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Torsten Nicolaisen

Einführung in das systemische Lerncoaching

2017

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Erste Auflage, 2017

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Carl-Auer Verlag GmbH

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Inhalt

1Einleitung

2Zum Begriffsfeld »Coaching – Systemik – Lernen«

2.1Coaching

Arbeitsweise beim Coaching

Professionalisierung von Coaching

Erste Annäherung an den Begriff »Lerncoaching«

Lerncoaching oder Schülercoaching?

2.2Systemik

Begriffe systemischen Denkens

Personzentrierte Systemik

Konstruktivistische Perspektiven

2.3Lernen aus systemisch-konstruktivistischer Sicht

Wandel der Lernkulturen

2.4Systemisches Lerncoaching – eine definitorische Annäherung

3Selbstkompetenz des Lerncoachs

3.1Selbstbeziehung entwickeln

Kontakt zum Selbst herstellen

Bedürfnisse anerkennen

Sich selbst wertschätzen

Innere Vielheit entdecken

3.2Nähe-Distanz-Regulation aufbauen

Das Helfersyndrom – freundlicher Unterstützer oder heimlicher Saboteur?

3.3Konstruktiven Umgang mit Emotionen entwickeln

3.4Persönliche Haltung als wirksam erkennen

Exkurs Lehrergesundheit

4Art und Weise der Kommunikation

4.1Kommunikationsschleifen gestalten

Achtsames Kommunizieren

Embodied communication

4.2Rolle und Erwartungen klären

4.3Gespräche strukturieren

Phase 1: Thema erfassen, Fokus festlegen

Phase 2: Ziel erarbeiten und formulieren

Phase 3: Ressourcen entdecken, Lösungsschritte erarbeiten

Der Coachingprozess als Abfolge mehrerer Sitzungen

4.4Gesprächsbausteine anwenden

Aktives Zuhören

Zusammenfassen und Spiegeln

Pausen zulassen

Nonverbal kommunizieren

4.5Auf die Eigensprache eingehen

4.6Wertschätzung und Neugier aufbringen

Sprachsensibilität statt Zuschreibungen

5Lernprozesse begleiten

5.1Entdecken von Details im subjektiven Erleben

Willentliches und unwillkürliches Erleben

Subjektive Bedeutungen

5.2Motivation fördern

Bedürfnisse einbeziehen

Motive klären

Ziele formulieren

Handlung vorbereiten

Handlungsschritte ressourcenfokussierend aufarbeiten

5.3Emotionen einbeziehen

Affektlogik – Emotion und Kognition

Umgang mit Emotionen

Arbeit mit Emotionen: Embodiment

Arbeit mit Emotionen: Imagination

Arbeit mit Emotionen: Metaphern

Selbstwirksamkeit durch Beeinflussen des emotionalen Erlebens

5.4Auf Ressourcen fokussieren

Aufmerksamkeitsfokussierung

Drei Schritte in der Ressourcenarbeit

Ressourcenorientierte Lernkultur

5.5Lernstrategien erarbeiten

Lernstrategiekategorien und ihre Unterkategorien

Metaposition: Sich zum eigenen Lernen in Beziehung setzen

Lernstrategien im Kontext von willentlichen und unwillkürlichen Prozessen

5.6Selbst reguliertes Lernen unterstützen

Selbst reguliertes Lernen

Kommunikation über selbst reguliertes Lernen

5.7Unterschiede bilden

Schrittfolge zur Arbeit mit Unterschiedsbildung

5.8Lösungslosigkeit nutzen

Gewahrwerden der Verstehensgrenze

Von der Ratschlagskultur verabschieden

Instruktion als mechanistische Illusion

6Der Blick auf Kontexte

6.1Kontextsensibilität

6.2Lerncoaching als Beratungssystem

Kybernetik zweiter Ordnung

6.3Individuelle Ebene

Übergänge im Identitätserleben

6.4Das unmittelbare soziale Umfeld

Elterngespräche

6.5Organisationale Ebene

Umsetzung von Lerncoaching

6.6Gesellschaftliche Ebene

Übergänge im Lebenslauf

Lehrerausbildung

Literatur

Über den Autor

1 Einleitung

Der vorliegende Band stellt die Grundzüge einer Form von Coaching dar, welche auf die Begleitung von Lernprozessen ausgerichtet ist. Solches Lerncoaching ist systemtheoretisch begründbar. Im Fokus stehen sowohl das innere Erleben des Lernenden als auch das interaktionale Geschehen zwischen dem Coach und dem Schüler1. In der Praxis bezieht sich Lerncoaching deutlich auf Vorgehensweisen aus den Feldern systemischer Beratung.

