Vorwort

Das Jahr 2017 ist zweifellos das symbolträchtigste in der jüngeren Geschichte des palästinensischen Volkes. Die vergangenen hundert Jahre sind voll von Enttäuschungen, gebrochenen Versprechen und nicht eingehaltenen Vereinbarungen. Aus der Erbmasse des Osmanischen Reiches wollten die arabischen Palästinenser ihren eigenen Staat aufbauen, in einem Territorium, das sie und ihre Vorfahren seit Jahrtausenden bewohnen und welches in verschiedenen Formen ihren Namen1 trug. Einen ebenfalls viele Jahrtausende zurückgehenden, großteils auf mystisch-religiöse Quellen beziehenden Anspruch auf dieses Land erhebt das jüdische Volk, das aber seit dem zweiten Jahrhundert n.u.Z. (Niederschlagung des dritten jüdischen Aufstandes durch das Römische Reich)2 keinerlei staatliche oder quasi-staatliche Präsenz mehr zustande gebracht hat.

Nach der Auflösung des Osmanischen Reiches stand also die Neuordnung großer Teile des Nahen und Mittleren Ostens auf der Tagesordnung. Die Hoffnungen der meisten regionalen Völker und Herrscher auf Selbstbestimmung wurden jedoch brutal – und wenn nötig auch mit militärischer Gewalt – den Interessen der beiden damals dominierenden europäischen Kolonialmächte England und Frankreich untergeordnet. Sowohl die Ambitionen der Palästinenser als auch jene der Juden mussten sich den Wünschen der neuen Herrscher fügen, wobei die Juden das »Spiel« der europäischen Eliten bei weitem besser beherrschten als die Araber.

Das Jahr 1917 wird in der jüngeren Geschichte des palästinensischen Volkes als entscheidendes Datum angegeben, da am 4. November der britische Außenminister Arthur James Balfour in einem Schreiben an den führenden Zionisten Baron Lionel Walter Rothschild namens der Regierung Ihrer Majestät den Anspruch des jüdischen Volkes anerkennt, in Palästina eine »nationale Heimstätte für das jüdische Volk« errichten zu können. Diese »Balfour-Deklaration« stellte einen zweifachen Rechtsbruch dar: Zum einen hatten die Briten – der Erste Weltkrieg war noch im Gange und Palästina noch Teil des Osmanischen Reiches – absolut keinerlei Verfügungsgewalt über diese Territorien, zum anderen setzte man sich völlig über die Interessen der überwiegenden Mehrheit der Bewohner Palästinas hinweg. Wenn man so will, also ein doppelter Betrug. Die kaltblütige Enteignung des palästinensischen Volkes hatte aber de facto bereits zwei Jahrzehnte zuvor, nämlich am 29. August 1897 am Zionistischen Weltkongress in Basel begonnen. Dort wurde die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina beschlossen, wobei die Rolle der dort lebenden Bevölkerung bei den Planungen der Zionisten keine besondere Rolle spielte.3 Die 20 Jahre zwischen Basel und der »Balfour-Deklaration« nutzte die äußerst einflussreiche zionistische Lobby, um bei den Mächtigen in der Welt für ihre Pläne zu werben. Am 4. November 1917 war es dann so weit, obwohl die rechtliche und faktische Voraussetzung, nämlich die Vernichtung des Osmanischen Reiches, noch nicht gegeben war. Man mandatierte sich in kolonialer Manier einfach selbst, genauso wie der britische Parlamentarier Mark Sykes und der französische Diplomat François Picot 1916 bereits den gesamten Orient zwischen England und Frankreich aufgeteilt hatten. Die Vereinbarungen der Sieger des Ersten Weltkrieges wurden dann auch den Pariser Friedensverträgen zugrunde gelegt. Der Völkerbund übergab Palästina im Jahr 1922 an Großbritannien. Die willkürliche und den Interessen der überwiegenden Mehrheit der betroffenen Bevölkerung völlig zuwiderlaufende Vorgangsweise ist in der einschlägigen Geschichtsschreibung hinlänglich beschrieben und diskutiert worden. In diesem Buch befasst sich Petra Wild ausführlich mit diesen kolonialistischen Machenschaften.

