Buchcover

Lothar Streblow

Wirru, das Wildpferd

SAGA Egmont




„Die Frage nach dem tierlichen Bewußtsein hat die Menschen schon immer gefesselt, weil Haus- und Wildtiere gleichermaßen unsere Bewunderung und Neugier erregen. Sie verlocken uns dazu, in ihre Haut zu schlüpfen und uns vorzustellen, wie ihr Leben sein mag.“

Donald R. Griffin


„Gefühle sind es, die alle Kreatur dazu drängt, etwas zu tun oder, wenn es ängstliche Stimmungen sind, etwas zu unterlassen.“

Vitus B. Dröscher

Ein Kind der Steppe

Über den fernen Höhenzügen lagerte schwacher Dunst, verhüllte die schneeweißen Gipfel. Dazwischen dehnten sich geschwungene Hügel, durchschnitten von Trockentälern. Noch hatte die Schneeschmelze in den Bergen nicht begonnen. Doch nach kurzen Frühlingsregen begann die Steppe zu grünen, zeigten sich die ersten Blüten. Und wo die Wurzeln der wenigen Pappeln und Weiden das Grundwasser unter dem kargen Boden erreichten, sprangen die Knospen an den Zweigen.

Am Rand der Steppe, die hier allmählich in Wüste überging, standen nur noch einzelne sturmgebeugte Tamarisken. Ein kühler Morgenwind ließ die Gräser rascheln. Schräge Sonnenstrahlen wärmten den nachtkalten Sand. Und ein Wüstenwaran wand sich schlafträge am Hang einer kahlen Düne.

So begann Wirrus erster Tag. In der Morgendämmerung, vor kaum einer halben Stunde, war er geboren, hatte sich mit heftigem Schütteln aus den Eihüllen befreit und war dann allein aufgestanden, unbeholfen und mühsam, Grashalme in seinem struppigen Fell. Seine Mutter lag noch immer auf der Seite; sie schien erschöpft.

Wirru wußte noch nicht, daß die schweratmende Stute am Boden seine Mutter war: Das mußte er erst lernen. Er sah nur die anderen Wildpferde der kleinen Herde in der Nähe stehen und den aufmerksam beobachtenden Hengst. Erst als die Stute schwerfällig aufstand, kurz die abgestreiften Eihüllen bekaute und langsam auf Wirru zukam, blickte er einmal zu ihr hinüber. Sie war ihm genauso fremd wie alle anderen.

Noch ein wenig unsicher stand Wirru auf seinen staksigen Beinen, schnupperte geräuschvoll die Morgenluft. Nichts schien ihm vertraut. Der Wind spielte mit seiner kurzen Stehmähne. Neugierig beobachtete Wirru ein paar Krähen, die sich mit einem Raben um die abseits im Gras liegenden Eihüllen zankten. Und die Stute kam näher.

Plötzlich spürte Wirru den warmen Geruch der Stute, spürte ihre Zunge behutsam über seinen Körper lecken, von vorn über seine weichen Nüstern bis zu seinem kurzen Schwanz, immer wieder. Es war ein gutes Gefühl. Und instinktiv suchte er zwischen ihren Beinen am Bauch nach Milch.

Es dauerte eine ganze Weile, bis er ihre Zitzen fand; ungestüm stieß er dagegen. Endlich spürte er die warme Milch auf seiner Zunge. Und die Stute ließ ihn geduldig trinken.

Die Krähen erhoben sich krächzend, strichen im Tiefflug ab zu einem der Trockentäler; der Rabe verschlang allein seine Beute.

Inzwischen war die Sonne höher gestiegen; es wurde warm. Die Leitstute scharrte ungeduldig mit den Hufen im feuchten Gras. Der Hengst wieherte kurz. Es war das Zeichen zum Aufbruch. Wirrus Mutter wandte sich ab, suchte ihren Platz in der Herde. Wirru folgte ihr. Jetzt fühlte er sich nicht mehr so allein. Und er fühlte sich satt.

Sandkristalle glitzerten im Sonnenlicht. Die Grasnarben wurden allmählich spärlicher. Langsam zog die Herde in die Wüste, wie jeden Morgen, bewegte sich in gemächlichem Paßgang. Im Frühjahr grünte auch die Wüste für kurze Zeit, trieben die Saksaulsträucher ihre winzigen Blätter.