»Lernen« kann als komplexes Geschehen begriffen werden. Es lässt sich weder auf eine lineare Verarbeitung von Information noch auf ein Input-Output-Modell reduzieren. Vielmehr findet es in den vielfältigen Wechselwirkungen von Interaktion und subjektivem Erleben statt. Entsprechende Hinweise finden sich in Ansätzen konstruktivistischer Didaktik (Reich 2008) sowie in den Neurowissenschaften (Roth 2011). Vor diesen Hintergründen zeichnet sich ab, dass Lernen nicht als eingleisige »Stoffvermittlung« instruierbar ist.

Eine Lernbegleitung, die solche Aspekte berücksichtigt, erfordert eine entsprechende Haltung aufseiten des Lernbegleiters sowie darauf aufbauende Kommunikationsweisen und Interventionen.

Die unmittelbare Praxis in pädagogischen Feldern ist längst nicht mehr auf pure Wissensvermittlung zu reduzieren und befindet sich im Wandel (Holzapfel 2012). Darüber hinaus fordert die zunehmende soziale Komplexität in der Wissensgesellschaft den Erwerb von Lernkompetenz (Arnold 2015). Darin geht es primär um ein Wie-wird-gelernt und weitaus weniger um ein Was-wird-gelernt.

Diese Situation beschreiben Lehrpersonen oftmals als herausfordernd, mitunter sogar als überfordernd. Das bisherige Selbstverständnis, auf fachbezogener Ebene Lösungen zu liefern und gut gemeinte Ratschläge zu geben, kommt an eine Grenze. Vielfach wird gesagt, dass es aufseiten der Lehrenden ein höheres Maß an Beratungskompetenz brauche. Daran wird deutlich, dass sowohl in schulischen Kontexten als auch in Aus- und Weiterbildung statt eines »Mehr desselben« eher ein »Etwas anderes« nötig ist.

Ausbildungsbetriebe, Schulen und weitere Bildungseinrichtungen sind mit der Frage konfrontiert, welches konkrete Handeln der einzelnen Lehrperson sich auf ein kompetentes Lernen förderlich auswirkt. Solche Fragestellung ergibt sich beispielsweise bei folgenden Stichworten:

Individuelle Förderung: Mit dem Blick auf eine heterogene Lernerschaft und die Forderung nach Bildungsgerechtigkeit rücken Formate zur individuellen Förderung in den Fokus der Aufmerksamkeit (vgl. Fischer 2014). In den einzelnen Bundesländern sind sie unterschiedlich institutionell verankert (z. B. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen 2005, § 1; oder Behörde für Schule und Berufsbildung 2010, § 3). Überlegungen zu strukturellen Maßnahmen und methodischen Instrumenten gehen einher mit einem veränderten Rollenverständnis der Lehrperson. Sie wird nun außer in der Funktion als Wissensvermittler auch als Lernberater gesehen.

Selbst reguliertes Lernen: Konzepte zum selbst gesteuerten individualisierten und kompetenzorientierten Lernen finden eine verbreitete Anwendung. Schüler sollen zum Planen, Durchführen und Überprüfen des eigenen Lernprozesses angeleitet werden. Dies erfordert eine Art von Lernbegleitung, die der eigenständigen Selbstorganisation mehr Raum gibt. Dazu gehört auch der Umgang mit emotionalen Lagen (z. B. mit Prüfungsangst oder Frustration).

