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HARALD ORTH

ANDREAS MALESSA

KOMPLIZIERT

SIND NUR DIE ANDEREN

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für heile Beziehungen

Bibelzitate folgen, wo nicht anders angegeben, dem

Bibeltext der Neuen Genfer Übersetzung –

Neues Testament und Psalmen.

Copyright © 2011 Genfer Bibelgesellschaft.

Weitere verwendete Übersetzungen sind

wie folgt gekennzeichnet:

Hfa – Hoffnung für alle®.

Copyright 1983, 1996, 2002 by Biblica Inc.™.

Hrsg. von `fontis – Brunnen Basel.

Alle weiteren Rechte weltweit vorbehalten.

Verwendung mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

L – Lutherbibel, revidierter Text 1984,

durchgesehene Auflage in neuer Rechtschreibung,

© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Illustrationen von Uwe Beer

© 2018 Brunnen Verlag Gießen

Umschlagmotiv: Shutterstock
Umschlaggestaltung: Jonathan Maul

Lektorat: Uwe Bertelmann

Satz: DTP Brunnen

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN Buch: 978-3-7655-2089-1

ISBN E-Book: 978-3-7655-7515-0

www.brunnen-verlag.de

Inhalt

Vorwort
„Es könnt’ alles so einfach sein …“

Woche 1
Seelenklempner, Sündenvergeber, Seligmacher???

Eine heile Beziehung zu meinem Schöpfer

von Harald Orth

Woche 2
Verändere keinen Nächsten wie dich selbst

Eine heile Beziehung zu mir selbst

von Harald Orth

Woche 3
Zwölf Freunde müsst ihr sein

Heile Beziehungen zu meinen Freunden

Von Andreas Malessa

Woche 4
In herzlicher Abneigung verbunden

Heile Beziehungen zu meinen Feinden

von Harald Orth

Woche 5
Omas Fünfundsiebzigster

Heile Beziehungen zu meiner Familie

Von Andreas Malessa

Woche 6
Wenn Brüder und Schwestern einträchtig beieinander sind …

Eine heile Beziehung zu meiner Gemeinde

von Harald Orth

Woche 7
Wer Visionen hat …

Eine heile Beziehung zu meinen unerfüllten Träumen

von Harald Orth

Predigten zu den Themen der einzelnen Wochen,

Studienmaterial für Kleingruppen

und weitere Informationen finden Sie unter:

www.brunnen-verlag.com

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Vorwort

„Es könnt’ alles so einfach sein …“

So beginnt nicht nur das bekannte gleichnamige Lied von den Fantastischen Vier, sondern auch so mancher Seufzer enttäuschter Zeitgenossen.

„Es könnt’ alles so einfach sein – isses aber nicht!“ Ursache für diese frustrierende Bestandsaufnahme sind relativ häufig Enttäuschungen und Missverständnisse zwischen Menschen, die sich besonders nahe stehen. „Es kriselt halt überall“, so sagte mir erst kürzlich ein Nachbar, „vor allem dort, wo Menschen miteinander zu tun haben.“ Dabei ist oft nicht nur die „klassische Beziehung“ zwischen Mann und Frau betroffen, sondern mindestens ebenso häufig auch die zwischen Kollegen, Nachbarn, Freunden, Familienangehörigen und Gemeindemitgliedern. Es scheint sich zu bewahrheiten, was John Ortberg mit seinem Stachelschwein-Vergleich auf den Punkt bringt: Je näher zwei Stachelschweine sich kommen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich gegenseitig verletzen.1

Wenn das tatsächlich auch für Menschen gilt, dann wäre die logische Folge, Abstand zu halten. Sich nicht zu nahe zu kommen. Das wiederum würde dazu führen, dass wir vereinsamen und innerlich Schaden nehmen. Der Mensch ist nun mal ein soziales Wesen und braucht Kontakte zu seinesgleichen – auch und vor allem nahe Kontakte. Was also können wir tun?

„Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.“ – Dieses alte chinesische Zitat möchte ermutigen, vor großen, scheinbar unlösbaren Aufgaben nicht zu verzagen, sondern sie mutig und in kleinen Schritten anzupacken. Genau das ist das Ziel von „Kompliziert sind nur die anderen – Sieben Wochen für heile Beziehungen“. In sieben Wochen, also in 49 kleinen Schritten, können wir an unseren Beziehungen arbeiten. Auch wenn das anfangs noch keine großen Erfolge zu bringen scheint, so sind es doch sieben intensive Wochen mit vielen guten und wertvollen Anstößen, die nachhaltig wirken.

Grundlage und Quelle dieser Anstöße ist die Bibel – ein Bestseller in Sachen Beziehungen und Beziehungspflege. Von allen nur denkbaren zwischenmenschlichen Krisen und Schandtaten wird dort berichtet. Keine Tiefe und kein Abgrund werden verschwiegen. Ebenso finden wir darin aber auch viele wertvolle Texte über Krisenbewältigung und Heilung, Vergebung und Versöhnung. Keine Wunde ist so tief, als dass sie im Lichte Jesu nicht genesen könnte.

Er, der das Beziehungswesen schlechthin ist, der uns Menschen als solche geschaffen hat, weiß auch, wie sie gelingen können, unsere Freundschaften. Ja sogar, wie sie zu dem werden können, was sie eigentlich sein sollen: Quelle der Kraft und Freude, des Wohlfühlens und Angenommenseins. Das wiederzuentdecken, ist das Ziel der kommenden sieben Wochen. Da wollen wir hin. Auf geht’s!

Drei Fliegen mit einer Klappe

Wenn es uns gelingt, zwei Ziele oder Absichten mit einem Arbeitsgang zu erledigen, dann benutzen wir gerne das alte Sprichwort, zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen zu haben. Was in der Realität nicht ganz einfach ist, denn nur sehr selten sitzen zwei Fliegen so dicht beieinander, dass man sie gleichzeitig erwischen kann – aber das nur nebenbei.

„Kompliziert sind nur die anderen“ setzt dem noch eins drauf. Sie können damit nicht nur zwei, sondern tatsächlich drei überaus gute Ziele gleichzeitig erreichen:

Alleine oder zu zweit

Sie können es als Impulsbuch für sich alleine oder mit Ihrem Partner lesen und die neunundvierzig Impulse in sieben Wochen als Andachtsbuch nutzen. Wenn Sie dann mal einen Tag nicht schaffen, ist das nicht weiter tragisch, weil Sie das Tempo selbst bestimmen und den Tag nachlesen können. Oder vielleicht ist ja auch das ein oder andere Wochenthema für Sie gar nicht interessant und Sie überspringen es einfach – falls Sie zum Beispiel tatsächlich niemanden kennen, mit dem Sie sich in „herzlicher Abneigung verbunden“ fühlen (Aber dann melden Sie sich bitte bei mir – ich möchte Sie kennenlernen.)

Hauskreis oder Kleingruppe

Die zweite Möglichkeit besteht darin, „Kompliziert sind nur die anderen“ als Projekt mit einer Gruppe (z. B.: Hauskreis) durchzuführen und dazu die vorbereiteten Hauskreisunterlagen von der Homepage des Brunnen-Verlags (www.brunnen-verlag.com) herunterzuladen. Die Tageseinheiten liest dann jeder Teilnehmer für sich alleine, und im wöchentlich stattfindenden Treffen können Sie anhand der Unterlagen das jeweilige Wochenthema noch einmal vertiefen. Der Vorteil liegt darin, dass Sie die einzelnen Themen noch mal als Gruppe besprechen und dazu die guten und wertvollen Gedanken der anderen Teilnehmer hören und Ihre eigenen vielleicht entstandenen Fragen nennen können. Gemeinsam hat man mehr davon.

