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Über die Herausgeberin

Ellen Nieswiodek-Martin ist seit 2014 Chefredakteurin der Zeitschrift LYDIA. Diese Aufgabe hat sie selbst erst in der zweiten Lebenshälfte übernommen und möchte die Leser ebenfalls dazu ermutigen, ihre Träume umzusetzen, neue Aufgaben mutig anzugehen und das Leben neu zu gestalten. Sie ist verheiratet, hat sechs größtenteils erwachsene Kinder und zwei Enkelkinder. Außerdem ist sie Herausgeberin mehrerer Bücher.

Inhalt

Vorwort

Für wen dieses Buch geschrieben ist …

Kapitel 1: Aufgewacht in der Lebensmitte

Älter werden – aber nicht alt sein – Ellen Nieswiodek-Martin

Vom Glück, nicht mehr 30 zu sein – Beate Nordstrand

Halbzeit – Gerdi Stoll

Meine Schule des Lebens – Elisabeth Büchle

Kapitel 2: Träume kennen kein Alter

Studentin mit fünfzig – Erdmuthe Knauß

Mein Herz ist in Afrika – Maria Prean

Mein spätes zweites Jawort – Christa Schellmann

Zwei fremde Freundinnen auf dem Pilgerweg – Heidi Schulte

Gott hat seinen eigenen Zeitplan – Heidi Brandenberg

Ein Haus des Segens – Marion Klug

Die Löffelliste – Ellen Nieswiodek-Martin

Kapitel 3: Loslassen und Grenzen akzeptieren

Nein zu Erwartungen, ja zu mir – Saskia Barthelmeß

Füllstand erreicht! – Ilona Barthel

Loslassen und gewinnen – Kerstin Wendel

Arbeitslos – doch nicht hoffnungslos – Ingrid Witte

Vom Eigenheim ins Mehrgenerationenhaus – Doris und Volker Bednarz

Sorgen loslassen – mit meiner EDJE-Box – Maria Prean

Kapitel 4: Das Gute weitergeben

Ein Tisch mit Vision – Daniela Greiner

Meine Berufung nach dem Beruf – Michael Gudelius

Darf ich von dir lernen? – Anne Löwen

Eine ungewöhnliche Freundschaft – Daniela Merkert

Von ganzem Herzen „Wunschgroßeltern“ – Christina Bachmann

Neue Kinder im leeren Nest – Eva Breunig

Oma, Opa und 61 Enkel – Ellen Nieswiodek-Martin

Kapitel 5: Sich im eigenen Körper wohlfühlen

Schön alt werden – Anne Seidlitz

Wahre Schönheit – Saskia Barthelmeß

Gott kennt meine Kleidergröße – Esther Lieberknecht

Gute Essgewohnheiten trainieren – Beate Nordstrand

Wechseljahre sind Chancenjahre – Birgit Fingerhut

Die neue Lebensphase verstehen – Dr. med. Ute Buth

Kapitel 6: Wenn Träume platzen

Festes Vertrauen auf schwachen Beinen – Elisabeth Mast

Wenn Leid zur Berufung wird – Brigitte Hallenberg

Zerbrochene Herzen heilen … langsam – Roswitha Wurm

Allein leben lernen – Heidi Schulte

Kapitel 7: Wenn die Eltern alt werden

Der höchste Besuch – Heike Malisic

Die Reise ins Land des Vergessens – Gudrun Paladey

Im Pflegeheim, doch nicht allein – Liesel Schomaker

Die kleine Oma mit dem großen Herzen – Inge Hoffmann

Pflege zu Hause – geborgen und professionell versorgt – Uta Kümmerle

Kapitel 8: Die Sache mit der Weisheit

Weise statt ängstlich – Annemarie Pfeifer

Der Schatz, Zeit zu haben – Silvia Konstantinou

Wehe, wenn sie Rentner werden – Andreas Malessa

Freie Tage mit Struktur – Christa Schellmann

Hanna – eine Frau voll Hoffnung und Vertrauen – Delia Holtus

Vergeben – so notwendig wie atmen – Silvia Konstantinou

Weise ziehen tanzend Kreise – Heidi Schulte

Kapitel 9: Schöne Aussichten

Auf dem Boden der Tatsachen … wartet das Glück – Sabine Bockel

Vorsorge für die Ewigkeit? – Katrin Schmidt

Wie erstelle ich mein Testament? – Ingo Peters

Das steilste Stück des Weges – Rosemarie Uschold

Das Beste kommt noch – S. Irmgard Wieland

Über die Autoren

Anmerkungen und weitere Informationen

Erkennungsmerkmale einer seriösen Pflegevermittlung

Beispiele für legale Vermittlungsagenturen

Vorwort

Was ist eigentlich unser „wahres Alter?“ Ab wann sind wir „ältere“ Menschen, ab wann sind wir „alt“? Wenn das so einfach wäre mit der Definition! Eine bekannte Fernsehmoderatorin sagte kurz vor ihrem 40. Geburtstag: „Vierzig ist das neue Dreißig“. Ein Modedesigner erklärte: „60 ist das neue 40“. Ja, was denn nun? Die Erklärung für solche Aussagen liefert der Spruch: „Man ist immer nur so alt, wie man sich fühlt.“ In einem Artikel der „Badischen Zeitung“ las ich, dass sich der Durchschnittsdeutsche 8,3 Jahre jünger fühlt als er ist. Das passt ja gut! Dieses Lebensgefühl mag damit zu tun haben, dass die meisten Mitbürger, die 50 Jahre oder älter sind, andere Erfahrungen gemacht haben als die Generation ihrer Eltern. Die Menschen, die heute „um die 50“ sind, kennen weder Krieg noch Nachkriegsjahre und waren in ihren produktivsten Arbeitsjahren Teil einer erfolgreichen Volkswirtschaft mit all den Vorteilen, die damit einhergingen.

