Prof. em. Dr. med. Michael Falkenstein, Dipl.-Psych., Dipl.-Ing., ist Leiter des Instituts für Arbeiten Lernen Altern (ALA) in Bochum. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Gestaltung von optimalen Arbeits- und Lernsituationen für ältere Beschäftigte, der Förderung mentaler Leistungsfähigkeit bei älteren Beschäftigten sowie der Förderung der Mobilität und der Fahrtüchtigkeit für Ältere. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Fachpublikationen.
Prof. Dr. Claudia Kardys, M.A., ist examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, studierte und promovierte berufsbegleitend im Querschnittsbereich Gesundheitsmanagement/-wissenschaften mit dem Fokus Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) sowie dem Schwerpunkt kognitive Leistungsfähigkeit in der Arbeitswelt. Seit einigen Jahren ist sie als Senior Projektmanagerin im modernen Arbeits- und Gesundheitsschutz bei TÜV Rheinland tätig. An der FOM Hochschule Essen lehrt sie im Bereich Gesundheit und Soziales.
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1. Auflage 2020
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© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-035665-8
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-035666-5
epub: ISBN 978-3-17-035667-2
mobi: ISBN 978-3-17-035668-9
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Das moderne berufliche Tätigkeitsfeld ist durch eine hohe Komplexität und Dynamik mit anspruchsvollen Anforderungen und vielschichtigen Aufgaben gekennzeichnet, die vermehrt zu gesundheitsschädigenden Stressbelastungen führen können. Im Zuge der demografischen Entwicklung sowie im Hinblick auf die Verschiebung des Krankheitsspektrums – von somatischen zu psychischen bzw. psychosozialen Erkrankungen – mit ansteigenden Fehlzeiten gilt es, in einer zunehmend globalisierten, digitalisierten und flexibilisierten Arbeitswelt neue Perspektiven zur mentalen Gesunderhaltung und Leistungsfähigkeit verstärkt zu beleuchten.
Das Thema alters- und alternsgerechtes Arbeiten hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung zugenommen und rückt in den Fokus von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Basierend auf dem Kompetenzmodell – welches von der Vorstellung eines »differentiellen« Alterns ausgeht – zielt die alternsgerechte Arbeitsweltgestaltung präventiv auch auf jüngere und Beschäftigte mittleren Alters ab. Auf Grund verschiedener Leistungs- und Persönlichkeitsbereiche und deren altersspezifischen Entwicklungen sollte die Unternehmenskultur auf eine strategische sowie langfristige Personalentwicklung setzen. Dabei stehen folgende zentrale Fragestellungen im Fokus:
• Welche funktionellen Veränderungen treten mit zunehmendem Alter auf?
• Welche Strategien können Ältere anwenden, um damit umzugehen?
• Wie kann man Arbeitstätigkeiten so gestalten, dass ältere Beschäftigte länger geistig fit und leistungsfähig bleiben und besser vor Demenz geschützt sind?
• Wie kommen Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten mit komplexen automatisierten Arbeitswelten klar?
• Welchen Einfluss haben Arbeitsunterbrechungen speziell auf Ältere?
• Wie können (nicht nur) Ältere besser mit Stress umgehen?
• Was ist bei der Weiterbildung älterer Arbeitnehmer zu beachten?
• Welche Trainingsmaßnahmen sind zur Förderung mentaler und emotionale Fähigkeiten (nicht nur) älterer Beschäftigter geeignet?
Die Autoren des vorliegenden Buchs liefern Antworten auf diese Fragen und geben praxisorientierte Impulse für Praktiker zur proaktiven Bewältigung der heutigen und zukünftigen Herausforderungen moderner Arbeit.
Wir danken allen Autoren sowie dem Kohlhammer Verlag, und hier insbesondere Frau Dipl.-Psych. Annika Grupp, für die vertrauensvolle und professionelle Zusammenarbeit.
Zugunsten einer lesefreundlichen Darstellung wird in diesem Text bei personenbezogenen Bezeichnungen in der Regel die männliche Form verwendet. Diese schließt, wo nicht anders angegeben, alle Geschlechtsformen ein (weiblich, männlich, divers).
Wir wünschen allen Lesern dieses Buches eine gewinnbringende Lektüre.
