Buchcover

Lothar Streblow

Dolan

Der Delphin

SAGA Egmont




„Die Frage nach dem tierlichen Bewußtsein hat die Menschen schon immer gefesselt, weil Haus- und Wildtiere gleichermaßen unsere Bewunderung und Neugier erregen. Sie verlocken uns dazu, in ihre Haut zu schlüpfen und uns vorzustellen, wie ihr Leben sein mag.“

Donald R. Griffin


„Gefühle sind es, die alle Kreatur dazu drängt, etwas zu tun oder, wenn es ängstliche Stimmungen sind, etwas zu unterlassen.“

Vitus B. Dröscher

Geburt eines Tümmlers

Halbdämmer lag über der weiten Meeresbucht, ein fahles, die Küstenlinie verhüllendes Grau. Am Horizont wob sich ein rötlicher Schimmer in den verblassenden Nachthimmel, ließ die Sterne verlöschen. Und wenig später glimmten die ersten Strahlen der Morgensonne über die fernen Bergketten, glitzerten die kaum bewegten Wasser der Bucht wie Flittergold im Frühlicht.

Plötzlich kam Bewegung in die trägen Fluten, wurde die Meeresfläche aufgerissen von gleitenden Schatten. Eine spitze Rückenfinne durchstieß das Wasser, dicht daneben peitschte eine Schwanzflosse die aufspritzende See. Und ein kurzes Stück voraus sprang einer der schlanken Schatten in die Luft und tauchte mit klatschendem Geräusch wieder ein. Von der Felsspitze am Ausgang der Bucht näherte sich eine Delphinschule, eine kleine Gruppe Großer Tümmler, zog in weitem Bogen ins Innere der Meeresbucht.

Allmählich verlangsamten die Tiere ihr Tempo. Die Tümmler schienen ihr Zielgebiet erreicht zu haben. Ab und zu stieg eine Blaswolke auf, ein weißlicher Tröpfchennebel glitzerte sekundenlang in der Morgenluft, bevor er verwehte. Und hoch über den gemächlich schwimmenden Tümmlern schwebten ein paar Möwen.

Zwei weibliche Tümmler aber fielen zurück, umkreist von einem dritten. Das eine Weibchen wirkte unruhig, als habe es Schmerzen, während das andere mit der Schnauzenspitze behutsam gegen seinen Bauch stieß. Es wußte, was mit dem anderen geschah, sah die kleine Fluke, die winzige Schwanzflosse, die aus der Öffnung des Unterbauchs hervorragte. Und es blieb in der Nähe. Jede Geburt im Meer brachte Mutter und Kind in Gefahr; das wußten die anderen. Sie warteten, bereit zur Hilfe, wenn das Kleine sich aus dem Mutterbauch löste. Und es kam sehr schnell, wie bei allen Walen.

Es war Dolan, als gleite er aus einer warmen, weichen Höhle hinaus in etwas Kühles, Fremdes, das seinen kleinen Körper umspülte. Unaufhaltsam glitt er weiter, spürte das Kühle überall. Und als sein Kopf freikam, sah er es auch. Nach dem Dunkel im Leib seiner Mutter umgab ihn eine seltsame Helligkeit, ein grelles, flirrendes Licht. Und das erste, was er fühlte, war Angst.

Doch im selben Augenblick spürte er schon etwas anderes: ein kurzes Ziehen, als die Nabelschnur riß. Und gleich darauf einen sanften Druck von unten gegen seine Bauchhaut. Seine Mutter hob in behutsam an die Oberfläche, unterstützt von den anderen Weibchen, bis sein kleiner Kopf mit dem Atemloch das Wasser durchstieß.

Tröpfchen perlten von seiner seidig glatten Haut. Hier war das Licht verändert, greller noch. Und es wärmte. Fast schmerzte die Helligkeit in seinen Augen. Und zum ersten Mal in seinem Leben atmete Dolan die klare Luft eines hellen Morgens. Und er atmete tief.

Noch war das alles ihm fremd. Aber da waren vertraute Töne, Geräusche, die er schon aus der dunklen Geborgenheit kannte: die schnarrenden, pfeifenden und klickenden Laute seiner Mutter. Doch jetzt klangen sie anders, ferner als vorher. Und andere Geräusche klangen lauter, deutlicher, drangen von allen Seiten auf ihn ein, durchdrangen seinen kleinen Körper. Es waren die anderen Tümmler der Gruppe, die ihn mit Klicklauten abtasteten, ihn auf ihre eigene Weise wahrnahmen, den neuen Gefährten begrüßten.

