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Ulrike Thurm | Bernhard Gehr

Diabetes- und
Sportfibel

Mit Diabetes weiter laufen

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Ulrike Thurm arbeitete nach dem Sportstudium in Münster von 1987-1995 als wissenschaftliche Angestellte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Prof. Dr. med. Michael Berger). Sie gründete 1990 die IDAA Sektion Deutschland e.V. (Internationale Vereinigung diabetischer Sportler) und ist bis jetzt deren 1. Vorsitzende, als solche auch Herausgeberin des „Diabetes- und Sport Jahrbuchs“. Nach einem Forschungsjahr in Sydney, Australien, arbeitete sie bis 2001 als wissenschaftliche Angestellte an der Ludwig Maximilians Universität München (Prof. Dr. med. R. Landgraf). Seither arbeitet sie in Berlin: aktuell sowohl als Diabetesberaterin DDG in mehreren diabetologischen Schwerpunktpraxen (v.a. Insulinpumpe, CGM, Sportler) als auch als Gesundheitsreferentin bei dem Diabetesfachhändler Diashop GmbH. Ulrike Thurm hat sich erfolgreich für die Aufhebung des weltweiten Tauchverbots für insulinbehandelte Diabetiker eingesetzt (Tauch-Studie in Papua-Neuguinea 1996). Sie hat 1991 die erste Auflage der Insulinpumpenfibel herausgegeben, ist Mitautorin des CGM-Schulungsprogramms Spectrum und hält bundesweit Vorträge und Schulungen für medizinische Fachkreise und Patienten. Ihren Typ-1-Diabetes behandelt Frau Thurm seit 1986 mit einer Insulinpumpentherapie, seit 2009 mit Sensorunterstützung. Sie ist Rettungstaucherin, Marathonläuferin, spielt Fußball in der Verbandsliga und als einzige Frau beim FC Diabetologie.

Dr. med. Bernhard Gehr studierte Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und promovierte 2006 im Fach Klinische Ökonomik / Evidence Based Medicine (Prof. Franz Porzsolt, Universität Ulm). Während des Studiums erhielt er den Medienpreis der Deutschen Diabetes-Stiftung des Jahres 2000 für einen Beitrag auf der Internetseite www.netdoktor.de. Nach der Weiterbildung zum Facharzt für Innere- und Allgemeinmedizin erhielt er 2015 die Zusatzbezeichnung Diabetologie (BLÄK). Seit 2011 ist er am Diabetes- und Stoffwechselzentrum der Fachklinik Bad Heilbrunn bei Chefarzt Dr. Andreas Liebl tätig, aktuell als Funktionsoberarzt. Er ist beteiligt an verschiedenen klinischen Studien (z. B. zum Thema Diaport), leitete im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Technologie der DDG die Entwicklung des herstellerunabhängigen CGM-Schulungsprogramms SPECTRUM und hält nationale und internationale Vorträge und Workshops.

Seinen Typ-1-Diabetes behandelt Dr. Gehr seit 1995 mit einer Insulinpumpentherapie, seit 2008 zusätzlich mit Sensorunterstützung. Die sportlichen Aktivitäten wandelten sich von ausgedehnten Radreisen (u.a. 4.300 km solo von München nach Gibraltar) und Marathon in letzter Zeit mehr zu Mountain Bike, Skitouren und familientauglichen Formaten (drei Kinder).

Als Autoren geben Dr. med. Bernhard Gehr und Ulrike Thurm neben der „Diabetes- und Sportfibel“ seit 2011 gemeinsam die „CGM- und Insulinpumpenfibel“ heraus (Kirchheim-Verlag, 3. Auflage 2018), für die sie 2012 mit dem Heinrich-Sauer-Preis ausgezeichnet wurden. Sie sind gemeinsam im Beirat der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Technologie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (AGDT) aktiv.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

eISBN 978-3-87409-678-2

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Bei der Erstellung dieses Buchs wurde mit aller gebotenen Vorsicht vorgegangen. Die Gedanken, Methoden und Anregungen stellen die Meinung und Erfahrung der Autoren dar. Sie wurden nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt überprüft. Sie bieten jedoch keinesfalls Ersatz für einen persönlichen medizinischen Rat oder für eine Schulung durch ein Diabetesteam. Daher erfolgen die Angaben in diesem Buch ohne jede Gewähr oder Gewährleistung seitens der Autoren oder des Verlages. Weder die Autoren, noch die Verleger können für direkte oder indirekte, spezielle, zufällige oder in der Folge entstandene Schäden haftbar gemacht werden, die aus der Verwendung oder aus der Unmöglichkeit der Verwendung von Inhalten dieses Buchs resultieren.

Die Produktangaben beziehen sich auf den Stand April 2018. Produktbezeichnungen stehen als Beispiele, ohne dass damit eine Wertung vorgenommen werden soll und ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Die Autoren sind herstellerunabhängig.

Autoren:

Grafiken:

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4. Vollständig überarbeitete Auflage 2018
© Verlag Kirchheim + Co GmbH
Kaiserstraße 41, 55116 Mainz
www.kirchheim-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Teil 1: Grundlagen

1 Countdown vor Sport

1.imageInsulinversorgung reduzieren

1.imageKohlenhydratzufuhr erhöhen

1.imageFlüssigkeit aufnehmen

1.imageBlutzucker messen und Glukosetrend beachten

1.imageEventuell Ketone messen

1.imageSOS-Sportset mitnehmen

2 Erste Hilfe bei der Therapieanpassung

2.1Diabetes- und Sport-Tagebuch

2.2Kurze körperliche Aktivitäten

2.3Wechselhafte körperliche Aktivitäten

2.4Ausdauersportarten

2.5Sportarten mit besonderen Gefahren

3. Den Stoffwechsel verstehen oder: Wie funktioniert mein Körper?

3.1Energie für den Muskel

3.2Kohlenhydrate

3.3Fette und Ketonkörper

3.4Eiweiße

3.5Insulin und seine Gegenspieler

4. Den Stoffwechselgesunden nachahmen oder: Wie muss ich meine Diabetes-Therapie an Sport anpassen?

4.1Ziele der Stoffwechselregulation

4.2Muskelarbeit beim Stoffwechselgesunden

4.3Wie kann die Diabetestherapie an körperliche Aktivität angepasst werden?

