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Nr. 2967

 

Das zweite Terra

 

Sie behüten eine paradiesische Welt – und werden von seelenlosen Gegnern angegriffen

 

Michael Marcus Thurner

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Die Inseln vor dem Wind

2. Die PIÈ BONMARCHAL

3. Tauchphase

4. Die viel zu große Station

5. Eine Nicht-Unterhaltung

6. Die Nachricht

7. Thyellos Untiefen

8. Der Beginn vom Ende

9. Die Vorbereitungen

10. Gäste auf Trowno

11. Täuschungsmanöver

12. Der Kampf der BABA JAGA

13. Kampf um die PIÈ BONMARCHAL

14. Die Sirene

15. Letzte Vorbereitungen

16. Das letzte Gefecht

17. Neue Erkenntnisse

18. Vater und Sohn

19. Der Ritt auf der Sirene

20. Im Untergrund

21. Die Retter

Nachruf Andreas Findig

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Die VOHRATA

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodan hat nach wie vor die Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben.

Unterschwellig herrschen zwar Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, Besucher aus anderen Galaxien suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten.

Derzeit machen vor allem die Thoogondu aus der Galaxis Sevcooris von sich reden, die vor Jahrzehntausenden ein Sternenreich in der Milchstraße hatten. Dazu gesellen sich die Gemeni, die angeblich den Frieden im Auftrag einer Superintelligenz namens GESHOD wahren wollen.

Ohne Vorwarnung erobern die fürchterlich aussehenden Xumushan das Sonnensystem und besetzen die Erde – diese Invasion ist allerdings eine reine Erfindung des Techno-Mahdi. Aber welches Ansinnen steckt dahinter?

In all diesen Turbulenzen denkt kaum jemand an einen Planeten, der Teil eines Langzeitplans ist. Mit unendlicher Sorgfalt entsteht in den Weiten der Milchstraße DAS ZWEITE TERRA ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Gurumul Zierotin – Ein Hüter sorgt für das zweite Terra.

Magnus Rohoff – Der Kommandant sorgt sich um seine Leute.

Aimare Tournefort – Die Stellvertretende Kommandantin lernt eine Sirene kennen.

Perry Rhodan – Der Terraner steht mit der RAS TSCHUBAI vor Terra.

1.

Die Inseln vor dem Wind

 

Das Universum war groß und weit, die Probleme ebenso.

Na und?

Wen interessierte es, wenn wieder einmal irgendwelche Eroberer, Kosmotarchen, planetenverschlingende Wesen oder Entitäten aus anderen Dimensionen darauf aus waren, die Milchstraße zu erobern? Perry Rhodan oder ein anderer Zellaktivatorträger würde sich gewiss darum kümmern, dass nichts geschah.

Gurumul Zierotin zuckte mit den Achseln. Er hatte genügend andere Sorgen. Er musste sich um seine Welt kümmern.

Er stützte sich auf den Wanderstab und drückte fest zu. Die Spitze drang zentimetertief in den Untergrund ein. Sie maß die chemische Beschaffenheit der Krume, nahm mikrobiologische Proben und tastete mit all ihren feinen Fühlern nach Insekten, die der Stab daraufhin in aller Eile sezierte.

Der Säuregehalt war zu hoch. Noch. Das würde sich während der nächsten drei bis vier Planetenjahre ändern. Die Pflügeroboter arbeiteten unaufhörlich an jenem Problem, mit dem Zierotin auf jedem anderen Inselatoll in Sektor Acht konfrontiert gewesen war. Die semiautarken Maschinen gruben um, schredderten Gestein, legten neue bakterielle Kulturen an. Ihre Arbeit basierte auf jahrtausendealten Erfahrungswerten.

»Sieht gut aus, Radi«, sagte Zierotin, der Weltenhüter. »Bald ist es so weit für die Makrobiologie.«

»Sieht gut aus, sieht gut aus!«, äffte der Wanderstab seine Stimme nach. »Pftui! Pftui! Lös mich gefälligst aus diesem widerlichen Untergrund!«

»Du bist unausstehlich wie immer, Radi.«

»So wie du selbst. Du warst es ja, der mir meinen Charakter gegeben hat.«

»Ich wollte einen Begleiter auf meinen Reisen, der mich nicht ständig mit übertrieben guter Laune beglückt. Du aber bist unausstehlich, und das vierundzwanzigeinhalb Stunden am Tag.«

Zierotin zog den sprechenden Wanderstab aus dem Erdreich, und dieser gab ein wohliges Seufzen von sich.