Die Zionisten hatten nie vor, die Palästinenser fair und gerecht zu behandeln

Es gibt unterschiedliche Einschätzungen, inwieweit die Zionisten bereit waren, die Interessen der indigenen Palästinenser bei ihren Plänen zu berücksichtigen. Es mag durchaus israelische Politiker gegeben haben, die nicht von Haus aus auf eine Vertreibung und Enteignung aus waren. Aus heutiger Sicht kommt man aber nicht umhin festzustellen, dass sich zumindest jene, die sich bereits in der Frühzeit der zionistischen Bewegung für ein möglichst scharfes und brutales Vorgehen aussprachen, durchsetzen konnten. Die heute in Israel regierenden Politiker sind allesamt Nachfolger der sogenannten revisionistischen Zionisten von Anfang des 20. Jahrhunderts. Deren Führer und Ideologe Vladimir (Zeev) Jabotinsky schrieb bereits 1923 in einem Artikel mit dem richtungsweisenden Titel »Die eiserne Wand«: »Die Palästinenser werden kämpfen, solange noch eine Hoffnung besteht …. Man muss die Kolonisierung gegen den Willen der palästinensischen Araber durchführen.«4 Radikale Rassisten wie Jabotinsky sind die Gründer jener Partei, die unter ihrem aktuellen Namen Likud seit Jahren die israelische Politik beherrscht. Wer sich die Äußerungen des gegenwärtigen Likud-Chefs und israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ansieht, erkennt unschwer das Vermächtnis der frühen Revisionisten. Netanjahu war 1993 im israelischen Parlament der Wortführer gegen die Osloer Grundsatzerklärung, hat sich wiederholt gegen die Zweistaatenlösung ausgesprochen und ist einer der stärksten Förderer der völkerrechtswidrigen Siedlungspolitik.5 Bemerkenswert und höchst alarmierend ist die Tatsache, dass es im israelischen Parlament inzwischen einige Parteien gibt, die weit rechts von Likud stehen.

Dass die israelische Linke den Palästinensern grundsätzlich freundlicher gegenübersteht, ist eine vor allem in Europa lange gehegte und gepflegte Ansicht, die aber einer kritischen historischen Analyse kaum standhält. Als Schüler von Bruno Kreisky, der wohl wie kein anderer europäischer Staatsmann der 1960er- bis 1980er-Jahre die israelische Politik und ihre Akteure aus nächster Nähe kannte, erinnere ich mich an einen oft gefallenen Satz über die israelische Politik, wonach der primäre Unterschied zwischen der israelischen Linken und Rechten hauptsächlich in der Wortwahl liege. Dazu einige Belege:

Der legendäre Staatsgründer Israels, David Ben Gurion, hat am 5. Oktober 1937, also mehr als zehn Jahre vor der Gründung des Staates der Juden, Folgendes an seinen Sohn Amos geschrieben: » Ich bin mir sicher, wir werden auch in allen anderen Teilen des Landes siedeln, sei es durch ein Abkommen und einem beidseitigen Verständnis mit unseren arabischen Nachbarn oder auf andere Weise. Wir errichten jetzt einmal einen jüdischen Staat, auch wenn er sich nicht über das ganze Land erstreckt. Der Rest wird mit dem Lauf der Zeit kommen. Er muss kommen.«6 Noch deutlicher äußerte sich Ben Gurion am 12. Juni 1938 vor der Exekutive der Jewish Agency: »Ich bin für zwangsweise Umsiedlung. Ich kann nichts Unmoralisches darin sehen.«7 Es gäbe noch zahlreiche ähnliche Aussagen führender israelischer SozialdemokratInnen der ersten Generation. Golda Meirs Statement »Ich kenne kein palästinensisches Volk« ist legendär.

Mit einem Wort: Die zionistischen Staatsgründer Israels dachten nie daran, eine faire und auf gleicher Augenhöhe abgeschlossene Vereinbarung mit den PalästinenserInnen abzuschließen. Für sie ging es in Wirklichkeit immer um alles, um Eretz Israel. Wie das Zitat Ben Gurions beweist, war auch ihre Zustimmung zur Zweistaatenlösung 1947 eine taktische.8 Parallel dazu hatte man bereits detaillierte Pläne, welche die massenweise Vertreibung der Palästinenser aus ihrer Heimat vorsahen.9

Eine ausführliche Einschätzung der Motive jener israelischen Sozialdemokraten, die Oslo verhandelt und abgeschlossen haben, würde den Rahmen dieses Vorwortes sprengen. Dennoch: Zu Shimon Peres‘ Opportunismus ist bereits viel geschrieben worden10, Jitzchak Rabin ist da schon etwas schwerer einzuschätzen. Er wäre eventuell tatsächlich jemand gewesen, der den revisionistischen Zionisten in den Arm hätte fallen können. Leider ließ die Geschichte dies nicht zu. Was allerdings bleiben wird, sind seine Befehle während der Intifada und sein Spruch: »Brecht ihnen die Knochen!«