4.4Faktoren, die den Blutzuckerspiegel bei körperlicher Aktivität beeinflussen

5. Insulintherapie und Sport

5.1Verschiedene Insulintherapieformen und Sport

5.1.1.Konventionelle Insulintherapie (CT)

5.1.2.Intensivierte Insulintherapie (ICT)

5.1.3.Insulinpumpentherapie (CSII)

5.1.4.Sensorunterstützte Insulintherapie

5.1.5.Beispiele aus der Praxis

5.2Verschiedene „schnelle“ Insulinarten und Sport

5.3Basalinsulin und lang wirkende Analoginsuline bei Sport

6. Blutzucker- und Ketonmessung beim Sport: Technische und praktische Aspekte

6.1Blutzuckermessung unter extremen Umweltbedingungen

6.1.1Tipps zur Blutzuckermessung bei großer Kälte

6.1.2Tipps zur Blutzuckermessung bei großer Hitze

6.1.3Tipps zur Blutzuckermessung in großer Höhe

6.2Ketonmessung in Urin oder Blut?

6.2.1Urintest auf den Ketonkörper Acetoacetat

6.2.2Bluttest auf den Ketonkörper ß-Hydroxybutyrat

7. CGM, FGM und Sport

7.1Wie funktionieren CGM- und FGM-Systeme?

7.2Welche CGM- und FGM-Systeme gibt es zurzeit?

7.3Einfachere Kostenübernahme für CGM- und FGM-Systeme

7.4Befestigung des Sensors bzw. des Senders beim Sport

7.5Interpretation der Trendinformation beim Sport

7.6Alarmgrenzen der CGM-Systeme beim Sport

7.7Detaillierte Dokumentation

8. Gefährdungen durch Sport und Diabetes

8.1Hypoglykämie

8.1.1Entstehung einer Hypoglykämie

8.1.2Symptome einer Hypoglykämie während und nach Sport

8.1.3Checkliste: Ursachen einer Hypoglykämie während und nach Sport

8.1.4Muskelauffülleffekt

8.1.5Alkoholkonsum

8.1.6Behandlung einer Hypoglykämie

8.1.7Vorsichtsmaßnahmen zur Vermeidung einer Hypoglykämie

8.2Hyperglykämie

8.2.1Entstehung einer Hyperglykämie

8.2.2Symptome einer Hyperglykämie

8.2.3Checkliste: Ursachen einer Hyperglykämie

8.2.4Behandlung einer Hyperglykämie

8.2.5Flüssigkeitsverlust durch Hyperglykämie

8.3Ketoazidose

8.3.1Entstehung einer Ketoazidose

8.3.2Behandlung einer Ketoazidose

8.3.3Vorsichtsmaßnahmen zur Vermeidung einer Ketoazidose

9. Gesundheitliche Voraussetzungen für Sport

9.1Fachärztliche Untersuchung vor Trainingsbeginn

9.2Sport trotz „Folgeerkrankungen“

9.2.1Retinopathie

9.2.2Nephropathie

9.2.3Periphere Neuropathie und „diabetischer Fuß“

9.2.4Autonome Neuropathie

10. Veränderte Laborwerte nach Sport

10.1Mikroalbuminurie nach Sport

10.2Erhöhte Ketonwerte nach Sport

11. Diabetes und Sport bei Kindern und Jugendlichen

- von Klemens Raile 1 -

11.1Kinder mit Diabetes und Sport – besteht noch Grund zur Sorge?

11.2Besonderheiten der Diabetestherapie bei Kindern und Jugendlichen

11.3Sport hilft bei der psychischen Entwicklung

11.4Welche Sportarten sind zu empfehlen?

11.5Schulsport: Bedeutung der Sportlehrer

11.6Schulsport: Praktische Hinweise

12. Typ-2-Diabetes und Sport

12.1Wie entsteht Typ-2-Diabetes?

12.2Körperliche Bewegung als Teil der Diabetestherapie

12.3Praktisches Vorgehen und geeignete Sportarten

12.4Anpassung der Tablettentherapie an Sport

12.5Anpassung der Insulintherapie an Sport

12.6Das DiSko-Schulungsmodul: Erlebnispädagogik mit Spaziergang

12.7DiSko plus – Jeder Schritt zählt

12.8Das Bewegungsprogramm BEL

12.9Das Konzept der Diabetes-Sportgruppen

12.10Diabetes-Sportgruppen in Deutschland

12.11Training im Fitness-Studio

12.12Laufen mit dem Diabtes Programm Deutschland

13. Sporternährung

- von Eva Maria Hund2, Jochen Schmitz3, Uwe Schröder4 und Günter Wagner5 -

13.1Die Basisernährung – Grundlage für sportliche Lorbeeren

13.2Flüssigkeitsverlust – ohne Schweiß kein Preis

13.2.1Das richtige Sportgetränk

13.2.2Die richtige Trinkmenge

13.3Essen und Trinken vor und während des Sports

13.4Essen und Trinken nach dem Sport

13.5Das richtige Körpergewicht

Teil 2: Erfahrungsberichte

14. Freizeit- und Leistungssport

14.1Bergwandern

14.2Extrem-Trekking

14.3Fallschirmspringen

14.4Fitnessstudio

14.5Fußball

14.6Gartenarbeit

14.7Handball

14.8Hockey

14.9Ironman-Triathlon

14.10Jazz- und Moderndance (JMD)

14.11Joggen

14.12Karate

14.13Kraftsport

14.14Nordic Walking mit Fitnessarmband

14.15Olympische Medaille: Hockey

14.16Race across America: Ultra-Radrennen

14.17Radwandern

14.18Reiten

14.19Schichtdienst als Polizeibeamter

14.20Schwimmen

14.21Segeln

14.22Skaten: Eislaufen, Inlineskaten

14.23Skilanglauf

14.24Skitour in der Remissionsphase

14.25Spazierengehen

14.26Spinning

14.27Sprint

14.28Stand-up-Paddling (SUP)

14.29Tandem mit Sehbehinderung

14.30Tanzsport und Gesellschaftstanz

14.31Tauchen

14.32Tennis

14.33Trainings- und Wettkampfpause als Leistungssportler

14.34Tricking

14.35Ultramarathon mit Zöliakie

14.36Wii Fit

14.37Wintersport mit Kind

14.38Yoga mit und ohne Schwangerschaft

15. Kinder und Jugendliche

15.1.Bericht einer 11-jährigen Schülerin: Schulsport

15.2.Bericht eines 13-jährigen Schülers: Volleyball

15.3.Bericht einer 15-jährigen Schülerin: Mehrkampf

16. Diabetes-Sportgruppen

16.1.Bericht eines Teilnehmers

16.2.Bericht einer Übungsleiterin

16.3.Bericht über den Aufbau eines Netzes von Diabetes-Sportgruppen in Bayern

Teil 3: Anhang und Kontaktbörse

17. Kontaktbörse

17.1.International Diabetic Athletes Association (IDAA)

17.2.Arbeitsgemeinschaft Diabetes, Sport und Bewegung der Deutschen Diabetes Gesellschaft e.V.

