. Hugh schickte immer wieder Briefe an Postfachadressen auf der ganzen Welt, ohne als Antwort auch nur eine Postkarte zu erhalten.

Jetzt hörte ich Hugh ganz aufgeregt mit viel stärkerem Glasgower Akzent reden als sonst. Ich erhob mich und drückte die Hand auf eine Stelle an meiner linken Pobacke, die ich mir an der Kommode aufgekratzt hatte. Dann zog ich meinen Bademantel wieder an und ging in die Küche.

»Du kannst bei mir wohnen, so lange du möchtest«, sagte Hugh gerade und legte dann die Hand über das Mundstück des Hörers. »Rei, hast du diesen Mittwoch nachmittag Zeit? Könntest du kurz zum Flughafen fahren und Angus abholen?«

Kurz zum Narita Airport fahren, das war ein Ding der Unmöglichkeit. Die Reise dauerte von Tür zu Tür ein paar Stunden, je nachdem, wie die Laune der japanischen Straßenverkehrsgötter war.

»Aber sicher. Frag ihn, wie er aussieht«, flüsterte ich, denn vielleicht hatte er sich ja den Schädel kahl rasiert. Schließlich war die letzte Adresse, die wir von ihm gehabt hatten, ein buddhistischer Tempel in Indien gewesen.

»Wie er aussieht?« wiederholte Hugh. »Wie eine jüngere Ausgabe von mir natürlich.«

Das konnte ich mir nicht vorstellen, denn Hugh Glendinning war der Inbegriff des adretten Firmenanwalts, selbst wenn er splitterfasernackt am Küchentisch saß. Vielleicht war Angus genauso groß und durchtrainiert wie Hugh und hatte auch sein dichtes, rotblondes Haar und seine grünen Augen, aber wahrscheinlich würde er sich nicht wie der Kronprinz von Tokios Juristengemeinde geben.

»Hab ich dir schon erzählt, daß ich mit meiner Freundin zusammenwohne?« sagte Hugh gerade ins Telefon. Kurzes Schweigen. »Nein, aus Amerika. Aber sie ist anders … sie ist Vegetarierin.«

Hugh schwor, daß er die asiatischen Fisch-und-Gemüse-Gerichte liebte, die ich für unsere romantischen Abendessen zu zweit zubereitete. Aber was würde ich für Angus kochen müssen, Steaks und Koteletts etwa? Ich konnte kein Fleisch kaufen. Schon der Gedanke daran ließ mich erschauern.

Nachdem Hugh aufgelegt hatte, ging er beschwingten Schrittes ins Wohnzimmer. »Ich kann’s gar nicht glauben, daß er kommt. Ich hab den Jungen schon fünf Jahre nicht mehr gesehen.«

Ich kuschelte mich auf dem Ledersofa an ihn und versuchte, ihm meine positive Einstellung zu zeigen. »Ich lege ihm meinen alten Futon ins Arbeitszimmer. Meinst du, es macht ihm was aus, das Bad mit einer Frau zu teilen?«

»Ich bitte dich, er hat schon im Dschungel geschlafen! Für ihn wird die Wohnung mit allem Drum und Dran wie das Paradies sein.«

»Dann ist er also das einfache Leben gewöhnt, um so besser. Aber du kannst nicht erwarten, daß er dir in allem ähnlich ist.«

»Meinst du, ein rothaariger Glendinning fällt nicht auf am Narita Airport?« Hugh lächelte mich an. »Du bist wirklich ein Schatz, daß du ihn abholst. Ich liebe dich. Laß mich dir zeigen, wie sehr.« Er deutete mit dem Kopf in Richtung tansu.

»Nicht da drauf. Ich hab mir eine Schramme an dem Ding geholt.« Ich zeigte ihm den roten Kratzer auf meiner Pobacke.

Hugh ließ den Finger über die Schramme gleiten und sagte: »Sieht übel aus. Zieh deinen Schlüpfer an, dann fahre ich dich schnell ins Krankenhaus.«

»Ich hab mir erst im Januar eine Tetanusspritze geben lassen, das weißt du doch noch, oder?« Mit einer Sexverletzung würde er mich nicht ins Krankenhaus bringen – schon gar nicht ins St. Luke’s, wo mein scharfäugiger Cousin Chef der Notaufnahme war.