Die Herausgeber
Prof. Dr. Michael Falkenstein
Prof. Dr. Claudia Kardys
Brandhorst, Sebastian, Dr., M.Sc., Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl Wirtschaftspsychologie, Universitätsstraße 150, 44780 Bochum
Diestel, Stefan, Prof. Dr., Bergische Universität Wuppertal, Gaußstraße 20, 42119 Wuppertal
Falkenstein, Michael, Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Dipl.-Ing., Institut für Arbeiten Lernen Altern (ALA), Hiltroper Landwehr 136, 44805 Bochum
Gajewski, Patrick, PD Dr. rer. nat. Dipl.-Psych., Leibniz-Institut für Arbeitsforschung (IfADo), Ardeystr.67, 44139 Dortmund
Getzmann, Stephan, PD Dr. phil. Dipl.-Psych., Leibniz-Institut für Arbeitsforschung (IfADo), Ardeystr.67, 44139 Dortmund
Godde, Ben, Prof. Dr., Jacobs University Bremen, Department of Psychology and Methods, Campus Ring 1, 28759 Bremen
Jipp, Meike, PD Dr., Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Institut für Verkehrssystemtechnik, Lilienthalplatz 7, 38108 Braunschweig
Kardys, Claudia, Prof. Dr., M.A., FOM Hochschule Essen, Bereich Gesundheit und Soziales, Herkulesstraße 32, 45127 Essen
Karthaus, Melanie, Dr. rer. nat., Leibniz-Institut für Arbeitsforschung (IfADo), Ardeystraße 67, 44139 Dortmund
Kern, Dominique, Prof. Dr., Université de Haute Alsace, Faculté des Lettres, Langues et Sciences Humaines (FLSH), Département Sciences de l’éducation, 10 rue des Frères Lumière, 68093 Mulhouse Cedex, Frankreich
Kliegel, Matthias, Prof. Dr., Centre interfacultaire de gérontologie et d’étude des vulnérabilités (CIGEV), Université de Genève, 28 Boulevard du Pont d’Arve, 1205 Genève, Schweiz
Kluge, Annette, Prof. Dr. Dipl.-Psych., Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl Wirtschaftspsychologie, Universitätsstraße 150, 44801 Bochum
Küper, Kristina, Dr., Leibniz-Institut für Arbeitsforschung (IfADo), Ardeystraße 67, 44139 Dortmund
Müller, Andreas, Prof. Dr., Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Bildungswissenschaften, Institut für Psychologie, Arbeits- und Organisationspsychologie, Universitätsstr. 2, 45141 Essen
Oltmanns, Jan, Dr., Daimler AG, Personalentwicklung MO/SEC, 28190 Bremen
Richter, Götz, Dr., Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, INQA Geschäftsstelle, Strategische Geschäftsführung, Nöldnerstr. 40–42, 10317 Berlin
Rodriguez, Francisca S., Dr. rer. med., M.Sc., Center for Cognitive Science, Technische Universität Kaiserslautern, Pfaffenbergstr. 103, Geb. 6, 67663 Kaiserslautern; Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Universität Leipzig, Philipp-Rosenthal-Str. 55, 04103 Leipzig
Spilski, Jan, Dipl.-Psych., Technische Universität Kaiserslautern, Center for Cognitive Science, Gottlieb-Daimler-Straße 47, 67663 Kaiserslautern
Stahn, Catharina, Dr. phil., Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V., Uerdinger Straße 56, 40474 Düsseldorf
Staudinger, Ursula, Prof. Dr., Columbia University, Robert N. Butler Columbia Aging Center, 722 W. 168th Street, New York, NY 10032, USA
Thomas-Friedrich, Birte, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Institut für Verkehrssystemtechnik, Lilienthalplatz 7, 38108 Braunschweig
Vieluf, Solveig, Dr., Universität Paderborn, Department Sport und Gesundheit, Warburger Straße 100, 33098 Paderborn
Voelcker-Rehage, Claudia, Prof. Dr., Technische Universität Chemnitz, Institut für Angewandte Bewegungswissenschaften, Professur Sportpsychologie, 09126 Chemnitz
Wild-Wall, Nele, Prof. Dr., Hochschule Rhein-Waal, Fakultät Kommunikation & Umwelt, Professur Forschungsmethoden und Diagnostik in der Psychologie, Friedrich-Heinrich-Allee 25, 47475 Kamp-Lintfort
Zülch, Joachim, Prof. Dr. phil., Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Industrial Sales Engineering, Universitätsstraße 150, 44801 Bochum
Manuelle Aufgaben, die Handgeschicklichkeit erfordern, sind prototypisch für den Arbeitskontext. Dazu gehört die Bedienung einer Computermaus ebenso wie die Verlötung elektrischer Geräte. Manuelle Aufgaben erfordern eine deutlich geringere körperliche Belastbarkeit als großmotorische Tätigkeiten, sodass sie ein potenzielles Aufgabengebiet für ältere Arbeitnehmer darstellen.
Die Handgeschicklichkeit, auch als Auge-Hand-Koordination, Feinkoordination oder Feinmotorik bezeichnet, meint eine präzise Kontrolle der Hand bzw. Finger, also eine feinmotorische Abstimmung von Hand- und Fingerbewegungen auf wahrgenommene Reize. Das Greifen und Bewegen von Gegenständen ist Teil vieler manueller Arbeitsplätze. Die dynamische und adaptive Kontrolle der isometrischen Griffkraft bei der Manipulation von Objekten (greifen, bewegen, loslassen) ist dabei ebenso eine grundlegende Voraussetzung wie die Fähigkeit zur genauen taktilen Wahrnehmung der zu manipulierenden Objekte (Haptik) (Flanagan & Wing, 1993; Wing, Haggard & Flanagan, 1996). Die Griffkraft wirkt über die Finger auf einen Gegenstand ein. Die präzise Abstimmung der Fingerkräfte an die Aufgabenanforderungen erlaubt eine sehr feine Manipulation von Objekten, wie es an vielen Arbeitsplätzen in der Produktion, aber auch an Computerarbeitsplätzen erforderlich ist. Die Griffkraft ist zu jedem Zeitpunkt der Bewegung nur um einen geringen Betrag höher als die gerade erforderliche Griffkraft, die ein Rutschen des Gegenstandes aus der Hand verhindert. Dies ermöglicht eine sehr feine Modulation kleiner Gegenstände, die ein hohes Maß an Präzision verlangen. Zu hohe Greifkräfte können die feine Manipulation von Objekten behindern. Zum Beispiel können filigrane und empfindliche Objekte durch die Aufwendung zu hoher Griffkräfte zerbrechen.