17.3.Kontaktadressen: Diabetes-Sportgruppen und Übungsleitungausbildung

18. Anhang

18.1.Leitlinien der Fachgesellschaften zum Thema Diabetes und Sport

18.2.Molekularbiologie: Regulation der Glukoseaufnahme in die Zelle

18.3.Historisches: R. D. Lawrence zum Thema Diabetes und Sport (1926)

18.4.Legende: Erklärung aller Symbole in den Grafiken

18.5.Literaturverzeichnis

18.6.Stichwortverzeichnis

Vorwort zur 1. Auflage (2001) von Prof. Dr. med. Rüdiger Landgraf

Präsident der Deutschen Diabetesgesellschaft 2001–2003

Körperliche Fitness und kontinuierliches Training von Muskelkraft und Geschicklichkeit waren seit Jahrtausenden absolute Voraussetzung für das eigene Überleben und das der Familie und der Sippe. Mit zunehmender Industrialisierung und Technisierung geht mehr und mehr die Notwendigkeit verloren, sich für den Alltag fit zu machen und zu halten. Maschinen und Geräte übernehmen immer häufiger den Körper beanspruchende und trainierende Aufgaben. Die Folgen dieser kompletten Änderungen unseres Aufgaben- und Tätigkeitsspektrums zusammen mit längerer Lebenserwartung sowie hochkalorischer und unausgewogener Ernährung sind die Ursachen dafür, dass in zunehmendem Maße Übergewicht mit allen Konsequenzen wie Typ-2-Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck und degenerativen Erkrankungen des Skelett-, Binde- und Stützgewebes – um nur einige zu nennen – unser Gesundheitssystem herausfordert und belastet. Sport und Bewegung, organisiert in Sportvereinen oder in Eigeninitiative, sind deshalb von großer Wichtigkeit. Da Übergewicht mit allen Stoffwechselfolgen bereits im Kindes- und Jugendalter immer häufiger zu beobachten ist, sollte bereits im frühesten Kindesalter gesunde Ernährung und körperliches Training fester Bestandteil zu Hause, im Kindergarten und in der Schule sein. Das Gegenteil ist aber leider zu beobachten. Sport, Gymnastik und Bewegung dienen heute fast ausschließlich dem Vergnügen, dem Sozialkontakt, dem Prestige, also der Steigerung der Lebensqualität und dem Profit für den Sportler selbst und für die Sportindustrie. Immer neue Sportarten und Extreme werden in den Sportmarkt „gepusht“ und begeistern Anwender und Industrie; Sportvereine, Fitness-Center und Gesundheitsfarmen blühen oder schießen wie Pilze aus dem Boden.

Dieser Hintergrund und die Tatsache, dass Muskelarbeit als hypoglykämisierendes Prinzip seit langem bekannt ist, machen die kritische Auseinandersetzung mit Sport und Bewegung bei der dramatisch zunehmenden Zahl von Menschen mit Diabetes notwendig. Während Joslin die Muskelarbeit noch als eine der drei Säulen der Diabetestherapie propagierte, muss heute Muskelarbeit und Sport eher als Störfaktor für die Stoffwechselstabilität des Typ-1-Diabetikers angesehen werden. Der Slogan für diese Betroffenen lautet daher „Sport trotz Diabetes“. Völlig anders ist die Situation bei Menschen mit einer Typ-2-Diabetes-Erkrankung. Bei diesen Menschen wird die meist vorhandene schwere Insulinresistenz durch Muskelarbeit drastisch reduziert. Körperliche Aktivität ist dann kausales Therapieprinzip und kann der Diabetesprävention und der Verbesserung diabetischer kardiovaskulärer Folgekrankheiten dienen. Bei der Multimorbidität vieler insbesondere älterer Menschen mit Typ-2-Diabetes fehlt jedoch leider meist die Compliance des Patienten für körperliches Training.

Jedes Lehrbuch für Diabetologie widmet sich dem Thema Diabetes, Muskelarbeit und Sport. Insbesondere den jungen sportinteressierten aktiven Menschen mit einer Typ-1-Erkrankung und dem Diabetesteam fehlen jedoch häufig detaillierte Kenntnisse und praktische Anleitungen über den Einfluss verschiedener Sportarten auf den Stoffwechsel des Diabetikers. Ratschläge für Sportler mit Diabetes mellitus bleiben meist vage und wenig praktisch. In dem vorliegenden Buch „Diabetes- und Sportfibel“ von Ulrike Thurm und Bernhard Gehr stellen zwei Experten auf diesem Gebiet – die eine ist Diplomsportlehrerin, der andere angehender Mediziner, beide selbst aktive Sportler mit Diabetes – die theoretischen Grundlagen und die praktischen Konsequenzen von Sport auf den Stoffwechsel des Diabetikers sehr ausführlich, übersichtlich und allgemein verständlich dar. Sportler mit Diabetes geben sehr praktische Tipps und kommen selbst mit eigenen Erfahrungen zur Diabetestherapie vor, während und nach dem Sport zu Wort. Jeder, der sich für Muskelarbeit, Sport und Diabetes interessiert oder sich damit befassen muss (Diabetesteam, Übungsleiter, Sportlehrer an Schulen und Hochschulen etc.), wird in diesem Buch alles – fast alles – über dieses Thema finden. Naturgemäß steht der Mensch mit einer Typ-1-Diabetes-Erkrankung im Vordergrund. Aber auch der Bewegungstherapie des Menschen mit Typ-2-Diabetes ist ein gesondertes Kapitel gewidmet.

Hinterlegt sind die einzelnen Kapitel mit Originalliteratur, so dass der mehr ins Detail gehende Leser rasch die einschlägigen Publikationen nachlesen kann.

Ich wünsche diesem Buch eine große Verbreitung unter Menschen mit Diabetes und anderen Diabetes-Experten!