Somit repräsentiert sich Israel heute als ein von radikalen Nationalisten, Rassisten und religiösen Fanatikern geführtes Land. In diesem Zusammenhang möchte ich besonders auf den Beitrag von Miko Peled hinweisen. Dieser hält seinem Land einen Spiegel vor, der eine fanatische und hasserfüllte Grimasse zeigt. Ob Israel seinen aggressiven und rechtswidrigen Weg fortsetzen kann, hängt sicherlich nicht ganz unwesentlich davon ab, inwieweit die internationale Staatengemeinschaft sich weiterhin von einem Staat, der Menschen- und Völkerrecht konsequent und andauernd negiert und offensiv verletzt, an der Nase herumführen lässt.

Israel, der Rechtsbrecher

Über das merkwürdige Verhältnis Israels zu den Vereinten Nationen sind bereits unzählige Bände gefüllt worden. An sich stellt es puren Zynismus dar, dass ein Land, das seine Existenz einem Beschluss der uno verdankt, ein durch und durch gestörtes Verhältnis zur Weltorganisation hat. Israel kritisiert in regelmäßigen Abständen die Einseitigkeit der uno und ihrer Organisationen, die sich mit Israel so oft wie mit keinem anderen Land beschäftigten. Dies ist tatsächlich der Fall; was Israel und seine Lobby dabei unerwähnt lassen, ist die Tatsache, dass es kein un-Mitglied gibt, welches derartig oft und provokant nachhaltig un-Beschlüsse ignoriert.

Dass fast alle derartigen Beschlüsse keine Konsequenzen nach sich ziehen, ist der nahezu kritiklosen Unterstützung seitens der usa bei Abstimmungen im un-Sicherheitsrat zuzurechnen. Ob sich das in näherer Zukunft ändern wird, ist angesichts der Unberechenbarkeit der Trump‘schen Administration schwer einzuschätzen. Die bisherigen politischen Signale, vor allem aber die israelbezogenen Personalentscheidungen in Washington, machen eine radikale Veränderung mehr als fraglich.

Der jüngste Zwischenfall bezüglich einer Studie der un-Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien escwa hat wieder einmal ein deutliches Schlaglicht auf die Machtverhältnisse gerichtet. Der Bericht »Israels Vorgehen gegen das palästinensische Volk und die Frage der Apartheid« war gerade fertiggestellt und daher auch kaum noch bekannt, da forderten Israel und die usa bereits die Entfernung der Studie von der Webseite von escwa. Man lehnte – wie immer bei derartigen Fällen – eine inhaltliche Diskussion ab und griff zur Zensur. Der soeben erst ins Amt gekommene sozialdemokratische portugiesische un-Generalsekretär beugte sich, nicht so die Direktorin von escwa; diese trat von ihrem Posten zurück.

Der Vorfall reiht sich in eine lange Reihe von Zensur- und Disziplinierungsmaßnahmen ein. Damit sollen un-MitarbeiterInnen unter Druck gesetzt und eine kritische Diskussion verhindert werden. Dass Israel – übrigens wie auch sein Mentor usa – manche un-Organisationen boykottiert und diskreditiert, bis hin zum Internationalen Gerichtshof, passt da ins Bild.

Einer der Autoren der genannten Apartheidstudie, der frühere un-Palästina-Berichterstatter Richard Falk, befasst sich in einem ausführlichen Beitrag mit seinem Erfahrungen in und mit der uno, vor allem behandelt er die seit Jahren geführte Debatte über Vergleichbarkeiten und Ähnlichkeiten zwischen dem südafrikanischen Apartheidsystem und den Unterdrückungsmechanismen Israels gegenüber der palästinensischen Bevölkerung. Er kommt zu dem kaum überraschenden Ergebnis: die Unterdrückung und Entrechtung der PalästinenserInnen in Israel und in den von Israel besetzten/kontrollierten Gebieten ist dem seinerzeitigen südafrikanischen Apartheidsystem sehr ähnlich, in manchen Bereichen übertrifft sie dieses sogar!