Das Ausmaß an Kraft, das zur Manipulation des Objekts produziert wird, steht in Beziehung zu den Objekteigenschaften wie Masse, Größe und Oberflächenbeschaffenheit (MacKenzie & Iberall, 1994). Für die effiziente Regulation der Griffkraft bei der Manipulation von Objekten ist unter anderem eine uneingeschränkte Sensibilität der greifenden Finger notwendig. Kühlung, Anästhesie oder das Tragen von Handschuhen schränken die Funktion der Haptik ein und führen zu einer erheblichen Erhöhung der Griffkraft (Augurelle, Smith, Lejeune & Thonnard, 2003; Monzée, Lamarre & Smith, 2003). Eine ähnliche Wirkung wird auch aufgrund altersspezifischer Veränderungen der Mechanorezeptoren beschrieben. Zwar bleibt die zeitliche Koordination zwischen der Griffkraft und der bewegungsinduzierten Last erhalten (Hermsdörfer & Blankenfeld, 2008; Nowak et al., 2001), grundsätzlich führt ein fehlerhaftes oder ungenaues sensorisches Feedback aber zu einer Ungeschicklichkeit im Gebrauch der Hände. Auch das sensorisch-taktile Diskriminationsvermögen ist wesentlich an der Wahrnehmung der detaillierten Form und Textur eines Gegenstandes beteiligt. Dabei erfordert die taktile Wahrnehmung häufig eine aktive Exploration des Gegenstandes. Außerdem ist nicht nur die räumliche, sondern auch die zeitliche taktile Verarbeitung wichtig für die Unterscheidung von Textur und Form (Carvell & Simons, 1990; Kleinfeld, Ahissar & Diamond, 2006).
In unserem Verständnis umfasst der Begriff der Handgeschicklichkeit somit die präzise Kontrolle und Koordination von Fingerbewegungen bzw. Fingerkräften (Johansson & Westling, 1984, 1988) und die dazu notwendigen sensorischen Voraussetzungen für die Manipulation von Objekten.
Ältere Menschen sind in der Regel langsamer und weniger genau in der Ausführung feinmotorischer Bewegungen als jüngere (Voelcker-Rehage & Alberts, 2005). Dies wird unter anderem auf altersabhängige sensorische, motorische und neuromuskuläre Veränderungen zurückgeführt (Galganski, Fuglevand & Enoka, 1993). Es ist auch bekannt, dass ältere Erwachsene Griffkräfte produzieren, die fast doppelt so hoch sind wie die von jungen Erwachsenen, wenn sie Gegenstände mit unterschiedlichem Gewicht und verschiedener Oberflächenbeschaffenheit greifen und halten (Cole, 1991). Ältere Menschen haben des Weiteren oftmals Probleme, ihre Kraft im Bereich sehr kleiner Kräfte exakt zu dosieren, wie es z. B. für die Bedienung einer Computermaus notwendig ist, oder ihre Kraft gezielt zu reduzieren (Voelcker-Rehage & Alberts, 2005), wie es z. B. das Abstellen eines Gegenstandes erfordert. Auch die taktilen Eigenschaften sind mit dem Alter zunehmend beeinträchtigt (Godde, Bruns, Wendel & Trautmann, 2018; Dinse et al., 2006; Dinse, Wilimzig & Kalisch, 2008). Eine kürzlich erschienene Studie bestätigte mit verschiedenen taktilen Tests einen linearen Zusammenhang zwischen Alter auf der einen Seite und taktiler Sensitivität und Diskriminationsleistung auf der anderen Seite für Frauen zwischen 18 und 95 Jahren (Godde, Bruns, Wendel & Trautmann, 2018). Lindberg, Ody, Feydy und Maier (2009) zeigten, dass die Kontrolle geringer Griffkräfte bereits im mittleren, also berufsfähigem, Erwachsenenalter abnimmt. Mittelalte Erwachsene modifizieren weiterhin ihre Kraftgenerationsstrategie, bevor ein Rückgang der Handgeschicklichkeit sichtbar wird, um frühe degenerative Veränderungen zu kompensieren.
So lässt sich zusammenfassen: Die Handgeschicklichkeit nimmt je nach Bewegungsform und beanspruchter Muskulatur etwa ab dem dritten Lebensjahrzehnt ab ( Abb. 1.1). Der deutlichste Rückgang ist jedoch ab etwa dem 60./65. Lebensjahr zu verzeichnen.