München, April 2001

Rüdiger Landgraf

Vorwort der Autoren zur 1. Auflage (2001)

„Körperliche Aktivität ist gut für Ihr Herz-Kreislauf-System, Ihren Fettstoffwechsel und Ihre Insulinempfindlichkeit.“ Wer alleine mit solchen Argumenten Menschen mit Diabetes zum Sport motivieren möchte, hat wenig Aussicht auf Erfolg.

Jedem Menschen – nicht nur dem mit Diabetes – wohnt aber die Sehnsucht nach viel Lebensqualität und -freude inne. Eine gute körperliche Leistungsfähigkeit bringt sie diesem Ziel einen großen Schritt näher.

Mit der Diabetes- und Sportfibel möchten wir alle Menschen mit Diabetes, aber auch Diabetesberater, Diabetologen, Ärzte, Familienmitglieder, Eltern, Lehrer, Trainer etc. mit der nötigen Information – und Motivation – versorgen, die Diabetestherapie sicher und „entgleisungsfrei“ an körperliche Aktivität anzupassen, sei es im Alltag, in der Freizeit oder im Wettkampf- und Leistungssport.

Die zahlreichen Erfahrungsberichte von Sportlern mit Diabetes sollen zeigen, dass jeder Mensch mit Diabetes in der Lage sein kann, die von ihm gewählte Sportart in der gewünschten Intensität und Dauer gefahrlos auszuüben, wenn er über die erforderlichen Informationen verfügt und entsprechend ausführlich geschult wurde. Wir wünschen uns, Ihnen mit der Diabetes- und Sportfibel viele der dafür nötigen Informationen liefern zu können.

Als wir vor Weihnachten die erste Rohversion des Buches an unsere Korrekturleser schickten, waren wir sehr gespannt auf die ersten Reaktionen. Denn wir hatten uns mit der Diabetes- und Sportfibel einen ziemlich schwierigen „Spagat“ vorgenommen: Von der Sportfibel sollen gleichermaßen alle Menschen mit Diabetes profitieren, aber auch für Diabetesberater und Ärzte soll die Sportfibel eine Informationsquelle für ihre tägliche Beratungsarbeit darstellen.

Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Leute zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen – sondern wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.

Antoine de Saint-Exupéry

Wie können wir diesen Ansprüchen mit einem einzigen Buch gerecht werden, ohne nicht einen Teil der Leserschaft zu überfordern und andere zu langweilen? Ein gewagtes Unterfangen, und die Reaktionen der korrekturlesenden Ärzte, Diabetesberater, Sportlehrer, aber vor allem vieler Menschen mit Diabetes mit den unterschiedlichsten Therapieformen überraschten uns sehr. Wir hatten irrtümlicherweise geglaubt, die medizinischen Kapitel würden eher bei den Medizinern und Diabetesberatern auf Interesse stoßen, und die Erfahrungsberichte würden vor allem bei Menschen mit Diabetes größeren Anklang finden.

Genau das Gegenteil trat ein, die Korrekturleser aus den medizinischen Berufen waren eher „von der ganzen Medizin gelangweilt“ und wünschten sich noch mehr der so spannenden und informativen Erfahrungsberichte. Die Menschen mit Diabetes waren ganz begeistert von den vielen Hintergrundinformationen, die ihnen in den medizinischen Kapiteln geliefert wurden.

Die Sportfibel ist in Modulform aufgebaut. Das bedeutet, wenn Sie schnell spezielle Informationen zu einem bestimmten Thema, einer speziellen Sportart etc. suchen, können Sie sich zuerst im Starthilfe-Kapitel orientieren. Wenn Sie dann Ihr Spezialthema vertiefen möchten, finden Sie im Kapitel 1 zahlreiche Verweise auf weitere Kapitel oder Erfahrungsberichte, in denen das Thema intensiver behandelt wird. Dieser Modulcharakter bringt aber einen kleinen Nachteil mit sich. Der geneigte Leser, der das gesamte Buch „von vorne bis hinten“ durchliest, wird ab und zu auf Wiederholungen stoßen. Dafür entschuldigen wir uns, dies ist aber leider unvermeidbar, wenn die Sportfibel auch ermöglichen soll, alle relevanten Informationen schnell zu erhalten, ohne das komplette Buch zu lesen. Der Modulcharakter soll auch das medizinische Fachpersonal in der Form unterstützen, dass im Rahmen einer Schulung oder eines individuellen Beratungsgespräches alle zu einem Thema relevanten Tipps sofort auf einen Blick vorliegen.

Trotzdem hoffen wir natürlich, dass Sie die gesamten Seiten unseres Buches von Anfang bis Ende derart fesseln, dass Sie die Sportfibel erst wieder aus der Hand legen können, wenn Sie auch das Stichwortregister bis zum Schluss gelesen haben. In diesem Sinne: Viel Vergnügen!

Eine Anmerkung: Um unser Buch sprachlich nicht unnötig zu komplizieren, verzichten wir z. B. auf die differenzierten Anreden als „Leser“ oder „Leserinnen“. Natürlich meinen wir immer diskriminierungsfrei beide Geschlechter. Aus ähnlichen Gründen verzichten wir darauf, die Blutzuckerwerte gleichzeitig in mg/dl und in mmol/l anzugeben. Eine Umrechnungstabelle finden Sie auf Seite 2.

Wir danken Dr. med. Uwe Gudat, der es immer wieder verstanden hat, unsere schönen, neu überarbeiteten Kapitel derart zu zerpflücken, dass wir es schon bereuten, jemals mit dem Schreiben begonnen zu haben. Im Ernst, ohne Uwe Gudats fundierte, konstruktive Kritik und sein absolutes Spezialwissen auf dem Gebiet Diabetes und Sport würden der Diabetes- und Sportfibel viele Ideen fehlen. Uwe Gudat hat mit seiner jahrelangen medizinischen Erfahrung dieses Buch immens bereichert. Danke!

Wir danken unserer Medien-Designerin Beate Fleischmann. Sie hat es mit ihrer Kreativität nicht nur verstanden, viele komplexe, medizinische Inhalte wirklich greifbar und für den Leser leicht verständlich darzustellen. Besonders mit „Fritzi“ hat sie der Sportfibel zu ihrem gestalterischen „roten Faden“ verholfen und dem Buch so seinen ganz individuellen Stil gegeben. Tausend Dank, besonders für Deine Geduld, auch bei der x-ten Korrektur niemals die Autoren wirklich erschlagen zu haben.

