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FÜR TARJA UND LIA BAUER

IN EWIGER LIEBE

1. Auflage

Alle Rechte vorbehalten

© Ulrich Bauer 2015

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-738673-66-1

Texte: Ulrich Bauer
Fotographien: Ulrich Bauer
Fotographien des Autors: Lichtbildhauerei® Fotografie, Frank Hag
  www.lichtbildhauerei.de;
  Sabine Bauer (S. →/→, →/→)
Gestaltung und Satz: Ulrich Bauer

Kontakt: uli.bauer@entrance-design.de

Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt

ENTGEGEV DEMLICHT,

ERHABEN IMMER UND IMMER WIEDER

DEM DUNKEL ENTGEGEN,

WÄHREND EURE WELT IN SCHUTT UND ASCHE LIEGT...

NICHTS IST SO SCHÖN WIE DAS GEFÜHL, KREATIV SEIN ZU DÜRFEN.

NICHTS IST SCHMERZHAFTER, ALS KEINE GEFÜHLE ZU HABEN.

NICHTS IST ERFÜLLENDER, ALS DEN MENSCHEN BEIDES ZU ENTLOCKEN ...

Dieses Buch möchte ich dem Menschen widmen,

Dem unvollkommenen Wesen,

Dem Schatten, dem törichten, der sich selbst versteckt

Dem Licht, das die Schatten erschafft und besiegt

Für eine bessere, ehrlichere und aufrichtigere Welt

In der ich leben möchte ...

DAEMONUM MUNDI

INHALT

PROLOG

Liebe Leserin, lieber Leser,

schon zu lange schreibe ich Worte auf Papier, schon zu lange schweige ich dennoch – rastlos leer –wohlwissend, dass die Welt um mich herum es verdient hätte, ihr all diese Geschichten, all diese Gedanken näherzubringen, zu erzählen, vielleicht auch zu erklären. Der schweigende Mensch versteckt seine Gedanken stets im Innersten, wie auch anders, wir machen das doch alle? Der schweigende Mensch - trotz alledem - blickt stets einsam auf sich selbst.

Dieser Weg ist mir verwehrt, ich bin kein schweigender Mensch, zumindest. Aber auch kein sprechender. Ich bin nicht in der Lage zu sprechen - auch wenn das vielleicht nicht der Wahrheit entspricht - aber das Sprechen lässt wenig Spielraum zur Interpretation.

Die Atmosphäre des gesprochenen Wortes ist vorgegeben und es vermag eines großen Talentes, im richtigen Moment die richtige Aussprache zu treffen, den richtigen Satz, das richtige Wort, um seine Gefühle mitzuteilen. Darin bin ich nicht gut. Stärker bin ich schon in den geschriebenen Worten. Ich überlasse es gerne dem Leser, seine eigenen Interpretationen in den Text zu legen. Ich bin also ein schreibender Mensch. Zumindest.

„Die Welt, in der ich lebe…“ sind geschriebene Gedanken, wie ich die Welt sehe, in der ich lebe. Vieles ist allgemeingültig meinem Wesen zuzuschreiben, vieles aber auch dem Detail eines Eindruckes entsprungen. Das Ganze - so hoffe ich - wird ein Zeugnis des Nachdenkens, in welcher Welt wir leben, nein, ich welcher Welt ICH lebe. Ich möchte Gedankenanstöße liefern, was hier nicht so ganz stimmt und ich will eigentlich auch, dass wir uns ändern. Alle. Die Welt hat etwas anderes verdient.

Alles, was in diesem Buch geschrieben stehen wird ist sicher nicht nur einmal diskutiert worden, ich erfinde die Welt ja auch nicht neu. Vielleicht ist aber auch das „wie“ ich es schreibe neu. Ich habe der Welt etwas mitzuteilen, seit ich denken kann. Was genau das ist, weiß ich leider bis heute noch nicht. Ich hoffe inständig, dass ich es weiß, wenn dieses Buch fertig ist. Das Vorwort kommt zuerst, man muss sich zunächst ja einmal erklären, warum man überhaupt ein Buch schreiben will und – das ist schon viel schwieriger – es dann auch tut.

Dennoch: Die heute Welt ist voller geschriebenem, gesprochenem und gelebtem Stumpfsinn. So gesehen kann ich mich im schlimmsten Fall in die Reihe derer einreihen, die es gewagt haben zu sprechen und zu schreiben. Die Intention freilich soll allerdings eine andere sein: Nachdenken.