Dolans Mutter hielt die anderen vorsichtig auf Distanz, vor allem die größeren Männchen, die neugierig heranschwammen. Sie duldete nur die beiden begleitenden Weibchen in der Nähe. Und sie schwamm dicht neben Dolan nahe der Oberfläche, damit er bei ihr trinken konnte und es nicht weit hatte zum Auftauchen und Atmen.

Dolan hatte noch keinen Hunger. Zu neu war diese fremde, helle Welt, das Glitzern sprühender Wassertropfen im Licht, das Gleiten der dunklen Schatten ringsum in den Fluten. Und darunter am nahen Meeresboden die Umrisse eigenartiger Gebilde, bizarre Felsen und wehender Tang, dazwischen kleinere Schatten: Fische, die flüchtend auseinanderstoben.

Noch wußte Dolan nicht, was das alles bedeutete. Er hatte noch keine Erfahrung. Alles wirkte unheimlich, seltsam fremdartig. Er mußte erst lernen zu unterscheiden. Und als er dicht neben seiner Mutter seinen kleinen Kopf in die flimmernde Helligkeit hob, um erneut zu atmen, schaffte er das Auftauchen schon allein. Das Schwimmen war ihm angeboren. Und tief sog er die frische Morgenluft in die Lungen.

Milch im Meer

Augenblicke später tauchte Dolan schon wieder ab, folgte dem schlanken Körper seiner Mutter wie ein Schatten. Ein leichter Schlag mit der Fluke, seiner kleinen Schwanzflosse, genügte, um ihn in ihrer Nähe zu halten. Keine Sekunde ließ seine Mutter ihn dabei aus den Augen. Ständig kontrollierte sie mit zarten Lauten seine Nähe, streichelte mit ihren Flippern sanft seine seidige Haut. Und Dolan fühlte sich geborgen in ihrem Schutz.

Allmählich aber spürte Dolan die Anstrengung, selbst im Meer zu schwimmen. Und ein leeres Gefühl in seinem Magen beunruhigte ihn. Jetzt bekam er Hunger.

Aber seitlich über der Rückenfinne seiner Mutter gab es keine Milch. Das merkte er sehr schnell. Mit einem kurzen Flukenschlag glitt er um sie herum an ihre Bauchseite, stupste mit seiner kleinen Schnauzenspitze gegen ihre nasse Haut.

Dolans Mutter reagierte sofort. Sie wußte, was Dolan wollte, schwamm mit leicht zur Seite gekehrtem Bauch dicht unter der schimmernden Wasseroberfläche. Instinktiv tastete Dolan nach ihren Zitzen. Und er fand, was er suchte, spürte einen warmen Strom über seine Zunge gleiten. Und in gierigen Zügen trank er die fette Milch.

Aber Milchtrinken unter Wasser war gar nicht so einfach. Immer wieder mußte Dolan zwischen den einzelnen Schlucken abbrechen und zum Luftholen auftauchen. Doch seine Mutter erleichterte ihm die Mühe. Sie tauchte im gleichen Rhythmus mit ihm auf. So kam Dolan schnell wieder zu seiner Milch. Und schon nach kurzer Zeit hatte er sich an den Rhythmus von Trinken und Atmen gewöhnt.

Als er endlich satt war, fühlte er sich schläfrig. Schwimmen und Atmen und Trinken, das alles war sehr anstrengend. Aber auch das spürte seine Mutter. Sie nahm es auf die den Delphinen eigene Weise wahr. Sie holte Luft und tauchte genau unter ihn. Und dort blieb sie, hielt gleichmäßig Dolans träges Tempo.

Plötzlich fühlte Dolan sich angehoben, fühlte die seidenweiche Rückenhaut seiner Mutter unter seinem Bauch. Sie nahm ihn huckepack, trug ihn auf ihrem Rücken, mit seinem Atemloch knapp über der Wasseroberfläche. So konnte er atmen, während er schlief, bekam genug Luft. Und schon Augenblicke später war er eingeschlafen.

