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Jörg Berger

Der Garten der Liebe

Anleitung zur blühenden Zweisamkeit

Über den Autor

Jörg Berger, Jahrgang 1971, Diplom-Psychologe, Psychotherapeut und Paartherapeut, hat zehn Jahre in der Klinik Hohe Mark gearbeitet und ist seit 2010 in eigener Praxis in Heidelberg tätig. Als Sachbuchautor und Redner ist er mit Themen rund um schöne und schwierige Beziehungen unterwegs.

Inhalt

Über den Autor

Einleitung

Anleitung zu einer blühenden Zweisamkeit

Unkraut

Schädlinge

Quellen

Die Sehnsucht nach unserer Bestimmung

Mühe und Freude

Säen, gießen und beschneiden

Ein gemeinsames Tempo finden

Zusammen gute Entscheidungen treffen

Das Geheimnis tiefer Bindungen

Die Botschaft der Gefühle

Wie Neid unsere Sehnsüchte offenbart

Süße und verbotene Früchte

Entdecken Sie Ihren erotischen Stil

Gelassenheit im Ehebett

Verbotene Sehnsüchte

Sicher vor Affären

Dornen und Stolperranken

Untergangsboten der Liebe

Erste Hilfe nach dem Streit

Die Schätze der (Schwieger-)Eltern bergen

Stacheln in der Partnerschaft

Schädlinge bekämpfen

Stress – der unsichtbare Feind der Liebe

Den Härten des Lebens standhalten

Wenn Therapie der Ehe schadet

Der gefangene Mann – wenn die Arbeit Väter und Ehemänner fesselt

Starke Frauen, schlaffe Männer

Quellen erschließen

Verwandle Geld in Glück

Lebensträumen auf der Spur

Der Partner – ein Wink vom Himmel

Berufung – auch das noch!

Glücklich durch alle Jahreszeiten

Die Jahreszeiten der Liebe

Literatur

Einleitung

»Tun Sie etwas für Ihre Liebe!«, hallt es aus allen Medien. Doch dadurch gerät die Liebe unter Leistungsdruck. Denn es bedeutet ja auch: »Wenn etwas nicht so gut gelingt, dann habt ihr nicht genug getan!« Und jeder Partner kann vom anderen fordern: »Wir müssen reden.« – »Wir müssen intim sein.«

Wenn das, was eigentlich gut und richtig ist, zur Forderung wird, dann ist es höchste Zeit für einen Perspektivwechsel: Die Liebe wird nicht gemacht, sondern sie wächst. Sie benötigt zwar einen geschützten Raum, um zu gedeihen. Doch das Entscheidende geschieht ohne unser Zutun in unseren Herzen.

So dürfen Sie dieses Buch lesen: nicht als Anforderungskatalog, den Sie abarbeiten müssen, sondern als Ratgeber, der Ihr Gespür für die Wachstumsbedingungen der Liebe schult.

Sicherlich werden Sie hier und da etwas Neues sehen und überrascht feststellen, was da Schönes aufwächst. Sie werden erkennen, was besser im Schatten der Vertraulichkeit gedeiht und was Sie der Sonne aussetzen dürfen, indem Sie es mit anderen teilen. Sie werden entdecken, dass auch Gießen und Düngen Freude macht, wenn man es gemeinsam tut. Sie werden Unkraut früher erkennen und entfernen, bevor es sich sich zwischen schönen Pflanzen festsetzt. Und Sie werden lernen, wie Sie mit dornigen Pflanzen umgehen müssen, damit Sie sich nicht stechen.

Die meisten Kapitel dieses Buches sind bereits als Artikel in der Zeitschrift Family erschienen. Deshalb ist jedes Kapitel auch für sich alleine verständlich. Das hat den Vorteil, dass Sie dieses Buch nicht von vorne nach hinten lesen müssen. Gehen Sie ruhig direkt zu den Themen, die für Sie gerade wichtig sind.

Vielleicht erlaubt Ihr Leben ohnehin gerade keine ausführlichen Schmökerzeiten. Dann passen die in sich abgeschlossenen Kapitel gut in eine Kaffeepause oder in die kurze Spanne, die wir abends nach der Arbeit noch auf dem Sofa haben oder bevor uns bei der Gutenachtlektüre die Augen zufallen.

Die Gesprächsanstöße am Ende jedes Kapitels können Sie auf unterschiedliche Weise nutzen:

Alleine. Suchen Sie einen ruhigen Wohlfühlort auf und lassen Sie sich von den Fragen berühren. Halten Sie Ihre Gedanken in einem Notizbuch oder in einer Notiz-App fest. Vielleicht wollen Sie sich mit Ihrem Partner bald darüber austauschen. Vielleicht lassen Sie Ihre Einsichten aber auch erst einmal einige Zeit in Ihrem Inneren reifen.