Die Palästinenser: orientierungslose Führung, aber aktive und aufmüpfige Jugend

Die palästinensische Politik ist seit Jahren durch eine weitgehende Orientierungs- und Führungslosigkeit charakterisiert. Dafür ist einerseits die nach wie vor herrschende Spaltung zwischen Hamas und Fatah verantwortlich, aber auch interne Querelen und Positionskämpfe sowie die seit dem »Arabischen Frühling« herrschenden innerarabischen Differenzen und Konflikte. Der sehr oft bei Diskussionen dahingesagte Satz, wonach die Palästinenser die ersten Opfer des »Arabischen Frühlings« seien, da die arabische Solidarität und Unterstützung deutlich nachgelassen haben, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Natürlich war es zu erwarten, dass ein derartig tiefgreifender gesellschaftspolitischer Konflikt, wie es der »Arabische Frühling« war, auch das palästinensische Volk, seine Parteien und Gruppierungen sowie auch seine politische Führung in seinen Bann ziehen wird. Und dann ist es auch verständlich, dass kriegerische Konflikte wie jene in Libyen, Syrien, Irak und Jemen, um nur die größten Krisenherde zu nennen, von der jahrzehntelangen Dauerkrise in Palästina ablenken. Somit ist die Feststellung vom ersten Opfer also durchaus zutreffend, zudem Israel es geschickt ausnützt, die innerarabischen/innerislamischen Differenzen zu seinen Gunsten auszunützen.

Wir haben bei der Auswahl der palästinensischen AutorInnen für dieses Buch darauf geachtet, Stimmen aus den unterschiedlichsten Generationen, politischen und beruflichen Positionen zu finden. Es ist uns – so glaube ich – durchaus gelungen und die Beiträge geben äußerst interessante Einblicke in die Denk- und Arbeitsweisen unterschiedlicher palästinensischer Akteure. Eines fällt sogleich auf: Die Beiträge von jüngeren, zumeist in der Zivilgesellschaft tätigen AutorInnen sind im Ton kritischer und – das mag jetzt überraschen – optimistischer. Dies trifft auf jeden Fall auf die Artikel von Omar Barghouti, dem Gründer der inzwischen weltweit aktiven bds-Bewegung, und Tariq Dana von der Birzeit-Universität zu. Die beiden wie auch die Ökonomin Nur Arafeh, die sich mit der wirtschaftlichen Situation in den besetzten Gebieten befasst, repräsentieren eine gut ausgebildete, aktive und – im besten Sinn des Wortes – unangepasste Generation. Es ist jene Generation, der Roger Heacock, jahrzehntelang Professor in Birzeit, den man längst als »Herzenspalästinenser« bezeichnen kann, in seinem detailreichen Aufsatz über den Widerstand des palästinensischen Volkes ein Denkmal setzt. Die Situation in Palästina ist also höchst kompliziert und gefährlich. Aber es gibt ihn noch und wieder, den Geist des Widerstandes und der Standhaftigkeit, des »sumud«. Auch die Beiträge der etablierteren Autoren Salah Abdel Shafi, Nasser al-Kidwa und Rashid Khalidi sehen Hoffnung und Perspektiven. Trotz 100 Jahren des Betrogen-, Hintergangen- und Vertröstetwerdens hat das palästinensische Volk seine Identität nicht verloren und seine Ziele nicht vergessen.

Somit möchte ich mich zum Abschluss beim Promedia Verlag bedanken, dass er mir ermöglichte, mein drittes Buch zu meinem wichtigsten Forschungs- und Aktionsgebiet Palästina herauszubringen. Für mich war es einfach unvorstellbar, zu diesem Gedenkjahr kein Buch zu diesem Thema zu veröffentlichen. Herzlicher Dank also an meinen Verleger und Freund Hannes Hofbauer, der auch in seiner üblichen peniblen Weise das Lektorat besorgt hat, und an Stefan Kraft, der für Grafik und Produktion zuständig war. Ich habe auch bewusst überwiegend AutorInnen aus dem nicht-deutschsprachigen Raum eingeladen, denn die Diskussionen und Auseinandersetzungen in Deutschland und Österreich laufen angesichts der besonderen historischen Situation und auch einer sehr aktiven und bei ihren Methoden nicht wählerischen Israel-Lobby nicht immer so offen und demokratisch ab wie in anderen Staaten. In der Schweiz ist die Situation als »Nicht-Täterland« schon etwas entspannter. Somit bleibt mir noch der Dank an die ausgezeichneten und engagierten ÜbersetzerInnen Magda und Ibrahim Assem, Kerstin Dohnal, Regina Elias und Gregor Kneussel. Möge dieses Buch das Wissen über und das Verständnis für den nun bereits einhundertjährigen Kampf des palästinensischen Volkes um Unabhängigkeit und Selbstbestimmung verbessern.