Das Älterwerden – für viele Menschen ist es eine Schreckensvision, deren Vorboten und Auswirkungen mit allen Mitteln bekämpft werden müssen. Unsere Gesellschaft bietet dafür zahlreiche Möglichkeiten an wie Kosmetikstudios, Fitnesscenter, Anti-Aging-Produkte und chirurgische Eingriffe. So soll die Jugendlichkeit bis ins reife Alter erhalten werden – äußerlich und innerlich. Denn auch bildungstechnisch wird für Ältere gut gesorgt. Deutschlands Universitäten haben Menschen, die in der zweiten Lebenshälfte noch einmal neue Wege einschlagen wollen, als neue Zielgruppe für sich entdeckt. Sie bieten ihnen die reguläre Teilnahme an Seminaren und Vorlesungen an – nicht nur als Gasthörer. Für manche dieser Studenten und Studentinnen bedeutet das Studium einfach, ihre Bildung aufzufrischen oder weiter auszubauen, für andere erfüllt sich damit ein Lebenstraum. Doch nicht nur ein spätes Studium stellt einen Lebenstraum dar, den man sich auch im reiferen Alter noch erfüllen kann. Noch viele andere Träume warten darauf, verwirklicht zu werden.

Einige dieser Möglichkeiten, die sich in der zweiten Lebenshälfte auftun können, sind allerdings abhängig von guter Gesundheit, ausreichenden finanziellen Mitteln (nicht jeder kann sich eine Kreuzfahrt oder eine Reise zu exotischen Zielen leisten) oder auch davon, ob man (noch) einen Partner hat, der die eigenen Pläne teilt und unterstützt. Und auch, wenn man es nicht wahrhaben will, geht manches nicht mehr, weil man tatsächlich älter wird – egal, wie man sich fühlt. Das realisieren wir spätestens dann, wenn uns das Leben mit ungeplanten unerwünschten Ereignissen konfrontiert und wir spüren, dass dieses Leben irgendwann zu Ende geht.

Die Autorinnen und Autoren dieses Buches haben ganz unterschiedliche Lebensläufe, aber etwas haben sie alle gemeinsam: Sie sind Menschen, deren Glaube an Jesus Christus das Fundament ihres Lebens ist. Ich bin überzeugt davon, dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, inspiriert, ermutigt und getröstet werden durch diese persönlichen Geschichten, in denen wunderbare Frauen und Männer Gottes ihre Herzen öffnen und uns einen Einblick in ihr Leben und ihre Gefühle schenken. Sie alle sind mutig in der zweiten Lebenshälfte vorangegangen und haben sich auf das Abenteuer des Älterwerdens eingelassen.

Man muss kein bestimmtes Alter erreicht haben, um von den Erfahrungen dieser Autorinnen und Autoren profitieren und lernen zu können. Dazu gehört der Umgang mit den eigenen Begrenzungen – in welcher Form auch immer – und mit schwierigen, aber notwendig gewordenen Entscheidungen.

Die Geschichten in diesem Buch zeigen jedoch auch: Gewisse Dinge, die wir mit dem Älterwerden und schließlich dem Alter verbinden, sind nicht unausweichlich. Manche Ängste können wir getrost ablegen, denn der Schöpfer des Himmels und der Erde spricht das große Amen über unser Leben; ihm allein steht es zu, die Spanne und die Umstände unseres Lebens zu bestimmen. Deswegen ist eines gewiss, wenn ich mein Vertrauen auf Jesus setze – unabhängig davon, wie alt ich mich fühle oder wie alt ich tatsächlich bin: Das Beste kommt noch, nämlich eine Ewigkeit in Gottes Gegenwart.

Bis dahin lädt er uns ein, zuversichtlich und mutig durch unser Leben zu gehen und im Älterwerden nicht nur die Herausforderungen, sondern auch die Chancen zu sehen.

Denn für die Träume, die Gott uns ins Herz gelegt hat, gibt es kein „zu alt“.

Viel Freude und Inspiration beim Lesen!

Ihre Ingeborg Barker

Ingeborg Barker ist Pastorin der Fels Gemeinde in Bingen, liebende Ehefrau, Mutter und Großmutter und langjährige Frauenleiterin im Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden.

Für wen dieses Buch geschrieben ist …

Wann beginnt eigentlich die zweite Lebenshälfte? Das wurde ich bei der Zusammenstellung dieses Buches mehrfach gefragt.

So ganz einfach lässt sich das nicht sagen. Denn wie jung oder alt man sich fühlt, ist sehr unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die eine hat schon seit dem 40. Geburtstag Angst vor dem Älterwerden. Andere machen sich zum ersten Mal kurz vor dem 50. Geburtstag Gedanken, was noch kommen könnte.

Sollte man die Definition an der statistischen Lebenserwartung festmachen?

Dann könnten wir Frauen hier in Deutschland bei einer statistischen Lebenswartung von rund 87 Jahren den 43. Geburtstag als Lebensmitte annehmen.

Ein Mann hat nach heutigem Stand etwa zwei Jahre weniger zur Verfügung. Aber all das sind statistische Zahlen, die sich durch die individuellen Umstände verändern können.

Eine Frau, die 1968 geboren ist und in Deutschland lebt, hat eine statistische Lebenserwartung von 87,9 Jahren. Das errechnet das Portal http://population.io nach dem Geburtsjahr, dem Geschlecht und dem Land, in dem man lebt.