Zu zweit. Bei der Gestaltung dieses Buches habe ich natürlich besonders an Paare gedacht, die neue Anregungen für ihre Liebe suchen. Vielleicht haben Sie sogar einen regelmäßigen gemeinsamen Abend, wie ihn sich manche Paare nehmen. Diese lesen bei solchen Abenden gelegentlich etwas, das sie inspiriert, und tauschen sich darüber aus.

Sie denken, dass Sie den anderen schon gut kennen? Dann lassen Sie sich überraschen, was Sie in den einzelnen Kapiteln noch aneinander entdecken.

Zu viert oder in einer größeren Gruppe. Vielleicht wollen Sie Ihrem nächsten Treffen mit einem anderen Paar einen inspirierenden Gesprächsanstoß geben. Dann könnten Sie gemeinsam eines der Kapitel lesen und sich von den Fragen am Ende anregen lassen. Oder beide Paare lesen das Buch, und Sie tauschen sich über das Thema aus, das Sie am meisten interessiert. Kirchliche Haus- und Bibelkreise wählen außerdem manchmal Partnerschaft als Thema. In diesem Fall kann ein Kapitel des Buches als Grundlage dienen; die Fragen helfen dann bei der Gesprächsführung.

Ist dieses Buch auch für Paare geeignet, die in eine Krise geraten sind? Ja und nein. In einer schweren Krise sind beide Partner so wund, dass jede Berührung wehtut. Alles, was der Partner dann tut, wirkt auf den anderen wie ein Angriff, eine Gleichgültigkeit oder ein Versagen. Plötzlich ist fast alles falsch. Hier kann nur professionelle Hilfe einen Ausweg zeigen.

In leichten bis mittelschweren Krisen bleiben jedoch Bereiche in der Liebe, die schön sind. Die kann man pflegen und gestalten. Manche Paare entwachsen dann einer Krise. Es wird allmählich besser und keiner kann sagen, warum eigentlich. Aus der Paarforschung weiß man: Je mehr Schönes es gibt, desto mehr Mut und Fantasie bringen Paare auf, auch Schwieriges anzugehen.

Deshalb kann dieses Buch auch in einer Krise eine Hilfe sein. Konzentrieren Sie sich dann auf die schönen Seiten Ihres Gartens und lassen Sie diese blühen. In einigen Kapiteln finden Sie aber auch Anregungen, wie Sie Bereiche Ihres Gartens umgestalten können, die verwildert oder zu karg geworden sind.

Was wäre die Liebe, die Sie in Ihren Garten investieren, ohne die geheimnisvollen Gesetzmäßigkeiten, die aus einem kleinen Samen eine wunderschöne Pflanze werden lassen? Und was wäre Ihr Einsatz ohne die wunderbaren Kräfte, die Sie zwar nutzen, aber über die Sie nicht verfügen können: Licht, Wärme und die Naturgesetze, die im Keimen, Wachsen und Blühen ihr Werk tun?

Wie die Schöpfung, so hat auch die Liebe eine spirituelle Grundlage, ob uns das bewusst ist oder nicht. Liebe gedeiht besser, wenn sich Paare immer wieder den guten Kräften Gottes aussetzen. Wo Paare einen Sinn im Leben finden, macht das außerdem ihre Beziehung widerstandsfähiger (siehe auch das Kapitel »Schädlinge bekämpfen: Den Härten des Lebens standhalten«).

Ich selbst bin im christlichen Glauben verwurzelt und begleite viele Menschen, die kirchlich geprägt sind. Deshalb schöpfe ich in einigen Kapiteln aus den Quellen des christlichen Glaubens. Wenn Sie nicht oder an etwas anderes glauben, dann befragen Sie an diesen Stellen gerne Ihren eigenen Glauben oder Ihre eigene Weltanschauung: Zu welchen Quellen werden Sie geführt?

Denn Sie werden merken: Die Liebe stellt uns manchmal vor Fragen, die weit über das hinausführen, was die Psychologie beantworten kann.

Dieses Buch verdanke ich ganz unterschiedlichen Menschen. Zunächst den Redakteuren der Family – Bettina Wendland, Martin Gundlach und Christof Klenk – und etwa einem Dutzend Autoren, die wie ich dem freien Redaktionskreis der Zeitschrift angehören. Einmal im Jahr spüren wir Themen nach, die Paaren und Familien auf dem Herzen liegen (die Redakteure natürlich häufiger).