Lernzeiten: In Ganztagsschulen sowie in gymnasialen Schulformen wird u. a. anlässlich von Schulzeitverkürzungen (G 8) überlegt, wie sich sogenannte Lernzeiten nutzen lassen (vgl. Gerken 2014). Sie beinhalten oftmals mehr als eine herkömmliche Hausaufgabenbetreuung oder inhaltliche Förderangebote. Schüler sollen individuell in der Selbststeuerung ihres Lernens unterstützt werden. In diesem Zusammenhang agieren Lehrpersonen in lernberatender Funktion.

Begabtenförderung: Zum Zweck der Förderung von (Hoch-) Begabten und Begabungen liegen mittlerweile unterstützende Maßnahmen vor (z. B. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen 2017; Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst o. J.). Schulpsychologische Testungen sollen Gewissheit geben und Handlungsrichtungen aufzeigen. Darüber hinaus sind die begleitenden Lehrpersonen gefordert, weitere Fördermaßnahmen dialogisch zu erarbeiten. Gespräche mit dem einzelnen Lernenden und seinen Eltern gestalten sich anspruchsvoll.

Übergänge: Die Gestaltung von Übergängen (z. B. von der Schule ins Studium) wirft angesichts von hohen Wechsel- und Abbruchsquoten Fragen nach einer angemessenen Begleitung auf. Die Auswirkung solcher Phasen auf das individuelle Lernen wird oftmals nicht berücksichtigt. Junge Menschen sind angesichts einer hohen gesellschaftlichen Komplexität (inklusive der Social Media) herausgefordert, ihre künftige Lebensgestaltung zu planen. Modelle zur Berufs- und Studienorientierung bieten auf der strukturellen Ebene Unterstützung (Bäcker u. Meetz 2016). Sie können jedoch erst dann ihre Wirkung entfalten, wenn die Lehrperson über entsprechende Beratungskompetenz verfügt.

Hochschuldidaktik: Zum Zweck einer erfolgreichen Lernförderung widmen sich auch hochschuldidaktische Konzepte der individuellen Lernbegleitung. Sie beziehen sich in besonderem Maß auf die MINT-Fächer und betreffen nicht nur fest angestellte Dozenten, sondern ebenso Tutoriumsleiter (Friedewold, Nicolaisen u. Schnieder 2015). Des Weiteren stellen Konzepte einer agilen Hochschuldidaktik neue Rollenanforderungen an Dozierende (Arn 2016).

Berufliche Aus- und Weiterbildung: Die Auswirkungen des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels geben Anlass, neue Herangehensweisen für berufliches Lernen zu erproben. Dies gilt sowohl für junge Berufseinsteiger als auch für Arbeitnehmer in fortgeschrittenen Lebensphasen. Somit ergeben sich Fragen nach einer angemessenen Lernprozessbegleitung. Berufsbildende Schulen befassen sich mit der Individualisierung, um einer Heterogenität im Unterricht zu begegnen (Tredop u. Schwartz 2011).

Systemisches Lerncoaching begegnet diesen Herausforderungen. Es erweitert das Spektrum von Lernbegleitung sowie unterrichtlichem Handeln. Zu diesem Zweck verbindet es Modelle und Vorgehensweisen aus den Feldern systemischer Beratung (von Schlippe u. Schweitzer 2012) und des Coachings (Birgmeier 2009; König u. Volmer 2009) mit Erkenntnissen aus der pädagogischen Psychologie (Schnotz 2009) und der angewandten Motivationspsychologie (Storch u. Riedener-Nussbaum 2011). Verschiedene Ansätze von Gesprächsführung sind im Lerncoaching integriert (Nicolaisen 2013a). Diese Verknüpfung bietet für Lehrpersonen Möglichkeiten, ihre Handlungskompetenz in Richtung Coaching zu erweitern.