»Pech gehabt«, sagte Radi. »Aber wenn du möchtest, kannst du jederzeit ein anderes Instrument eichen und statt meiner einsetzen.«

»Du weißt, dass das so gut wie unmöglich ist.« Zierotin ließ den Wanderstab los. Der schwebte neben ihm her, während er auf den Arbeitsgleiter zuging. »Du hast Wissen und Erfahrungswerte angehäuft. Es würde Wochen oder gar Monate dauern, bis ein anderes Analysegerät ähnlich gut wie du funktionierte. Zumal du dich weigerst, dein Wissen weiterzugeben.«

»Ich hänge nun mal an meinem Leben. Selbst, wenn es bloß künstlich ist. Und jetzt lass uns endlich von dieser langweiligen Insel verschwinden! Wir werden auch andernorts gebraucht.«

Zierotin wartete, bis Radi an Bord des Gleiters geschwebt war – und schloss rasch die Tür hinter dem Gerät. Er achtete nicht auf das Gezeter des Wanderstabs, sondern atmete erleichtert durch und ging hinab zum Strand der Insel.

Er setzte sich in den angenehm warmen Sand, zog die Schuhe aus und streckte die Beine ins Meereswasser. Der sanfte Wellenschlag kitzelte ihm die Zehen, während Zierotin einfach nur dasaß und die Stille genoss.

Das Gekreische eines Albatros war zu hören. Gleich darauf kam die Antwort mit hysterischer Stimme. Die Paarungszeit stand kurz bevor, ausgelöst durch Pheromonwolken, die über den Inseln ihre Wirkung taten.

Zierotin streifte mit der flachen Hand durch den Sand. Er war mit zerriebenem Perlmutt versetzt und glitzerte im Licht der Sonne.

»Lyo, gibst uns Kraft und gibst uns Saft«, fiel Zierotin ein Kinderreim ein, den ihn seine Eltern einst gelehrt hatten, damals, auf der PIÈ BONMARCHAL. »Gibst uns Leben, gibst uns Regen.«

Zierotin konnte sich an den Rest des Textes nicht mehr erinnern. Seine Kindheit und Jugend waren zu lange her. Seit mehr als zwanzig Jahren lebte er bereits auf Trowno, davor hatte er lange Zeit zwischen den Sternen verbracht.

Wenn man von Radi und Kontrolleuren absah, die ihn ab und zu besuchten, um die Fortschritte seiner Arbeit zu messen, waren die einsamen Jahre auf Trowno eine gute Zeit gewesen.

»Als ob diese Störenfriede von der Station nicht schon genügend Informationen über meine Welt hätten«, sagte er. »Tag für Tag schicke ich ihnen ausführliche Berichte hoch.«

»Mit wem redest du? Bist du einem anderen Wanderstab begegnet? Betrügst du mich mit ihm?«

Zierotin zuckte zusammen. Radi schwebte neben ihm. Der Knauf irrlichterte in buntesten Farben als Zeichen seiner Verärgerung.

»Wie hast du dich aus dem Gleiter befreit?«, fragte der Weltenhüter.

»Ich habe deine Stimme imitiert. Die Rechnereinheit deines Gleiters ist leicht zu übertölpeln.«

Zierotin schloss die Augen. Radis biopositronische Persönlichkeit entwickelte sich in Schüben. Derzeit benahm er sich wie ein misstrauischer Ehepartner, der ihn auf Schritt und Tritt überwachen wollte. Letzte Woche hatte sich der Wanderstab als weinerliches Mütterchen gegeben, vor einem Monat als quengelnder Pubertierender.

Zierotin kam hoch. Nur zu gerne wäre er sitzen geblieben und hätte Lyos Sonnenuntergang beobachtet. Das Muttergestirn Trownos stand in diesem Bereich des Planeten etwa zwei Handbreit über dem Horizont.