Wir danken den Mitautoren einzelner Kapitel, die durch ihr spezifisches Fachwissen die Sportfibel ungemein bereichert haben. Danke an Eva Maria Hund, Dr. Klemens Raile und Dr. Hans-Rüdiger Klare, Jochen Schmitz, Uwe Schröder und Wolfgang Wagner.

Ohne die Erfahrungsberichte der Sportler mit Diabetes würde dieses Buch niemals existieren. Diese ganz individuellen Berichte beinhalten unzählige Insidertipps und erwecken die gesamte Theorie erst zum Leben. Nur durch ihre Arbeit, ihre Erfahrungen und ihr gesammeltes Wissen konnte dieses Buch überhaupt erst entstehen. Wir danken:

Andreas Alt, Dr. Felicitas Altenhöfer, Holger Appel, Roland Baude, Karin Bauer, Götz Budiner, Ingrid Buschkühle, Gaby Dombek, Richard Dopjans, Diana Drossel, Fabian Engler, Tobias Engler, Carsten Fischer, Beate Fleischmann, Dr. Hansgeorg Frohn, Elke Frye, Dr. Michael Gomer, Manfred Graup, Martina Grote, Herbert Hausmann, Jutta Heitz, Katrin Hoefer, Peter Hornig, Dieter Keck, Andreas Koch, Detlev Kraft, Astrid Lauck, Eva Ludwigs, Gisela Michalski, Ingrid Nassir, Dr. Rolf Porsche, Dominik Richter, Peter Riemer, Josef Schlosser, Regine Schmutterer, Barbara Seibold, Katharina Staudinger, Elke Volk, Marc Weinstrauch, Karin Wolff, Dr. Peter Zimmer.

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Wir waren uns nicht immer einig, wir sprachen nicht immer dieselbe Sprache (Ruhrpott/München), wir waren gegenseitig unsere härtesten Kritiker. Das Ergebnis liegt vor Ihnen: Wir haben uns ein ums andere Mal zur individuellen Bestform angestachelt und sind in den vier Jahren gemeinsamer Arbeit an der Diabetes- und Sportfibel ein verdammt gutes Team geworden (natürlich, wie auf dem Foto zu sehen, auch dank „Fritzis“ geduldiger Vermittlungsarbeit).

Beim München-Marathon 2000 gingen wir gemeinsam an den Start und kamen auch beide ans Ziel, wenn auch nicht gleichzeitig (man vergleiche die Beinlängen!).

Wir danken unseren unermüdlichen Korrekturlesern, die unglaublich viel Zeit und Arbeit investiert haben, die Rohversion durchzuackern. Ohne ihre Anregungen, ihre konstruktive Kritik, die wichtigen Ideen, die unzähligen Vorschläge und Tipps, ihre beharrliche Fehlersuche hätte die Sportfibel nicht ihr heutiges „Gesicht“! Wir danken:

Karin Beck, Prof. Michael Berger, Dr. Walter Bube, Ingrid Buschkühle, Prof. Ernst Chantelau, unseren Eltern, Heidi Frank, Inge Gerding, Martin Greetfeld, Dr. Franz Hierl, Renate Jäckle, Thorsten Jordan, Anke Kornmeier, Peter Kremsreiter, Prof. Rüdiger Landgraf, Martina Lilla, Gisela Michalski, Brigitte Osterbrink, Dr. Wolfgang Pielmeier, Uwe Pietruck, Susanne Post, Prof. Peter Sawicki, Birger Thornuß, Prof. Eberhard Standl, Priv. Doz. Michael Ulbig, Ulrike Beate Wassill, Dr. Peter Zimmer. Außerdem danken wir Markus Beisl, der die erste Korrekturversion durch eine legendäre Nachtschicht am Kopierer erst ermöglichte.

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Ulrike Thurm
(ulrike.thurm@t-online.de)

Dr. med. Bernhard Gehr
(b.gehr@gmx.de)

Vorwort der Autoren zur vollständig überarbeiteten 4. Auflage (2018)

Seit der 3. Auflage der Sportfibel sind acht Jahre vergangen – acht Jahre, die für die Diabetestherapie eine echte Revolution bedeuteten. Vor allem im Bereich des Typ-1-Diabetes gilt heute, im Jahr 2018: Willkommen im Zeitalter der Glukosedynamik. Zum aktuellen Glukosewert kommen Trendpfeil, Diagramm und Alarmfunktionen hinzu. Gerade für Sportler mit Diabetes sind diese zusätzlichen Informationen Gold wert.

Die aktuellen Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) messen so genau, dass man sich nach entsprechender Schulung in den meisten Situationen darauf verlassen kann. Im Jahr 2016 fiel mit der einfacheren Kostenübernahme ein großes Hemmnis für eine weitere Verbreitung der CGM-Systeme weg. Dabei haben viele Sportler schon Jahre zuvor CGM auf eigene Kosten genutzt, weil es ihnen das „wert“ war. Das erste Flash-Glucose-Monitoring-System (Abbott FreeStyle® Libre), das preisgünstig und ohne Kalibrieren den Gewebezucker misst, machte die Gewebezuckermessung dann endgültig salonfähig. Das Ergebnis: In einigen Jahren wird wohl nur noch eine Minderheit der Menschen mit Typ-1-Diabetes den Blutzucker messen.

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Gerade Sportler mit Diabetes haben sich diese technologische Revolution in vieler Hinsicht zunutze gemacht. Welch ein Vorteil beim Sport: ein einfacher Blick auf die Uhr und schon ist der Diabetiker darüber informiert, in welche Richtung sich sein Stoffwechsel gerade bewegt und wann ihm eine Unterzuckerung drohen könnte, doch er kann ja jetzt rechtzeitig gegensteuern. Auch eine Übertragung der Glukosedaten z. B. an die Trainerbank oder an die Eltern ist im Cloud-Zeitalter ziemlich problemlos möglich, falls eine Überwachung aus der Distanz gewünscht wird.