Bücher sind in dieser Hinsicht genial. Denn das was man zu sagen hat, steht auf Papier im Schrank, es überdauert die Zeit und man kann es nicht vergessen. Es steht geschrieben. Zementiert in Materie. Deswegen liebe ich das Schreiben. Es ist zeitlos. Und es braucht kein Betriebssystem. Selbst wenn man es zerstört hinterlässt es Asche und Staub. Die moderne Welt hinterlässt nichts, vor allem aber eines nicht: Atmosphäre - die beim Schreiben und die beim Lesen.

Viele Menschen haben bereits viele Bücher geschrieben und nicht wenige sind damit nicht verstanden worden. Zuviel selbsternannte Kritiker der laienhaften Literatur haben den Autoren ihre Illusionen geraubt. Es waren intolerante Kritiker, die entweder selbst nie ein Buch geschrieben haben oder eines geschrieben haben, das alle auch schlecht fanden. Richtige Kritik kann es in der Literatur eigentlich - wenn man sich die unantastbaren Werke der Literaturgeschichte so ansieht - nicht geben. Was hat denn Goethe schon besser gemacht als der Nachbar von nebenan? Nichts, er hat gelebt, für etwas, für jemanden, für eine Sache, ein Hobby oder eine Weltanschauung. Wir kennen alle Goethe nicht persönlich. Er uns auch nicht. Vielleicht hätte ihm unser Zeug sogar gefallen? Die Gesellschaft findet Gefallen an den Werken Goethes, meist weil der Autor bereits unter der Erde liegt. Seltsame Sache. Man muss im Allgemeinen erst sterben, um Anerkennung zu bekommen. Dabei will es doch jeder im Leben spüren, dieses Gefühl des „wichtig seins“, „wichtig werden“ ist doch keine Option für einen kreativen Menschen. Ziel wird hier wohl sein, beides zu erreichen – oder auch nichts – was zählt das schon.

„Die Welt, in der ich lebe…“ ist einmal mehr ein emotionaler Aufschrei und dient dazu als solcher gesehen, gelesen und gefühlt zu werden. Mein Erbe, mein Nachlass für den Menschen des 21ten Jahrhunderts. Es wird Zeit, die Gedanken zu konservieren und sie eben jeder Welt auch mitzuteilen. Ich erwarte keine Lorbeeren und ich kann eigentlich auch keine Kritik ausstehen, trotzdem sei eines an dieser Stelle ganz deutlich gesagt: Das ist ein Buch, das ich geschrieben habe, es ist meine Welt, es sind meine Gedanken, es sind meine Widersprüche, in die ich mich verzetteln werde. Niemand muss meiner Meinung sein, niemand muss es mögen. Es ist meins. Ich bin kein Fontane, kein Goethe, nur Mensch. Anders. Aber Mensch.

Anders als in meinem letzten Buch „Seelenblut“ gilt dies hier nicht ausschließlich als Reflexion meines Selbst, sondern als Reflexion der Welt, in der ich lebe. Hier gibt es wohl weit weniger Geheimnisse auszuplaudern. Das ist gut so, wie ich finde. Geheimnisse sind für besondere Menschen bestimmt – dieses Buch hier ist für die Welt bestimmt. Trotzdem ist es – das möchte ich betonen – nicht minder emotionaler, nicht minder wichtig und nicht minder kontrovers. Ich selbst habe mir den Befehl erteilt, es zu schreiben, obwohl ich eigentlich schon alles gesagt hatte. Trotzdem ist es ein wenig mehr als das P.S. unter dem Brief und auch ein wenig mehr als ein paar geschriebene Seiten.

Ich habe und hatte nie vor, mich in die Reihe der großen Literaten einzureihen, ich hoffe auch inständig, dass das nie passiert. Der Begriff „Literatur“ ist in der heutigen Welt ein nicht ganz ernstzunehmendes Wort unseres Sprachschatzes und ich als bekennender Lesemuffel erinnere mich bei diesem Begriff eigentlich nur noch an die endlosen, sinnenleerten Deutschstunden in der Schule, in der man dazu angehalten war, einem schaukelnden Mädchen sexuelles Verlangen anzudichten. Nein, Literatur existiert als Wort für mich nicht, gleichwohl die Tätigkeit zu schreiben. Literatur wird immer und überall analysiert, kritisiert, gelobt, verachtet. Das Schreiben allerdings ist etwas anderes.