»Lass uns nach Hause fliegen!«, sagte er.

»Und dann sprechen wir darüber, warum du mich im Gleiter einsperren wolltest. Du benimmst dich eigentümlich, Gurumul. Es wird Zeit, dass du dir eine Partnerin suchst.«

»Jaja, schon gut.«

Zierotin warf einen letzten Blick auf die grünblaue Wasseroberfläche. Der Wellengang war gering. Weit draußen meinte er, einige Tümmler zu sehen, die vergnügt umhertollten.

Der Wind, der in diesem Teil des Südmeeres normalerweise vorherrschte, flachte aus unerklärlichen Gründen von Zeit zu Zeit ab. Die Positroniken hatten es noch nicht geschafft, das Wettermodell Trownos zur Gänze zu analysieren, geschweige denn, es zu steuern.

Zierotin hievte sich in den Gleiter hoch und ließ sich im Pilotensitz nieder. »Zurück nach Hause!«, sagte er. »Nach Point Bonmarchal.«

Der Gleiter bestätigte, während sich Radi ins Heck zurückzog und dort Energie tankte.

Sie glitten knapp über der Wasseroberfläche dahin, Richtung Nordosten. Irgendwann befahl Zierotin, ein wenig höher zu gehen. Links und rechts ihres Kurses waren Inselgruppen zu sehen, allesamt bewacht von Sirenen, die ihm fröhlich zuwinkten. Manche Inseln waren kahle Flecken, auf denen noch nichts gedieh. Andere waren mit Palmen übersät. Einige Landmassen der Inseln vor dem Wind, jene mit mehr als zwanzig Quadratkilometern Fläche und kleineren Anhöhen, waren Teil eines neuen biovarianten Aufzuchtprogramms. Dort experimentierten autarke Roboter mit einer australisch-floralen Landschaftsprägung. Farne, Eukalypten, Mulga und Akazien dominierten in stets neuen Kombinationen ...

»Es tut mir leid«, hörte er Radi sagen, der nach wie vor an seiner Energiequelle hing.

»Was tut dir leid? Du ...« Zierotin verstummte. Er entdeckte den Grund für Radis Bedauern.

In einer Meerenge zwischen zwei der größeren Inseln trieben Pottwale im Wasser. Ihre Bäuche ragten nach oben. Teilweise waren sie von Meeresräubern angefressen worden. Andere wirkten wie aufgepumpt. In ihrem Inneren sammelten sich Gärgase, die irgendwann einmal die Leiber zum Explodieren bringen würden.

»Es funktioniert leider nicht alles so, wie wir es gerne hätten«, sagte Zierotin, mehr für sich selbst als für Radi gedacht. »Irgendwas haben die Rechner falsch gemacht. Oder ich.«

»Wir wissen beide, dass Fehler passieren«, sagte Radi. »Terraforming ist viel zu komplex, um das exakte Abbild einer anderen Welt schaffen zu können.«

»Aber wir müssen so nahe wie möglich ans Original heranreichen.« Zierotin kreiste mehrmals über den Pottwalkadavern. Er ließ einige Beobachtungsroboter ausschleusen und setzte den Gleiter dann wieder auf Kurs. »Es geht schließlich um die Erde. Um die Ursprungswelt. Um ihre Bewahrung. Ich darf nicht scheitern.« Er wischte sich Tränen aus den Augenwinkeln.

2.

Die PIÈ BONMARCHAL

 

Die Beobachtungskoje war um diese Uhrzeit leer. Magnus Rohoff klammerte sich an seine Kaffeetasse und starrte sehnsüchtig auf Trowno hinab.

Die PIÈ BONMARCHAL bewegte sich derzeit entgegen der Rotation der terraähnlichen Welt und auf Höhe des Äquators. Im Osten ging die Sonne Lyo auf, rasend schnell breitete sich das Tageslicht über dem Planeten aus.

Sein Urlaub begann in sechs Tagen. Dann würde er sich von einer Fähre auf die Welt hinabtragen lassen und zwei Wochen lang keinen Gedanken an die Arbeit in der Station verschwenden. Er würde sich von Roboteinheiten verwöhnen lassen, den einen oder anderen Drink zu sich nehmen und einfach nur faul auf einem Strand herumlungern.