Abb. 1.1: Altersabhängige Veränderungen in der Feinmotorik (»Stifte umstecken« aus der motorischen Leistungsserie nach Schoppe, dargestellt als Mittelwerte und Standardabweichungen) über die Lebensspanne (n = 1149; Voelcker-Rehage, 2005, S. 22)
Potenzielle Ursachen für eine zunehmende Variabilität in der Kraftsteuerung der oberen Extremitäten, besonders im Bereich der Hände und Finger, im Alter sind vielfältig. Dazu gehören altersabhängige Veränderungen der taktilen Empfindungen, ein Verlust an Muskelmasse, Veränderungen im Verhältnis der Fasertypen sowie eine verringerte Nervenleitgeschwindigkeit (einen Überblick geben Ketcham & Stelmach, 2001). Damit verbunden, zeigt sich eine Vergrößerung der motorischen Einheiten (eine motorische Nervenzelle mit allen von ihr innervierten Muskelzellen), in deren Folge die fein abgestufte Kontrolle der Muskelbewegungen geringer wird. Außerdem werden eine gleichzeitige Aktivierung agonistischer und antagonistischer Muskeln sowie eine variablere Entladungsrate (elektrische Aktivität) der motorischen Einheiten als Ursachen für die beobachteten Altersveränderungen angeführt. Degenerative Veränderungen im motorischen Kortex, Kleinhirn und in den Basalganglien sowie ein Verlust an Neuronen im Rückenmark sind weitere Ursachen für eine verminderte Handgeschicklichkeit im Alter (Ketcham & Stelmach, 2001).
Defizite in taktiler Empfindsamkeit und Wahrnehmung und somit sensomotorischer Feedbackschleifen spielen ebenfalls eine wesentliche Rolle für das Nachlassen der Handgeschicklichkeit mit zunehmendem Alter (Nowak, Glasauer & Hermsdörfer, 2003). Es wurde auch gezeigt, dass die Wahrnehmung der ausgeübten Kraft von taktilen Hinweisen beeinflusst ist, die Informationen über die Kontaktoberfläche übermitteln (Jones & Piateski, 2006). Beim Tastsinn lassen sich altersbedingte Veränderungen in der Peripherie (also der Haut), in der Reizweiterleitung und in der zentralnervösen Verarbeitung feststellen. Mit zunehmendem Alter kommt es zu einem Verlust von Rezeptoren in bestimmten Hautregionen und zu einer Verlangsamung der Blutzirkulation in den Extremitäten. Zusammengenommen können diese Veränderungen zu einer reduzierten Empfindlichkeit gegenüber Berührungen, Vibrationen und Bewegungen, besonders an den Fingerspitzen, aber auch an Armen, Schultern und Wangen, führen (Stuart, Turman, Shaw, Walsh & Nguyen, 2003). Auch wird die Haut mit dem Alter weniger elastisch und bekommt Falten. Ob und wie sich diese Veränderungen auf die Empfindlichkeit der Haut und die Verarbeitung taktiler Reize auswirken, ist aber noch weitgehend ungeklärt. Im Bereich der Reizweiterleitung lässt sich mit zunehmendem Alter ebenfalls eine Abnahme der Zahl und Dichte der Nervenfasern beobachten. Dadurch nimmt unter anderem auch die Leitungsgeschwindigkeit ab, sodass weniger Informationen mit geringerer Genauigkeit verarbeitet werden können. Studien zeigen, dass die Fähigkeit, schnelle Vibrationen auf der Hautoberfläche zu erkennen und zu unterscheiden, stärker vom Alter beeinträchtigt ist als die Unterscheidung langsamer Vibrationen (z. B. Gescheider, 1997). Da Rezeptoren in der Haut je nach Typ auf schnelle oder langsame Vibrationen spezialisiert sind, deuten diese Befunde darauf hin, dass bestimmte Rezeptor-Typen von den Altersveränderungen stärker betroffen sind als andere.
Die Abnahme der taktilen Wahrnehmung kann auch zu Problemen bei feinmotorischen Bewegungen wie z. B. der Bedienung von Touchscreens oder dem Umblättern von Buchseiten führen. So sollte beispielweise im Rahmen der Handynutzung auf ausreichend große und stabile Tasten geachtet werden. Sowohl hinsichtlich des Ausmaßes als auch des Verlaufs betreffen Alterseffekte nicht alle feinmotorischen Leistungen in vergleichbarer Art und Weise. So scheint die Präzision antizipatorischer Fähigkeiten bei der Objektmanipulation, etwa die dynamische Produktion der Griffkraft, im Altersverlauf relativ stabil zu sein (Diermayr, McIsaac & Gordon, 2011). Auch lässt das Ausmaß einer Abnahme der Maximalkraft keine Aussage über die Handgeschicklichkeit zu (Dayanidhi & Valero-Cuevas, 2014). Während bei manchen untersuchten Leistungen Veränderungen bereits in einem Alter von 50 Jahren beobachtet wurden, zeigen andere Leistungen erst bei 20 Jahre älteren Probanden erste Defizite. In allen Untersuchungen ist die hohe Variabilität innerhalb der älteren Probandengruppen offensichtlich. Auch im hohen Alter finden sich Probanden mit einer Leistungsfähigkeit deutlich über der der jüngeren Probanden.