Schreiben befreit die Seele, man schreibt immer für sich selbst. Natürlich will man, dass es jemand liest, natürlich will man eine Kritik an dem hören, was man zu Papier gebracht hat. Eigentlich will man auch immer hören wie toll und geistreich das doch ist, was man zu sagen hat. Das Ego braucht Bestätigung. Offensichtlich kann man auch nur schreiben, wenn man diesen Willen hat, und man schreibt immer mehr wenn man positive Resonanzen zu hören bekommt. Das ist menschlich.

Ich bin also durchaus in der Erwartung, dass ihr alle meine Worte auf die Goldwaage legt, ich bin in der Erwartung, dass ihr mich kritisiert. Trotz alle dem könnt ihr das nicht, denn ich schreibe dieses Buch für mich, ich schreibe dieses Buch für die Schätze in meinem Leben. Es muss nicht gut sein. Es ist leicht zu beschreiben. Man kann seinen Kindern ein Baumhaus im Hagebaumarkt kaufen, ein perfektes, das man nur in der richtigen Reihenfolge zusammenschrauben muss (was ja auch schon nicht jeder kann). Man kann seinen Kindern aber auch einfach ein Baumhaus selbst bauen, es spielt keine Rolle wie es aussieht. Die Kinder werden es lieben. Sie werden stolz darauf sein, dass es nicht aus dem Baummarkt ist, irgendwann werden sie das, sie werden es zu schätzen wissen. Wir alle erinnern uns an die Dinge, die unsere Eltern für uns getan haben. Die wichtigsten dabei waren die, die nicht perfekt waren. Die menschlichen Fehler, das menschliche unvollkommene Tun und Handeln schafft erst die Charaktere, die Bedeutung erlangen, für wen auch immer.

„Seelenblut“ haben nur 19 Menschen überhaupt bekommen und mindestens drei von Ihnen haben es noch gar nicht gelesen. Weil sie nich nicht lesen können oder es nicht lesen wollten. Die anderen 16, mich zwangsläufig eingeschlossen haben es wohl getan. Jeder von diesen Menschen hat sich seinen Reim über mich machen können. So richtig sagen können, wo mir der Schuh drückt konnte eher niemand. Es war dennoch wichtig, es ihnen zu geben. Die Tatsache, dass ich davon ausgehe, dass sie es gelesen haben reicht ja auch schon aus.

Ich war anfangs ein wenig enttäuscht wie wenig Antworten ich bekam, wie wenig an dem, was ich geschrieben habe irgendwelche Fragen aufgeworfen haben könnte. Ich wollte eine Diskussion anregen, ich wollte mein Buch im Deutschunterricht behandeln, so wie die Werke die ich bis zum Erbrechen analysieren durfte während meiner Schullaufbahn. Statt dessen kam außer viel Lob (das war ehrlich so) eigentlich - nichts.

Jetzt kann man an dieser Stelle natürlich sehr sehr viel hineininterpretieren. Es könnte niemandem gefallen haben, es könnte schlecht sein und keiner wollte es mir sagen. Es könnte sinnlos und überflüssig, weltfremd sein. Es könnte gut sein. Ich habe lange genug darüber nachdenken können und die Tatsache, dass ich dieses Buch schreibe bildet meine Antwort, die ich mir selbst gegeben habe: Ich habe den Vorgänger dieses Buches geschrieben, um etwas über mich zu schreiben. Ich schreibe auch dieses Buch, um etwas über mich zu schreiben. Es geht hier nicht um das, was ich erwarte, es geht um das, was ich zu sagen habe. Diese kleine Gruppe an Menschen hat gelesen, was ich erzählen wollte. Damit ist der Sache Rechnung getragen.

Das erste Kapitel habe ich aus „Seelenblut“ - wenn auch leicht verändert übernommen, nicht etwa, um dieses Buch dicker zu machen, sondern vielmehr weil der Inhalt ein Teil dieses Buches werden musste. „Von der Sinnhaftigkeit, Mensch zu sein“ erzählt die Geschichte vor der Geschichte oder die Grundlagen meines Denkens. Ich hielt es für wichtig genug, es der Welt zu erzählen, wenngleich auch viele dieser Worte schon eine längere Zeit auf dem Papier standen.

Ich danke bereits allen an dieser Stelle, die dieses Buch in Händen halten und ich hoffe, dass der Rest der Seiten sinnvoll gefüllt sein wird. Dieses Buch wird, wie sein Vorgänger auch – nicht perfekt. Es gibt kein perfektes Buch. Aber es gibt die perfekte Absicht, es zu schreiben.