Netterweise rechnet das Portal auch gleich die verbleibenden Lebensjahre aus und fragt: „Fühlen Sie sich jung oder alt?“ Es folgt die Feststellung: „Sie sind die 5 7771 645 274. lebende Person auf der Welt. Das bedeutet, dass 78 Prozent der Weltbevölkerung und 54 Prozent der Menschen in Deutschland jünger sind als Sie.“

Ob diese Angaben aufmunternd sind, sei dahingestellt. In jedem Fall zählt eine 50-Jährige eindeutig zu der älteren Bevölkerung.

Andererseits: Wir haben das Vorrecht, in Deutschland zu leben – einem Land mit hohen Standards und guter Versorgung. Würde eine Testperson als Wohnort nämlich Indien angeben, würde ihre Lebenserwartung auf 79,1 Jahre sinken. Im Kongo würde sie statistisch gesehen nur 76,5 Jahre alt werden, in Nigeria 72,4 Jahre.

Die Sache mit der Lebenshälfte ist also – statistisch und persönlich gesehen – sehr unterschiedlich. Bei all dem sind Krankheiten, Unfälle und andere unvorhersehbare Ereignisse nicht berücksichtigt.

Wann sich Menschen mit der zweiten Lebenshälfte beschäftigen möchten, ist also eine sehr persönliche Frage. So verschieden, wie die Menschen sind, so verschieden sind auch die Lebenssituationen, in denen sie sich befinden. Eine Frau, die erst mit 39 ein Baby bekommen hat, wird sich mit 40 kaum Gedanken über ihre zweite Lebenshälfte machen. Dagegen wird eine 45-jährige Mutter, deren Kinder erwachsen sind, ganz anders auf die nächsten Jahre schauen.

In diesem Buch finden Sie deshalb ebenfalls ganz unterschiedliche Aspekte des Älterwerdens. Lesen Sie sich das Inhaltsverzeichnis durch und nehmen Sie sich die Themen vor, die Sie momentan beschäftigen. Ich wünsche Ihnen viele ermutigende und segensreiche Erkenntnisse dabei.

Ihre Ellen Nieswiodek-Martin

Kapitel 1

Aufgewacht in der Lebensmitte

Du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Psalm 31,9 (Luther)

Älter werden – aber nicht alt sein

Ellen Nieswiodek-Martin

Vor einiger Zeit war ich mit der U-Bahn unterwegs. Die Waggons waren sehr voll und ich hatte nur einen Stehplatz bekommen. Mit einer Hand hielt ich mich fest, in der anderen hatte ich eine Brötchentüte. Da stand ein junger Mann auf und bedeutete mir, dass ich gern seinen Platz haben könne. Nanu? Sah ich schon so gebrechlich aus, dass ich scheinbar dringend sitzen musste? Darüber machte ich mir ernsthaft Gedanken. Ich beschloss, dass mir der nette Mann lediglich ermöglichen wollte, mein belegtes Brötchen im Sitzen zu genießen. So musste es gewesen sein. Mit Anfang fünfzig sah ich schließlich nicht so aus, als könnte ich nicht mehr stehen …

Einige Wochen später unterhielt ich mich auf einem Gemeindefest mit einem jungen iranischen Flüchtling. Ich duzte ihn, doch er sagte „Sie“ zu mir. Als ich ihn bat, doch bitte „du“ zu sagen, schaute er mich an und meinte: „Im Iran gilt es als sehr unhöflich, ältere Menschen zu duzen. Das machen wir niemals.“

Ältere Menschen? Damit meinte er mich! Mir fiel darauf keine Antwort ein, zu sehr beschäftigten mich seine Worte. Bin ich ein älterer Mensch? Dabei fühle ich mich doch kaum anders als mit Mitte dreißig … Irgendwie gefiel mir diese Einordnung nicht.

So tat ich das Ganze als kulturelle Eigenheit ab. Außerdem bin ich schon länger in einem Alter, in dem mich Jüngere unwillkürlich siezen.

Seine Bemerkung, aber noch viel mehr meine Reaktion darauf, beschäftigte mich dennoch tagelang. Warum habe ich ein Problem damit, als „älter“ eingestuft zu werden?

Fakt ist: Ich bin älter als eine ganze Menge Menschen. Das ist an sich nichts Negatives. Woher kommt also diese emotionale Abwehr? Möglicherweise liegt es an dem inneren Bild, das ich von älteren Menschen habe.

Dieses Bild ist in meiner Kindheit und Jugend entstanden. Damals wirkten Menschen mit Mitte vierzig, fünfzig oder gar sechzig aus meiner Perspektive alt – und langweilig. Das heißt, sie benahmen sich für meinen Geschmack alt und langweilig. Zum Beispiel meine Oma. Eine kleine, fast kugelrunde Frau, die viele Kilometer von uns entfernt wohnte. Sie war eine liebevolle Oma, die einige Male auf uns Kinder aufpasste. Aber sie mochte es nicht, sich viel zu bewegen. Ausflüge und aktive Unternehmungen waren nicht ihre Sache. Am liebsten kochte sie oder saß im Sessel, las eine Zeitschrift oder schaute fern. Sie war damals Anfang sechzig. Sie und andere Menschen haben mein Bild vom Alter geprägt.

Heute sind Sechzigjährige gesundheitlich oft noch so fit wie früher Vierzigjährige. Und meine Vorstellung von damals ist überholt. Die Journalistin Margaret Heckel fasst es so zusammen: „Weil wir die These so sehr verinnerlicht haben, dass Alter ein Prozess des Verfalls ist, kommen wir gar nicht auf die Idee, nach unseren Stärken im Alter zu suchen.“

Leute über sechzig nennt man heute „Best-Ager“, Menschen über 45 sind „Midlife-Boomer“. Sie sind aktiv und weit davon entfernt, mit Pantoffeln und Lesebrille im Sessel zu sitzen.