Trowno war die ideale Welt dafür. Die blaugrüne Murmel mit ihren kleinen, braunen Einsprengseln war ein Paradies für Terraner. Die Landmassen machten bloß zehn Prozent der gesamten Planetenoberfläche aus. Jene, die für Besatzungsmitglieder der PIÈ BONMARCHAL freigegeben waren, befanden sich in den gemäßigten Zonen. Sie boten angenehme Temperaturen, kaum ein Wölkchen am Himmel und jungfräuliche Sandstrände.

Rohoff zuckte zusammen, als hinter ihm das Zischen des Schotts zu hören war. Am energischen Tritt erkannte er Aimare Tournefort, seine Stellvertreterin. Ein kleines Persönchen mit soldatischem Auftreten und einem Überschwang an Energie.

Sie trat neben ihn und lächelte schmal. »Du scheinst dich darüber zu freuen, uns für eine Weile nicht sehen zu müssen.«

»Kannst du's mir denn verdenken, Aimare?«

»Natürlich nicht. Wir alle sollten von Zeit zu Zeit aus unseren Routinen ausbrechen.«

Das war leicht dahingesagt. Tournefort und er hatten mit der Behäbigkeit einer großteils aus Wissenschaftlern bestehenden Besatzung zu kämpfen. Viele der Forscher gingen völlig in ihrer Arbeit auf und mussten dazu gezwungen werden, ab und zu ein wenig abzuschalten.

Es gibt ja ohnedies den Zoo und die Biosphären an Bord der PIÈ BONMARCHAL, war ein oft gehörtes Gegenargument, wenn Rohoff darauf drängte, dass ein Teil der Besatzung Landurlaub auf Trowno verbringen sollte.

Die Mitglieder des Bordrates, meist Stubenhocker, die in vierter oder fünfter Generation auf der Station lebten, sperrten sich gegen jede Änderung im Bordleben. Sie wussten dabei die Mehrheit der Besatzung hinter sich.

»Ich kann sehen, wie es in deinem Kopf arbeitet«, sagte Tournefort. »Vermutlich ärgerst du dich über die Borniertheit der Besatzungsmitglieder.«

»Manche von ihnen sind in ihren Gedanken ein klein wenig festgefahren«, sagte Rohoff vorsichtig.

Seine Stellvertreterin lachte. »So kann man es ausdrücken. Ich würde ihr Verhalten spinnert nennen. Oder dumm. Eigenbrötlerisch. Verschroben. Realitätsfern.«

»Das ist deine Meinung, Aimare.« Er grinste. »Ich würde solche Worte niemals in den Mund nehmen.«

»Du wirst es eines Tages tun müssen, willst du dich gegen diese Verrückten durchsetzen.«

»Noch funktioniert das Bordleben ausgezeichnet. Dank dir, Aimare. Ich weiß nicht, wie du es anstellst – aber du hältst den Laden am Laufen. Ich frage mich manchmal, warum ich und nicht du der Kommandant der PIÈ BONMARCHAL bin.«

»Weil ich die militärisch-strategische Seite auf der Station repräsentiere. Ich sorge dafür, dass die Logistik funktioniert und dass das Rechtssystem intakt bleibt. Du hingegen bist Wissenschaftler durch und durch. Du weißt, wie du mit deinen Leuten umgehen musst und sorgst für ausgezeichnete Arbeitsergebnisse.«

»Ach, weiß ich das?«

»Ich habe niemals zuvor einen derart geduldigen Terraner wie dich erlebt. Wie du es schaffst, auf alle Extrawünsche dieser vielköpfigen Hyäne ...«

»Es heißt Hydra, Aimare.«

»... dieser vielköpfigen Hydra einzugehen, ist bewundernswert.«

Weil ich glücklich bin. Weil das Leben ganz anders ist als jenes, das ich zuvor hatte.