Hier fanden die Wildpferde noch genügend Nahrung. Doch sie waren nicht die einzigen. Immer wieder kreuzten fremde Spuren ihren Weg: die scharf abgezeichneten Fußschwielen von Wildkamelen und die Hufabdrücke von Dschiggetais, den mongolischen Halbeseln. Und ab und zu stießen sie auf fliegenumsurrte Dunghaufen.

Sonst störte kein Laut die Stille, nur die Gräser raschelten im Wind. Wenn eines der Wildpferde schnaubte, blickte Wirru sich neugierig um, sah ihre wedelnden Schwänze, die nach Insekten schlugen. Und er sah noch etwas: Fast am Schluß der Herde, halb verdeckt von den Großen, lief noch ein anderes Fohlen, kaum älter als er. Doch die kleine Stute beachtete ihn nicht.

In diesem Augenblick verlangsamte die Leitstute ihre Gangart. An einer feuchteren Stelle zwischen den sandigen Hügeln wuchs saftiges Gras. Die Herde begann gemächlich zu äsen, auch Wirrus Mutter.

Wirru senkte nur ein wenig den Kopf, spürte das Kitzeln der langen Grashalme an seiner Nase. Er mußte niesen, ein paarmal hintereinander. Verwirrt sprang er zur Seite.

Seine Mutter ließ auch beim Äsen keinen Blick von ihm. Zwischendurch wandte sie sich ihm zu und beknabberte behutsam seine weichen Ohren und die Kruppe. Das gefiel Wirru; er hielt ganz still. Und jedesmal, wenn die Herde stehenblieb, zeigte die Mutter ihm ihre Zärtlichkeit.

Gegen Mittag wurde es heiß. Die Sonne brannte von einem wolkenlosen Himmel. Der sandige Boden warf die Hitze zurück; die flimmernde Luftschicht reichte Wirru bis an die Flanken. Auch der Wind brachte kaum Kühlung, trieb graugelbe Sandhosen vor sich her.

Wirru spürte seine Nüstern trocken werden vom Staub. Er fühlte sich unbehaglich. Durstig suchte er nach Milch. Und seine Mutter stillte seinen Durst.

Er trank noch viel an diesem Tag. Als die Herde mit sinkender Sonne an den Rand der Steppe zurückkehrte, fühlte er sich müde und erschöpft.

Wirrus erste Nacht

Ruhe aber gab es noch nicht. Die Leitstute führte die Herde zwischen struppigem Buschholz hindurch über die Hügel in ein schmales Trockental. Dieser Seitenarm eines Flusses füllte sich nur zur Zeit des Hochwassers im Sommer.

Im Abendlicht schimmerten lediglich einzelne Tümpel, glichen rötlichen Spiegeln, umgeben von dürrem Schilf. Das Wasser war klar und kaum salzig. Die Stuten tranken sich satt.

Der Hengst sicherte von einem Hügel herab seine Herde. Erst dann ging auch er zur Tränke.

Nur Wirru interessierte sich noch nicht für Wasser. Nachdem er seine Milch bekommen hatte, beschäftigte er sich mit dem Dung seiner Mutter. Auf diese Weise nahm er die lebenswichtigen Darmsymbiontena auf, schnaubte kurz und beschnupperte dann das raschelnde Schilf.

Plötzlich hoppelte ein Hase an ihm vorbei. Wirru stutzte, machte ein paar zögernde Schritte hinter ihm her. Dabei traf er auf die kleine Stute Senja, die auch dem Hasen nachgelaufen war, gefolgt von ihrer Mutter. Wirru galoppierte ein paarmal spielerisch um die beiden herum.

Doch das schien Wirrus Mutter nicht zu gefallen. Wütend preschte sie heran und drohte mit entblößten Zähnen, und die fremde Stute verschwand mit ihrem Fohlen.

Wirru verstand das nicht. Er wollte doch nur spielen. Aber seine Mutter wußte instinktiv, was sie tat. Sie wollte verhindern, daß er sich der fremden Stute anschloß. Denn noch sah Wirru in jedem fremden größeren Tier seine Mutter, noch war seine Prägung nicht abgeschlossen. Und das würde auch noch eine Weile dauern.