Die ganze Gemeinde

Die dritte „Fliege“ ist die größte, aber auch interessanteste. „Kompliziert sind nur die anderen“ lässt sich hervorragend als Sieben-Wochen-Konzept für die ganze Gemeinde anwenden. Auf der bereits erwähnten Homepage des Brunnen-Verlags finden Sie neben den Hauskreisunterlagen auch ausgearbeitete Predigtvorschläge zu den sieben Wochenthemen. Die kann Ihre Gemeinde nutzen, um daraus sieben aufeinanderfolgende Gottesdienste zu gestalten und damit das jeweilige Wochenthema zu eröffnen (Ihr Pastor wird sich freuen).

Unter der Woche lesen dann alle Teilnehmer die Tageseinheiten und treffen sich zusätzlich in den Kleingruppen, um die Themen und Fragen noch mal zu besprechen und zu vertiefen. Dadurch bekommt das Projekt wesentlich mehr Breite und Nachhaltigkeit, weil sich eben die ganze Gemeinde auf mehreren Ebenen damit auseinandersetzt.

In Planung befinden sich außerdem noch Entwürfe für Kindergottesdienste und Jugendkreise, damit wirklich alle Altersgruppen vorkommen und davon profitieren.

Danke!

Bedanken möchte ich mich bei Andreas Malessa, der sich an einem lauen Sommerabend auf Korsika bei einem Glas Wein von mir hat überreden lassen, bei dem Projekt als Gastautor mitzumachen. „Kompliziert sind nur die anderen“ hat durch seine guten und wertvollen Impulse sehr gewonnen. Sowohl sein theologisches als auch sein journalistisches Fachwissen hat Andreas mit eingebracht. Danke!

Ebenso möchte ich mich bei Uwe Beer bedanken, durch dessen Bilder und Zeichnungen die Tageseinheiten sowohl anschaulicher als auch verständlicher geworden sind. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Und wenn beides zusammenkommt, wie in unserem Fall, ist die Nachhaltigkeit am höchsten. Danke!

Und ein letzter Dank gilt Uwe Bertelmann, dem Lektor des Brunnen-Verlags, der viel Geduld und Nachsicht für meine manchmal etwas verrückten Ideen hatte. Ich glaube, es hat sich gelohnt!

Viel Spaß beim Lesen und Anwenden!

Harald Orth

Woche 1

Seelenklempner, Sündenvergeber, Seligmacher???

Eine heile Beziehung zu meinem Schöpfer

von Harald Orth

Eine Kreuzspinne ist eine perfekte Netzwerkerin – im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist ihr in die Wiege gelegt, ohne fremde Hilfe und Material nahezu perfekte Netze zu bauen, um damit Insekten zu fangen. Für ihr Netzwerk benutzt sie immer den gleichen Bauplan, der nach dem sogenannten Y-Modell funktioniert: An drei Fixpunkten (Äste, Fensterbänke etc.) befestigt sie die sogenannten Stützfäden, die sehr stabil sein müssen, weil sie das ganze Netz tragen. Dann beginnt sie von der Mitte nach außen zu arbeiten und spinnt ein engmaschiges sogenanntes Radnetz, in dem nach Fertigstellung alle Fäden miteinander verbunden sind. Ein gut funktionierendes und sehr durchdachtes Zuhause, ohne das eine Kreuzspinne nicht überleben kann.

In den nächsten Tagen und Wochen werden Sie in Ihre Beziehungen investieren. Anders gesagt: Sie werden an Ihrem Netzwerk arbeiten. Und das ist eine sehr gute Investition, weil Beziehungen für uns lebensnotwendig sind. Umso besser und intakter unser „Beziehungsnetz“ ausgebaut ist, desto wohler fühlen wir uns.

In dieser ersten Woche beginnen wir mit dem Stützfaden, dem wesentlichen und tragenden Seil, das alle anderen trägt und hält: die Beziehung zu unserem Schöpfer. Diese muss – ähnlich wie bei der Kreuzspinne – stabil sein und gut funktionieren, weil sie die anderen Beziehungen maßgeblich beeinflusst. Deshalb tun Sie gut daran, hier mit besonderer Sorgfalt vorzugehen. Sie werden es merken.

