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Für Hans Eppelsheimer

Mit Dank an Hermann Kremsmayer,
den Schöpfer von
Herrn Novaks Lieblingsbild
auf Seite 10

Stefan Slupetzky

Herr Novak
und die Mausfrau

Eine Liebesgeschichte

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
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Neue Rechtschreibung

© 2018 by Obelisk Verlag, Innsbruck – Wien

1998 erschienen im Middelhauve Verlag, München

Lektorat: Regina Zwerger

Alle Rechte vorbehalten

Druck und Bindung: Finidr, s.r.o. Český Těšín, Tschechien

ISBN 978-3-85197-889-6
eISBN 978-3-85197-916-9

www.obelisk-verlag.at

INHALT

1. Eine Begegnung

2. Die Suche

3. Supernovak

4. Fräulein Lila

5. Des Ritters Kampf

6. Herr Winzig

7. Warum und wozu?

8. Was ist, das ist

1. Eine Begegnung

Herr Novak war ein sehr fleißiger Mäusemann, auch wenn das niemand wusste.

Morgens, nach dem Aufstehen, spielte er meistens ein wenig Bassgeige.

Dann schlüpfte er in seinen Altherrenmantel. Den hatte er von seinem Vater, und sein Vater hatte ihn wiederum von Herrn Novaks Großvater bekommen. Danach ging er ins Kaffeehaus. Kaffee trinken und Zeitungen lesen.

Zu Mittag aß er eine Kleinigkeit.

Am Nachmittag erledigte Herr Novak andere wichtige Dinge. Er sah die Post durch, schrieb selbst ein paar Briefe, ging ein wenig spazieren, kaufte ein, dieses und jenes, kehrte heim, las, hörte Musik.

Abends traf Herr Novak Freunde. Dann spielte er Schach oder Domino und ließ sich den neuesten Tratsch erzählen.

Einmal in der Woche wusch er Wäsche.

Einmal in zwei Wochen räumte er die Wohnung auf.

Einmal in drei Wochen wischte er den Staub von den Möbeln.

Einmal in vier Jahren putzte er die Fenster. Das machte er nicht so gerne.

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Die meisten Mäuse, die in seiner Gasse wohnten, schüttelten den Kopf über Herrn Novak, wenn sie gerade Zeit hatten. Sie hielten ihn für den faulsten Mäusemann, der je in ihrer Gasse gewohnt hatte. Sie hatten unrecht. In Wahrheit war Herr Novak fleißig, sogar überaus fleißig, vielleicht fleißiger als sie alle zusammen. Herr Novak war ein Denker, er dachte dauernd nach, aber das merkte niemand. Er dachte sich Geschichten aus, er war ein Geschichtenerfinder, aber auch das merkte niemand. Weil Herr Novak seine Geschichten niemals aufschrieb. Weil Herr Novak seine Geschichten niemals erzählte. Er bewahrte die Geschichten allesamt in seinem Kopf auf, und da blieben sie auch.

Die Sonntage mochte Herr Novak gar nicht. An den Sonntagen blieb das Kaffeehaus geschlossen. Der Briefträger trug keine Post aus, und die Straßen waren wie ausgestorben. An den Sonntagen hatten selbst seine Freunde keine Zeit für ihn. „Sonntag ist Familientag“, sagten sie und verdrehten dabei die Augen und seufzten ein wenig. An den Sonntagen konnte Herr Novak keine Geschichten erfinden. Sonntage machten ihn nervös.