Altersbedingte Veränderungen der Feinmotorik weisen eine große Variabilität auf. Das betrifft sowohl deren Startpunkt als auch deren Verlauf. Vor diesem Hintergrund untersuchte Salthouse (1984) im Berufskontext, wie sich die Leistung beim Schreiben auf einer Schreibmaschine mit zunehmendem Alter verändert. Er wies nach, dass unabhängig vom Alter eine ähnlich hohe Anschlagszahl erzielt wurde. Zwar war die reine Tippgeschwindigkeit mit zunehmendem Alter rückläufig, dafür aber konnten größere Zeichenspannen memoriert werden, sodass die Gesamtzeit unverändert blieb. Dieses Beispiel zeigt zum einen, dass die kontinuierliche Ausführung spezifischer Tätigkeiten zu deren Erhalt beitragen kann (Salthouse, 1991), und zum anderen, dass sich Strategien für die Ausführung einer Aufgabe mit dem Alter verändern können. In diesem Fall spricht man von Kompensationsstrategien, die einen großen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit haben und darüber hinaus eine wichtige Möglichkeit zur gezielten Verbesserung von Tätigkeiten darstellen.
Um die Effekte kontinuierlichen und zielgerichteten Übens besser zu verstehen, bietet es sich an, zu betrachten, was Experten von Novizen unterscheidet. Singer und Janelle (1999) nennen folgende Charakteristika von Expertise: Experten haben ein umfangreicheres aufgabenspezifisches Wissen. Sie können verfügbaren Informationen mehr Bedeutung entnehmen. Informationen, die im Zusammenhang mit der spezifischen Expertise stehen, sind effektiver abgespeichert, was sich insbesondere in einem schnelleren Zugriff auf diese zeigt. Experten können domänenspezifische Informationen besser erkennen. Bei komplexen Entscheidungen können Experten situative Wahrscheinlichkeiten besser verwenden. Außerdem treffen Experten domänenspezifische Entscheidungen schneller und passender. Retrospektiv hat sich bestätigt, dass Experten etwa zehn Jahre oder 10.000 Stunden zielgerichtet geübt haben, um ihr Expertiseniveau zu erreichen (Ericsson & Smith, 1991). Dies wurde auch für die Feinmotorik von Musikern bestätigt, die deutlich höhere domänenspezifische Leistung erbringen als Novizen (Elbert, Pantev, Wienbruch, Rockstroh & Taub, 1995; Jäncke, Schlaug & Steinmetz, 1997; Krampe, Engbert & Kliegl, 2002).
Charakteristika der motorischen Ausführungsleistung sind gut beschrieben für Feinmechaniker und Service-Mitarbeiter anhand von Kraftmodulationsaufgaben. Dabei zeichnet sich eine verbesserte Leistungsfähigkeit in einer höheren Genauigkeit, einer geringeren Variabilität und einer höheren Komplexität der produzierten Kraft im Verhältnis zu einer Zielkraft aus (Vieluf, Mahmoodi, Godde, Reuter & Voelcker-Rehage, 2012; Vieluf, Godde, Reuter & Voelcker-Rehage, 2013, Vieluf et al., 2018). Die höhere Komplexität ist beispielsweise relevant, um eine hohe Anpassungsfähigkeit an die aktuelle Situation zu ermöglichen. Beruflich bedingte häufige Nutzung und damit Stimulation der Finger korreliert mit einer besseren Leistung Älterer bei taktilen Aufgaben (Reuter, Voelcker-Rehage, Vieluf & Godde, 2012). Godde et al. (2018) zeigten, dass die Anzahl an Stunden pro Woche für manuelle Tätigkeiten in Beruf oder Freizeit mit taktiler Diskriminationsleistung (aber nicht Empfindlichkeit) korreliert. Horton, Baker und Schorer (2008) arbeiteten in einem Literaturüberblick heraus, dass domänenspezifische Expertisetätigkeiten im Unterschied zu generellen Maßen in den Bereichen Motorik und Kognition wenig von altersbedingtem Abbau betroffen zu sein scheinen, aber generelle Maße in den Bereichen Motorik und Kognition ebenfalls einem altersbedingten Abbau unterliegen.