Verdutzt blickte er den beiden nach. Doch als seine Mutter ihn liebevoll beknabberte, vergaß er alles. Folgsam lief er mit ihr zurück zur Herde.

In der Ferne versank die Sonne hinter den westlichen Berggipfeln. Nach der Wärme des Tages wurde es empfindlich kühl. Die Leitstute verließ mit der Herde die Wasserstelle. In der Dämmerung kamen auch andere Tiere zur Tränke. Und das bedeutete Gefahr, vor allem für die Fohlen. Der Hengst lief sichernd am Ende.

Wirru schwankte leicht vor Müdigkeit. Ab und zu stolperte er, stieß gegen Steine und Grasbüschel. Doch seine Mutter achtete darauf, daß er nicht zurückblieb. Sie hielt ihren Platz in der Rangordnung, direkt hinter der Leitstute. Wirru mußte wohl oder übel mitlaufen.

Inzwischen war es fast dunkel geworden. Nur undeutlich hoben sich die Silhouetten einiger Pappeln vom Horizont ab. Es raschelte im Gras zwischen den Büschen. Die Nachttiere, die während der Tageshitze in ihren Erdbauen schliefen, gingen auf Nahrungssuche.

Wirru sah nur ihre flüchtigen Schatten, wenn sie den Hufen der Wildpferde auswichen. Und manchmal scheute er erschrocken. Doch seine Mutter beruhigte ihn.

So näherten sie sich allmählich der Pappelgruppe. Hier stand das Gras dichter. Die Leitstute blieb stehen, wartete, bis auch die letzten der zwölf Tiere herangekommen waren. Der Leithengst blieb abseits, übernahm von einer Bodenwelle aus die erste Wache.

Auch die Leitstute legte sich nicht. Sie ruhte im Stand mit gesenktem Kopf, halbgeschlossenen Augen und zur Seite gedrehten Ohren; hin und wieder schlug sie leicht mit dem Schwanz. Die anderen schliefen flach in Seitenlage, die Beine weit von sich gestreckt.

Nur Wirrus Mutter lag seitlich auf dem Bauch mit untergeschlagenen Beinen. So konnte sie sofort aufspringen, wenn Gefahr drohte. Und sie beobachtete ihr Junges.

Wirru zögerte noch. Doch die Müdigkeit zwang ihn nieder. Langsam knickte er mit den Hinterbeinen ein, ging zu Boden, spürte das feuchte Gras an seinen Flanken. Aber den Kopf behielt er oben, lauschte auf die Stimmen der Nacht. Angst stieg in ihm auf, die Angst vor dem Dunkel. Er schnaubte leise.

Am nachtklaren Himmel sah er das kalte Flimmern der Sterne, hörte das Rauschen des Windes in den Pappelzweigen, das Geräusch ferner kleinfüßiger Schritte. Erst als seine Mutter sich halb aufrichtete und ihren Kopf auf seine schmalen Schultern legte, streckte auch er sich aus. Im beruhigenden Geruch ihres warmen Leibes schlief er ein.

Kamele

Morgenlicht glitt über die Hügel, warf lange Schatten in die Täler. Schläfrig blinzelte Wirru in die Sonne. Noch war er nicht ganz wach, hörte noch immer das Getrappel von Hufen aus seinem Traum. Doch er träumte nicht mehr. Nur das Hufgetrappel hielt an, wurde lauter. Dann erkannte Wirru im Schlagschatten der Pappeln, wer da trappelte.

Die kleine Stute Senja galoppierte übermütig um ihre Mutter, schlug mit den Hinterhufen aus, wälzte sich im Gras und sprang wieder auf. Dabei kam sie Wirru bedenklich nahe. Wirrus Mutter drohte mit entblößtem Gebiß. Aber die kleine Stute entfernte sich schon wieder. Und Wirru blickte ihr nach.

In großer Höhe kreiste ein Steppenadler, lauerte auf Bobaks, die Murmeltiere der Steppe, die in der Morgenwärme ihre Erdhöhlen verließen. Von irgendwo ertönte ein scharfer Pfiff, ein Warnsignal. Die Bobaks verschwanden blitzartig in ihren Fluchtröhren. Der Steppenadler drehte ab.