Christof Klenk hat die Artikel lektoriert, auf denen dieses Buch aufbaut, und sie klarer und leserfreundlicher werden lassen. Michaela Wölfle und Marcus Beier (SCM Verlag) haben die Entstehung des Manuskripts konzeptionell begleitet, Damaris Müller hat es fachkundig lektoriert.

Dankbar bin ich natürlich auch den Paaren, die mir viel Vertrauen geschenkt und mir offenbart haben, was sich im tiefen Erdreich ihrer Beziehung abspielt. Die Fallbeispiele dieses Buches sind stark verfremdet und häufig aus mehreren, ähnlich gelagerten Fällen zusammengesetzt.

Wie man von einem Psychotherapeuten erwartet, dass er selbst einigermaßen mit sich und dem Leben klarkommt, erhofft man sich von einem Paartherapeuten, dass auch seine eigene Liebesbeziehung gelingt. Das macht mir meine Frau Myriam leicht, mit der ich seit über 20 Jahren sehr glücklich bin. Sie verzeiht mir auch die Phasen, in denen ich mich intensiv mit der Liebe anderer Menschen befasse.

Nun wünsche ich Ihnen viele Aha-Effekte, gute Ideen, die Sie umsetzen können, und Momente neuen Verliebtseins!

Gemeinsam mit Ihnen auf dem Weg,

Ihr
Jörg Berger

Anleitung zu einer blühenden Zweisamkeit

Licht, Wasser, Wärme, Luft und ein paar Nährstoffe – Pflanzen benötigen nur ein paar elementare Dinge und schon wachsen und gedeihen sie. Auch die Liebe braucht nur wenige Bedingungen, die leicht zu beschaffen sind. Die meisten von ihnen sind sogar kostenlos.

Die Liebe benötigt vor allem Zeit und Aufmerksamkeit. Ob es Worte sind, Berührungen oder gemeinsame Erlebnisse, durch die wir uns verbunden fühlen – für alles müssen wir uns Zeit nehmen. Wo Partner einander keine Zeit mehr schenken, da verkümmert ihre Liebe.

Außerdem ist es für die Liebe sehr wichtig, dass unser Bedürfnis nach Wertschätzung gestillt wird. Es gehört zu den tiefsten Bedürfnissen, die wir Menschen haben. Deshalb reicht uns gewöhnlich kein oberflächliches Lob wie etwa: »Das hast du toll gemacht.« Sondern wir möchten durch die Worte des anderen spüren, dass wir in unserer einmaligen Persönlichkeit wahrgenommen und geschätzt werden. Wir brauchen die Chance zu zeigen, wie wir wirklich sind, und Gelegenheiten, die es uns ermöglichen, den anderen mit unseren Gaben zu beschenken.

Echte Wertschätzung beginnt daher mit liebevoller Aufmerksamkeit: Ein Mann entdeckt die kreativen Kleinigkeiten, mit denen seine Frau die Wohnung verschönert. Er würdigt ihren Sinn für Schönheit und ihre Gabe, im Alltag das Leben zu feiern. Eine Frau interessiert sich für die Kämpfe, die ihr Mann im Beruf ausficht, und wie er dadurch nicht nur eine Existenzgrundlage für die Familie schafft, sondern auch wichtige Projekte voranbringt, die das Leben vieler Menschen verbessern. Wertschätzung reicht also in die Tiefe unserer Persönlichkeit und ist eine wesentliche Wachstumsbedingung für unsere Liebe.

Liebe gedeiht außerdem nur in einem Klima der Intimität. Manchmal kommen Partner zu mir, denen die Intimität verloren gegangen ist. Sie haben sich nicht nur vom Sex zurückgezogen, sondern wagen auch im Gespräch keine Offenheit mehr voreinander. »Wie in einer WG« oder »wie Bruder und Schwester« – mit solchen Bildern beschreiben Partner dann ihr Zusammenleben. Sie haben etwas verloren, was die Liebe im Tiefsten ausmacht: die Sehnsucht, mit dem anderen eins zu werden. Die Liebe pflegen heißt daher auch, einander intime Nähe zu schenken: Momente tiefer Selbstöffnung, intensiver Zärtlichkeit und sexueller Verschmelzung.

Auch gemeinsame Erlebnisse dienen dem Wachstum der Liebe. Aus ihnen ergibt sich die einzigartige Geschichte eines Paares. Neue Erlebnisse prägen sich tief in unserer Erinnerung ein und verbinden uns mit dem Menschen, der diese Erlebnisse mit uns teilt. Wie jeder Garten manchmal neue Pflanzen braucht, brechen Paare, deren Zweisamkeit blüht, immer wieder zu neuen Erlebnissen auf: ein Ausflug an unbekannte Orte, eine herausfordernde gemeinsame Aufgabe, eine Berührung mit einer fremden Kultur, eine Begegnung mit Menschen, die noch nicht zum Freundeskreis gehören.