In den USA haben die über 55-Jährigen fast doppelt so oft erfolgreiche Firmen gegründet wie die 20- bis 34-Jährigen.1 Sie haben in der zweiten Lebenshälfte einen Neuanfang gewagt und ihre große Erfahrung brachte ihnen Erfolg. „Die ersten 50 Jahre eigneten wir uns eine Fülle an Wissen und sozialem Know-How an, um es die nächsten 50 Jahre an unsere Umgebung und die Gesellschaft zurückzugeben“, sagt Laura L. Carstensen, die Leiterin des Center of Longevity der Stanford University in Kalifornien.2

Die Amerikanerin Suzelle Poole3 tanzt seit ihrem siebten Lebensjahr Ballett. Auch mit 77 Jahren gibt sie noch Unterricht und tanzt den Schülern alles vor. Ihr Motto: „Es ist nie zu spät, das zu tun, was du liebst.“

Der Australier Allan Stewart4 hat mit 97 Jahren sein viertes Studium abgeschlossen. Der zwölffache Großvater und sechsfache Urgroßvater sagte gegenüber der Zeitung „The Australian“: „Ich bin einfach mit guten Genen gesegnet.“

Andere kaufen sich als Rentner ein Wohnmobil und ziehen damit durch die Welt. Wieder andere engagieren sich im sozialen Bereich oder beginnen ein neues Hobby.

Die amerikanische Schneiderin Lillian Weber5 hatte sich zum Ziel gesetzt, bis zu ihrem 100. Geburtstag 1000 Kleider für afrikanische Mädchen zu nähen. Dieses Ziel hat sie sogar überschritten. Bis zu ihrem 100. Geburtstag hatte sie 1051 Kleider für das Hilfswerk „Little Dresses for Africa“ erstellt – und sie will weitermachen, solange sie kann.

Viele Geschichten dieses Buches handeln von solchen neuen Zielen, von Neuanfängen, von Träumen, die man sich erfüllt oder neuen Aufgaben, die man findet. Sie werden sehen, die Aussichten auf die zweite Lebenshälfte können tatsächlich schön sein. Es ist noch so viel möglich!

Auch in der Bibel spielt das Alter keine Rolle für die Berufung eines Menschen. Bei Gott gibt es kein „zu alt“ oder „zu jung“.

Gott hat dem jungen David eine große Aufgabe zugetraut, als er vor den Augen der Israeliten und der Philister den riesigen Kämpfer Goliath besiegte.

Josef war dreißig Jahre alt, als der Pharao ihn zu seinem Stellvertreter bestimmte.

Abraham war 75 Jahre alt, als er in ein unbekanntes Land aufbrach.

Sara war über 90 Jahre alt, als sie ein Kind zur Welt brachte.

Mose muss etwa 80 Jahre alt gewesen sein, als er den Auftrag bekam, das Volk aus Ägypten zu führen. Viele dieser biblischen Figuren fühlten sich aufgrund ihres Alters oder anderer Eigenschaften Gottes Auftrag zunächst nicht gewachsen. Doch Gott wusste besser, was er ihnen zutrauen konnte und bewirkte Großes durch sie – egal, wie alt oder jung sie waren.

Als junge Frau dachte ich, wenn man ein gewisses Alter überschritten hat, würde man aus dem reifen Schatz der Erfahrung schöpfen können und dann voller Weisheit besonnen und gelassen allen Anforderungen des Lebens begegnen.

Sicher bin ich etwas gelassener als mit Mitte zwanzig, so richtig weise fühle ich mich allerdings noch lange nicht. Es sind Dinge passiert, die ich mir niemals hätte ausdenken können. Gott hat mir Türen geöffnet, an die ich früher nicht einmal geklopft hätte. Mit Ende vierzig habe ich eine neue Aufgabe bekommen, die ich sehr liebe. Gott hat aber auch Türen geschlossen und auf manche Erfahrung, Enttäuschung und manchen Verlust und Schmerz hätte ich gern verzichtet.

Aber das alles hat dazu beigetragen, dass ich an dem Platz bin, wo ich heute bin – an dem Platz, an den Gott mich geführt hat. Ich lerne, eine Schwiegermutter, eine Oma und eine ältere Kollegin zu sein, die die Jüngeren ermutigt und coacht. Ich lerne, mit Pastoren, Ärzten und Lehrern umzugehen, die „auf einmal“ jünger sind als ich. Das ist erst einmal merkwürdig, aber ich lerne, damit umzugehen. Es ist ein wertvoller Prozess, in dem ich schon viele Erfahrungen machen konnte, die ich nicht missen möchte.

Natürlich, manches kann man nicht schönreden, da braucht man hilfreiche Strategien. Ich habe mir zum Beispiel angewöhnt, morgens nicht in den Vergrößerungsspiegel im Bad zu schauen, der macht mich sowieso nicht glücklich. Ich sehe anders aus als mit dreißig; das wurde mir erst kürzlich beim Anschauen alter Fotoalben bewusst. So habe ich mal ausgesehen? Ich dachte, ich hätte mich kaum verändert … Nun ja. Das innere Lebensgefühl hat sich nicht verändert, der äußere Mensch dann eben doch. Dabei ist unser Veränderungsprozess ganz normal. Je mehr Menschen zu ihrem Alter und allem, was es mit sich bringt, stehen, anstatt sich dem „Jugendwahn“ hinzugeben, desto einfacher wird es für uns alle.