Wirru interessierte sich nicht für kreisende Vögel und flüchtende Murmeltiere. Er hatte Hunger und Durst. Noch ein wenig steif vom Schlaf, erhob er sich, nach Fohlenart zuerst mit den Hinterbeinen. Zielstrebig suchte er nach seiner Milchquelle, ließ seine Nüstern schnuppernd über den Bauch seiner Mutter gleiten und trank.

Doch seine Mutter wirkte unruhig, schlug mit dem Schwanz heftig nach Insekten, zuckte mit der Haut und drängte sich an den Stamm einer Pappel, um sich das Fell zu scheuern. Wirru fand das lästig. Ungeduldig rannte er ihr nach. Er war noch lange nicht satt.

Viel Zeit aber blieb ihm nicht mehr. Hier in der Nähe der Wasserlöcher schwirrte die Luft von Insekten. Sie plagten auch Wirru. Wütend wackelte er mit den Ohren und schüttelte sich. Endlich hatte er genug getrunken. Und er war froh, als die Leitstute in Richtung Wüste davontrabte.

Trotzdem blieb Wirru der letzte hinter seiner Mutter. Und als der Leithengst, der sichernd den Schluß der Herde bildete, an seine Seite kam, lief Wirru zutraulich ein paar Schritte neben ihm. Doch kaum wandte seine Mutter sich nach Wirru um, bedrohte sie angriffslustig den ihr weit überlegenen Hengst. Sie duldete niemand in der Nähe ihres Fohlens, auch den Leithengst nicht.

Erschrocken galoppierte Wirru los. Erst als seine Mutter ihren Platz in der Marschordnung nach der Leitstute eingenommen hatte und Wirru folgsam hinter ihr hertrabte, schien sie zufrieden.

Noch stand die Sonne nicht hoch. Kühler Wind blies von Nordost, trieb faserige Wolken vor sich her. Eine Schar Wildgänse zog von Süden über die Herde. Der Boden war steinig und nur spärlich bewachsen mit dürren Gräsern.

Ohne Aufenthalt trabte die Leitstute weiter. Zwar ernährten sich Wildpferde auch von hartem Gras, das jedes Hauspferd verschmähen würde, doch selbst die Wüstensteppe bot an manchen Stellen schmackhaftere Nahrung. Und das wußte die Leitstute. Sie bestimmte, wann und wo geweidet wurde. Nur bei Gefahr übernahm der Hengst die Entscheidung und schützte die Herde. Aber das Gelände hier blieb übersichtlich.

Das änderte sich erst, als zwischen einzelnen Sanddünen mit Saksaulsträuchern sich eine flache Senke ausbreitete. Hier reichte das Grundwasser bis dicht unter die Oberfläche, war der Bewuchs dichter und saftiger. Es duftete frisch nach jungem Grün.

Hungrig begannen die Stuten zu grasen. Der Hengst sicherte von einem Dünenkamm, bis auch er sich überzeugt hatte, daß keine Gefahr drohte. Sein Schweif wehte im Wind.

Wirru fand das langweilig; er war ja satt. Aufmerksam beobachtete er die Gegend. Am Ende der Senke in der Nähe einiger Tamarisken entdeckte er etwas Ungewöhnliches. Dort lagerten ein paar Tiere, sehr große Tiere: mit bizarren Köpfen und seltsamen Höckern auf dem Rücken. Sie lagen friedlich nebeneinander. Es war eine kleine Herde wilder Kamele.

Das reizte Wirrus Neugier. Unbefangen trabte er auf die Kamele zu, während seine Mutter von ihm abgewandt mit gesenktem Kopf graste. Die Kamele blieben ruhig liegen. Nur der Kamelhengst musterte ihn gleichmütig mit großen Augen. Wildpferdfohlen hielt er wohl für harmlos.

Wenige Schritte vor den Kamelen blieb Wirru zögernd stehen, beäugte interessiert die eigenartig höckerigen Wesen mit der gespaltenen Oberlippe, die mit herabhängender Unterlippe ins Leere kauten. Gelassen kauten die Kamele weiter.

Plötzlich ertönte heftiges Hufgetrappel. Wirrus Mutter preschte in vollem Galopp heran, hinter sich eine wirbelnde Staubwolke. Verdutzt blickte Wirru sich um. Auch die Kamele hoben aufmerksam ihre Köpfe.