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Was wir von der Milchkuh Nr. 400 lernen können

Die Journalistin Tanja Busse ist in den 1970er- und 80er-Jahren auf einem Bauernhof in Ostwestfalen aufgewachsen und hatte eine Kindheit wie in Bullerbü. Zwischen Hühnern und Schweinen, Katzen und Ponys, einem Pferd und 25 Kühen wurde sie groß und durfte alles das hautnah miterleben, wovon Großstadtkinder heute nur träumen: Reiten und Tiere füttern, Trecker fahren und Kälber zur Welt bringen, alles das und vieles mehr gehörte für sie zum sorglosen Kinderleben dazu. Und zu alledem gab es da noch Olga, die Kuh, die sie von allen am liebsten mochte. Die sie in ihr Kinderherz geschlossen hatte, weil der Vater irgendwann einmal erwähnte, dass sie die frommste im Stall wäre. Olga mochte es, wenn man sie zwischen den Hörnern kraulte, und sie hatte einen absolut liebevollen Blick. Für Tanja Busse war Olga mehr als nur eine Kuh, viel mehr. Sie war ein Teil ihres Lebens geworden, der nicht mehr wegzudenken war. Eine glückliche und unbeschwerte Kindheit.

Begriffe wie Effizienz und Optimierung haben aber nicht nur in der Autoindustrie Einzug gehalten, sondern auch auf vielen Bauernhöfen. Wörter, deren weitreichende Folgen zunächst keiner abschätzen konnte und die heute dazu geführt haben, dass das süße, kindliche Landleben verschwunden ist. Bullerbü gibt es nicht mehr. Das beginnt schon mit der Anzahl der Kühe: Kein Bauer kann heute noch von 25 Exemplaren leben. Die optimale Menge beginnt bei 400. Eine Kuh, die, wie damals Olga, ca. 5000 Liter Milch im Jahr produziert, wird abgeschafft. Ab 8000 Liter rechnet sich heute eine Milchkuh. Die Haltung der Tiere, das Füttern und Melken, ja sogar die Lebensdauer stehen im 21. Jahrhundert unter der großen Überschrift „Optimierung und Effizienz“. Der Ertrag muss stimmen; alles andere ist unwichtig. Die Kühe haben heute auch keine Namen mehr, sondern Nummern. Wer kann sich schon 400 Namen merken? Wozu auch, wenn sie nach zwei bis drei produktiven Jahren wieder abgeschafft werden?2

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Im ersten Korintherbrief hält Paulus eine sehr leidenschaftliche Predigt, um die Botschaft vom Kreuz zu verteidigen. Offensichtlich gab es nicht nur bei den Korinthern, sondern auch in anderen Gemeinden erhebliche Zweifel an der Echtheit und Notwendigkeit der Botschaft von Paulus.

Die gemeinsame Schnittmenge der Angriffe der griechischen und jüdischen Zeitgenossen fasst Paulus unter folgender Bestandsaufnahme zusammen: „Die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit …“ (1. Korinther 1,22, L) – und vermutlich waren von diesem Denken viele Gemeindeglieder beeinflusst. Nicht die Person Jesus Christus war der Kern ihres Glaubens, sondern das, was man von ihm erhofft und erwartet hatte: Zeichen und Wunder, kluge Gedanken und neue Erkenntnisse. Jesus ist den Menschen nicht um seiner selbst willen wertvoll und wichtig. Sie suchten keine Beziehung zu ihm, sondern lediglich den Ertrag. So ähnlich wie bei der Kuh Nr. 400. Was habe ich davon, diesem Jesus nachzufolgen? Was bringt es mir, an ihn zu glauben? Das Ergebnis dieser Suche entsprach wohl auch bei manchen Leuten in der Gemeinde von Korinth nicht ihren Wünschen: zu wenige Wunder. Zu wenige spektakuläre Ereignisse. Zu einfache Botschaft. Deshalb wurde er, der Gekreuzigte, verworfen und die Suche ging weiter. Genau das kritisiert Paulus leidenschaftlich, weil man die rettende Botschaft vom Kreuz dadurch untergräbt.