Hugh schaltete das grelle Deckenlicht an und ging zu der tansu-Kommode hinüber. Nach einer Weile sagte er: »Du hast dir die Schramme an einem Nagel geholt. Den wirst du wieder reinklopfen müssen.«

»Tansu werden verzapft, nicht genagelt.« Japanische Tischler waren besonders stolz darauf, Möbelstücke aus nahtlos miteinander verbundenen Einzelteilen zu bauen, die sich in der Feuchtigkeit des Sommers ausdehnen und im Winter wieder zusammenziehen konnten, ohne zu brechen.

»Tja, dann ist die hier eine Ausnahme. Wie heißt noch mal der japanische Ausdruck für Leute, die sich nicht anpassen? Der Nagel, der heraussteht, muß eingeklopft werden?«

Ich ging zu der Kommode, um sie mir genauer anzusehen. »Ach so, du meinst einen Nagel in den Metallarbeiten. Das ist ganz normal.«

»Normal vielleicht, aber nicht schön«, sagte Hugh und tippte dagegen. »Er paßt nicht mal zu den anderen.«

»Was?« Ich sah mir den Nagel genauer an. Er war neu und aus Stahl, nicht aus altem, schwarzem Eisen wie die anderen. Wie konnte ich das nur übersehen haben?

»Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht.« Mir wurde abwechselnd heiß und kalt.

»Sei nicht albern.« Hugh legte den Arm um meine Schultern.

»Der Nagel hätte mir auffallen müssen. Verdammt, ich könnte schwören, daß ich mir die Kommode ganz genau angesehen habe. Ich werde das Ding rausholen müssen. Könntest du mir meinen kuginuku bringen?«

»Was?« Hugh sah mich verständnislos an.

»Das Ding, mit dem ich immer Nägel heraushole. Nachdem ich’s das letzte Mal verwendet habe, hab ich’s in die Schublade mit meiner Unterwäsche gelegt.«

»Die meisten Frauen bewahren zarte Spitzensachen in ihrer Schublade mit der Unterwäsche auf. Du legst lieber Werkzeug rein. Was soll ich davon bloß halten?« Hugh kam mit dem kurzen, röhrenförmigen Gerät wieder, das so wichtig für die Entfernung von alten Nägeln war.

»Jetzt wollen wir der Sache mal auf den Grund gehen«, sagte ich und holte den Nagel ganz langsam heraus. Dann zog ich auch die älteren Nägel heraus, die die Metallbeschläge festhielten, um mir einen besseren Eindruck verschaffen zu können. Etwa fünfzehn Minuten später hatte ich die Beschläge abgenommen. Ich starrte auf das, was darunter lag: ein geschwärzter Ring, der zeigte, wo sich das gerade von mir entfernte Metallteil befunden hatte. Innerhalb des Rings war das Holz einen Ton heller. Darin wiederum waren ein kleinerer, dunkler Ring und ein helleres Oval. Ich rieb mir stöhnend die Augen und bat Hugh, mir zu sagen, was er sah.

»Ich sehe einen dunklen Bereich – wahrscheinlich sind das die Umrisse der Metallbeschläge. Ist das schlimm, wenn die Farbe vom Metall aufs Holz abgeht?« Er klang besorgt.

»Nein, nein. Das Holz wird wegen der Reaktion des Eisens auf die warme Luft dunkler – das ist, wie wenn ganz in der Nähe ein Kohlenfeuer brennt.«

Hugh nahm die Metallbeschläge in die Hand. »Na schön, ich sehe ein großes, schwarzes Oval. Aber was bedeutet der zweite dunkle Ring in der Mitte?«

»Das sind die Umrisse eines anderen, kleineren Beschlages, der sich ursprünglich an der Kommode befunden hat. Du kannst dir vorstellen, was das bedeutet.«

»Rei, ich hasse diese Antiquitätenrätsel! Nun sag schon, was los ist.«

»Die Kommode ist nicht aus der Edo-Zeit«, sagte ich mit Verbitterung in der Stimme. »Nur die Metallarbeiten stammen aus dieser Epoche. Die tansu-Kommode ist neueren Datums. Man hat die Metallteile ausgewechselt, damit man sie teurer verkaufen kann.«

»Ach«, sagte Hugh, der nun auch begriff, was los war.

