Ciao Calotta

  1. Einleitung
  2. Calotta
  3. Die Tänzerin
  4. Tag 1: Reise nach Prog
  5. Tag 2: Das Schultz'sche Land
  6. Tag 3: Autogenes Training - Die ersten Trainingssätze
  7. Tag 4: Autogenes Training - Trainingssatz Drei und Vier
  8. Tag 5: Autogenes Training - Der fünfte Tainingssatz
  9. Tag 6: Autogenes Training - Trainingssatz Sechs und Sieben
  10. Tag 7: Fantasiereisen
  11. Tag 8: Mit dem Kanu nach Ment
  12. Tag 9: Eine Gute-Nacht-Geschichte
  13. Tag 10: Badetag
  14. Tag 11: Reise zum Kloster Hatha
  15. Tag 12: Yogaübungen
  16. Tag 13: Atmung
  17. Tag 14: Wandertag
  18. Tag 15: Der Mönch
  19. Tag 16: Die 5 Tibeter
  20. Tag 17: Der Eremit
  21. Tag 17: Die Burg Qigong
  22. Tag 18: Übungen des Qigong
  23. Tag 19: Weitere Qigong-Übungen
  24. Tag 20: Abschlusstag auf der Burg Qigong
  25. Tag 21: Rückreise
  26. Tag 22: Home, Sweet Home
  27. Über Sabine Scherer
  28. Literaturhinweise

Ciao Calotta

Sabine Scherer

epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

© 2015 Sabine Scherer

Einleitung

Schließe für einen Augenblick die Augen und stelle dir vor:

Wir sind in Venedig.

In Venedig, der Perle der Adria.

Kommt man mit dem Auto oder dem Flieger in Venedig an, so steigt man an der Haltestelle Piazzale Roma in eines der Vaporettos. Der Fernbahnhof Santa Lucia liegt eine Haltestelle weiter. Entweder wählt man die Strecke am Canale Grande entlang oder die kürzere Strecke über Tronchetto, Giudecca zu San Zaccaria.

Mit Vaporetto werden die in Venedig als öffentliches Verkehrsmittel genutzten Schiffe bezeichnet. Die besonderen Verhältnisse der Lagunenstadt bringen es mit sich, dass man zur Fortbewegung im Wasser Boote entwickelte.

Früher bevorzugte man Gondeln, die reichlich verziert waren. Das Ferro, der Schmuck einer Gondel am Bug, symbolisiert am Oberteil die Dogenkappe. Die sechs vorderen Spornedie symbolisieren die sechs Stadtteile Venedigs: Cannaregio, Castello, Dorsoduro, San Marco, San Polo und Santa Croce. Der siebte nach hinten weisende Sponedie symbolisiert die Insel Giudecca. Noch heute sieht man die Gondeln auf den Kanälen mit trällernden Gondolieren dahingleiten. Liebespaare schätzen die romantische Fahrt mit einer Gondel bei Mondschein.

Man sollte den Weg über den Canale Grande wählen. Er ist das bezauberndste Spektakel der Welt. Die prachtvollen und von Geheimnissen umwitterten Paläste reihen sich aneinander und werden zärtlich vom Wasser an ihren Holzpfählen umspielt. Die Boote sehen aus, als wären sie als Dekoration darauf arrangiert worden.

Vorbei an dem Palazzi Vendarim, in dem Richard Wagner die letzten Monate seines Lebens verbrachte, der Kirche San Stae und dem Goldenen Haus, genannt Ca’doro, dem Fischmarkt und seinen vielen Weinbars.

Die Fahrt geht weiter zur Rialtobrücke. Hier schlägt das Herz Venedigs. Früher war sie aus Holz, heute ist sie aus Stein. Ein Souvenirladen reiht sich neben dem anderen. In der Nähe liegt ein nettes Hotel, das Malibran. Es hat einfache und saubere Zimmer. Im Erdgeschoss gibt es ein kleines Restaurant mit typisch venezianischer Küche. Gegenüber dem Hotel ist das Theater Malibran. Benannt nach der Opernsängerin Maria Malibran. Früher stand hier das Haus von Marco Polo. Zwei Gedenktafeln weisen darauf hin.

Nicht weit entfernt findet man bei der hölzernen Accademiabrücke den Palazzo Grassi, ehemals das berühmte Badehaus Degli Antoni, heute von der Fiatstiftung erworben und restauriert. Der Palazzo Vernier-Leonie alias Peggy Guggenheim Museum und das Casa Rezzonico schließen sich dort an. Der kleine, weiße Palazzo Contarini-Fasan gehörte der schönen Desdemona, der Frau von Othello.