Mit einigen Freunden haben wir uns bei einer Wochenendfreizeit einmal die Mühe gemacht, unsere Gebete zu analysieren. Was kommt in meinen Gebeten vor? Wie gestalte ich die Kommunikation mit meinem Gott? Ist es so, wie wir es gelernt hatten: zuerst auf Gott hören und dann zu jeweils einem Drittel anbeten, danken und bitten? Wir zogen uns für eine halbe Stunde zum Nachdenken zurück und kamen dann wieder zusammen, um unsere Ergebnisse auszutauschen. Peinliche Stille. Keiner wollte anfangen. Was war geschehen? Nun, wir waren alle zu der peinlichen Erkenntnis gelangt, dass sich in unseren Gebeten einiges verschoben hatte. Im Durchschnitt bestand unser Reden mit Gott zu 90 % aus Bitten. Unser Hauptanliegen war, Gott unsere Nöte und Schwierigkeiten vorzutragen und ihn um positive Veränderung anzuflehen. Alles andere war Nebensache. Kennen Sie das?

Es geht uns nicht mehr um die Person Jesus und um seinen heiligen Namen. Wir suchen nicht mehr die Beziehung zu ihm, sondern den Ertrag, den wir uns von ihm versprechen. Wir haben ihn, den Sohn Gottes, degradiert zum Heiler und Helfer, Retter und Bewahrer, Gebetserhörer und Glücklichmacher, Seelenklempner und Friedensstifter, Sündenvergeber und Lastabnehmer. Das erwarten und erbitten wir von ihm und wenn er es nicht tut, sind wir sauer. Dazu ist er schließlich Mensch geworden, oder?

Im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung, können wir nachlesen, wie Jesus das sieht; welche Ziele er mit uns Menschen hat und worin er seinen Auftrag sieht: „Merkst du nicht, dass ich vor der Tür stehe und anklopfe? Wer meine Stimme hört und mir öffnet, zu dem werde ich hineingehen, und wir werden miteinander essen – ich mit ihm und er mit mir“ (Offenbarung 3,20).

Stellen Sie sich vor: Jesus steht vor Ihrer Haustür und klopft an. Er macht keine Versprechungen, stellt keine Belohnung in Aussicht und hat noch nicht einmal ein Geschenk dabei. Er will einfach nur Gast bei Ihnen sein. Er sucht einfach nur Gemeinschaft und möchte mit und bei Ihnen essen. Ehrliche Frage: Lohnt es sich unter diesen Voraussetzungen, ihm zu öffnen? Wäre ein schöner Fußballabend mit Freunden nicht besser? Oder ein Essen beim Italiener? Da würde ich zumindest noch bedient.

Eine (heile) Beziehung zu meinem Schöpfer (unser Wochenthema) beginnt damit, dass wir uns zuerst einmal unserer Motive ihm gegenüber bewusst werden. Was verbirgt sich hinter meinem Christsein? Etwa die Hoffnung und Erwartung, dass er mich beschenkt und glücklich macht, oder gibt's da noch was anderes?

Zum Weiterdenken

»Familie, Freunde, Kollegen – bei welchen Ihrer persönlichen Beziehungen geht es vor allem um den anderen Menschen, bei welchen eher um gegenseitigen Vorteil?

»Erinnern Sie sich noch an die Motive, die Sie bewogen haben, Christ zu werden?

»Was bringt Ihnen Ihr Christsein? Haben Sie schon mal versucht, mit Gott einen „Deal“ auszuhandeln (Wenn du das und das tust, dann werde ich …)?

»Wie können Sie (immer mehr) dahin kommen, Gott um seiner selbst willen zu lieben?