Damit wird vielen Diabetikern eine neue Welt eröffnet. Monique Hanley, die mit dem Team Type 1 im Jahr 2007 das RAAM (Erfahrungsbericht Race across America) gewonnen hat, hat dafür folgende Worte gefunden: „Tatsache ist, dass ich durch den Glukosesensor zum ersten Mal das Gefühl hatte, dass ich als Sportlerin an einem Wettkampf teilnahm – nicht als Diabetikerin. Ein kurzer Blick auf die Trendentwicklung auf meinem Gewebezuckermesssystem genügte, ansonsten konnte ich mich voll auf das Rennen konzentrieren.“

Warum legen wir im Vorwort für die 4. Auflage der „Diabetes- und Sportfibel“ den Fokus so sehr auf die technischen Innovationen im Diabetesbereich? Weil diese die Therapieanpassung nicht nur, aber besonders bei körperlicher Aktivität so unglaublich verbessern, ja revolutionieren.

Deshalb hat diese vierte Auflage fast 30 komplett neue Erfahrungsberichte, 75 % der Autoren dieser Erfahrungsberichte nutzen ein CGM- oder FGM-System. Lassen Sie sich inspirieren. Die ganz individuellen Berichte beinhalten unzählige Insidertipps und erwecken die gesamte Theorie erst zum Leben. Nur durch Eure Arbeit, Eure Erfahrungen und Euer gesammeltes Wissen konnte dieses Buch entstehen. Wir danken: Katrin Behrens, Annalena Bergener, Stefanie Blockus, Kerstin Bremer, Ingrid Buschkühle, Gaby Dombek, Ralf Dornath, Diana Drossel, Ariane Dürholdt, Anne Farenholtz, Florian und Matthias Firnkorn, Carsten Fischer, Rebecca Fondermann, Bernd Geber, Diana Göhring, Manfred Graup, Martina Grote, André Grumbach, Monique Hanley, Bastian Hauck, Herbert Hausmann, Jens Heuschkel, Peter Hornig, Stefanie John, Katrin Kirsch, Johann Klemkow, Finn Köster, Andreas Koch, Andreas May, Timur Oruz, Felix Petermann, Alexander Piel, Arne Reichelt, Justine Riemer, Dominik Richter, Melanie Schipfer, Sandra Schlüter, Regine Schmutterer, Rosemarie Scholz, Romy Schreiber, Barbara Seibold, Felicitas Spitzer, Antje Wagner, Dörte Worthmann, Peter Zimmer.

Neben dem riesigen Thema Glukosemonitoring haben wir noch zahlreiche weitere Kapitel runderneuert und zum Teil sogar ganz neu geschrieben. Lesen Sie Neues z. B. zu den Eigenschaften der neuen und auch der bewährten Insulinpräparate, zur Sporternährung, zum Sport für Kinder und Jugendliche, zur Fort- und Weiterentwicklung von Sportprogrammen für Menschen mit Typ-2-Diabetes wie BEL, DiSko plus, DPD, zur aktuellen Situation der Diabetes-Sportgruppen in Deutschland und vieles mehr. Wer danach noch nicht genug hat, besonders von den technischen Innovationen, dem empfehlen wir hier unser anderes Buch, die „CGM- und Insulinpumpenfibel“ – ein bisschen Werbung in eigener Sache darf zum Schluss nicht fehlen.

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Beim Kirchheim-Verlag danken wir Hanno Schorlemmer für die tatkräftige Unterstützung und Erik Nielsen für die konstruktive Zusammenarbeit und das wieder gelungene Layout der vierten Auflage.

Wir wünschen weiterhin viel Spaß beim Lesen und beim Sport! Ulrike Thurm und Bernhard Gehr

Adressen der Autoren

Ulrike Thurm

Sportlehrerin und Diabetesberaterin DDG

Systemischer Personal Coach ECA

Seebadstraße 106, 12621 Berlin

Telefon: 030/42 80 80 68

E-mail: thurm@idaa.de

Dr. med. Bernhard Gehr

Facharzt für Allgemeinmedizin

Diabetologe (BLÄK)

Privat: Waxensteinstraße 16, 83661
Lenggries

E-mail: b.gehr@gmx.de

m&i Fachklinik Bad Heilbrunn

(50 km südlich von München)

Wörnerweg 30,

83670 Bad Heilbrunn

Telefon: 08046 / 18 - 4106

Adressen der Co-Autoren einzelner Kapitel:

PD Dr. med. Klemens Raile

Stellvertretender Klinikdirektor

Klinik für Pädiatrie m. S. Endokrinologie und Diabetologie

SPZ für chronisch kranke Kinder

Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum

Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin

http://spz.charite.de

Telefon: 030/450 666 327

Telefax: 030/450 566 916

Dipl. oec. troph. Eva Maria Hund, Deutsches Institut für Sporternährung e. V. (DISE) Dipl. oec. troph. Uwe Schröder, DISE, Lehrbeauftragter der Hochschule Fulda, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Gesellschaft für Gehirntraining e. V.

Dipl. oec. troph. Günter Wagner, Vorstandsmitglied des DISE, Mitglied in den wissenschaftlichen Beiräten des Vereins für Ernährung und Diätetik (VFED) und der Gesellschaft für Gehirntraining e. V.

Deutsches Institut für Sporternährung e. V. (DISE)

In der Au 30–32, 61231 Bad Nauheim

www.dise.online

Telefon: 06032/712 00

Telefax: 06032/712 01

E-mail: info@dise.online

1. Countdown vor Sport

Worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen Sportlern mit und ohne Diabetes? Sportler ohne Diabetes müssen sich vor Beginn körperlicher Aktivität keine Gedanken darüber machen, wie sie ihren Stoffwechsel an Sport anzupassen haben – bei ihnen geht das alles „vollautomatisch“.

Bei Sportlern mit Diabetes dagegen versagt diese „Automatik“. Sie müssen die Reaktion des Stoffwechsels von Nichtdiabetikern auf körperliche Aktivität so gut wie möglich imitieren, um eine Unterzuckerung oder eine Stoffwechselentgleisung während und nach Sport zu vermeiden und um optimal leistungsfähig zu sein. Auf den Punkt gebracht: Wer Diabetes hat, muss vor körperlicher Aktivität zuerst sein Gehirn einschalten!

Welche Punkte müssen Sportler mit Diabetes bedenken, bevor sie gefahrlos aktiv werden können?

