EINSTIEG
VORWORT
WER ICH BIN UND WOVON ICH TRÄUME
Die starken Frauen in meiner Familie
»Sie Monster!« Meine Schulzeit
Beruf: Künstlerin
Promi sein – sooo schön?!
»Du kannst ja geradeaus laufen und reden!«
Die Show-Fernanda und die reale Fernanda
Beziehung
AM WENDEPUNKT
2015: Ich bin fertig
Burning Man statt Burn-out
Der Tod meines Opas
Der zweite Burning Man und ein rätselhaftes Wort
Ayahuasca – ein paar Infos
Der Ruf
IM REGENWALD
Die Vorbereitung
Die erste Reise nach Rosa Branca
Die Familie und das Dorf
Alltag in Rosa Branca
Ayahuasca mit den Indianern
Die Huni Kuin und die Welt
Fremdheit und Vertrauen
Das Projekt
Rückkehr nach Rosa Branca
MEINE VISION
DANKSAGUNG
We don’t own this land, we belong to it.
Hilfe! Etwa zwanzig Indianer kommen den Hang herab auf mich zugestürmt und zerren mich aus dem Boot. Barfuß wie ich bin, werde ich im Laufschritt den Hang hochgezogen und ins Dorf gebracht. Meine Tasche mit den kostbarsten Dingen, die es hier für mich gibt, fliegt irgendwo in eine Ecke. Sie enthält unter anderem Moskitospray, Desinfektionsmittel, Medikamente, eine Regenjacke, Mineralwasser und meinen Geheimvorrat an Schokokeksen.
Die Indianer sind mit Palmenblättern bekleidet, ihre Gesichter sind angemalt und sie stoßen fremdartige Rufe aus. Sie haben sich untergehakt und hüpfen. Es wirkt wie ein festliches Ritual. Eine große Schar Kinder zieht an meinen Armen und fordert mich zum Mitmachen auf.
Ich bin soooo müde! Aber ich muss gute Miene machen und die Situation durchstehen. Erst Stunden später kann ich meine Hängematte festbinden und endlich schlafen. Natürlich bin ich auch dann nicht allein. Am Morgen wecken mich die Geräusche des Regenwalds. Ich bin gerädert und brauche einfach nur Zeit und Raum für mich. Aber das geht nicht. Etwa ein Dutzend Kinder steht um meine Hängematte herum und starrt mich einfach nur an. Kein Reden, kein Kichern – nichts. Ich seufze. Ich bekomme die Augen kaum auf und bin schon in Gesellschaft. Keine Privatsphäre für mich. Wo bin ich hier nur hingeraten? Und was mache ich eigentlich hier?
Ich hatte als Kind oft denselben Albtraum, in dem ich im Meer auf einem Surfbrett stand und meine Mutter am Strand war. Das Meer zog mich immer weiter raus, ich schrie mit aller Kraft nach Hilfe und winkte panisch mit den Armen, doch aus meinem Mund kam kein Ton heraus und meine nichts ahnende Mutter winkte mir fröhlich zurück.
Dieses Motiv zog sich lange durch mein Leben. Schreien zu wollen und nicht zu können. Ich fühlte eine Blockade im Hals, wurde übermannt vom Gefühl, keine Stimme zu haben und nicht richtig gesehen und gehört zu werden.
Und das als Bühnenkünstlerin, die durch Singen und Sprechen auf sich aufmerksam macht. Im Showbusiness geht es um die Show und um das Business. Um den professionellen Auftritt und das Strahlen auf Knopfdruck, sowohl auf als auch hinter der Bühne.
Ob du viel oder wenig von deiner Persönlichkeit preisgibst, entscheidest du selbst. Aber eine Regel, die man schnell lernt, ist: Je mehr du dein wahres Ich zeigst, desto verwundbarer wirst du. Ich hielt mich an diese »Regel«, hatte aber immer häufiger das Gefühl, nicht aus dem ganzen Körper und vor allem nicht aus der ganzen Seele heraus zu sprechen. Lange Zeit hielt mich eine unerklärliche Angst vor dieser Verwundbarkeit davon ab, öffentlich mitzuteilen, was ich denke, fühle und mache.
Das alles hat dazu geführt, dass ich mich immer mehr von meinen Gefühlen und Bedürfnissen distanzierte und meiner eigenen Stimme immer weniger Gehör schenkte. Durch die Begegnung mit dem indigenen Stamm der Huni Kuin (Kaxinawa) ist in den letzten Jahren viel in Bewegung gekommen. Wie die meisten Naturvölker kennen auch sie das Gefühl, keine Stimme zu haben und nicht gehört zu werden.
Ich habe ihnen zugehört. Und unsere Geschichte möchte ich hier erzählen.
Meine Angst verschwindet – und der Drang, aus vollem Herzen zu sprechen, wächst mit jeder Sekunde. Dieses Buch ist das Ergebnis des gewachsenen Mutes, mir, den Huni Kuin und allen Lebewesen im Amazonasregenwald eine Stimme zu geben.