In jedem Fall sieht mein Gesicht besser aus, wenn ich fröhlich durch den Tag gehe, als wenn ich mich mit heruntergezogenen Mundwinkeln und Sorgenfalten präsentiere.

Meine alten Vorurteile und alle konkreten Erwartungen, wie es „im Alter“ einmal sein wird, habe ich inzwischen über Bord geworfen und lasse mich stattdessen von dem überraschen, was Gott noch mit mir vorhat.

Die Geschichten der Frauen und Männer in diesem Buch haben mir Mut gemacht, fröhlich und erwartungsvoll vorwärtszugehen. Ich wünsche Ihnen, dass es Ihnen ebenso geht, denn Träume kennen kein Alter!

Vom Glück, nicht mehr 30 zu sein

Beate Nordstrand

Gemütlich sitze ich am Frühstückstisch und lese die Zeitung. Zwar brauche ich mit Mitte fünfzig eine Lesebrille, aber dafür habe ich Zeit, ein bisschen länger sitzen zu bleiben. Seit einigen Jahren hat sich unser Familienleben verändert. Drei unserer fünf Kinder haben das Haus aufgrund ihres Studienplatzes oder des Dienstes bei der Bundeswehr verlassen. Auch die beiden Jüngsten, die noch zu Hause wohnen, sind inzwischen schon recht selbstständig. Mein Arbeitspensum für Familie und Haushalt hat sich deshalb deutlich reduziert.

Ich gehe auf die sechzig zu und merke: Ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Ich nutze die Ruhe und überlege, ob ich allen Ernstes lieber noch einmal jünger sein wollen würde und komme zu dem Schluss: Nein, danke! Zwischen 25 und 35 erlebte ich die anstrengendste Zeit meines bisherigen Lebens. Heute versichere ich jeder jungen Mutter mit mehreren kleinen Kindern: „Nie mehr im Leben wird es so aufreibend sein wie jetzt!“ Ja, ich bin froh, nicht mehr dreißig zu sein!

Aber möchte ich noch einmal vierzig sein? Mit Anfang vierzig kehrte ich nach fast zwanzigjähriger Familienpause ins Berufsleben zurück, musste noch einmal viel lernen und mich in eine neue Firma einarbeiten. Ich erlebte die Doppelbelastung von der Führung eines Mehrpersonenhaushalts und meiner Berufstätigkeit und kam dabei mehr als einmal an meine Grenzen.

Gern würde ich mit meinem Wissen von heute manche Dinge anders und unkluge Entscheidungen rückgängig machen. Aber die Zeit lässt sich nun einmal nicht zurückdrehen. Daraus lerne ich, dass jedes einzelne Jahr, jeder Monat, jeder Tag entscheidend ist.

Heute, mit 56, weiß ich, dass Erfolge und Misserfolge dazugehören und dass ich mich einfach weiter Gottes Lebensgeschichte für mich anvertrauen möchte. Ich spüre, dass sich ein neues Zeitfenster auftut. Es fühlt sich an wie eine Zeitkapsel – die sich entweder sanft öffnet, vielleicht aber auch explodiert. Eine neue Phase von Interessen, Fähigkeiten und Möglichkeiten beginnt.

Ich hole mir Stift und Papier, schreibe „Mein neues Leben“ auf die Mitte des Blattes und zähle dann all die positiven Veränderungen auf, die dieser neue Lebensabschnitt mit sich bringt: Ich habe viel mehr Zeit zur freien Verfügung. Endlich genug Freiräume, um Beziehungen und Freundschaften zu pflegen, da ich mein Arbeitspensum flexibel bestimmen kann.

Ich habe Zeit fürs Gebet. Oft bete ich auf meiner morgendlichen Nordic-Walking-Tour oder im Wohnzimmer. Ohne Großfamilie ist unser Zuhause nämlich fast immer sauber und ordentlich. Weder ein Staubsaugermarathon noch eine morgendliche Chaosbeseitigungsmaßnahme sind mehr nötig, bevor ich hier zur Ruhe kommen kann.

Ich habe Zeit, meinen Körper zu pflegen: durch Bewegung, gesundes Essen, Kosmetik und Ruhezeiten.

Ich habe Zeit, meinen Hobbys nachzugehen. Neulich habe ich über dem Bearbeiten meiner Webseite das Kochen vergessen und es gab keinen Aufstand seitens hungriger Familienmitglieder.

Ich habe mehr Selbstvertrauen. Nie war ich mir meiner Stärken so bewusst wie heute. Meine Selbstzweifel und mein mangelndes Selbstbewusstsein sind gewichen. Ich bin dankbar für die Begabungen, die Gott in mich hineingelegt hat. Warum sollte ich mich mit anderen vergleichen? Gott hat mir ein abwechslungsreiches Leben zugedacht und ich traue mir mehr zu als früher. Ich finde mich sogar schöner als mit 25 – und das sehen selbst meine Kinder so. Die Dauerwelle von damals und die riesige rote Brille waren nun wirklich eine Lachnummer.

Außerdem habe ich heute mehr Geld. Vorbei sind die Jahre, in denen wir „kleine Brötchen backen“ mussten und uns keine Sonderausgaben leisten konnten. Nie hätte ich gedacht, dass meine Berufstätigkeit eine so große emotionale Erleichterung für mich bedeuten würde. Fast zwanzig Jahre hatte ich in die Erziehung unserer Kinder und in karitative Dienste in der Gemeinde investiert. Heute genieße ich das gute Gefühl, selbst verdientes Geld auf dem Konto zu haben. Dadurch haben wir als Familie mehr Entscheidungsfreiräume und können auch andere Menschen finanziell unterstützen.