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Countdown vor Sport

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1. image Insulinversorgung reduzieren

„Vor einigen Jahren erzählte mir einmal ein junger Mann mit Typ-1-Diabetes, dass er jeden Nachmittag zwischen 17:00 und 17:45 Uhr joggen würde. Ich fragte ihn, halb verwundert, halb skeptisch, ob er das wirklich jeden Tag, unabhängig von Jahreszeit, Wetter, Urlaub etc., macht. Ja, selbstverständlich, war seine Antwort. Daraufhin meinte ich, dass ihm das wohl sehr viel Freude machen müsse, wenn er das so regelmäßig tue. Dem widersprach er allerdings energisch: Ich hasse dieses Laufen! Ich muss es aber auf Anordnung meines Arztes machen, da mein Blutzucker sonst vor dem Abendessen unweigerlich ansteigt.“

Prof. Michael Berger berichtete diese Geschichte aus seiner Ambulanz [13]I. In diesem Beispiel wird körperliches Training als Zwang eingesetzt, um die Fehler einer schlechten Insulintherapie wiedergutzumachen. Auch die früher üblichen, strikten Diätregeln waren zu nichts anderem gut, als die Fehler der früher üblichen Insulintherapie auszugleichen. Sport und strenge Diät wurden nicht zur Behandlung des Diabetes verwendet. Sie wurden lediglich dazu missbraucht, die Schwächen der damaligen Insulintherapien auszugleichen.

Heute darf sich niemand mehr die Frage stellen: „Wann muss ich Sport treiben, um meinen Blutzucker nicht ansteigen zu lassen?“ Inzwischen gibt es stimmige Insulintherapien, und die Frage muss daher lauten: „Wie habe ich meine Insulintherapie anzupassen, damit ich genau dann körperlich aktiv sein kann, wenn ich es möchte?“

Die Zeiten, als die Insulin-Wirkkurven den Lebensrhythmus aller Menschen mit Diabetes bestimmten, sind glücklicherweise vorbei. Mit einer entsprechenden Schulung ist heute jeder dazu in der Lage, seine Insulintherapie auf seinen individuellen Lebensrhythmus abzustimmen – nicht umgekehrt. Insbesondere gilt das auch für körperliche Aktivität.

a) Wie „normal“ ist körperliche Aktivität für mich?

Jeder Mensch mit Diabetes muss sich vor Beginn einer körperlichen Aktivität zunächst die Frage stellen, wie viel körperliche Aktivität für ihn „normal“ ist, d. h. ob und wie die geplante Aktivität von der alltäglichen Belastung abweicht.

Beispiel: Weicht die geplante Aktivität von der „normalen“ Alltagsbelastung ab?

Die körperliche Aktivität im Alltag eines Büroangestellten unterscheidet sich stark von der eines Postboten. Entsprechend unterschiedlich müssen beide ihre Diabetestherapie an eine körperliche Aktivität am Wochenende anpassen.

Körperlich inaktiver Büroangestellter

Unter der Woche geht der Büroangestellte einer sitzenden Tätigkeit nach, wobei er körperlich sehr wenig aktiv ist.

Bei ihm kann schon eine geringe körperliche Aktivität am Wochenende ganz drastische Therapieanpassungen erforderlich machen. Plant er z. B. eine Wanderung mit Freunden, muss er seine Insulindosis deutlich reduzieren und seine Kohlenhydratzufuhr erhöhen, um eine Unterzuckerung zu vermeiden.

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Körperlich sehr aktiver Postbote

Ein Postbote trägt täglich die Post aus, wobei er viel zu Fuß unterwegs ist und Fahrrad fährt.

Unternimmt er am Wochenende zur selben Tageszeit eine Radtour mit seiner Familie, stellt dies keine Abweichung von seiner „normalen“ körperlichen Aktivität im Alltag dar. Seine Diabetestherapie ist genau auf diese Belastung eingestellt. Wenn der Postbote dagegen das ganze Wochenende zu Hause auf dem Sofa läge, müsste er seine Therapie wahrscheinlich ändern, d. h. die Insulinversorgung erhöhen und/oder weniger Kohlenhydrate essen und trinken.

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b) Zeitpunkt der körperlichen Aktivität

Um die Insulintherapie an körperliche Aktivität anzupassen, müssen sich Menschen mit Diabetes als Erstes überlegen, zu welcher Zeit sie körperlich aktiv sein wollen. Ist der Zeitpunkt geklärt, lautet die nächste logische Frage, wie viel Insulin zu diesem Zeitpunkt wirksam ist.

Wer eine Intensivierte Insulintherapie (s. Kap. 5.1.2) durchführt, muss zwischen Normalinsulin bzw. schnell wirkendem Analoginsulin und Verzögerungsinsulin differenzieren. Wenn die Wirkung verschiedener Insuline überlappt, kann der Blutzucker während körperlicher Aktivität stärker abfallen.

Beispiel: Zeitpunkt der körperlichen Aktivität (Intensivierte Insulintherapie)

Frau Müller führt eine intensivierte Insulintherapie durch und möchte am Samstag ihre Wohnung putzen. Ob sie damit nach dem Frühstück oder nach dem Mittagessen beginnt, hat große Auswirkungen auf die nötige Anpassung der Insulintherapie:

Direkt nach dem Frühstück

Sofort nach dem Frühstück hat die Wirkung des morgens gespritzten Verzögerungsinsulins noch nicht eingesetzt.

Beginnt Frau Müller zu dieser Zeit mit dem Putzen, muss sie lediglich das Normal- bzw. Analoginsulin zum Frühstück reduzieren. Das Basalinsulin muss sie wahrscheinlich nicht verringern.

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Direkt nach dem Mittagessen

Kurz nach dem Mittagessen wirkt das morgens gespritzte Verzögerungsinsulin und das mittags gespritzte Normal- bzw. Analoginsulin. Weil sich beide Insuline in ihrer Wirkung überlappen, senkt die gleiche körperliche Aktivität den Blutzucker zu dieser Zeit stärker ab als sofort nach dem Frühstück.

Daher muss Frau Müller in diesem Fall evtl. sowohl das Bolusinsulin zum Mittagessen als auch das Basalinsulin am Morgen reduzieren.

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Bei der Insulinpumpentherapie (s. Kap. 5.1.3) kommt ausschließlich kurz wirkendes Insulin zum Einsatz. Bei der Anpassung der Insulinpumpentherapie an Sport ist entscheidend, ob die körperliche Aktivität in den Zeitraum einer Boluswirkung fällt oder ob zu dieser Zeit nur die Basalrate wirksam ist.