So wie die Leistungsfähigkeit zu Beginn des Alterungsprozesses variiert, so unterscheidet sie sich auch im Altersverlauf. In verschiedenen Studien konnte nachgewiesen werden, dass ein gezieltes stetiges Training spezifischer Funktionen neben einer verbesserten Leistung auch zu einem veränderten Verlauf ihres altersbedingten Abbaus führen kann (zur Übersicht: Shumway-Cook & Woollacott, 2001). Nach wie vor ist wenig darüber bekannt, wie die Effekte eines kontinuierlichen Übens über lange Zeit, z. B. im Berufskontext, bzw. von (berufsspezifischer) Expertise, mit dem Alterungsprozess interagieren oder wie sich diese auf das Erlernen neuer Tätigkeiten über die Lebensspanne hinweg auswirken. Erste Studien im Berufskontext zeigen, dass sowohl auf der motorischen (Furuya & Kinoshita, 2008) als auch auf der sensorischen Ebene (Elbert et al., 1995) das erworbene Fachwissen die Ausgangsleistung und das Lernergebnis bei sensomotorischen Aufgaben positiv zu beeinflussen scheinen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ständiger Gebrauch und regelmäßiges Üben einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Handgeschicklichkeit und der sensomotorischen Kontrolle liefern.
Mit zunehmendem Alter verändert sich das Gehirn. Diese Reorganisationsprozesse betreffen das Gehirn auf multiplen Ebenen und haben multiple Ätiologien. Während gut beschrieben ist, dass sich das Gehirn verändert, ist weniger gut beschrieben, wie sich das Gehirn verändert, welche Faktoren dabei welche Rolle spielen oder welche Mechanismen zugrunde liegen. Bekannt ist, dass die Veränderungen auf biologische und genetische Komponenten zurückzuführen sind und durch die im bisherigen Leben gesammelten Erfahrungen beeinflusst werden. Die Veränderungen zeigen sich sowohl in der Struktur des Gehirns als auch in seiner Funktionsweise und stehen mit der Verhaltensleistung in Zusammenhang.
Ebenso wie der Abbau physischer Leistungen ist auch der Beginn des Alterungsprozesses des Gehirns individuell sehr unterschiedlich und in der mittelalten Berufslebensspanne wenig beschrieben. Die meisten der hierzu vorliegenden Studien vergleichen ältere (60 plus) mit jungen Versuchspersonen. Jedoch setzt der altersbedingte Abbau bereits im mittleren Alter ein und vermutlich werden mit den allmählich zunehmenden Auswirkungen die entsprechenden Kompensationsstrategien ausgebildet. Aus Studien, die Probanden höheren Alters mit jungen Erwachsenen vergleichen, lassen sich Auswirkungen des Alterungsprozesses allgemein beschreiben. In seinem Review fasst Peters (2006) die strukturellen Veränderungen wie folgt zusammen: Das Volumen bzw. das Gewicht des Gehirns verringern sich. Dies wird auf eine Abnahme der grauen Substanz infolge des Absterbens von Gehirnzellen zurückgeführt. Zugleich wird eine Verringerung der weißen Substanz infolge des Rückgangs der synaptischen Verbindungen und der Demyelinisierung beobachtet. Diese Veränderungen schreiten nicht gleichförmig voran und unterscheiden sich stark zwischen Hirnregionen. Der präfrontale Kortex sowie der Hippocampus scheinen am stärksten, okzipitale Strukturen hingegen am wenigsten vom altersbedingten Abbau betroffen zu sein.
Veränderungen auf funktioneller Ebene beziehen sich auf die Aktivierung und Verschaltung unterschiedlicher Hirnregionen während der Ausführung von Aufgaben und in Ruhe. Sala-Llonch, Bartrés-Faz und Junqué (2015) fassen in ihrem Übersichtsartikel Studien zusammen, die die altersbedingte Reorganisation von aufgabenspezifischen Netzwerken und Ruhenetzwerken des Gehirns mittel funktioneller Konnektivitätsmethoden untersuchen. Im Vergleich zu jüngeren Kontrollprobanden erweist sich die Konnektivität beider Typen von Netzwerken als reduziert. Mit zunehmendem Alter werden mehr Hirnareale stärker aktiviert, diese sind aber weniger gut in Netzwerken verbunden. Dieser Alterungsprozess ist jedoch nicht deterministisch und kann durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden. Beispielsweise verändert körperliche Aktivität Netzwerkstrukturen und die Ruhenetzwerke von körperlich fitten Personen weisen eine Struktur auf, mit der Informationen besser ausgetauscht werden können (Douw, Nieboer, van Dijk, Stam & Twisk, 2014). Neben diesen generellen Veränderungen auf globaler Netzwerkebene können durch spezifisches und zielgerichtetes Training entsprechend spezifische Unterschiede induziert werden. Für Musiker, die überlegene Leistungen bei taktilen und auditorischen Aufgaben im Vergleich zu Nichtmusikern aufweisen, wurde eine Vergrößerung der jeweiligen kortikalen Areale berichtet (Elbert et al., 1995).