Zum Weiterlesen

Hiob 1 und 42,1-5; Psalm 29; Offenbarung 4 und 5,6-10

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Was wir von Anne Will lernen können

Anne Will, der Name steht in Deutschland für eine Polit-Diskussionsrunde, die sie einmal pro Woche selbst moderiert und die live übertragen wird. Meistens sitzen sechs bis acht einflussreiche Personen mit ihr am Tisch und reden über aktuelle politische Themen – in der Regel sehr fundiert und manchmal auch emotional. Das verleiht der Sendung ein gewisses Profil. Nahezu alle Polit-Promis waren schon bei ihr zu Gast. Manche auch mehrmals. Die Palette der Themen, die an solchen Abenden behandelt werden, ist so groß wie der politische Alltag: vom „Diesel-Chaos“ bis hin zu den großen Fragen der internationalen Weltpolitik. Alles kam schon vor.

Etwas völlig Neues allerdings konnten die Zuschauer bei der Sendung am 06.03.2016 erleben. Unter den Gästen war unter anderem der damalige Bundesjustizminister Heiko Maas, der zwar bekannt ist für seine ausgewogenen und kenntnisreichen Beiträge, aber aufgrund seines Ministeriums relativ selten eingeladen wurde. Auffällig allerdings war ein Mann auf der Zuschauertribüne, der jedes Mal nach einem Wortbeitrag von Heiko Maas klatschte, als ob dieser soeben das Rad neu erfunden hätte. Natürlich applaudieren immer wieder mal Zuschauer, wenn ihrer Meinung nach etwas Gutes gesagt wird, aber meistens nicht so auffällig und extrovertiert wie dieser Mann. Das sorgte für Erstaunen. Und siehe da, nachdem man ihn „untersucht“ hatte, kam heraus: Er war der Pressesprecher des Ministers.3

Ein Schelm, wer nun Böses dahinter vermutet. Vielleicht, dass Herr Maas ihn extra deswegen mitgebracht hat, um ein wenig Eigenwerbung zu machen. Vielleicht auch, dass der Mann nur applaudiert hat, weil es sein Job ist und er inhaltlich gar nicht immer hundertprozentig hinter dem steht, was sein Chef sagt. Möglich ist alles. Aber verlassen wir das Feld der Spekulationen und wenden uns dem Realen zu.

Real ist, dass genau dieses Verhalten leider auch in christlichen Kreisen sehr häufig anzutreffen ist. Menschen bezeichnen sich als Christen, weil sie einer Kirchengemeinde angehören. Sie vertreten eine christliche Ethik, unterstützen fromme Werke mit ihrem Geld, besuchen Gottesdienste und kleben einen Fisch auf ihr Auto. Das alles sind Möglichkeiten, sich passiv zum christlichen Glauben zu bekennen – stilles Applaudieren, sozusagen. Ob sich hinter diesem Verhalten auch die entsprechende innere Überzeugung verbirgt, bleibt allerdings offen.

Real ist, dass man frommes Reden und Tun lernen kann, ähnlich wie man eine fremde Sprache lernt. Man eignet sich die biblisch korrekten Vokabeln an, guckt sich christliches Verhalten von anderen ab und macht es nach. Man besucht entsprechende Kreise, um stetig ein wenig erlöster zu wirken und somit das Gefühl des Dazugehörens zu bekommen.

Real ist, dass solches Verhalten auch in der Bibel anzutreffen ist, und dass es jedes Mal einen sehr negativen Beigeschmack hat – ähnlich wie bei Heiko Maas und seinem Pressesprecher. Obwohl die betroffenen Menschen nur Gutes und Richtiges sagen und/oder tun.

Ein sehr plastisches Beispiel für solches Verhalten finden wir in Apostelgeschichte 19. Dort wird davon berichtet, dass viele Menschen zum ersten Mal Zeugen der heilenden Kraft Gottes wurden und überwältig waren von dem, was sie erlebt hatten. Die Apostel trieben im Namen Jesu Dämonen aus, heilten schwer kranke Menschen und überzeugten führende Politiker von diesem Messias. Die Predigten, die sie hielten, wurden durch ihre Taten unterstützt und bestätigt. Das erhöhte ihre Glaubwürdigkeit. Reisende Prediger und scheinbare Wunderheiler gab es zwar schon viele, aber noch keine, die über solche übersinnlichen Kräfte verfügten. Das war neu und schlug hohe Wellen.