KAPITEL EINS // VON DER SINNHAFTIGKEIT, MENSCH ZU SEIN

I // GENESIS

Womit fängt alles an, was ist die Grundlage des Lebens und wer entscheidet über selbiges, wer ist verantwortlich für all das, was passiert? Die wohl einfachsten Fragen entwickeln sich bei genauerer Überlegung zu einer schier endlosen Komplexität. Schon viele vor mir haben sich den Kopf über diese Fragen zerbrochen: Philosophen, Biologen, Staatsmänner, natürlich die Führer der Weltreligionen und nicht zuletzt der gemeine Kleinbürger wie ich zuhause in den vier Wänden. Niemand hat es geschafft, die Lösung zu finden.

Der Mensch kann sich und seine Existenz nicht erklären. Er weiß nicht woher er kommt, wohin er geht, warum er überhaupt lebt. Ich habe mich einmal mit einem Bekannten über dieses Thema unterhalten und dabei eine interessante Theorie kennen gelernt. Der Mensch befindet sich in einem eigenen Kontinuum, einer Ebene des Daseins. In selbiger kann er sich nicht von außen betrachten, er lebt also nach seinen Vorstellungen und vor allem nach seinen Instinkten, genauso wie die Lebewesen, die augenscheinlich unter uns stehen wie die Fliege oder der Hund.

Wir können das Leben der Fliege definieren, wir erkennen den Sinn einer Fliege: Geboren werden, essen, vermehren, sterben. Das Ganze nach 30 Tagen. Wenn es unter den Fliegen Philosophen gäbe, würden die sicher scheitern, sich selbst zu erklären. Wir wissen, dass Fliegen dazu dienen, Vögel und Fische und Kröten und allerlei Getier zu ernähren. Wir selbst glauben dabei, das Ende der Nahrungskette zu sein, wir sind die Götter, die die Natur beherrschen können.

Tatsächlich scheint der Mensch neben seiner Endlichkeit durchaus Eigenschaften zu haben, die in der Evolution einzigartig sind. Aber ist das auch so? Vor einigen Tagen habe ich etwas sehr seltsames beobachtet, als mich wieder ein Dutzend Fliegen an den Rand der Verzweiflung gebracht haben und ich mich mit meinem menschlichen Jähzorn und der mit gegebenen Macht über einen Teil der Elemente daran machte, eine Fliege im Rest meines Kaffees zu versenken und über deren Tod zu erfreuen (Ja, das habe ich wirklich, die hat echt genervt). Ein paar Minuten später kroch eben selbige Fliege aus meinen Kaffeetopf, setzte sich auf den Rand der Tasse und wurde dann von nerviger Fliege Nummer zwei, die noch nicht versenkt wurde komplett geputzt, damit sie wieder fliegen kann. Ein echtes Sozialverhalten also, und das bei Fliegen. War mir völlig neu.

Zurück zum Thema. Es macht für mich Sinn, dass wir uns einfach nicht erklären können, weil wir keinen Blick über den Tellerrand machen können. Gott, wenn es ihn gäbe, könnte das. Würde ich sogar unterschreiben. Es gibt nur ein einziges Problem in dieser Geschichte: Wer blickt auf Gott, wer hat Gott geschaffen und wer hat den erschaffen, der Gott geschaffen hat? Ein sinnloses Unterfangen. Es muss also am Ende etwas stehen, was keinen Anfang und kein Ende besitzt, das - wie wir es so schön nennen - Chaos. Das Nichts. Aus Nichts muss etwas entstehen können, das etwas schaffen kann, das Gott geschaffen hat, damit uns Gott erschaffen haben kann. Ziemlich wirre Geschichte, aber diese ganze Geschichte mit dem Allmächtigen, seinem Sohn, dem Heiligen Geist - wer kann das glauben, wer kann das als die Lösung der Frage akzeptieren?

Naja, ich habe so einige getroffen, die das können. Die Frage, die sich mir aber dabei seit Anbeginn stellt: Haben diese Menschen über das was sie da glauben, nachgedacht? Oder ist es vielmehr die Sehnsucht nach Antworten, die ich selbst ja auch verspüre. Es ist der einfache Weg, sich das anzueignen was fertig ist, das fertige Buch zu kaufen. Es ist doch nur eine Geschichte. Es gibt derer auf der Welt viele, warum soll ausgerechnet das Christentum Recht haben? Das ist schon alles sehr egoistisch zu werten. Hat nicht das Christentum vor allem mit Gewalt, Mord, Intrigen und der Angst der Menschen seine Macht ausgebaut und gefestigt? Wo sind in dieser Geschichte die Nächstenliebe und die Barmherzigkeit des Christengottes?