Schließlich ist die Freiheit wie die Luft in der gelockerten Erde, die eine Pflanze atmen lässt. Partner setzen einander frei, auch einmal etwas ohne den anderen zu tun. Sie erlauben einander, dafür Zeit und Geld einzusetzen. Denn die gegenseitige Anziehung beruht auch darauf, den anderen vorübergehend fern und anders sein zu lassen. Die Zeit, in der jeder Partner eigenen Dingen nachgeht, lädt die erotische Spannung wieder auf.

Freiheit hat außerdem einen praktischen Aspekt: Partner unterstützen sich gegenseitig bei den Aufgaben, die sie gewählt haben oder auf sich nehmen müssen. Dafür verzichtet man auch einmal aufeinander. Die Liebe wird dann zu einer sicheren Basis, von der aus beide Partner zu ihren Missionen aufbrechen. Sie ermutigen einander und interessieren sich für die Erfolge des anderen.

Die Liebe blüht, wenn die Wachstumsbedingungen in einem harmonischen, ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Zu viele neue Erlebnisse würden ein Paar erschöpfen, zu viel Intimität macht die Liebe schal, zu viel Freiheit führt zu Entfremdung. Liebende, deren Beziehung gedeiht, sorgen für ein gutes Maß an aufmerksamer Zweisamkeit, Wertschätzung, Intimität, gemeinsamen Erlebnissen und Freiheit.

Leider wird unsere Liebe in der Gesellschaft auch Kräften ausgesetzt, die sie stören oder sogar gefährden können.

Unkraut

Unkraut ist eigentlich nicht hässlich, finde ich. Manches blüht sehr schön und jede Pflanze hat schließlich ihren eigenen Reiz. Zum Unkraut wird es durch eine ganz andere Eigenschaft: Es vermehrt sich so stark, dass es sich zwischen andere Pflanzen drängt und diesen den Raum und die Nahrung raubt. Unkraut setzt sich durch und überwuchert die zarteren Gewächse.

Genauso verhält sich das »Unkraut«, das unsere Liebe ersticken kann: Wir übernehmen Aufgaben und Verpflichtungen, die vielleicht interessant oder wichtig sind, uns aber die Zeit für Zweisamkeit rauben. Das kann so aussehen wie in den folgenden Beispielen:

Heiner ist nicht nur eine Führungskraft in seinem Job, sondern auch Präsident seines Tennisklubs. Er übt hier wie dort einen positiven Einfluss aus. Aber für die Liebe bleibt kaum noch Zeit, und wenn Heiner schließlich Zeit mit seiner Frau verbringt, hat er manchmal so viel im Kopf, dass er gar nicht richtig anwesend ist.

Vera telefoniert täglich mit ihrer Mutter. Ihr Mann freut sich über den Rückhalt, den sie bei ihrer Mutter findet, gerade wenn sie einmal durch schwere Zeiten geht. Aber nicht selten hat das Telefonat gerade so viel Zeit beansprucht, dass es schon zu spät war, um sich noch einmal gemütlich zusammenzusetzen.

Manchmal muss sich ein Paar zu schmerzhaften Schritten entscheiden, damit die Liebe nicht überwuchert wird. Auch das gehört zur Pflege der Liebe. Einzelnen Paaren, die bei mir Hilfe suchen, muss ich sagen: »Wenn Ihr Leben so voll bleibt, wird Ihnen nichts helfen, was ich Ihnen anbieten könnte.« Dann beginnen wir, das Unkraut zu jäten. Erst wenn der Garten befreit ist, kann nämlich die eigentliche Gartenarbeit beginnen.

Wenn Paare erkennen, wie schädlich manche Menschen oder Verpflichtungen sind, haben sie schon den halben Weg zu einer Veränderung zurückgelegt. Manchmal schmerzt es, wenn man einen Kontakt einschränkt oder eine Verantwortung abgibt, weil sie einem etwas bedeutet haben. Viel häufiger sind es jedoch ein falsches Verantwortungsgefühl oder Schuldgefühle, die dem Unkraut Raum im eigenen Garten geben.