Die wunderschöne Salute Kirche steht auf der einen Seite des Ufers, auf der anderen Uferseite finden wir die legendäre Harry’s Bar.

Der Campanile auf der Piazza San Marco mit dem Uhrturm, der Basilika San Marco und dem Dogenpalast scheinen eigens dazu erschaffen, eine Theaterbühne zu sein, die ständig irgendeine Vorstellung darbieten könnte.

Die Seufzerbrücke und der Kerker grenzen an die Piazza. Hier sind die berühmten Bleikammern aus denen der legendäre Giacomo Casanova ausbrach.

Ein Stückchen weiter sieht man das mondäne Hotel Danieli und die Anlegestelle für die Schiffe, die einem zum Lido, nach Sankt Michele, Murano, Burano, Chioggia und Punta Sabbioni bringen.

Geht man über eine weitere Brücke, sieht man das Arsenale. Biegt man in die Via Garibaldi ein, so kommt man zum Giardini Pubblici und hat von dort einen traumhaften Ausblick auf die Lagune.

Venedig ist wunderbar und fasziniert mit seinen engen Gässchen, den vielen belebten Campos und den sich schlängelnden Kanälen.

In Venedig gibt es wunderschöne Cafés. Ein bezauberndes Café liegt gegenüber der Frarikirche. Kurz über eine kleine Brücke und schon steht man davor. Im Inneren sind wunderschöne Gemälde und die heiße Schokolade ist ein Gedicht.

Einer meiner Lieblingsspaziergänge führt mich zum Campo San Polo. Dort befindet sich gegenüber der Kirche ein kleines Lokal mit guter Küche und vernünftigen Preisen. Ab und zu kommt ein Musiker mit einer Quetschkommode vorbei und singt herrlich schmalzige Lieder.

Von dort aus geht es weiter zum Campo Santa Margherita in Richtung Gesuati-Kirche. Dort wird einem ein herrlicher Ausblick auf die Insel Giudecca geboten.

Natürlich gibt es noch vieles mehr zu entdecken, wie das Theatro la Fenice, den Schneckenturm, das Fondamente nuove, die Einkaufsstraße Strada Nuova, San Zulian, …

In Venedig findet man, wie in jeder grösseren, italienischen Stadt, kleine, feine Geschäfte, zum Einkaufen.

Jetzt habt ihr einen kleinen Eindruck von Venedig gewinnen können. Aber wer bin ich?

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Calotta

Mein Name ist Calotta. Ich wohne mit meinem Vater in einem Palazzo nahe der Frarikirche. Mein Vater ist mit seinen fast 70 Jahren ein beliebter Dottore.

Ab und zu begleitete ich ihn. Oft sind Patienten dabei, bei deren Anblick ich erschrecke. Haben sie doch gar nichts mehr mit der Person gemein, die ich von früher kenne. Das Gesicht ist grau und von vielen Falten durchzogen, der Körper abgemagert. Sie wirken kraftlos und desinteressiert. Ich schaue in unruhige Augen und bemerke den gehetzten Blick.

Mein Vater hat festgestellt, dass oft Über- oder Unterforderung, also Stress für unseren Körper, immer mehr zunimmt und sich daraus schwere Krankheiten entwickeln können. Seine jüngste Patientin ist gerade 14 Jahre. Er hat von Kollegen in fernen Ländern gehört, die Möglichkeiten gefunden haben, Stress zu mindern und ihn auch beseitigen können.

Ich gehe zur Biblioteca Marciana am Markusplatz. Vielleicht finde ich dort Aufzeichnungen oder ein Buch über Stress. Nach kurzer Zeit habe ich ein passendes Buch gefunden und leihe es mir aus. Mit dem Buch unterm Arm trete ich den Heimweg an. Mein Weg führt mich zum Campo San Bartolomeo, er liegt in der Nähe der Rialtobrücke. Ich setze mich in ein kleines Café mit bequemen Rattansesseln, trinke einen Espresso, genieße die Sonne und blättere in dem Buch.

Das Wort Stress kommt aus dem englischen und bedeutet: ein Material belasten, bis es bricht. Beim Menschen lässt sich die Belastungsfähigkeit nicht so einfach feststellen.

Hans Seyl hat den Begriff Stress auf den Menschen übertragen. Er definiert Stress als Spannung, die durch einen Reiz hervorgerufen wird. Zum Beispiel: eine Hochzeit, ein Sportereignis, ein langersehntes Date oder eine schwierige Aufgabe. Stress kann also auch positiv sein. Ganz ohne Spannung wäre das Leben langweilig. Es gäbe weder Herausforderungen noch Erfolgserlebnisse. Es wäre wie das Salz in der Suppe. Zuwenig ist fade und zuviel schmeckt uns nicht.