»Was verschafft mir das Vergnügen, Aimare?«, fragte er. »Warum bist du hier? Ich dachte, dein Dienstantritt wäre erst zu Mittag? Es ist noch nicht einmal sieben Uhr morgens Bordzeit.«

Tournefort räusperte sich. »Es gab vor wenigen Minuten einen kleinen Alarm in der Ortungszentrale. Ich wurde aus der Bereitschaft geholt.«

»Und? Worum geht es?«

»Um einen kurzen Hyperfunkimpuls, der auf einer wenig gebräuchlichen Frequenz angemessen wurde. Der Impuls ist mit keinem verständlichen Inhalt unterlegt. Die Ortungsanalysten rätseln, was das sein könnte. Aber sie sind sich sicher, dass er nicht natürlichen Ursprungs ist.«

»Gibt es eine Richtungsbestimmung? Eine Quelle des Impulses oder ein Zielgebiet dafür?«

»Dafür reicht die Datenlage nicht aus.«

»Könnte es natürliche Gründe für das Signal geben?«

»Nein.«

»Lass die Ortungsspezialisten weiter nach der Quelle suchen. Mehr können wir derzeit nicht tun. Eine Meldung an die Kommandantur wurde abgesetzt?«

»Ja. Vollautomatisiert. Und wie immer gibt es Hintergrundstörungen, die die Übertragung erschweren.«

Es gab mehrere natürliche Strahlenquellen im Bereich der Dunkelwolke Okulus. Sie erschwerten den Hyperfunkverkehr mit dem Sektor-Flottenoberkommando. Umso bemerkenswerter war, dass ein anscheinend gezielter Impuls aufgefangen und identifiziert worden war.

»Jetzt verstehe ich, warum du so griesgrämig dreinblickst!«, rief Tournefort und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Heute ist Berichterstattungstag! Du musst dich mit Gurumul beschäftigen.«

»Richtig. Der alte Einsiedler wird mir wieder mal Schauergeschichten von den Schwernissen seiner Arbeit erzählen, er wird mich verfluchen und meinen Inspektoren verbieten wollen, ihn in seiner Station zu besuchen. Sein Wanderstab wird sich in die Unterhaltung einmischen ...«

»Radi.«

»... Radi wird sich ins Gespräch einmischen und ich werde darüber sinnieren, wie ich das verdammte Ding fernzünden kann.« Rohoff schüttelte den Kopf. »Ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass ein biopositronisches Gerät noch anstrengender sein kann als sein Besitzer. Mir ist schleierhaft, wie das geschehen konnte. – Möchtest du mir nicht Gesellschaft leisten, während ich mit Gurumul rede?«

»Ach, weißt du, ich bin völlig ausgelastet mit der Suche nach der Quelle dieses Hyperfunksignals. So leid es mir tut. – Man behauptet übrigens, dass ihr euch von früher kennt?«

»Unsinn! Was könnten Gurumul und ich schon gemein haben? Außer, dass wir uns nicht ausstehen können.«

»Es gibt Gerüchte.«

Tournefort wich rückwärtsgehend zurück, es glich einer eiligen Flucht. Bevor sie den Raum verließ, zwinkerte sie ihm frech zu und zeigte ihm eine lange Nase.

Rohoff seufzte, atmete mehrmals tief durch und ließ sich mit der Station Point Bonmarchal verbinden. Das Signal wurde augenblicklich umgeleitet. Der selbst ernannte Weltenhüter war ausgeflogen, wie so oft.

Nach wenigen Sekunden kam der Kontakt zustande. Gurumul Zierotin saß in seinem Gleiter. Gleißend helles Licht strömte ins Innere des Gefährts. Er befand sich also auf Trownos Tagseite.

»Du schon wieder!«, sagte Gurumul Zierotin anstelle einer höflichen Begrüßung. »Was willst du von mir? Hast du neue Forderungen an mich? Möchtest du mich mit weiteren Tier- und Pflanzenarten beglücken und das biologische Gleichgewicht auf Trowno weiter durcheinanderbringen?«

»Dir auch einen schönen Tag, Gurumul. Und ja, es wird Zeit, dass wir neue Versuche starten. Sektor Achtzehn und Dreißig wurden für eine Auswilderung vorbereitet, nicht wahr? Wir müssen die Nahrungsketten schließen und auf ein biologisches Gleichgewicht achten.«

»Was bekomme ich denn diesmal für liebreizende Tierchen von dir? Hasen und Mäuse, die alles vertilgen? Raubtiere, die sich sattfressen sollen? Räuberische Insekten, die sich auf alles stürzen, das ihnen zwischen die Mandibeln gerät?«

»Sag deinem Chef, dass er mir gefälligst die neuesten Aufrüstungsmodule für meinen Rechner schicken soll!«, tönte eine grauenvolle Stimme aus dem hinteren Bereich des Gleiters. »Wann man diesen schlampigen Kerl nicht daran erinnert, vergisst er es ja doch wieder.«

Radi.