Natürlich werden Sie Menschen enttäuschen, wenn Sie etwas aus Ihrem Leben entfernen, das entbehrlich ist. Vielleicht wird Ihnen sogar jemand Vorwürfe machen, ins Gewissen reden oder schnippische Bemerkungen loslassen. Aber ist Ihr Glück nicht auch solche unangenehmen Momente wert? Und wer bestimmt eigentlich, wozu Sie verpflichtet sind? Wenn Ihre Liebe gedeiht, ist sie eine Quelle von Kraft, Inspiration, Kreativität und Produktivität. Dann können Sie auch andere Menschen am meisten beschenken.

Schädlinge

Unkraut drückt die Liebe an den Rand des Lebens und nimmt ihr die Luft zum Atmen. Schädlinge dagegen greifen die Liebe direkt an. Sie können Liebenden schaden und sie sogar so verändern, dass ihre Liebesfähigkeit leidet. Das kann durch folgende schädliche Einflüsse geschehen:

• Eltern oder Schwiegereltern regieren in das Leben eines Paares hinein.

• Eine Arbeitssucht hält einen Mann gefangen.

• Stress wirkt auf das Nervensystem eines Paares und weckt bei beiden den Selbsterhaltungstrieb – jeder kämpft um sein eigenes Gleichgewicht und verliert den anderen aus dem Blick.

Jeder kann Unkraut beseitigen, wenn er nur entschlossen ist und sich die Zeit dafür nimmt. Doch die Schädlinge muss man kennen. Man kann lernen, was sie anlockt, wo sie sich gerne festsetzen und wie man sie wieder loswird. Etwas Know-how dafür finden Sie in diesem Buch. Nur bei sehr schlimmem Befall brauchen Sie vielleicht einen professionellen Schädlingsbekämpfer.

Unkraut und Schädlinge erfordern unsere Wachsamkeit, damit sie unserem Garten nicht schaden. Aber sie sollen uns natürlich nicht vom Eigentlichen abhalten: einen Ort voller Schönheit zu schaffen. Dabei spielen Quellen eine wichtige Rolle.

Quellen

Verliebte, denken wir, brauchen nur einander, um glücklich zu sein. Dabei übersehen wir jedoch: Jeder Partner schöpft aus inneren Quellen und hat dadurch Gedanken, Gefühle, Vorlieben, Motivationen und Fähigkeiten, die er teilen kann.

Schon unsere Herkunftsfamilie und was wir dort erfahren, sind eine schier unerschöpfliche Quelle. Auch wenn wir vielleicht manche Verletzungen erlitten haben, entspringen dort unsere Sehnsüchte, unsere Identität und unsere stärksten Antriebe.

Wir können gar nicht verständlich machen, wer wir sind, ohne dass wir Geschichten aus unserer Kindheit erzählen. Viele Verliebte tun das intuitiv. Aber auch langjährige Partner bergen die Schätze ihrer Vergangenheit, wenn sie einander einmal wieder Geschichten aus ihrer Kindheit erzählen. Vieles haben Sie vergessen. Doch das, woran Sie sich erinnern, hat eine Bedeutung.

Von allen Glücksdefinitionen, die es gibt, erscheinen mir zwei für die Liebe besonders hilfreich. Die eine sagt, Glück sei, wenn unsere Grundbedürfnisse in überraschender Intensität gestillt werden. Unsere Grundbedürfnisse sind einfach und universell. Wir teilen sie mit allen Menschen, auch wenn der eine mehr von diesem, der andere mehr von jenem braucht: Nähe, Spaß, neue Eindrücke für unsere Sinne, Geborgenheit, Wertschätzung und die Freiheit, das zu tun, was uns entspricht.

Glück hängt daher immer mit unseren Grundbedürfnissen zusammen. Noch niemanden hat zum Beispiel eine Jacht glücklich gemacht. Wer auf einer Jacht glücklich ist, der ist es wegen der Weite des Meeres, des Winds und der Sonne, die er auf der Haut spürt, wegen des unvergesslichen Tages, den er mit seinen Freunden verlebt, wegen des leckeren Essens, das im Freien doppelt so gut schmeckt. Doch dafür braucht keiner eine Jacht. Das gleiche Glück erleben wir auf einem Campingplatz oder sogar an einem Baggersee.

Wo Partner einander helfen, ihre Grundbedürfnisse zu stillen, da führen sie einander zu den Quellen des Glücks. Das erfordert Aufmerksamkeit, Planung und Kreativität, aber auch die einfache Lebensweisheit, dass Menschen unterschiedlich sind: Ihr Partner benötigt manchmal etwas anderes als Sie, um seine Grundbedürfnisse zu stillen.

Suchen Sie immer wieder Möglichkeiten, den anderen zu seiner Glücksquelle zu führen? Lassen Sie sich durch folgende Beispiele inspirieren.