Lang aber währte seine Ruhe nicht. Auch seine Mutter mußte atmen, spätestens nach sieben Minuten. Behutsam glitt sie schräg nach oben, hob Dolan dabei fast völlig aus den leise schwappenden Wellen.

Dolan erschrak, riß die Augen auf. Grelles Licht umflirrte ihn, auf der Dünung tanzende Sonnenflecken, dazwischen glitzernde Tröpfchennebel: die verwehende Blaswolke seiner Mutter. Und er spürte ihre beruhigenden Laute, während sie wieder abtauchte.

Wasser umströmte Dolans Flanken, ließ nur sein Atemloch frei. Dolan schloß die Augen. Er begriff, daß er schlafen durfte, gewiegt vom Atemrhythmus seiner Mutter. Und wieder schlief er ein, ohne zu erschrecken, wenn sie auftauchte und ihn an die Luft hob. Er hielt die Augen geschlossen. Nur die zahllosen Laute ringsum im Meer spürte er bis in den Schlaf.

Meilenweit trug die Mutter ihr schlafendes Kind, nur begleitet von den beiden Weibchen. Dabei hielt sie sich nahe der Küstenlinie im Flachwasser, wo sie sicher war vor Haien. Die anderen jagten sich spielerisch in der Mitte der Bucht, jagten sich gegenseitig auf den Strand zu.

So näherte die Gruppe sich allmählich den drei Weibchen. Ihre Signale klangen lauter. Und die drei Weibchen verstanden, schlossen sich den anderen an, hielten sich aber mehr am Rand der Gruppe. Auch sie reizte das Spiel.

Plötzlich riß ein lauter Knall Dolan aus dem Schlaf. Erschrocken blickte er sich um. Seewärts wimmelte es von gleitenden Schatten, von wasserdurchfurchenden Rückenfinnen, verwehenden Blaswolken. Kraftvoll kam ein Tümmler nach oben, schlug mit der Fluke aufs Wasser, laut knallend. Andere machten es ihm nach, knallten ihre Fluken in die aufspritzende See. Dolan begriff, daß es ein ausgelassenes Spiel war. Und er verlor seine Angst vor dem Lärm.

Nur mit dem Schlafen war es vorbei. Auch als seine Mutter sich ein Stück von der übermütig tobenden Gruppe entfernte, blieben die Geräusche noch laut genug. Neugierig sah Dolan hinüber, beobachtete die schlanken, schaumumfluteten Gestalten, wie sie sprangen und tauchten. Und ein wenig knallte auch er mit seiner kleinen Fluke.

Noch war alles sehr anstrengend, zehrte an seinen Kräften. Geschickt ließ er sich vom Rücken seiner Mutter heruntergleiten und tauchte unter ihren Bauch. Er hatte schon wieder Hunger.

Wellen, Wind und Schatten

Gegen Mittag kam Wind auf, wehte von den Berggipfeln herunter über die Bucht. Ein leichter Wind nur. Aber wo der Wind gegen die Strömung stand, kräuselte sich die glatte Fläche zu winzigen Wellen.

Das war neu für Dolan. Bisher kannte er nur eine ruhige See. Und er hob sein Atemloch hoch in die Luft, wenn die Wellen gegen seinen kleinen Körper klatschten.

Manchmal spürte Dolan einen Flipper seiner Mutter an seiner Flanke entlangstreichen. Das kitzelte angenehm. Und mitunter kam eines der begleitenden Weibchen in seine Nähe, um ihn zu streicheln. Doch seine Mutter schob sich jedesmal eifersüchtig dazwischen und zeigte ihm ihren Bauch, damit er trinken sollte. Und Dolan trank.

Die große Gruppe der Tümmler hatte sich inzwischen wieder entfernt, jagte nahe dem Ausgang der Bucht an der Felsspitze, wo höhere Wellen gegen die Klippen schlugen. Aber auch unweit der Küste, innerhalb der Bucht, stiegen ein paar Blaswolken auf, zerschnitten zwei größere Rückenfinnen das Wellengekräusel, dazwischen kaum sichtbar eine kleinere. Dort hatten sich einige Tümmler abgesondert. Und sie kamen ihnen in gemächlichem Tempo entgegen.