Rohoff hatte niemals zuvor derartige Lust auf einen Amoklauf gespürt. Am liebsten hätte er den meterlangen Stock über seinem Knie zerbrochen und das Ding in einem Konverter entsorgt.

Doch so einfach war das nicht. Er war der Kommandant dieses Projekts, das bereits seit zweieinhalbtausend Jahren andauerte und in dessen Zentrum der Erhalt aller terranischen Pflanzen- und Tierarten stand, von den Riesensäugern dieser Welt bis hinab auf die bakterielle Ebene.

Trowno sollte zur Kopie Terras werden. Würde es jemals zu einer Katastrophe auf der Erde kommen und der Planet ausgelöscht werden, waren dort unten die notwendigen ... Reserven für einen Wiederaufbau angelegt.

»Können wir nicht ein einziges Mal ein normales Gespräch führen?«, bat Rohoff seinen Gesprächspartner. »Dir muss klar sein, dass es unsere Pflicht ist, die Biosphären auf Trowno regelmäßig zu überprüfen. Geht das nicht in deinen Kopf, Gurumul?«

»Ihr stört mich bei der Arbeit! Seid froh, dass ihr mich habt. Lasst mich in Ruhe weitermachen. Dann ist die Ansiedlung aller Tier- und Pflanzenarten bald abgeschlossen.«

»Es geht nicht ohne Kontrolle!«, schrie Rohoff. Und etwas ruhiger fügte er hinzu: »Du bist kein Wissenschaftler. Du bist bloß ein Hüter und Verwalter. Du brauchst jegliche Unterstützung, die du bekommen kannst.«

»Ich mache diese Arbeit seit zwanzig Jahren. Du wirst niemanden auf deiner Station finden, der sich so viel Wissen über die Flora und Fauna Trownos angeeignet hat wie ich.«

Das Gespräch verlief genau so, wie Rohoff es befürchtet hatte. Zierotin brachte ihn ein ums andere Mal mit seinen eigentümlichen Ansichten zum Verzweifeln. Irgendwann einigten sie sich auf ein Minimum an Kontrolle auf Trowno, und wie immer verabschiedeten sie sich mit einigen uncharmanten Bemerkungen voneinander.

Rohoff ließ sich schwer in seinen Stuhl fallen. Er rieb mit einem Finger über den Rand seiner Tasse, der kalt gewordene Kaffee erhitzte sich neuerlich. Fünf Tage und 22 Stunden noch bis zum Urlaubsantritt.

 

*

 

Diesmal meldete sich Tournefort via Stationsfunk. Ihr Gesicht tauchte zwischen etwa einem Dutzend anderer Bilder auf, die Rohoffs Interesse auf besondere Brennpunkte an Bord der PIÈ BONMARCHAL lenkten.

»Ich sehe dich selten mit einem derart ernsten Gesicht, Aimare. Was ist passiert?«

»Du erinnerst dich an den Hyperfunkimpuls, von dem ich dir erzählt habe?«

»Ja. Konntet ihr die Nachricht entschlüsseln oder die Quelle identifizieren?«

»Nein. Aber der Impuls scheint etwas bewirkt zu haben, und zwar auf Thyello. Beziehungsweise in seinem Inneren.«

Thyello. Rohoff verkrampfte innerlich, als er den Namen hörte.

Der fünfte Planet des Lyosystems war riesig. Jupiterähnlich, aber mit etwa der neunfachen Masse der größten Welt des Solsystems. Ein wahrer Gigant, der »vor« und »hinter« sich große Asteroidenfelder beeinflusste.