Spezifisch für die sensomotorische Kontrolle der Handgeschicklichkeit konnte gezeigt werden, dass alters- und expertisebedingte Unterschiede häufig entgegengesetzte Effekte zeigen und somit eine zielgerichtete Nutzung den Verlauf über die Lebensspanne auch auf neuronaler Ebene beeinflussen kann. Für die mittlere Lebensspanne zeichnen sich in der Sensorik die großen Unterschiede auf Verhaltensebene weniger stark auf neuronaler Ebene ab (Reuter, Voelcker-Rehage, Vieluf, Winneke & Godde, 2013). Dieses Phänomen legt die Vermutung nahe, dass zunächst altersbedingte Veränderungen in den Rezeptoren der Peripherie stattfinden und die veränderte Reizaufnahme und Weiterleitung dann zu Veränderungen im Gehirn führen. Auf neuronaler Ebene zeigen sich diese Veränderungen in der räumlichen Verteilung der Aktivität (Topographie), die in Bezug zur kognitiven Verarbeitung von sensorischen Stimuli steht. Diese topografische Veränderung scheint auf einen Kompensationsmechanismus hinzudeuten, indem Erwachsene mittleren Alters mehr frontale Strukturen, die ansonsten für kognitive Aufgaben aktiv sind, nutzen (Reuter et al., 2013). Mit einem ähnlichen Versuchsdesign wiesen Reuter, Voelcker-Rehage, Vieluf, Winneke und Godde (2014) nach, dass der altersbedingte Abbau durch eine im Arbeitskontext erworbene Expertise abgemildert werden kann. Insbesondere zeigten die Experten in dieser Studie eine stärkere Aktivierung des sensorischen Systems bei der Aufnahme von Informationen und richteten weniger Aufmerksamkeit auf die Aufgabe. Ähnliche Ergebnisse wurden für eine feinmotorische Aufgabe berichtet. Während einer Kraftkontrollaufgabe unterschieden sich sensomotorische und aufmerksamkeitsspezifische Netzwerke in Abhängigkeit vom Alter und der beruflichen Expertise (Vieluf et al., 2018). Die in dieser Studie berichteten Ergebnisse deuten auf eine geringere Integration von Informationen zwischen verschiedenen Netzwerken mit zunehmendem Alter und eine geringere Aktivierung von aufmerksamkeitsspezifischen Netzwerken hin. Binder et al. (2017) berichteten, dass sich Hirnnetzwerke älterer Erwachsener nach der Durchführung eines Navigationstrainings je nach Trainingsart unterschieden. Die Gruppe, die ein komplexeres multimodales Training absolviert hatte, wies eine effizientere funktionale Netzwerkorganisation auf. Diese Veränderung wurde bereits nach einem Jahr Training beschrieben. Dieses Ergebnis unterstreicht das große Potenzial, durch kontinuierliches und zielgerichtetes Üben die neuronale Plastizität zu nutzen, um die Funktionalität auf Verhaltens- und neuronaler Ebene im Alter aufrechtzuerhalten. Dies legt nahe, dass spezifische Trainings nicht nur zu aufgabenspezifischen Veränderungen führen, sondern auch die altersbedingte Reorganisation des Gehirns in Richtung der Verstärkung einer Struktur, die einen effizienten Informationsaustausch ermöglicht, lenken. So ließen sich gezielte neuroprotektive Trainingsprogramme entwickeln.
Mit zunehmendem Alter gewinnen zentralnervöse Mechanismen der Bewegungssteuerung, insbesondere die kognitive Kontrolle, zunehmend an Bedeutung, um sensomotorische Einbußen zu kompensieren. Allerdings nimmt auch die kognitive Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter ab. Nach Seidler et al. (2009) führen funktionelle Einbußen in motorischen kortikalen Arealen, dem Kleinhirn und den Basalganglien zusammen mit verminderter Ausschüttung von Botenstoffen zu einem erhöhten Bedarf an kognitiven Ressourcen (z. B. für Exekutivfunktionen, Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, visuell-räumliche Verarbeitung) zur Bewegungskontrolle und -steuerung. Gleichzeitig zeigen aber auch der für diese kognitiven Funktionen essenzielle präfrontale Kortex und das vordere Corpus Callosum einen deutlichen altersbedingten Abbau.
Der Zusammenhang zwischen kognitiver Leistung und motorischer Kontrolle wird insbesondere bei sogenannten Doppelaufgaben sichtbar, bei denen gleichzeitig eine motorische und eine kognitive Aufgabe oder aber zwei motorische bzw. kognitive Aufgaben gleichzeitig erfüllt werden müssen. Auch hier gilt einschränkend, dass kaum wissenschaftliche Befunde vorliegen, die arbeitsspezifische Aufgaben verwendeten. Mit zunehmendem Alter werden die Leistungseinbußen bei Doppelaufgaben (»Dual-task Costs«) im Vergleich zur Leistung der einzeln durchgeführten Aufgaben immer größer (Voelcker-Rehage, Stronge & Alberts, 2006; Voelcker-Rehage & Alberts, 2007). Es wird vermutet, dass der erhöhte Bedarf an kognitiven Ressourcen für die motorische Kontrolle (bzw. die Primäraufgabe) diese Ressourcen entweder konkurrierenden kognitiven Aufgaben entzieht und damit zu kognitiven Einbußen führt oder aber bei Konzentration auf die kognitive Beanspruchung die motorische Leistung beeinträchtigt wird. Es ist zu vermuten, dass im Arbeitskontext die Richtung der Priorisierung davon abhängt, ob der Fokus eher auf der genauen Ausführung z. B. feinmotorischer Tätigkeiten liegt oder beispielsweise auf der Verarbeitung von zusätzlichen Informationen, die in die Tätigkeit integriert werden müssen und das Arbeitsgedächtnis beanspruchen. Die Kosten der Doppelaufgaben sind dann besonders hoch, wenn überlappende Areale im Gehirn beteiligt sind. Aus entsprechenden Studien lässt sich ableiten, welche kognitiven Prozesse und zugrunde liegenden neuronalen Mechanismen an den untersuchten motorischen Aufgaben beteiligt sind. So zeigten Heuninckx, Wenderoth, Debaere, Peeters & Swinnen (2005) sowie Heuninckx, Wenderoth & Swinnen (2008), dass bei Aufgaben zur Koordination von Händen, Armen oder Beinen neben den (senso)motorischen Kortexarealen auch der präfrontale Kortex aktiv ist. Zusammengenommen zeigen diese Studien eine Verschiebung von automatisierten zu eher kognitiv kontrollierten Bewegungen mit zunehmendem Alter.