Dolan hörte ihre Geräusche, ihre Signale, die klickenden Laute. Und seine Mutter antwortete. Es waren zwei große Weibchen und ein ganz junges, gerade erst geboren, jünger noch als Dolan. Die beiden Weibchen trugen das Kleine in ihrer Mitte zwischen den Flippern, ihren kräftigen Vorderflossen, hielten seinen Kopf über Wasser. Und aus seinem Blasloch stieg ein feiner Tröpfchennebel.

Dolan spürte die Ängstlichkeit der kleinen Kiluni, die gerade erst die fremdartig lichte Welt entdeckte. Im gleichen Moment aber wurde er abgelenkt. Ein paar große Schatten glitten über die leicht gewellte Wasserfläche und stießen unweit der Tümmler in die See.

Es waren Tölpel, große Seevögel, die nach Fischen tauchten. Und von See her jagten einige Fregattvögel hinter ihnen her, um ihnen ihre Beute abzujagen. Doch das sah Dolan schon nicht mehr. Vorsichtshalber tauchte er ab, brachte ein paar Meter Wassertiefe zwischen sich und die Vögel.

Als er das nächste Mal Atem holte, hatten sich die drei anderen Tümmler ihnen angeschlossen. In einer größeren Gruppe fühlten sich die Weibchen mit den Jungen sicherer. Jetzt schwamm Kiluni huckepack auf dem Rücken ihrer Mutter, fast auf gleicher Höhe wie Dolan. Die drei einzelnen Weibchen jagten gemeinsam in der Nähe nach Meeräschen und anderen Fischen. Und manchmal erkannte Dolan, wie auch seine Mutter blitzartig nach etwas schnappte.

Inzwischen war die Sonne höher gestiegen, stand am Mittag beinahe senkrecht über der Bucht. Im lichtdurchfluteten Oberflächenwasser hoben sich Schatten ab, huschende Schatten, kleine und große und ganz winzige, umwirbelt von Luftblasen, sekundenlang nur. Dolan hörte sie mehr, als daß er sie sah. Er sah gewissermaßen mit den Ohren, strahlte Schall ab und empfing das Echo. So nahm er wahr, was sich um ihn herum bewegte. Nur mußte er erst lernen, das alles zu deuten. Im Moment verließ er sich noch auf das Wissen seiner Mutter. Doch nicht vor allem konnte sie ihn bewahren. Gerade wollte Dolan wieder auftauchen, da stieß er mit etwas zusammen. Dolan erschrak. Etwas Glibberiges glitt an seinem Kopf entlang. Deutlich spürte er die Nesselfäden auf seiner empfindlichen Haut. Es war eine Qualle. Und während er sein Atemloch an die Luft stieß, glitt sie von ihm ab. Dolans Mutter spürte sein Erschrecken. Und sie beruhigte ihn mit sanften Lauten. Quallen bedeuteten keine Gefahr. Aber sie ließen sich mit dem Sonar der Delphine kaum orten, der Schall durchdrang sie wie Wasser.

An diesem Tag begegnete Dolan noch vielen Quallen, nur bekam er jetzt keinen Schreck mehr. Quallen kannte er nun. Doch es gab so viel Unbekanntes im Meer: Lebendiges, das eilig flüchtete, wenn die Tümmler sich näherten, und seltsame Dinge, die nicht auswichen: schaukelnde Holzstücke und leere Plastikbehälter, die ein Fluß ins Meer gespült hatte. Und manchmal treibende Tangfetzen.

Als die Dämmerung sich über die Meeresbucht senkte, hatte Dolan einiges dazugelernt.

Nächtliche Jagd

Auf den Wellen erloschen die letzten Sonnenstrahlen. Nur weit draußen auf See blieb noch ein blasser Schimmer am dämmernden Himmel, bis auch er in den Wellen versank. Die Nacht kam rasch in diesen Breiten.

Das war neu für Dolan. Verwundert hob er seinen Kopf aus dem Wasser, blickte sich um. Er vermißte die Helligkeit, das schimmernde Licht auf den Wellen. Und er vermißte die gleitenden Schatten im lichtdurchfluteten Meer. Jetzt hörte er nur noch ihre Spuren in den dunklen Fluten, ortete sie auf andere Weise. Um sie wahrzunehmen, brauchte er kein Licht.