Es gab nichts mehr zu sagen, denn so viel stand fest: Ich hatte einen schrecklichen Fehler gemacht. Ob das an dem dunklen Lagerraum oder an meiner hastigen Überprüfung der Kommode lag, konnte ich nicht sagen. Wie auch immer – Mrs. Mihoris tansu war, egal, wie hübsch, eindeutig eine Fälschung.

3

Zuerst trank ich eine Flasche Wein. Dann heulte ich. Während ich Hughs Bettbezüge aus ägyptischer Baumwolle mit meinen Tränen tränkte, versuchte er mich zu trösten. Als das nichts half, besann er sich auf seine juristischen Fähigkeiten und griff zum Telefon. Als erstes rief er bei Hita Fine Arts an, doch dort war schon geschlossen. Dann wählte er die Nummer seines Büros und sagte einen Termin am folgenden Tag ab. Schließlich hörte ich ihn mit Yasushi Ishida, dem Antiquitätenhändler, sprechen, der mir in den drei Jahren, die ich nun schon in Japan lebte, immer wieder mit Rat und Tat beigestanden war. Ich hatte keine Ahnung, was Mr. Ishida zu Hugh sagte, das Gespräch wirkte aber so beruhigend, daß ich erschöpft einschlief.

Am nächsten Morgen wachte ich mit pochenden Kopfschmerzen auf. Mein erster Gedanke war: Meine Karriere ist ruiniert. Es gab nur einen Ausweg: Ich muß wieder zurück in die Vereinigten Staaten, meinen Namen ändern und mir ein neues Leben aufbauen, das nichts mit Antiquitäten und Japanern zu tun hat. Das alles jammerte ich Hugh vor, während wir wie immer gemeinsam unter die Dusche gingen.

»Zwei Millionen Yen sind weniger als siebzehntausend Dollar. Da habe ich letztes Jahr mehr Geld an der Börse verloren«, sagte Hugh, als er den Duschkopf auf Massagefunktion einstellte.

Ich drehte mich von dem unerbittlich herabprasselnden Wasser weg und keuchte: »Du verstehst das nicht! Ich habe insgesamt bloß zwanzigtausend Dollar fürs Geschäft. Jetzt muß ich an meine eisernen Reserven, um den Verlust auszugleichen.«

»Wenn du das machst, hast du überhaupt kein Geld mehr. Ich würde dir gern die Kommode abkaufen. Sie gefällt mir wirklich.«

»Nett, daß du mir das anbietest, aber danke, nein.« Ich wollte nicht, daß Hugh meinen Fehler ausbügelte; der Gedanke an den Fahrer des Transporters, der tags zuvor für mein kaputtes Rücklicht bezahlt hatte, bestärkte mich noch in meinem Beschluß.

»Egal, wir müssen das ja nicht jetzt entscheiden«, meinte Hugh. »Warte, bis Mr. Ishida sich die Kommode angeschaut hat. Am Telefon gestern abend hat er mir gesagt, du sollst versuchen, das Ding zurückzugeben.«

»Aber was ist, wenn Hita Fine Arts sie nicht zurücknimmt? Von einer Rückgabemöglichkeit war schließlich nicht die Rede.«

»Dann könntest du immer noch Mrs. Mihori gegenüber zugeben, daß die Kommode nicht so wertvoll ist, wie du gedacht hast. Vielleicht würde sie sie dir ja zum Schätzwert abnehmen. Dann wäre dein Verlust nicht ganz so hoch.«

»Nein! Sie kennt sich sehr gut aus und würde nie eine Fälschung kaufen. Schließlich ist sie Japanerin.«

»Genau wie der Typ, der dir die Kommode angedreht hat.« Hugh begann ganz ruhig, sich zu rasieren.

Darauf fiel mir nichts mehr ein. Ich seufzte laut und vernehmlich und knallte die Duschtür so heftig zu, daß die Seife herunterfiel.

 

Nachdem Hugh ins Büro gefahren war, ging ich ins Wohnzimmer, um mir die Kommode noch einmal anzuschauen – vielleicht hatte sich über Nacht ja etwas geändert. Doch der krumme Nagel schimmerte immer noch schwarz und unversöhnlich. Einen Augenblick lang hegte ich die Hoffnung, es möge sich bei der tansu-Kommode, die nun in Hughs Wohnung stand, um eine Kopie des Möbelstücks handeln, das ich in dem Laden geprüft hatte. Doch bei genauer Begutachtung kam ich zu dem Schluß, daß ich die Hoffnung begraben mußte.