Ich erinnere mich an das Taufgespräch von Lia. Unsere Pfarrerin hat sich aus diesem Anlass bei uns abends eingeladen. Im Gegensatz zu meiner Frau habe ich mich richtig auf diesen Termin gefreut, auf die Diskussion mit der Vertreterin einer Institution, die ich doch ablehne wie wenig anderes auf dieser Welt. Schon im Vorfeld gab es bereits bei Tarja Diskussionen, ob wir unsere Kinder taufen lassen. Ich war stets dagegen. Ich wollte den Zwängen dieser Gesellschaft Einhalt gebieten. Es scheint sich so zu gehören, seine Kinder taufen zu lassen, vor allem und ganz besonders in Bayern. Mitmeinem Gewissen kann ich das heute noch nicht vereinbaren. Schließlich bin ich es, der meinem Kind - bereits bevor dieses selbst entscheiden kann - einen Glauben auf die Stirn schreibt. Ich zwinge meinem Kind etwas auf, an das ich selbst nicht glaube? Komisches Gefühl. Ja, ich weiß, ich übertreibe jetzt wieder maßlos, ist doch nichts Schlimmes und man kann sich ja mit 14 auch gegen die Kirche entscheiden. Aber wer macht das schon? Der gesellschaftliche Zwang der Taufe ist genauso vorhanden wie der gesellschaftliche Zwang der Konfirmation. Noch schlimmer beim katholischen Glauben. Ein 8jähriges Kind kann bei der Kommunion doch nicht wissen, wie es dem Glauben gegenüber eingestellt ist. Ein weißes Kleid zu tragen ist aber schon toll. Glückwunsch, liebe Kirche, euer Marketing funktioniert! Zurück zum Thema: Ich habe mich überreden lassen, meine Kinder taufen zu lassen. Es gab nur einen simplen Grund, gegen den ich mich nicht widersetzen konnte: Sie werden es einfacher haben. Eltern wollen immer, dass es ihre Kinder einfach haben. Für die Revolution ist noch genügend Zeit, dachte ich mir. Ist es auch. Wirklich.

Kommen wir zurück zum Taufgespräch. Die nicht vorhandene Vorfreude meiner Frau war vor allem darin begründet, dass sie wusste, was passiert. Ich liebe es, über Glauben zu diskutieren. Ich habe ihr im Vorfeld versprochen, mich im Hintergrund zu halten. Wollte ich auch. Ehrlich.

Das Gespräch verlief gut, wir wurden aufgeklärt über das Ritual der Taufe, die Formalitäten wurden durchgesprochen. Ich machte meiner Pfarrerin einen Tee, möglichst nicht so ganz so ungesund, wie sich das eben so für einen gläubigen Christen gehört. Doch weder meine Pfarrerin noch ich konnten es lassen, die Frage musste wohl kommen und meine Antworten auch. „An was glauben Sie denn, Herr Bauer?“. – Der Startschuss war gefallen, er hat uns weitere 3 Tees gekostet.

Ich will mich über die Details hier nicht weiter auslassen, denn ich denke, es gibt in diesem Buch noch genug Gedanken zu meinem Glauben. Das kann sich dann jeder selbst zusammenreimen. Vielleicht wird es ja auch noch ein eigenes Kapitel.

Ich wurde - nach meinem Vortrag – erst einmal analysiert. Ein wenig erinnert mich das im Nachhinein an diesen Film, dessen Soundtrack ich gerade höre: Conan, der Barbar. Der große Sektenführer erzählt mir was von Stärke und Macht. Sie sagte, ich sei ein „Suchender“. Ich habe das verneint, aber ganz so Unrecht hatte sie damit nicht. Ich musste mir tatsächlich einen Glauben suchen, vielleicht mache ich das heute noch. Doch eines hat sie nicht verstanden, ihren werde ich nicht suchen. Er ist aus dem Raster gefallen. Das wiederrum wollte sie dann auch nicht zulassen.

Dieses Kapitel heißt Genesis. Dieser schöne Name für ein Kapitel stammt aus der Bibel. Die Genesis, Adam und Eva, die Schöpfung, der siebte Tag, an dem sich Gott ausruhen muss. Das Feigenblatt, die Schlange. Nun, ihr kennt die Geschichte.