• Regine liebt es, den Alltag hinter sich zu lassen – eine kleine Reise, ein paar neue Eindrücke und ein paar Schmökerstunden mit einem Roman machen sie glücklich.

• Annette zieht es in die Natur. Von einem Familienausflug ins Grüne kann sie die restliche Woche zehren.

• Andreas tankt in der Stille auf. Wenn seine Frau ihn einen halben Tag lang zum Wandern oder Klettern schickt, genießt sie das restliche Wochenende einen gut gelaunten Mann.

• Markus’ Liebessprache sind Berührungen. Wenn Katja ihn eine halbe Stunde krault oder massiert, hat sich der Tag für ihn bereits gelohnt.

Auch wenn es weder teuer noch zeitraubend ist, unsere Grundbedürfnisse zu stillen, verführt uns unser stressiger Alltag dazu, an der falschen Stelle zu sparen. Doch die wenige Zeit und das wenige Geld sind dort bestens investiert, wo sie unsere Glücksquellen sprudeln lassen.

Eine zweite Definition von Glück lautet: Glück ist, wenn man so leben kann, wie es der eigenen Persönlichkeit und der eigenen Bestimmung entspricht. Diese Glücksquelle können wir anzapfen. Denn wir erfahren vor allem am Anfang einer Beziehung: Wo wir geliebt werden, zeigt sich beinahe automatisch das Beste in uns.

Im Laufe der Zeit können wir die Schätze des anderen dann dauerhaft freilegen, so wie die behutsamen Meißelschläge eines Archäologen ein Fossil sichtbar machen. Das gelingt freilich nur, wenn wir die kleinen Meißelschläge des Alltags nicht fürchten und die Persönlichkeitsbildung an uns geschehen lassen.

Glaubende betrachten ihren Partner sogar als Wink vom Himmel: Die Herausforderungen, vor die uns der andere mit seinen Stärken und Schwächen stellt, arbeiten im Lauf der Jahre die einzigartige Persönlichkeit heraus, die Gott in uns hineingelegt hat. Konkret kann das zum Beispiel so geschehen:

• Lisa litt lange unter Benjamins kritischer Art. In der Auseinandersetzung damit wuchs in ihr jedoch eine tiefere Selbstwertschätzung, sodass sie Benjamins kritische Ausbrüche inzwischen nicht mehr persönlich nimmt. Sie sieht sie nun einfach als Zeichen, dass ihr Mann unter Druck steht.

• Simon hat sich von Maren immer wieder bevormundet gefühlt. Er konnte nicht gut Nein sagen und wich Konflikten lieber aus. Im Lauf der Ehe ist er allerdings stärker geworden; er vertritt heute klarer, was er denkt, fühlt und wünscht. Simon mag es zwar immer noch lieber, wenn alles harmonisch abläuft. Aber er schätzt auch die Reibung mit Maren, weil er oft erst dabei erkennt, was er eigentlich will, und auch, worum es Maren geht. Dass sie auch heute noch gelegentlich dominant auftritt, stört Simon nicht mehr: »Ich kann ja dagegenhalten.«

Diese Beispiele zeigen, wie die Eigenarten eines Partners die Persönlichkeit des anderen herausfordern und im guten Fall wachsen lassen. Mehr Beispiele dazu finden Sie im Kapitel »Dornen und Stolperranken: Stacheln in der Partnerschaft«.

Die Sehnsucht nach unserer Bestimmung

Eine letzte Quelle speist sich aus unserer Sehnsucht, etwas Wertvolles zu geben. Sie macht das menschliche Wesen im Tiefsten aus.

Bei manchen ist es eine soziale Aufgabe, andere verschenken sich durch ihr Musizieren oder eine andere künstlerische Begabung. Viele gestalten die Welt durch ihre Ideen und ihr organisatorisches Talent und ermöglichen anderen dadurch ein lebenswertes Leben. Wieder andere geben sich dem Gebet und der Anbetung Gottes hin und ziehen so den Himmel auf die Erde.

Partner können einander helfen, ihre Bestimmung zu finden, oder sich in einer gemeinsamen Berufung ergänzen. Das geschieht zum Beispiel auf diese Weise:

Irene hat ein großes Herz, auch für Menschen, denen es nicht so gut geht. Sie öffnet gerne ihr Haus und lebt Gastfreundschaft. Werner hat handwerkliche Gaben und hat das Haus so ausgebaut, dass sich jeder dort sofort wohlfühlt. Die beiden sind ganz bewusst in einen kleinen Vorort gezogen, weil sie sich dort ein größeres Haus leisten konnten. Und da sie nun ein behagliches Gästezimmer haben, kann ihr Besuch problemlos auch über Nacht bleiben.