Beispiel: Zeitpunkt der körperlichen Aktivität (Insulinpumpentherapie)

Herr Schmidt hat eine Insulinpumpe und möchte am Samstag den Garten umgraben. Ob er damit z. B. direkt nach dem Frühstück oder erst am späten Nachmittag beginnt, hat große Auswirkungen auf die Anpassung der Insulinpumpentherapie:

Sport während der Boluswirkung

Körperarbeit während der Boluswirkung führt zu einem stärkeren Blutzuckerabfall. Will Herr Schmidt seinen Garten direkt nach dem Frühstück umgraben, muss er den Frühstücks-Bolus entsprechend drastisch kürzen. Wenn das Umgraben lange dauert, sollte Herr Schmidt auch die Basalrate entsprechend absenken.

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Sport während alleiniger Basalratenwirkung

Wenn nur die Basalrate wirksam ist, senkt körperliche Aktivität den Blutzucker nicht so stark ab. Will Herr Schmidt den Garten am späten Nachmittag umgraben, muss er vermutlich die Basalrate reduzieren, je nach verwendetem Pumpeninsulin 1–2 Stunden vorher (s. Kap. 3.6). Eine Reduktion des Mittagessens-Bolus ist wahrscheinlich nicht nötig.

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c) Belastungsdauer und -intensität

Als Nächstes stellt sich die Frage, wie lange und wie intensiv die körperliche Aktivität sein soll. Ist eine kurze, wenig intensive Belastung geplant, muss die Insulindosis nicht so stark reduziert werden wie bei einer längeren und intensiveren Belastung.

Beispiel: Belastungsdauer und -intensität

Susanne möchte mit ihren Freundinnen eine Fahrradtour unternehmen. Welches Insulin sie um wie viel Prozent reduzieren muss, ist von der Dauer und Intensität der Radtour abhängig.

Insulintherapieanpassung bei geringer Belastungsdauer und -intensität

Susanne radelt mit ihren Freundinnen nur eine kurze Strecke in gemütlichem Tempo; direkt nach dem Frühstück soll es losgehen. Susanne sollte das Einheiten/BE-Verhältnis zum Frühstück um 30 – 50 % reduzieren. Die Dosis des Verzögerungsinsulins braucht sie wahrscheinlich nicht zu verändern.

Zur Unterzuckerungsbekämpfung sollte Susanne eine mit kohlenhydrathaltiger Flüssigkeit gefüllte Fahrradflasche mitnehmen.

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Insulintherapieanpassung bei hoher Belastungsdauer und -intensität

Unternimmt Susanne mit ihren Freundinnen eine ganztägige Radtour in zügigem Tempo, muss sie drastischere Insulindosisreduktionen vornehmen.

Susanne sollte ihr Verzögerungsinsulin vor der Radtour um 50 % und das Einheiten/BEVerhältnis zu den Mahlzeiten vor und während der Radtour um 50 – 70% reduzieren. Zusätzlich sollte sie z. B. aus einer Fahrradflasche regelmäßig kohlenhydrathaltige Flüssigkeit trinken (mindestens einen Liter/Stunde).

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d) Muskelauffülleffekt

Als Letztes bleibt die Frage zu klären, wie lange die geplante körperliche Aktivität nachwirkt. Für den Zeitraum des Muskelauffülleffekts (s. Kap. 8.1.4) muss die Insulinversorgung reduziert bleiben.

Beispiel: Muskelauffülleffekt und Insulintherapieanpassung

Der Muskelauffülleffekt nach der körperlichen Aktivität ist abhängig von Belastungsdauer und -intensität. Wie stark hat sich Herr Schmidt bei der Gartenarbeit verausgabt?

Muskelauffülleffekt nach geringer Belastung

Hat Herr Schmidt nur kurz nach dem Frühstück einige Rosenzweige gekappt, ist die Nachwirkung dieser körperlichen Aktivität maximal bis zum Mittag zu spüren. Wenn überhaupt nötig, muss er lediglich – je nach gemessenem Blutzuckerwert und Glukosetrend – das Bolusinsulin zum Mittagessen geringfügig reduzieren.

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Muskelauffülleffekt nach hoher Belastung

War Herr Schmidt den ganzen Tag lang damit beschäftigt, seinen großen Garten umzugraben, hinterlässt das „Spuren“ bis zum nächsten Tag.

Herr Schmidt muss nach einer so langen und intensiven Belastung wahrscheinlich das Bolusinsulin zum Mittagessen und zum Abendbrot drastisch um 30 – 70 % und die Basalrate zur Nacht um 10 – 30 % reduzieren.

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Insulinversorgung reduzieren

Folgende Fragen sind wichtig, um die Insulintherapie vor, während und nach einer körperlichen Aktivität richtig anzupassen:

imageUm wie viel weicht die geplante körperliche Aktivität von meiner „normalen“ Alltagsbelastung ab?

imageWann möchte ich körperlich aktiv sein?

imageWie viel Insulin ist zu diesem Zeitpunkt wirksam?

imageWie lange und wie intensiv möchte ich mich bewegen?

imageWie lange wirkt die geplante körperliche Aktivität nach?

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Weitere Informationen zur Insulindosisreduktion:

imageKap. 2:

Erste Hilfe bei Therapieanpassung

imageKap. 3:

Den Stoffwechsel verstehen

imageKap. 4:

Den Stoffwechselgesunden nachahmen

imageKap. 5:

Insulintherapie und Sport

imageKap. 8:

Hypoglykämie, Hyperglykämie, Ketoazidose

imageKap. 12.5:

Typ-2-Diabetes: Anpassung der Insulintherapie an Sport

imageKap. 14:

Erfahrungsberichte

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1. image Kohlenhydratzufuhr erhöhen

Sportlern mit und ohne Diabetes wird empfohlen, bei erhöhter körperlicher Aktivität vermehrt Kohlenhydrate (ca. 10 – 20 g KH pro 30 Minuten) zu sich zu nehmen. Bei Muskelarbeit wird mehr Energie benötigt als in Ruhe. Um langfristig eine optimale Leistungsfähigkeit und Ausdauer aufrechtzuerhalten, sollte dem Körper die verbrauchte Energie sofort wieder zugeführt werden (s. auch Kap. 3).

Wenn die körperliche Aktivität bewusst eingesetzt wird, um Gewicht zu verlieren, gilt diese Empfehlung natürlich nicht. Wer abnehmen will, sollte die verbrauchte Energie nicht „nachfüllen“, sondern bei der Therapieanpassung an Sport mehr Gewicht auf die Insulinreduktion legen.

a) Art der aufgenommenen Kohlenhydrate

Kap. 13.3