Interessanterweise können Interventionen zur Stärkung der motorischen Leistung den Bedarf an kognitiven Ressourcen wieder verringern und damit diese Ressourcen für gleichzeitig auszuführende kognitive Aufgaben freisetzen (Godde & Voelcker-Rehage, 2017). Aber auch bei Doppelaufgaben, die die feinmotorische Kontrolle der Finger oder Hand mit kognitiven Aufgaben verbinden, lassen sich die Kosten und somit die Bedeutung kognitiver Ressourcen belegen. Guillery, Mouraux, Thonnard und Legrain (2017) untersuchten junge (18–30-jährige), mittelalte (30–60-jährige) und ältere (60–75-jährige) Probanden bei einer Doppelaufgabe, in der kleine Gewichte präzise angehoben und bewegt werden mussten. Die kognitive Aufgabe war eine Arbeitsgedächtnisaufgabe mit unterschiedlichen Schwierigkeitsniveaus. Schon bei geringer kognitiver Schwierigkeit war die Ausübung der motorischen Aufgabe signifikant beeinträchtigt. Diese Einbußen sind in der Regel bei älteren Probanden höher als bei jüngeren (Fraser et al., 2010). Motorische Leistungseinbußen bei Doppelaufgaben findet man jedoch insbesondere bei zunehmender kognitiver Beanspruchung (Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis), während bei einfachen kognitiven Aufgaben nur geringe Alterseffekte auf die motorische Leistung feststellbar sind (Voelcker-Rehage, Stronge & Alberts, 2006). Pereira, Schlinder-Delap, Nielson und Hunter (2018) zeigten außerdem, dass ältere Probanden mit nachlassenden Leistungen bei Exekutivfunktionen weniger konstant geringe Kräfte mit ihrem Unterarm ausüben konnten als jüngere Probanden. Die Autoren schlossen aus ihren Ergebnissen, dass mit zunehmendem Alter die Leistung bei motorischen Aktivitäten insbesondere dann beeinträchtigt ist, wenn sie ein hohes Maß an kognitiver Kontrolle erfordert (Aufmerksamkeit, visuell-räumliches Denken) und gleichzeitig kognitiv herausfordernde Tätigkeiten ausgeübt werden müssen.
Die Objektmanipulation erfordert zumeist den zielgerichteten und geschickten Einsatz unserer Hände. Dies erfordert ein präzise abgestimmtes Kontrollsystem, das die Handgeschicklichkeit bedingt. Infolge altersbedingter neurophysiologischer Veränderungen nimmt die Handgeschicklichkeit mit zunehmendem Alter ab. Jedoch konnte gezeigt werden, dass Menschen, die ihre Hände kontinuierlich nutzen, durch zielgerichtetes Training ihre Leistungsfähigkeit aufrechterhalten können. Basierend auf einem besseren Verständnis der dieser Expertise zugrundeliegenden Mechanismen können effektive Trainingsprogramme entwickelt werden. Trainingsprogramme bieten zugleich das Potenzial der Schulung älterer Mitarbeiter für Aufgaben im Berufskontext, die den präzisen Einsatz der Hände erfordern. Dies ist vielversprechend, da die Genauigkeit bei der Ausführung von feinmotorischen Tätigkeiten kaum vom Alter betroffen zu sein scheint. Die altersbedingte Veränderung der Handgeschicklichkeit scheint stark mit Veränderungen in der kognitiven Leistung verbunden zu sein. Diese bedingt zum einen, dass durch altersbedingte Einschränkungen der Kognition auch die Ausführung von feinmotorischen Tätigkeiten betroffen ist. Andererseits wirkt sich ein Training in beiden Modalitäten positiv auf die jeweils andere aus. Folglich hat das Trainieren der Handgeschicklichkeit auch das Potenzial, zu einer langfristigen Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit beizutragen, indem entsprechende Ressourcen freigesetzt werden.
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