Werner braucht den Trubel nicht immer. Nach kurzen Gesprächen zieht er sich gerne zurück, in seine Werkstatt oder in einen stillen Winkel des Hauses. Aber er freut sich trotzdem, dass Leben im Haus ist und sich Menschen hier zu Hause fühlen. Abends betet er mit seiner Frau für das Wohl der Gäste.

»Nach meiner Trennung haben mich die Tage bei euch gerettet!« Oder: »Die Zeit bei euch ist wie eine Oase, in der wir Kraft schöpfen können.« Solche Rückmeldungen geben Irene und Werner das Gefühl, in ihrer Bestimmung zu sein.

Mit der Zeit wird immer besser sichtbar, wie wichtig Quellen für den Garten der Liebe sind. Kein Paar kann von sich aus den Garten zum Blühen bringen. Es könnte zwar auf Regen warten und hoffen, dass der Alltag von alleine bereitstellt, was das Glück wachsen lässt. Doch in manchen Jahren fällt nicht genug Regen. Dann blüht nur ein Garten, der bewässert wird.

Für Liebende ist das der Reichtum der Lebensgeschichte, die beide mitbringen, Momente, die die Grundbedürfnisse beider stillen, sowie das Glück, der eigenen Persönlichkeit und Bestimmung gemäß leben zu dürfen.

Mühe und Freude

Zwar schimpft mancher über die Mühe, die er mit seinem Garten hat, aber keiner, der noch bei Kräften ist, gäbe ihn wieder her. Zu schön sind die Stunden, die man dort verbringt. Zu tief geht die Freude über den Anblick von Blüten und sattem Grün, zu wohltuend ist ein kleines Plätzchen, an dem die Seele zur Ruhe kommt.

Das Bild vom Garten habe ich gewählt, weil es die Gefühle, um die es mir geht, am intensivsten entstehen lässt. Gleiches kann man natürlich auf einer begrünten Terrasse, auf einem Balkon oder auch mit schönen Zimmerpflanzen erleben.

Manchmal begegne ich älteren Paaren, die sehr glücklich sind. Kein einziges dieser Paare hat mir je gesagt: »Wir haben uns nie um unsere Liebe gekümmert. Sie ist ganz von alleine gewachsen.« Stattdessen berichten diese Paare von Phasen, in denen sie viel gepflanzt und auch gejätet haben. Sie berichten von Momenten, in denen ihre Liebe bedroht war. Doch sie kennen inzwischen die Quellen, die ihre Liebe am Leben halten.

Wenn meine Frau und ich alt sind, dann wollen wir ein Paar sein, das ausstrahlt: »Es gibt sie, die Liebe, die ein Leben lang hält und glücklich macht. Klar, wir haben uns manchmal auch gemüht, damit unsere Liebe gelingt, aber die Freude hat fast immer die Mühe überwogen.«

Anregungen zum Gespräch

• Was hat bei Ihnen wohl am meisten dazu beigetragen, dass Ihre Liebe zueinander gewachsen ist?

• Gibt es Menschen oder Verpflichtungen, die wie Unkraut in Ihren Garten der Liebe eindringen und Ihrer Liebe den Raum nehmen? (Das könnte ein brisantes Gesprächsthema sein, bei dem Sie unterschiedlicher Meinung sind. Diskutieren Sie dann nicht. Hören Sie sich an, was der andere zu sagen hat, und bewegen Sie es einmal in Ruhe im Herzen.)

• Welche Quellen speisen Ihre Liebe? Was bringt jeder Wertvolles aus seiner Herkunftsfamilie ein? Welches Grundbedürfnis macht Sie am glücklichsten, wenn es gestillt wird (Nähe, Spaß, Erlebnisse, Geborgenheit, Wertschätzung, Freiheit)? Was ist das Wertvollste, was jeder von Ihnen zu geben hat, und wem schenken Sie dies zurzeit?

Säen, gießen und beschneiden

Sie haben sich gefunden. Nun liegt die Liebe wie ein weiter Garten vor Ihnen.

Nehmen Sie Ihren Garten in Augenschein: Was macht Sie glücklich? Woran wollen Sie sich gemeinsam freuen? Wo wäre noch ein Plätzchen, um sich gemeinsam zu verwirklichen?

Erst mal gilt es, ein gemeinsames Tempo zu finden, sowohl für das Genießen als auch für die gemeinsame Arbeit. Sie werden gemeinsam Entscheidungen treffen, was einmal leichter und einmal schwerer fällt. Sie werden Zierpflanzen und Nutzpflanzen setzen.