Dadurch kam bei einigen Zuhörern der nachvollziehbare Gedanke auf: „Wir müssen nur im Namen dieses gekreuzigten und auferstandenen Jesus von Nazareth auftreten, dann können wir auch solche Wunder vollbringen. Das Geheimnis der Kraft liegt in der richtigen Wortwahl“, so dachten sie. Daraufhin lernten sie die passenden Vokabeln und versuchten bei der nächsten Großveranstaltung ihr Glück. Das aber ging total daneben, weil ihnen nichts von all den Wundern gelang, die sie bei den echten Aposteln gesehen hatten. Sie wurden nicht zu den neuen Helden der Stadt, sondern mussten fliehen, weil sie sich durch ihr Verhalten selbst bloßgestellt hatten. Peinlich!

Demnach ist es also nicht entscheidend, welche Worte oder Gesten wir benutzen. Das Wort Gottes funktioniert nicht wie eine Zauberformel. Es kommt auch nicht auf eine rhetorisch und grammatisch einwandfreie Rede an oder auf möglichst viel fromme und geistlich wirkende Worte. Die Kraft des Evangeliums, von der Paulus im Timotheusbrief schreibt, können wir dadurch nicht anzapfen. Wer das meint, schadet sich nur selbst, weil es auf Außenstehende scheinheilig wirkt, so ähnlich wie bei Herrn Maas und seinem Mitarbeiter. Was aber ist es stattdessen? Wodurch wird der Glaube authentisch?

Zum Weiterdenken

»Wo ist für Sie die Grenze zwischen legitimer Loyalität und klugem Abwägen einerseits und Heuchelei andererseits?

»Wo sind Ihnen in der Gemeinde oder am Arbeitsplatz „politische Statements“ begegnet, mit deren Aufrichtigkeit es vermutlich nicht weit her war?

»Wo haben Sie sich selber schon mal bei „frommen Taten“ ertappt, die aber nicht von Herzen kamen?

Zum Weiterlesen

Jesaja 1,8-17; Amos 5,21-25; Matthäus 15,1-20; 23,1-36

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Was wir von einem Perpetuum mobile lernen können

Perpetuum mobile (Deutsch: „ständig in Bewegung“) – hinter diesem abstrakten und mechanisch klingenden Begriff verbirgt sich ein sehr alter Menschheitstraum oder besser gesagt: ein bis heute unerfüllter Wunsch von Wissenschaftlern, der der Menschheit große Erleichterung bringen könnte. Kurz gesagt besteht dieser Traum darin, eine Maschine zu bauen, die unaufhörlich in Bewegung ist und Arbeit verrichtet, ohne dass man ihr dafür Energie zuführen muss. Der einzige äußere Impuls, den dieses System braucht, ist der Startknopf, die Initialzündung sozusagen, mit der der Kreislauf beginnt. Von da an läuft und arbeitet das System unaufhörlich dadurch, dass es sich seine benötigte Energie selbst zuführt.

Die ersten nachweisbaren Belege für diesen Traum stammen aus dem 12. Jahrhundert aus Indien und Arabien. Dem folgen zahlreiche weitere Versuche und Pläne bis ins 18. Jahrhundert, die aber alle relativ schnell an der Realität scheiterten und auf dem Altpapierstapel der Patentämter landeten. Sogar Leonardo Da Vinci entwarf im 15. Jahrhundert einige solcher Konstruktionen, mit denen er versuchte, das Rätsel zu lösen. Aber auch er musste kapitulieren und kam schließlich zu der Erkenntnis, dass der Wunschtraum nicht in Erfüllung gehen kann. Dreihundert Jahre später lieferten andere Wissenschaftler den notwendigen Beleg für diese Unmöglichkeit im sogenannten Energieerhaltungssatz.