Ich traue Gott mehr zu. Wie oft habe ich erlebt, dass Gott seine schützende Hand über mich gehalten hat? Sogar dann, wenn ich falsche Entscheidungen getroffen habe oder ganz offensichtlich im Unrecht war. Gott zog seinen Schutz nicht zurück. Ich durfte neu ansetzen und bekam eine zweite Chance. Viele alte Menschen bereuen am Ende ihres Lebens, nicht mehr Risiken eingegangen zu sein. Ich lerne aus ihrem Bedauern und nehme mir vor, mutig zu sein und mit Gottes Hilfe einige meiner noch nicht ausgelebten Träume zu verwirklichen.

Meine Skizze mit der Aufzählung meiner Segnungen wird immer umfangreicher. Beim Nachdenken fallen mir viele weitere Gründe ein, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen.

Statt in den nächsten zehn Jahren mit Alterserscheinungen, Schlafstörungen und Depressionen zu rechnen, gehe ich davon aus, dass der vor mir liegende Lebensabschnitt ungeahnte neue Möglichkeiten mit sich bringen wird.

Jede Idee, die Gott in mich hineinlegt, kommt mir vor wie eine weitere Schwangerschaft: Sie will heranreifen, ausgebrütet und schließlich ins wahre Leben hineingeboren werden. So erlebte ich beispielsweise die Arbeit an meiner neuen Internetseite für Frauenarbeit wie eine sechste Schwangerschaft. Etwas Wundervolles ist daraus entstanden! Diese Seite bescherte mir unzählige wertvolle Freundschaften und Kontakte zu Frauen in aller Welt. Als die Webseite zum ersten Mal online war, verschickte ich deshalb sogar Geburtsanzeigen! Schmunzelnd nahm ich später einige Glückwünsche von Menschen entgegen, die dachten, wir hätten tatsächlich ein weiteres Kind bekommen.

Meine Zeit der körperlichen Fruchtbarkeit ist zu Ende, aber nun darf ich meine Kreativität, meine Begabungen und meine Lebenserfahrung in die Aufgaben stecken, die Gott mir in mein leer gewordenes „Nest“ legt.

Welche Eier hat er Ihnen zum Ausbrüten anvertraut? Gibt es Lebensträume, die sich bis jetzt nicht erfüllt haben? Vielleicht wollten Sie schon immer ein eigenes Geschäft haben, einen anderen Beruf ausüben, eine Reise nach Israel machen, eine neue Sprache erlernen? Es gibt Träume, die seit Jahren in uns schlummern – und meistens liegt in ihnen ein Wink Gottes verborgen, mit dem er uns auf unsere Berufung aufmerksam machen möchte.

Nehmen Sie sich Zeit. Erforschen Sie Ihre veränderten Möglichkeiten. Denken Sie über die Pläne Gottes für die vor Ihnen liegende Lebensphase nach. Wo etwas aufhört, ist gleichzeitig auch Platz für etwas Neues. Das war schon immer so. Vielleicht ist es gerade jetzt an der Zeit, sich Gott neu zur Verfügung zu stellen?

„Die Zeit der Supermodels ist vorbei“, erklärte Claudia Schiffer in einem Lifestyle-Magazin. „Die Konkurrenz ist einfach zu groß.“ Ich halte dagegen: Wir brauchen neue Supermodels, super Vorbilder: Frauen, die mit ihrem Glauben und ihrer Lebenserfahrung anderen Frauen ein gutes Beispiel sein und sie ermutigen können. Das wird dringender benötigt als Stil-Ikonen und Laufstegschönheiten. Was ist mit Ihnen? Sie können heute ein Model für innere Schönheit werden! Die Konkurrenz müssen Sie nicht fürchten, denn unsere Gesellschaft braucht gute Vorbilder so dringend wie nie zuvor. Nennen Sie es Vorbild, geistliche Mutter, Glaubenszeugin oder wie auch immer – aber versuchen Sie etwas davon zu werden und andere durch Ihr Leben zu inspirieren und zu prägen.

Vielleicht erwidern Sie: „Aber ich fühle mich gar nicht wie ein Supermodel.“ Meine Freundin Birgit saß mir neulich gegenüber und klagte: „Ich fühle mich manchmal wie durch die Mangel gedreht – geistig, körperlich und seelisch. Abends bin ich oft so geplättet, dass ich kaum noch laufen kann.“ Auch ich bemerke Veränderungen bei mir. Das Gespräch mit Birgit tat mir gut. Ich habe gemerkt: Ich bin damit nicht allein. Wie eng ist bei uns Frauen doch das körperliche und seelische Wohlbefinden miteinander verknüpft! Doch davon wollen wir uns nicht unterkriegen lassen und erst recht nicht unsere Chancen verbauen lassen! Gemeinsam beschlossen wir, uns auf die vor uns liegende Zeit zu freuen und die Gelegenheit zu ergreifen, uns wieder einmal zu verändern – „zu verbessern“, wie Birgit mit einem Lächeln korrigierte. Denn auch wenn wir uns nicht immer gut fühlen, können wir trotzdem ein gutes Leben führen, das anderen zum Vorbild wird. Drei wesentliche Bausteine für ein gutes Leben im reifen Alter sind für mich Freundschaften, Sport und Gelassenheit.

Freundschaften: Ich will mein Beziehungsnetz stärken, denn Austausch und Mitgefühl tun immer gut. Vielleicht wird aus dem Treffen mit Birgit ein regelmäßiges Zusammenkommen? Mir fallen sofort ein paar Frauen ein, die sicher auch Interesse daran hätten.