Schnaubend und mit angelegten Ohren schob sich die Stute zwischen Wirru und die Kamele, zeigte drohend ihre Zähne. Energisch drängte sie den widerstrebenden Wirru zurück zur Herde.

Wirru begriff allmählich: Zu wem auch immer er laufen wollte, die Stute, von der er Milch bekam, war dagegen. Und niemand sonst gab ihm Milch. Aber noch immer spürte er keine Bindung an seine Mutter.

Schmerzliche Erfahrung

Eine Woche später kannte Wirru sich aus, kannte den Hengst und die Leitstute und die anderen Stuten. Von nun an blieb er freiwillig bei seiner Mutter, suchte ihre Nähe, ihre Zärtlichkeit. Und jetzt duldete sie auch, wenn Wirru einmal zu anderen lief; er kam ja stets wieder zurück, wollte Milch und Geborgenheit.

Auch die Mutter der kleinen Stute schien nichts mehr dagegen zu haben, wenn die beiden jungen Fohlen miteinander spielten. In den letzten Tagen noch hatte sie Wirru ein paarmal wütend bedroht, als er sich näherte. Und Wirru war in hoppelndem Trab davongerannt, bis seine Mutter ihn wieder einfing.

Jetzt wurde er nicht mehr weggescheucht. Wohlig schnaufend wälzte er sich im taufrischen Gras, während Senja übermütig um ihn herumsprang und wiehernd in die Höhe stieg. Die beiden Mütter sahen geduldig zu.

An diesem Morgen war überhaupt einiges anders. Die Sonne stand schon ziemlich hoch. Und nach der Kühle der Nacht genoß Wirru die wärmenden Strahlen.

Die Leitstute aber ließ sich Zeit. Immer wieder leckte sie ihr Fohlen sauber, das sie in der Morgendämmerung geboren hatte. Mit wackeligen Beinen schmatzte es seine erste Milch. Wirru betrachtete es neugierig aus der Ferne. Näher heran traute er sich nicht an das Kleine. Er hatte inzwischen dazugelernt.

Auch als die Leitstute sich mit ihrem Fohlen an die Spitze der Herde setzte, hielt Wirru respektvollen Abstand. Folgsam lief er seitlich hinter seiner Mutter. Um die Krähenschar, die sich lärmend um die zurückgelassenen Eihüllen balgte, kümmerte er sich nicht.

Es war wärmer geworden. Insekten schwirrten durch die Luft. Wirru hatte alle Mühe, aufdringliche Fliegen abzuwehren, die ihn mit ihren Stichen plagten. Unentwegt schlug er aus, zuckte mit den Ohren und kratzte sich.

Dabei achtete er kaum darauf, wohin er trat. Die Herde durchquerte eine geröllbedeckte Erosionsrinneb mit einzelnen Zwergsträuchern, eine ziemlich unwegsame Gegend. Wirrus kleine Hufe stolperten unbeholfen über die Steine.

Plötzlich rutschte er von einem Geröllbrocken ab. Sein rechter Vorderhuf knickte um, und der Stein prallte hart gegen seinen linken Hinterhuf. Wirru durchzuckte ein scharfer Schmerz. Ein klägliches Wiehern drang aus seiner Kehle. Nach ein paar humpelnden Schritten blieb er stehen, zitternd und mit geweiteten Nüstern.

Besorgt wandte seine Mutter sich ihm zu. Viel helfen konnte sie ihm nicht. Aber sie leckte ihm immer wieder tröstend über seine weiche Nase. Wirru hielt ganz still. Und allmählich ließ der Schmerz etwas nach.

Erst nach einer Weile wagte Wirru vorsichtig ein paar Schritte. Doch bei jedem Schritt kam der Schmerz wieder. Mühsam humpelte Wirru weiter. Der Hengst war wachsam beobachtend in der Nähe geblieben. Fürsorglich geleitete er die beiden zu der wartenden Herde.

Aber die Leitstute mit ihrem neugeborenen Fohlen lief nicht mehr weit. Sie war noch erschöpft von der anstrengenden Geburt. Und sie spürte Durst. Kurz darauf begann sie mit den Vorderhufen im Boden zu scharren, stieß schon dicht unter der Oberfläche auf feuchten Sand.