Das vorliegende Konzept basiert auf langjährigen Erfahrungen, die der Autor in verschiedenen Bildungsbereichen in Bezug auf Lerncoaching hat sammeln können: zunächst als Lerncoach in der Arbeit mit Schülern; weiterhin als Ausbilder im Rahmen von Qualifizierungskursen diverser Landesinstitute für Lehrerfortbildung wie auch an pädagogischen Hochschulen, als Seminarleiter im Rahmen von zahlreichen Fortbildungen für Lehrpersonen einzelner Schulen, als Dozent in der Erwachsenenbildung sowie im universitären Fachcoaching; weiterhin als systemischer Organisationsberater in den Feldern von Schul- und Organisationsentwicklung. In all diesen Bildungsbereichen tauchen die gleichen Muster auf:

• das Fixiertsein auf die fachlichen Inhalte

• Lehrende, die mit ihrer Ratschlagskultur an ihre Grenzen gelangen

• ein Nichtbeachten der eigenen Selbstbeziehung

• der stete Druck, allen gerecht werden zu wollen

• ein großes Maß an Ratlosigkeit, wie den Lernenden in ihren emotionalen Welten begegnet werden könnte.

Dieser Text will zu einem Paradigmenwechsel beitragen, der die Haltung und ein daraus entstehendes Agieren von Lehrpersonen als maßgeblichen Faktor in der Lernbegleitung beschreibt. Im Coaching-Kontext wird dieser Faktor sichtbar.

Systemisches Lerncoaching stellt ein eigenständiges Format von Lernbegleitung dar. Es kann jedoch auch als anregender Impuls dienen, über scheinbare Selbstverständnisse in pädagogischen Arbeitsfeldern zu reflektieren.

Das Buch zeigt Bezugspunkte einer Lerncoachingpraxis auf und liefert theoretische Grundüberlegungen. Einleitend wird das Begriffsfeld »Coaching – Systemik – Lernen« erläutert. Vor dieser Folie werden in den weiteren Kapiteln Aspekte des Wirksamseins von Lehrpersonen in ihrer Rolle als Coach eingehend betrachtet:

• die Selbstkompetenz des Lerncoachs

• die Art und Weise der Kommunikation

• das Begleiten von Lernprozessen

• der Blick auf Kontexte.

Im Einzelnen:

Die Selbstkompetenz des Lerncoachs: Systemisches Lerncoaching lädt Lehrpersonen dazu ein, die eigene innere Haltung, mit der den Lernenden begegnet wird, in den Blick zu nehmen. Denn diese Haltung hat massive Auswirkungen sowohl in der Kommunikation mit dem einzelnen Lernenden als auch auf der Ebene der Selbstbeziehung. Je mehr Respekt und Akzeptanz ein Coach für sich selbst erarbeitet, desto souveräner wird er im Umgang mit herausfordernden Situationen.

Die Selbstkompetenz des Lerncoachs umfasst verschiedene Aspekte: den konstruktiven Umgang mit eigenen Emotionen, das Wahrnehmen eigener Bedürfnisse, die Auseinandersetzung mit eigenen Anteilen sowie das Akzeptieren der eigenen Grenze. In der praktischen Anwendung leisten diese Aspekte darüber hinaus wichtige Beiträge zur Gesundheit von Lehrtätigen.

Die Art und Weise der Kommunikation: Die Eigenart, in der der Lernbegleiter kommuniziert, denkt und fühlt, ist Bestandteil des Lernprozesses der Schüler. Daher ist es für den Lerncoach erforderlich, sich der eigenen Kommunikationsmuster bewusst zu sein. In der Lernbegleitung wirken sich einige davon förderlich und andere hinderlich aus – dies gilt sowohl für die verbale als auch für die nonverbale Ebene.

Es dient der Kommunikation, wenn Rollen und Erwartungen geklärt sind. Weiterhin empfiehlt sich eine personzentrierte Art der Gesprächsführung. Lerncoaching verlangt einerseits eine klare Gesprächsstruktur und andererseits einen flexiblen Einsatz verschiedener Gesprächsbausteine. Allerdings werden diese Kommunikationsweisen nicht als Gesprächstechnik verstanden, sondern als qualitative Dimension von Interaktion, die von einer wertschätzenden und respektvollen Haltung getragen ist.