Sport: Ich will meine müden Knochen immer wieder neu beleben. Während Birgit schon immer sportlich war, musste ich mich dafür bewusst entscheiden. Da wir zusammen an einem Nordic-Walking-Kurs teilgenommen haben, werden wir uns nun weiterhin zum Walken verabreden. Wie nett, denke ich insgeheim, denn mit Begleitung fällt es mir viel leichter. Bewegung macht nicht nur gute Laune, stärkt die Muskeln und erhöht den Kalorienverbrauch, sie regt auch den Knochenaufbau an, was gerade „in unserem Alter“ wichtig ist, weil es vor Osteoporose schützt.

Gelassenheit: Birgit hat die vier Kilo vom vergangenen Sommerurlaub noch immer nicht wegbekommen. Auch ich merke, dass ich erheblich mehr Disziplin brauche, um mein Gewicht zu halten. Inzwischen habe ich einfach akzeptiert, dass ich ein paar Kilo mehr auf die Waage bringe als früher. Ich möchte lieber entspannt die biologischen Gegebenheiten hinnehmen, statt verbissen an einem Gewicht von früher festhalten zu wollen. Den Stress ist es mir nicht mehr wert. Außerdem haben Wissenschaftler festgestellt, dass unter- und idealgewichtige Frauen mehr unter Wechseljahresbeschwerden leiden als Frauen, die vier bis acht Kilo schwerer sind als vor Einsatz der Menopause.

Wenn ich mir das alles so überlege, dann bin ich wirklich froh, nicht mehr dreißig zu sein. Mit Lesebrille und einigen Kilo über dem Idealgewicht kann ich nun getrost die Eier ausbrüten, die Gott mir in mein „Nest“ legt. Und ich möchte versuchen, ein Model für innere Schönheit zu sein – für Frauen, deren Nest noch mit anderen Aufgaben und Menschen gefüllt ist.

Halbzeit

Gerdi Stoll

Wenn ich an „Halbzeit“ denke, fallen mir sofort die Fußballspiele unserer Nationalmannschaft ein, die ich mit großer Begeisterung anschaue. Die erste Runde ist geschafft. Nun gibt es eine Pause, um Bilanz zu ziehen und für die zweite Runde Kraft zu schöpfen.

Auch nach der ersten Hälfte unseres Lebens sind wir auf eine Pause angewiesen. Dabei wirkt unsere Lebensmitte oft vielmehr wie die „Rushhour“ des Lebens. In dieser Phase kann es im Beruf, in unseren Beziehungen und im gesundheitlichen Bereich ganz schön rundgehen. Es besteht die Gefahr, dass wir uns selbst verlieren, wenn wir uns keine Ruhepausen gönnen, um unser Leben zu reflektieren, bevor wir in die „zweite Halbzeit“ aufbrechen.

In der Lebensmitte können – und sollten – wir Bilanz ziehen: Welche Hoffnungen sind erfüllt worden, welche nicht? Wo haben wir unsere Erwartungen zu hoch gesteckt und uns deshalb unweigerlich selbst enttäuscht? Worüber sind wir vielleicht schon bitter geworden? Gibt es versöhnte Beziehungen, die unser Herz eng machen? Welche Erfahrungen sind noch nicht verarbeitet und quälen uns noch immer? Unbewältigte, unbereinigte Lebensjahre sind eine Last, die uns das Älterwerden erschweren kann und uns lähmt. Und weil Leib und Seele zusammengehören, können beide davon in Mitleidenschaft gezogen werden.

In der Lebensmitte müssen wir uns ganz nüchtern eingestehen: Wir sind begrenzte, fehlbare Menschen. Wir können einander nicht alles geben. Wir können auch nicht alles voneinander erwarten – nicht einmal von uns selbst.

Wie können wir, obwohl wir das erkannt haben, trotzdem voller Zuversicht und Elan in die nächste Lebensphase starten? Ich glaube, der Schlüssel hierfür liegt in unserem Glauben an Gott.

Er, unser Schöpfer, spricht uns zu: „Denn ich allein weiß, was ich mit euch vorhabe: Ich, der HERR, habe Frieden für euch im Sinn und will euch aus dem Leid befreien. Ich gebe euch wieder Zukunft und Hoffnung. Mein Wort gilt!“ (Jeremia 29,11).

Gott selbst schenkt uns die neue Erfüllung, nach der wir uns so sehnen. In seinem Frieden ist unendlich viel Liebe, die überwinden kann. In seinem Frieden ist eine große Freiheit, die Ketten bedrückender Abhängigkeiten sprengen kann. In seinem Frieden wird uns das Geschenk der Versöhnung angeboten. Die Erlösung, die er uns mit Tod und Auferstehung seines Sohnes Jesus Christus geschenkt hat, dürfen wir annehmen und uns ganz neu von ihr überwältigen lassen. Dann stecken wir auch andere mit unserer Begeisterung an.

Sein Friede ist wie Balsam auf unseren Lebenswunden. Wir können Heilung für unsere Seele erfahren, auch wenn wir die Verletzungen schon lange mit uns herumtragen. Wo unsere Beziehung zu Gott neu auflebt, können auch die Weichen im menschlichen Miteinander neu gestellt werden.

Unsere Gedanken haben dabei eine große Macht: „Mehr als auf alles andere achte auf deine Gedanken, denn sie entscheiden über dein Leben“ (Sprüche 4,23; Gute Nachricht).

Der Friede Gottes kann unsere Gedanken durchdringen, wenn wir Gott in unser Herz einladen und uns von ihm verändern lassen. Wir können Schuld beim Namen nennen, sie voreinander bekennen und Vergebung aussprechen, damit wir Neues wagen und befreit und geheilt werden können. Ein Leben, das mit Gott ist, bewirkt, dass wir an altem Schmerz und alter Schuld nicht mehr krampfhaft festhalten müssen, sondern dankbar und vertrauensvoll loslassen können.