Fritz Edlinger
Wien, im August 2017

1. Der Name leitet sich von dem Volk der Philister ab, einem Seefahrer-Volk, welches diese Region bereits im ersten Jahrtausend v.u.Z. bewohnte und beherrschte. Assyrische Texte des 8. Jahrhunderts v.u.Z. bezeichneten die Region als »Palastu«. Im 5. Jahrhundert v.u.Z. nannte der griechische Historiker Herodot den Küstenstreifen zwischen Phönikien (Levante) und Gaza »Syria palaistine«. Aus dem griechischen »Palaistine« wurde dann das lateinische »Palaestina«. Auch in der um 200 v.u.Z. in Alexandria entstandenen jüdisch-griechischen Bibelübersetzung »Septuaginta« wird diese Bezeichnung gewählt. In der römischen Zeit wurde diese Bezeichnung ebenfalls immer wieder verwendet, im Osmanischen Reich war Palästina Teil der Provinz »Cham« (Syrien), für die Bezeichnung des britischen Völkerbundmandats nach 1922 wurde wieder der historische Name gewählt.

2. Die Zerstörung Jerusalems durch die Truppen von Kaiser Hadrian erfolgte nach der Niederschlagung des Bar-Kochba-Aufstandes 135 n.Chr. (Der Zweite Tempel war bereits im Jahr 70 am Ende des ersten jüdischen Krieges zerstört worden.) Danach zerstreute sich das jüdische Volk nahezu über die ganze Welt. Jüdische Spuren finden sich in weiten Teilen Asiens und Europas. Die nahezu 2000 Jahre währende Geschichte des jüdischen Volkes zwischen der Vertreibung aus Palästina und der Entstehung des Zionismus beschreibt der israelische Historiker Shlomo Sand in seinem Aufsehen erregenden Buch »Die Erfindung des jüdischen Volkes«. Empfehlenswert in diesem Zusammenhang ist auch das Buch »Der dreizehnte Stamm. Das Reich der Khasaren und sein Erbe« von Arthur Koestler.

3. Zum Zeitpunkt des Zionistenkongresses lebten 47.000 Juden (9,4%) und 453.000 arabische Palästinenser (90,6%) in Palästina. Das Land gehörte zu 99,5% den Palästinensern. Aus: A Survey of Palestine – Prepared in December 1946 and January 1947 for the Information of the Anglo-American Committee of Inquiry. Jerusalem 1946. Zitiert nach: Walter Hollstein, Kein Frieden um Israel. Zur Sozialgeschichte des Palästina-Konflikts. Wien (Promedia) 1984.

4. »Die eiserne Wand«, veröffentlicht am 4. November 1923 in der in Paris erscheinenden russischsprachigen Zeitschrift Razsviet. Übrigens übernahm Avi Schlaim, kritischer israelischer Historiker, der der Gruppe der »neuen israelischen Historiker« zugerechnet wird, für sein umfangreiches Werk über die Geschichte Israels den Titel »Iron Wall«.

5. Legendär ist der 2014 auf YouTube veröffentlichte Mitschnitt eines Gesprächs von Netanjahu mit israelischen Siedlern im Jahr 2001, in dem er sich – ganz in Inhalt und Ton der rechtsradikalen Siedler – gegen die Zweistaatenlösung, für die Ausweitung der Siedlungen und für möglichst harte Schläge gegen die Palästinenser ausspricht.

6. Avi Schlaim, The Iron Wall. London 2000, S. 21

7. Ilan Pappe, The Ethnic Cleansing of Palestine. Oxford 2007, S. 9

8. Simcha Flapams wieder aufgelegtes Buch »Die Geburt Israels. Mythos und Wirklichkeit« bietet eine ausgezeichnete Schilderung der Gründungsjahre Israels aus der kritischen/selbstkritischen Sicht eines linkssozialistischen Zionisten. Auf Seite 50 der Originalausgabe findet sich zur un-Teilungsresolution Folgendes: »Das Ja zur un-Teilungsresolution war also, kurz gesagt, ein Paradebeispiel für zionistischen Pragmatismus. Es war eine taktische Billigung eines Kompromisses, in dem man einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung sah, ein Sprungbrett für eine weitere Expansion, sobald die Bedingungen dafür günstig waren.«

9. Siehe dazu die Beschreibungen in Ilan Pappes Buch »Die ethnische Säuberung Palästinas«, Kapitel 4 und 5.

10. Siehe dazu die kritische Biografie einer jungen israelischen Sozialwissenschaftlerin: Tamar Amar-Dahl, Shimon Peres. Friedenspolitiker und Nationalist. Paderborn (Schöningh Verlag) 2010.