So liefert beispielsweise die idiolektische Gesprächsführung ein Konzept, das es ermöglicht, optimal auf die Eigensprache des Gegenübers einzugehen. Vorgehensweisen aus diesem Ansatz zeigen ihre unterstützende Wirkung besonders auf der motivational-emotionalen Ebene von Lernprozessen.

Lernprozesse begleiten: Jegliches Lernen findet im Kontext eines subjektiven Erlebens statt. Dieses Erleben ist verwoben mit Emotionen, aktuellen Bedürfnissen und lernbiografischen Erfahrungen. Solche Faktoren beeinflussen massiv kognitive Prozesse. Damit lassen sich Lernvorgänge nicht auf eine rational-lineare Informationsverarbeitung reduzieren. Es obliegt dem Lerncoach, sich an die Details im subjektiven Erleben des Lernenden anzudocken. Dies geschieht im Dialog und kommt häufig einer Entdeckungsreise gleich.

Auf solcher Basis ist es möglich, Motivation zu fördern. Anhand des Rubikon-Modells (s. Abschn. 5.2) werden Phasen im Motivationsprozess sowie Interventionen aufgezeigt. Nicht nur in diesem Kontext spielen Emotionen eine große Rolle. Sie haben einen erheblichen Einfluss auf Lernprozesse und Gedächtnisleistungen. Daher bezieht Lerncoaching insbesondere die emotionalen und die damit verbundenen somatischen Anteile in die Arbeit ein. Gefühle lassen sich verändern. Am Beispiel von Prüfungsangst wird dargestellt, wie ein konstruktiver Umgang mit Emotionen entwickelt werden kann. Dazu leistet der Fokus auf Ressourcen gute Dienste.

Beim Lerncoaching werden individuell passende Lernstrategien erarbeitet. Sie stehen bisweilen in unmittelbarer Verbindung zum selbst gesteuerten Lernen. Die Coachingperspektive unterstützt den Zuwachs an Selbstkompetenz.

Gemäß systemischen Annahmen unterliegen Lernprozesse Fühl-Denk-Verhalten-Mustern. Ein einzelnes Muster ist schrittweise durch das Bilden von Unterschieden veränderbar. In diesem Zusammenhang mag der Coach mitunter herausgefordert sein, Pausen und Lösungslosigkeit auszuhalten. Denn sie sind integraler Bestandteil des Lerncoachingprozesses.

• Der Blick auf Kontexte: Kontextsensibilität kann als basale Kompetenz für die systemische Arbeit gesehen werden. Sie bezieht sich auf mehrere Ebenen: den Kontext des inneren Erlebens aufseiten der Lernenden, das interaktionale Geschehen im Coachinggespräch, die unmittelbaren Begebenheiten im sozialen Umfeld und den institutionell-kulturellen Kontext.

Die Coachingsitzung ist als eigenständiges Beratungssystem zu verstehen. Äußere Einflussfaktoren wie z. B. das Verhalten von Eltern oder schulische Vorgaben können im systemischen Lerncoaching thematisiert werden. Gegebenenfalls empfiehlt es sich, Eltern zu einem gesonderten Gespräch einzuladen.

Ein Coachinganlass mag auch aus dem weiteren gesellschaftlichen Umfeld entstehen: Übergänge im Lebenslauf bieten besondere Herausforderungen für den Lernenden. Ein Wandel im Identitätserleben trifft auf gesellschaftliche Anforderungen.

Über die unmittelbare Arbeit mit dem Lernenden braucht Lerncoaching eine Einbindung in den pädagogischen bzw. betrieblichen Alltag. Somit rückt die Organisation als Gesamtgefüge in den Blick. Darüber hinaus ist die Coachingtätigkeit von weiteren Faktoren beeinflusst, die nur indirekt in Verbindung zu ihr stehen. Exemplarisch wird dies mit Blick auf die Lehramtsausbildung gezeigt. Dort werden bisweilen Fühl-Denk-Verhaltens-Muster gelernt, die einer systemisch-konstruktivistischen Coachinghaltung scheinbar diametral entgegenstehen. Damit hat auch dieser Kontext einen Einfluss auf das Agieren des Lernbegleiters im Coaching.