Versöhntes Leben ist wie ein offenes Tor zu neuen Wegen. So kann man in der Lebensmitte Freude darin finden, bisher verborgene Talente zu entdecken und Aufgaben mit neuer Energie, aber auch mit einer gesunden Gelassenheit anzugehen. Ich muss mich nicht ständig von den Erwartungen anderer bestimmen lassen. Ich darf selbst Entscheidungen treffen.

Wenn wir uns bewusst dazu entscheiden, den Frieden Gottes in unser Herz zu lassen, hilft uns das, auch in den unzähligen Anforderungen des Alltags das Wesentliche nicht aus dem Blick zu verlieren. Wir behalten den Überblick und erkennen, dass neben kreativen und aktiven Zeiten jetzt auch Zeiten des Rückzugs und der Besinnung tragende Säulen in unserer Lebensphase sein sollten.

Ein ausgewogenes Maß zwischen Anspannung und Entspannung, Aktivität und Ruhe ist für die Gesundheit von Leib und Seele unabdingbar. Beide, der innere und der äußere Mensch, müssen gepflegt werden, wenn wir ein harmonisches, ausgeglichenes Leben führen wollen. Zur Pflege des inneren Menschen gehören auch geistige Inspirationen und das Ausrichten auf Gott. Gerade wer schon einmal Dinge mit ihm erlebt hat oder tief von ihm berührt wurde, hat danach das Bedürfnis, im Glauben zu wachsen.

Geistiges Wachstum erfordert den Blick für das Heute. Es gilt, bewusst im Hier und Jetzt zu leben, mit den Kräften und Möglichkeiten, die uns heute zur Verfügung stehen.

Doch das Fahrwasser in dieser Lebensphase des Älterwerdens ist längst noch nicht so ruhig, dass wir uns jederzeit ungestört zur Besinnung zurückziehen könnten. Hohe Leistungen werden im Beruf gefordert. Unsere erwachsenen Kinder, unsere Enkelkinder oder die eigenen Eltern brauchen unsere Unterstützung. Mit Recht werden Menschen in der Lebensmitte als „Sandwich-Generation“ bezeichnet. Sie stehen und leben zwischen den Jungen und den Alten.

Die Folge ist, dass nicht selten persönliche Krisen und Grenzerfahrungen durchlitten werden. Wie hilfreich ist da die Entlastung, die wir bei Gott finden: „Bestimme du mich, Herr, dass ich mein Arbeitstempo, meine Hingabefähigkeit, aber auch meine Ruhezeiten von dir prägen lasse.“

Mit einer versöhnten Vergangenheit und einer bewusst gestalteten Gegenwart können wir mutig der Zukunft entgegenblicken. Wie geht es mit uns weiter? Wenn unsere Kraft nachlässt, wenn Falten und gesundheitliche Beschwerden zunehmen? Wir haben einen bedeutenden Abschnitt unserer persönlichen Lebensstrecke bereits geschafft, haben einen zum Teil mühseligen Aufstieg hinter uns. Der weitere Lebensweg muss kein Abstieg sein. Doch wissen wir, wo es weitergeht? Wer ist unser Wegbegleiter? Haben wir ein Ziel?

Wir können diese Fragen verdrängen, wir können ihnen ausweichen, indem wir uns auf Arbeit oder Zerstreuung konzentrieren. Aber selbst das reichhaltige Kosmetikangebot und ein jugendlicher Kleidungsstil können unseren Alterungsprozess nicht aufhalten.

Schließlich bleibt die Frage: Kann ich Ja dazu sagen, dass mein Leben mit dem Tod endet?

Doch da steht einer, der uns ein Leben angeboten hat, das bleibt: Jesus Christus. Er wartet auf uns, nicht erst am Ende unseres Lebens, sondern schon heute. Schon jetzt will er uns versöhntes und befreites Leben schenken. Die Tür zu seinem Haus ist geöffnet. Gott breitet seine Arme aus und will uns als ewiger Vater und ewiger Gastgeber herzlich willkommen heißen.

Jesus hält für uns ewiges Leben bereit, wenn wir ihn als unseren Herrn und Erlöser annehmen. Wenn dann unser Leben auf dieser Erde zu Ende geht, werden wir kein Leid mehr erfahren. Im Himmel wird es keine Tränen mehr geben. Da wird nur noch eine unbeschreibliche Freude sein! Im Angesicht Gottes werden alle unsere unbeantworteten Lebensfragen beantwortet – oder plötzlich unwichtig sein. Nach all unserem menschlichen Zweifeln und Ringen zu Lebzeiten, endlich tiefer, uneingeschränkter Friede.

Wer in dieser Hoffnung lebt und weiß, wer ihn nach dem Tod erwartet, kann sich getrost dem Älterwerden stellen und wird auch in schweren Zeiten nicht den Mut verlieren.

Dankbarkeit lässt uns die Verantwortung erkennen für jeden neuen Tag, den Gott uns schenkt. Das weckt selbst mit siebzig und achtzig Jahren noch eine intensive Lebensfreude, schenkt neue Lebensenergie für das Heute – und hilft uns, Gott getrost zu vertrauen, weil wir das Morgen nicht unter Kontrolle haben müssen.

Wir dürfen wissen: Wir sind nicht allein. Wir sind gehalten. Der jetzt mit uns geht, lässt uns auch an unserer Lebensgrenze nicht im Stich. Jesus hat sie schließlich für uns überwunden. In diesem Schutz, in dieser Geborgenheit älter zu werden, das wünsche ich uns allen.