Wie ich bereits eingangs geschrieben habe ist Gott, also der Christengott, Jehovah, nicht der Anfang der Geschichte. Der Anfang ist das Nichts. Hier findet man – ihr könnt mich gerne korrigieren – in der Weltgeschichte nur wenige Glaubensrichtungen, die das Chaos an den Anfang setzen. Das Chaos, das Nichts, der Urknall. In der griechischen Mythologie steht das Chaos am Anfang, unter anderem wird aus Chaos Gaia entstehen, die Königin des Lebens und der Rache, aber auch die Königin des Todes. Sie gebärt, sie übt Rache und sie verschlingt. Gaia ist für mich der Inbegriff des Glaubens, denn ich finde ihn jeden Tag, überall auf der Welt. Bei den Tieren wie bei den Menschen. Barmherzigkeit und Nächstenliebe kennt Gaia nicht. Ist es nicht auch so auf der Welt? Die paar Menschen, die das Christentum wirklich zu 100% fehlerfrei leben, kann man zählen. Die Nächstenliebe hört meist bei einer Spende für das rote Kreuz auf – immerhin.

Was allerdings sogar das Christentum erkannt hat, ist eine der wichtigsten Erkenntnisse überhaupt. Es gibt den Teufel. Besser gesagt: es gibt ein Gegenstück zu Gott. Wenn es eine Gesetzmäßigkeit gibt, dann wohl die der entgegengesetzten Energie. Gott und der Teufel, Pro und Kontra, Tod und Leben, Liebe und Hass, Materie und Antimaterie, Krieg und Frieden. Man kann diese Reihe endlos fortsetzen. Immer gibt es zum Ding ein Gegending.

Eine ganz einfache Frage stelle ich mir immer und immer wieder: Es gibt ein Diesseits … also gibt es ja auch ein Jenseits, oder? Das ist für mich der einzige Gottesbeweis, den ich zulassen würde, es ist ein Beweis, dass noch was kommen könnte. Komischerweise vereinen die Griechen Leben und Tod in einer Person, wieso ist das eigentlich so? Machen die anderen doch auch nicht, es gibt doch immer einen Gegenspieler zum Allmächtigen? Naja, vielleicht haben die Griechen erkannt, dass das Gute und das Böse in einer Person vereint werden kann. Oder sogar definitiv vereint ist. Jeder von uns scheint sein Engelchen und Teufelchen auf der Schulter sitzen zu haben. Jeder von uns hat in seinem Leben gute und schlechte Dinge getan.

Wir landen zwangsläufig wieder bei den zehn Geboten, die Moses auf die Tafel gemeißelt hat. Hat sich irgendeiner schon einmal gefragt, warum er das getan haben könnte? Ich denke - wenn die Geschichte stimmen sollte - und das glaube ich sogar - dann hat er das wohl getan, weil ihn die Menschen angewidert haben, er war wohl der Meinung, dass die Menschen Regeln brauchen, um miteinander auszukommen. Damit hat er Recht gehabt und er hat für mich Regeln geschaffen, an die sich jeder halten kann. Ich werde es an dieser Stelle einmal wagen, die zehn Gebote in mein Glaubensverständnis umzuschreiben. Das zehnte Gebot entfällt bei meinen Ausführungen, denn es entspricht meiner Meinung nach dem neunten.

Diese neun Gebote unterscheiden sich nur geringfügig von denen des Christentums. Ich versuche danach zu leben.

Elementar war und ist allerdings der Glaube an Gaia für mich schon immer eine Option, wobei ich gestehen muss, ich habe sie immer ein wenig anders definiert, als Mutter Erde, als die Natur, das, was mich umgibt. Bezeichnen wir sie als Schöpfung, als die Naturgesetze, denn ich muss ebenso der Physik oder der Schwerkraft, der Impulserhaltung oder der Schwäche des organischen Lebens gehorchen. Ich kann nicht fliegen, also kann ich auch nicht von einer Brücke springen, ich muss atmen, um zu überleben, also brauche ich Sauerstoff.

Nur einen Punkt, ein Puzzleteil in dieser Welt brauche ich nicht: Die anderen Menschen. Sie sind nicht dazu da, dass ich überleben kann. Wir sind nur eine Rasse, eine Art, die sich fortpflanzt, oder eben auch nicht. Das lag und liegt nicht in unserer Hand...

DIE NEUN GEBOTE