Manchmal kann der Blick in Nachbars Garten inspirieren – dann kann sogar ein wenig Neid zu einer positiven Kraft werden.

Bevor Sie in diesem Kapitel graben, können Sie sich mithilfe folgender Checkliste einen Überblick verschaffen.

Checkliste »Säen, gießen und beschneiden«

Unser Lebenstempo

Ich denke, wir müssten unser Lebenstempo eher einmal verlangsamen.   □ Ja   □ Nein

Ich finde, in manchen Bereichen unseres Lebens könnten wir ruhig einen Zahn zulegen.    □ Ja   □ Nein

Unser Lebenstempo ist ganz ähnlich, wenn wir unsere Freizeit gestalten.    □ Ja   □ Nein

Unser Lebenstempo ist ganz ähnlich, wenn wir gemeinsam an etwas arbeiten.    □ Ja   □ Nein

Unsere Entscheidungen

Bei Entscheidungen geht es mir vor allem darum, etwas Tolles zu erleben oder etwas aufzubauen.    □ Ja   □ Nein

Bei Entscheidungen geht es mir vor allem darum, Gefahren und Risiken so klein wie möglich zu halten.    □ Ja   □ Nein

Ich entscheide eher nach meinem Bauchgefühl. □ Ja   □ Nein

Ich entscheide erst, wenn ich eine Sache gründlich durchdacht habe.    □ Ja   □ Nein

Bei unseren Entscheidungen gebe ich vielleicht zu sehr nach. □ Ja   □ Nein

Bei unseren Entscheidungen setze ich meine Vorstellungen vielleicht zu häufig durch.    □ Ja   □ Nein

Unsere Bindung

In meinem Elternhaus habe ich Geborgenheit und einen feinfühligen Umgang mit meinen Bedürfnissen erlebt. □ Ja   □ Nein

Unter Stress neige ich etwas zum Anklammern. □ Ja   □ Nein

Unter Stress neige ich manchmal dazu, mich zu distanzieren oder zu fliehen.    □ Ja   □ Nein

Es fällt mir leicht, deine Bedürfnisse zu erkennen und feinfühlig auf sie einzugehen.    □ Ja   □ Nein

Ich kann meine Gefühle und Bedürfnisse gut spüren und zeigen. □ Ja   □ Nein

Mir fällt es leicht, mich trösten zu lassen, wenn ich traurig bin. □ Ja   □ Nein

Mir fällt es leicht, Hilfe anzunehmen und mir etwas abnehmen zu lassen.    □ Ja   □ Nein

Mir fällt es leicht, so viel von mir zu zeigen, dass du mich auch verstehen kannst.    □ Ja   □ Nein

Unsere Gefühle

Ich bin in unserer Beziehung wohl diejenige/derjenige, die/der Gefühle offener mitteilt.    □ Ja   □ Nein

Du bist in unserer Beziehung wohl diejenige/derjenige, die/der Gefühle offener mitteilt.    □ Ja   □ Nein

Ich bin in unserer Beziehung wohl diejenige/derjenige, die/der sich von Gefühlen weniger mitreißen lässt.    □ Ja   □ Nein

Du bist in unserer Beziehung wohl diejenige/derjenige, die/der sich von Gefühlen weniger mitreißen lässt.    □ Ja   □ Nein

Wenn du Gefühle zeigst, dann verstehe ich die Botschaft deiner Gefühle und weiß, was sie mir sagen sollen.    □ Ja   □ Nein

Wenn ich Gefühle zeige, dann verstehst du die Botschaft meiner Gefühle und weißt, was sie dir sagen sollen.    □ Ja   □ Nein

Unsere Sehnsüchte

Ich bin in unserer Beziehung diejenige/derjenige, die/der mehr unerfüllte Lebensträume in sich trägt.    □ Ja   □ Nein

Manchmal bin ich neidisch auf das, was andere Paare oder Familien in ihrem Leben genießen.    □ Ja   □ Nein

Deine Lebensträume bringen mich manchmal unter Druck, weil ich das Gefühl habe, wir müssten noch mehr erreichen. □ Ja   □ Nein

Ein gemeinsames Tempo finden

Nur selten haben Ehepartner das gleiche Lebenstempo. Wo sich der eine erst warmläuft, geht dem anderen manchmal schon die Puste aus. Die Unterschiede zeigen sich ganz früh: Manche Kinder sind immer in Bewegung, andere träumen auch einmal vor sich hin. Manche wollen immer Neues entdecken, andere lieben ihre Höhlen.