Zusammenfassend wurde somit festgestellt, dass es kein in sich selbst funktionierendes System gibt. Jede Bewegung und jede Kraft ist über kurz oder lang auf äußere Energiezufuhr angewiesen, sonst versagt sie ihren Dienst.4

Vor einigen Wochen traf ich zufällig einen alten Freund auf einer Beerdigung wieder – leider ein trauriger Anlass. Wir hatten uns schon viele Jahre aus den Augen verloren, obwohl wir einmal sehr eng miteinander befreundet gewesen waren. Nach dem anfänglichen Small Talk kamen wir dann auch relativ bald auf wichtigere Fragen zu sprechen und er erzählte mir voller Überzeugung, dass er jetzt sein eigener Chef geworden wäre. Ich dachte zuerst, er meinte damit eine berufliche Selbstständigkeit, womit ich aber weit danebenlag. Er sprach von seinem geistlichen Zustand. Er habe sich, so erklärte er weiter, aufgrund schlechter Erfahrungen von der Gemeinde verabschiedet und würde sich seine geistlichen Impulse jetzt durch Internetpredigten so zusammenstellen, wie und wann er sie brauche. Damit käme er viel besser klar als mit all den äußeren Ansprüchen. Außerdem müsse er sich jetzt nicht mehr ständig mit anderen Christen auseinandersetzen und ihnen gegenüber rechtfertigen.

Ein konsequenter Entschluss, womit ich beim besten Willen nicht gerechnet hatte. Ich versuchte noch, seine Entscheidung durch ein paar kluge Impulse zu hinterfragen, kam damit aber nicht sehr weit. Er hatte sich entschieden und war sich seiner Sache sicher.

Seitdem geht er mir nicht mehr aus dem Kopf, mein lieber alter Freund. Ich denke oft an dieses Gespräch zurück und habe inzwischen zweierlei festgestellt: Zum einen muss ich ihm zugutehalten und anerkennen, dass er konsequent ist und anderen nichts vorspielt, was seiner geistlichen Überzeugung widerspricht. Wie viele andere „Namens-Christen“ tun das nicht, sondern versuchen stattdessen, einen äußeren Schein zu wahren, der aber keinesfalls das wiedergibt, was sie glauben. Also: Hut ab vor seiner Transparenz und Ehrlichkeit. Zum anderen aber bin ich davon überzeugt, dass mein lieber Freund eine wichtige Weiche falsch gestellt hat. Und wie bei echten Weichen auch, wird er die weitreichende Konsequenz davon erst später erfahren.

Die Bibel sagt sehr deutlich, dass es (auch) im geistlichen Leben kein Perpetuum mobile gibt! Kein Christ kann sich selbst auf Dauer mit dem versorgen, was er zum geistlichen Leben und Wachsen braucht. Paulus vergleicht diesen Grundsatz mit einem menschlichen Körper und sagt, dass jedes Körperglied nur dann lebendig und „funktionstüchtig“ ist, wenn es am Körper bleibt. Die notwendige Energiezufuhr geschieht durch den ständigen Austausch und den Zusammenhalt mit den anderen Gliedern – wie das beim menschlichen Körper auch der Fall ist. Wer also meint, er könne zum geistlichen Selbstversorger werden, gleicht, bildlich gesprochen, einer amputierten Hand, die darauf stolz ist, endlich frei und unabhängig zu sein (1. Korinther 12,12-31).

Das Gefährliche an der scheinbaren geistlichen Selbstständigkeit liegt darin, dass sie meistens das Ergebnis eines langwierigen Ablösungsprozesses ist. Die wenigsten Menschen verabschieden sich von heute auf morgen aus ihrem geistlichen Kontext (Gemeinde, Hauskreis, Freunde etc.), das wäre ihnen viel zu radikal und auffällig.

Zum Weiterdenken

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