Folgsam glitt er auf Flossenabstand neben seiner Mutter durch das nachtschwarze Wasser, löschte Durst und Hunger mit ihrer Milch und atmete mit ihr im gleichen Rhythmus. Und wenn er müde wurde, ließ er sich auf ihrem Rücken tragen zu kurzem Minutenschlaf.

So verflossen die Stunden. Als er wieder einmal auftauchte, glitzerte eine breite Lichtbahn auf den Wellen. Es war ein anderes Licht, fahler als das der Sonne. Es wärmte nicht, und es erhellte nicht das Wasser.

Der Mond schien bleich durch ein paar treibende Zirruswolken. Und am nächtlichen Himmel flimmerte das kalte, ferne Licht der Sterne.

Dolan trank ein wenig, genoß den warmen Strahl der Milch auf seiner Zunge. Und er vernahm die vertrauten Laute. Die Nacht ängstigte ihn nicht. Er fühlte sich geborgen inmitten seiner Gefährten.

Nach einer Weile fiel ihm auf, daß Kiluni und ihre Mutter im gleichen Rhythmus atmeten wie seine Mutter und er. Und auch die anderen Weibchen folgten diesem Rhythmus, hoben gemeinsam ihre Köpfe an die Wasseroberfläche und tauchten wieder ab. Es sah so aus, als gleite hier ein einziges großes Tier durch die Wellen.

Müde war Dolan jetzt nicht mehr. Er horchte auf die zahllosen Stimmen ringsum im Meer. Das klang wie Pfeifen und Quietschen und manchmal wie Zwitschern und Brummen, mal näher, mal ferner. Und immer wieder spürte er die streichelnden Flipper seiner Mutter.

Während Dolan schlief, war die kleine Gruppe weiter seewärts geschwommen. Am Ausgang der Bucht hob sich im fahlen Mondlicht schattenhaft die Felsspitze ab. Dahinter dehnte sich endlos das offene Meer.

Von der See her näherten sich jetzt die anderen Tümmler, steigerten ihr Tempo, sprangen und klatschten zurück ins Wasser. Ihre Signale klangen lauter, dringlicher, vermischt mit einem eigenartigen Zischen.

Die Tümmler hatten einen Heringsschwarm geortet, der draußen auf See in nur dreißig Metern Tiefe die Nacht in SchlafStellung verbrachte. Das Zischen kam von den Tümmlern, die den Alarmruf der Heringe geschickt nachahmten, der die Fische zusammentrieb.

Die fünf Weibchen reagierten sofort. Wie auf Kommando änderten sie ihre Schwimmrichtung, schlossen sich den anderen an zu einer Treiberkette. So trieben sie die Heringe in die Bucht, wo sie nicht fliehen konnten. Ultraschallschreie durchzuckten das Meer, betäubten die Heringe. Der zusammengedrängte Schwarm wurde zur leichten Beute. Weiß schäumte das Wasser zwischen den herumwirbelnden Tümmlern. Und erst als alle satt waren, löste der Jagdverband sich wieder auf.

Dolan hatte sich die ganze Zeit über dicht neben seiner Mutter gehalten, hatte jede ihrer Bewegungen mitgemacht, mitten im nächtlichen Getümmel. Der Lärm der zahllosen Laute und Signale, das Brodeln des Wassers, die ganze wild wogende Szene, das alles erregte ihn.

Aber noch empfand er es nur als Spiel. Er mochte noch keinen Fisch, trank lieber bei seiner Mutter. Und als sie gesättigt mit den anderen Weibchen sich wieder von der großen Gruppe der Tümmler entfernte, holte Dolan sich seine Milch.

Der Hai

Tage und Nächte vergingen im Wechselspiel der Wellen, zwischen Tauchen und Atmen, Streicheln und Spielen, auch mit Kiluni und den anderen Weibchen. Und Dolans Mutter ließ ihn gewähren.

Dolan war größer geworden und ein wenig erfahrener. Alle Wale wachsen schnell, auch die kleineren Zahnwalarten, die Tümmler und anderen Delphine, genährt durch die fette Milch ihrer Mutter. Aber noch war Dolan ein Milchkind, würde es noch lange bleiben. Jagen mußte er erst lernen, das komplizierte Zusammenspiel der Gruppe bei der Jagd.