Heute meinen wir bei dem Wort Stress meistens den negativen Stress (Distress). Distress setzt den Organismus eines Menschen in einen physischen Alarmzustand. Der Herzschlag steigt an, das Herz wird besser durchblutet, auch der Blutdruck steigt. Die Bronchien sind erweitert, die Atmung wird schneller, mit der Folge von erhöhter Sauerstoffaufnahme. Die Skelettmuskulatur ist besser durchblutet, die Spannung in den Muskeln erhöht. Die Zuckerreserven werden zum Verbrauch durch das Blut für das Gehirn bereitgestellt, Fettsäuren werden freigesetzt und zur Verbrennung in den Muskeln in das Blut abgegeben. Es kommt zu vermehrtem Schwitzen. Die Wahrnehmungsfähigkeit aller Sinne erhöht sich. Die Pupillen sind erweitert. Die Blutgefäße des Gehirns werden genauso wie die Gefäße des Herzens erweitert. Unser Hirn erzeugt Betawellen (30 Schwingungen, normal sind 14 bis 20 Schwingungen).

Insgesamt bereitet die Stressreaktion den Körpers innerhalb kürzester Zeit darauf vor, einer drohenden Gefahr durch Angriff oder Flucht zu begegnen. Die Reaktion des Körpers auf eine Gefahrensituation werden durch den Sympathikus-Anteil des vegetativen Nervensystems ausgelöst.

Das vegetative Nervensystem regelt die zum Leben notwendigen Tätigkeiten der inneren Organe wie Herz, Magen, Darm, Drüsen, Bronchien usw. unter Ausschluss des Bewusstseins und des Willens. Wir atmen ohne zu denken und unser Herz schlägt auch wenn wir schlafen. Seine Hauptaufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass unser Körper immer wieder in einen Zustand der normalen Lebensvorgänge zurückkehrt.

Ein andauerndes Ungleichgewicht von Sympathikus und Parasympathikus zugunsten des Sympathikus schädigt langfristig den Körper: andauernder Stress wirkt sich besonders oft auf das Herz-Gefäß-System aus. Typische Folgen sind Bluthochdruck, Arterienverkalkung und Herzbeschwerden, die schlimmstenfalls mit dem Infarkt enden. Oftmals steigen die Blutfett- und Blutgerinnungswerte, mit der Gefahr von Thrombose und Embolie.

Dieses Risiko erhöht sich noch dadurch, dass gestresste Menschen dazu neigen, häufiger zu rauchen, mehr Alkohol zu trinken, sich ungesünder zu ernähren und sich weniger zu bewegen. Auch an den Verdauungsorganen treten häufig Stresskrankheiten auf. Stress kann über das vegetative Nervensystem zu Übelkeit, Durchfall oder Verstopfung führen. Die langfristigen Folgen können Magenschleimhautentzündungen, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre oder Dickdarmentzündungen sein. Auch bei der Entstehung von Krebs kann Stress eine wesentliche Rolle spielen.

Wegen der andauernden Anspannung der Bewegungs- und Gefäßmuskulatur entstehen rheumaartige Muskelschmerzen, vor allem an Nacken, Schultern und Rücken. Zudem können unkontrollierte Muskelzuckungen auftreten. Bei Menschen, die unter der Parkinsonschen Krankheit leiden, verstärkt sich der Tremor. Im Gehirn verursacht die Gefäßverkrampfung Migräneanfälle oder häufig wiederkehrende Spannungskopfschmerzen. Zudem wird wahrscheinlich die Kommunikation zwischen den Nervenzellen gestört.

Im Volksmund heißt es, die Haut sei der Spiegel der Seele. Unter anhaltendem, häufig wiederkehrenden Stress können akneartige Entzündungen, Rötungen, Schuppenflechte oder allergische Hautreaktionen auftreten. Auch bei anderen Allergien, wie Heuschnupfen, kann Stress eine Rolle spielen, wenn das Immunsystem überlastet ist. Auch die Atmungsorgane sind von Stress betroffen. Unter Stress stehende Menschen haben oft das Gefühl, nicht genügend Luft zu bekommen. Bei dauerhaftem Stress kann sich Asthma entwickeln oder verstärken.

Egal ob Frau oder Mann: Stress lähmt die sexuelle Lust und kann langfristig zu Funktionsstörungen in den Genitalorganen führen. Beispiele sind Menstruationsbeschwerden oder Impotenz.

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Das ist schon beeindruckend was Stress mit uns machen kann und wie er auf uns wirkt. Ich fühle, es muss sehr schnell etwas passieren, damit ich dem Stress entgegenwirken kann.

Ich schlendere langsam in Gedanken versunken nach Hause.